Ein Strichlein hier, ein Strichlein da

landsberglog vom 13.03.2024


In Sachen Verkehr liefert die amtierende Stadtregierung bislang eine absolute Nullnummer. Verkehrsberuhigung, Stauvermeidung, Reduzierung des Parksuchverkehrs, Förderung des Umstiegs vom Auto aufs Rad, effektiver, kostengünstiger Nahverkehr, sichere Radabstellplätze an den Schnittstellen zu Bus und Bahn, ein Parkhaus am Bahnhof, die Entschärfung der Augsburger Straße, eventuell sogar ein Schrägaufzug von der Altstadt in den Osten, all das liegt auf Halde und wird, wahrscheinlich aus Ängstlichkeit, nicht in die Wege geleitet. Einiges davon wird sich rächen. Haben wir kein Buskonzept, schreiben wir bald erneut die Spaghetti-Linien aus, die nur für wenige Landsberger attraktiv sind; bis zu einem möglichen Umstieg vergehen dann wieder viele Jahre. Fangen wir nicht mit einer durchgängigen Radwegeplanung an, ist wegen der langen Verfahrensdauer mit deutlichen Fortschritten in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu rechnen.

Was bisher getan wird, ist die Reparatur gescheiterter oder aufgeschobener Planungen. Dabei geht die Stadt minimalinvasiv vor. Hier ein Schutzstreifen (wie an der Neuen Bergstraße jetzt beschlossen), dort ein Stoppschild (wie an der Katharinenstraße) – und das auch nur, weil man nicht schon wieder in der Zeitung von verletzten Radlern lesen will. Landsbergs Politik heißt: Ein Strichlein hier, ein Strichlein da. Ein neuer Radweg entstand nur an der Breslauer Straße, wo die Benutzung des schmalen Rad-Pfades mit Höhenabstand zur Fahrbahn gefährlich war.

Der Stillstand liegt natürlich auch daran, dass der längst fertige Verkehrsentwicklungsplan zusammen mit dem Entwurf des Flächennutzungsplans offenbar in den Schubladen der Stadtverwaltung verstaubt. Inzwischen ist das Ingenieurbüro Brenner bereits zweimal mit Detailplanungen beauftragt worden, einmal in Sachen Pfettenstraße und einmal in Sachen Staufenstraße. Das Gutachten Pfettenstraße zeigt die derzeitige Überlastung der Kreuzung Iglinger Straße / Augsburger Straße auf und regt dort einen (teuren) Kreisverkehr an. Dieser Vorschlag ist nur dann sinnvoll, wenn man nichts daran ändert, dass die Kreuzung auch als Zufahrt zum Gewerbegebiet genutzt wird. Das Verkehrsgutachten hat dieses Problem sicher längst erkannt; nur darf da niemand drauf Bezug nehmen.

Im Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt spielte der Verkehr in Landsberg eine enorme Rolle. Mit Worten wie „Schutzstreifen“ oder „Stoppschild“ gaben sich die Kandidaten (m/w/d) gar nicht erst ab. Damals wussten sie noch: Schutzstreifen gehören nur auf Straßen mit geringem Verkehr und niedrigen Kfz-Geschwindigkeiten. Schutzstreifen sind keine eigenständige Radverkehrsinfrastruktur, da sie legal („bei Bedarf“) vom Kraftverkehr mitgenutzt werden. Es gibt häufig Konflikte durch zu geringen Abstand. Baulich getrennte Radwege sind immer die bessere Lösung. Das Argument „Dafür haben wir kein Geld“ lässt tief blicken: Dann war wahrscheinlich alles, was die Politik den Landsbergern in Sachen Verkehr versprochen hat, eine Lüge. Wie wollen wir denn die großen Maßnahmen finanzieren? Ohne Investitionsbereitschaft doktern wir nur an den Symptomen herum. Bleibt noch zu fragen: In welchem Tunnel haben sich eigentlich die Grünen verkrochen? Bleiben die da oder sieht man sie nochmal?


Und täglich grüßt das Richterrecht

landsberglog vom 06.03.2024


Die Bewohner der Altstadt ärgern sich zurecht über die Landsberger Montagsdemos. Die von ihr ausgehenden Störungen überschreiten das notwendige Maß. Doch der Landkreis erlässt keine hinreichenden Regelungen zum Schutz von Familien, Wirtschaft und Gewerbe.

Als Grund werden Urteile angeführt, die eine Einschränkung von Demonstrationen erschweren. Tatsächlich gibt es Gerichtsentscheidungen, die unbeteiligte Dritte als „Symbolfiguren“ bezeichnen, die eine „nötigende Wirkung“ hinzunehmen hätten, sei doch die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit „Wesensmerkmal der Versammlung“. Aber wenn man diese Urteile genau anschaut, die oft Fälle aus dem Strafrecht betreffen, dann passt keines von ihnen auf uns. Man kann aus der Bewertung des Protests an der Rhein Main Military Air Base im Jahr 2004 gegen die unmittelbar bevorstehenden militärische Intervention der USA im Irak nicht darauf schließen, ob man mit terminkalendermäßiger Regelmäßigkeit durchgeführte, in ihrer Zielsetzung wechselnde und auf exzessive Ausführungsweise ausgerichtete Aktionen in der Landsberger Altstadt ad infinitum so wie beantragt genehmigen muss.

Wenn man Richterrecht in der Verwaltung immer wieder anwendet, so wie man in Punxsutawney in Pennsylvania jeden Morgen das Murmeltier aufsucht, wird man den Veränderungen in der Gesellschaft nicht gerecht. Zumal in westlichen Demokratien längst nicht mehr nur politische Ziele Anlass für Demonstrationen sind. Es geht immer öfter um Veranstaltungen, die von der Verbreitung von Verschwörungstheorien, der Kundgabe von Hass und dem Drang nach Selbstverwirklichung geprägt sind, was eine zwangsweise Teilnahme von Bewohnern und Passanten daran selbst aus der Ferne unerträglich macht.

Das Demonstrationsrecht ist nicht das einzige endlos perpetuierte Richterrecht. Das Gleiche gilt für das Streikrecht. Dass eine Gewerkschaft tagelang den Bahnverkehr in Deutschland brachlegen kann, obwohl Verhandlungen noch nicht gescheitert sind und das Instrument „Warnstreik“ noch nicht eingesetzt wurde, ist Ergebnis eines sich ewig haltenden Richterrechts. Eine einstweilige Verfügung im Eilverfahren gegen einen bundesweiten Bahnstreik sei nur bei „offensichtlicher Rechtswidrigkeit“ möglich, sagt die Rechtsprechung, weil sonst unwiederbringliche Schäden für die Gewerkschaften entstünden. In Wirklichkeit ist es dieser übertriebene Maßstab für ein Eilverfahren, der immer wieder unnötigen Schaden schafft, nämlich bei der Bahn und ihren Kunden, die ihre Geschäfts- und Privatreisen absagen müssen und auf den Kosten sitzenbleiben.

Liebe Juristen, schaut nicht täglich in die verstaubte Urteilssammlung, die auf Eurem Schreibtisch steht, sondern fragt, ob die in früheren höchstrichterlichen Entscheidungen zum Ausdruck kommenden Maßstäbe auf den aktuellen Fall noch passen. Wenn nicht, entscheidet bitte über heutige Anträge nach heutigen Maßstäben. Schaut dabei auch einmal in die Literatur zu einem Rechtsgebiet, wo man meist viel weiter ist als in den Urteilen. Natürlich ist es einfacher und risikoloser, Euch nach einer 20 Jahre alten Entscheidung zu richten; dann kann man Euch nichts vorwerfen. Aber nur mit dem Mut zum Risiko kommen wir zu neuem Richterrecht, das die Realität abbildet.


Nachtrag

zum landsberglog vom 28.02.2024 (Treuepflicht und Ratsmandat)


Aufgrund von Nachfragen: Die Formulierung, dass der Stadtrat "als Ganzes" entscheiden könne, war als Abgrenzung zum Ältestenrat gemeint. Soweit Stadträte (oder deren Gattinnen) gastronomische Betriebe rund um den Hellmair-Platz betreiben, sind sie selbstverständlich nach wie vor gehindert, an der Beratung und Abstimmung teilzunehmen.


Treuepflicht und Ratsmandat

landsberglog vom 28.02.2024 (Vorab-Veröffentlichung vom 22.02.24)


Der Landsberger Stadtrat hat gestern nicht wie vorgesehen über die Oide Wiesn und andere Festzelte in der Altstadt entschieden, sondern die Beschlussfassung erneut vertagt. Die Sache ist nun seit über einem Jahr in der Schwebe. Obwohl beide Themen nur lose verknüpft sind, verlangte der Stadtrat zunächst Auskunft vom Vorstandsvorsitzenden der VR-Bank Landsberg-Ammersee, Stefan Jörg, zum Stichwort „Kontenkündigung“. Seine spontane Befragung in der Sitzung war aber für alle Seiten unbefriedigend.

Jörg hatte nach einer missglückten Abstimmung über die Oide Wiesn im Oktober 2023 die Konten der Stadträte Christoph Jell und Claus Moritz (beide UBV) gekündigt und angekündigt, beide Kontoinhaber aus der VR-Bank-Genossenschaft auszuschließen. Warum das geschah, ist bis heute unklar. Öffentlich präzisiert ist nur ein angeblicher Verstoß gegen Treuepflichten, die aus der Genossenschafts-Satzung resultieren. Tatsächlich haben Mitglieder nicht nur das Recht, an der Gestaltung der Genossenschaft mitzuwirken, sondern auch die Pflicht, die VR-Bank zu unterstützen und ihr „Interesse zu wahren“.

Stimme ein Stadtrat lediglich gegen die Interessen der Bank ab, sei das noch kein Verstoß, meinte Jörg am Mittwoch. Christoph Jell habe aber mehr getan; er habe den Antrag gestellt, das Festzelt der VR-Bank nicht mehr wie bisher zu genehmigen. Das ist so nicht richtig; Jell bat lediglich darum, über einen entsprechenden Antrag von drei Gastronomen zu beraten - seine E-Mail mit dieser Bitte liegt uns vor. Abgesehen davon: Es ist völlig offen, in welchem Umfang man aus der Treuepflicht tatsächlich Handlungsverbote entnehmen kann. Das konnte bislang niemand präzisieren, auch der von uns befragte Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht. Wenn es solche Handlungsverbote gibt, gelten sie dann auch für Stadträte, deren Mandat nicht einschränkbar ist? Ist das Ratsmandat nicht stärker als die Treuepflicht? Und würde es nicht zu einem Ungleichgewicht führen, wenn ein Stadtrat keine negativen Beschlüsse einleiten, an positiven Maßnahmen aber stets mitwirken dürfte, obwohl er bei den Ausschüttungen der Genossenschaft davon profitiert?

Diese Fragen sind sämtlich ungeklärt. Stefan Jörg reagiert auf diese Zweifel stets mit dem Hinweis, es gehe in Wirklichkeit um mehr als Jells „Antrag“; über weiteres Fehlverhalten der beiden Stadträte dürfe er wegen des Bankgeheimnisses aber nicht sprechen. Derartige öffentliche Andeutungen sind problematisch, nicht nur wenn sie stimmen, sondern auch wenn sie nicht stimmen und sich als Bashing oder üble Nachrede erweisen sollten.

Wie kommen wir nun wieder zu den Festzelten zurück? Es ist zwar nicht die Aufgabe der Stadt, die VR-Bank aus misslicher Lage zu befreien. Ein klärendes (gerne auch deutliches) Wort im Ältestenrat, verbunden mit der Vorbereitung der neuerlichen Abstimmung über die Festzelte, könnte aber hilfreich sein. Die VR-Bank müsste sich verpflichten, den Vorwurf der mangelnden Treue fallenzulassen und sich auf die Vorhalte gegen Jell und Moritz zu beschränken, die sie sonst noch geltend macht. Das wird dann ein Fall für die Gerichte. Der Stadtrat als Ganzes könnte sich dann auf die Festzelt-Frage konzentrieren und unvorbelastet über die Oide Wiesn und sonstige Brauchtumspflege entscheiden.


landsberglog vom 21.02.2024 (wie Print)



Mitte Dezember 2023 bekamen wir eine E-Mail von Stadtrat Stefan Meiser (ödp): „Das KU (Kommunalunternehmen, Stadtwerke Landsberg) hat den Jahresabschluss für das Jahr 2022 noch nicht vorgestellt. Liegt Ihnen eine Einladung zu einer Bilanz-Pressekonferenz vor? Eigentlich müsste es eine Veröffentlichung dazu geben. Auch müsste den Bürgern Gelegenheit zur Einsichtnahme gegeben werden.“ Nein, so eine Einladung lag uns nicht vor. Die Stadtwerke und die Sparkasse stellten sie zeitgleich mit der Übernahme des Amts der Verwaltungsratsvorsitzenden durch die Oberbürgermeisterin ein. Uns bleibt auch nur das allgemeine und befristete Bürgerrecht auf Einsichtnahme.

Stefan Meiser recherchierte weiter und stellte fest: Der Jahresabschluss 2022 lag bereits im August 2023 im Rathaus zur Einsichtnahme aus; die Frist dazu ist schon lange abgelaufen. Von zwei Wegen, auf diese „Niederlegung“ hinzuweisen, hatte die Stadt einen aber nicht beschritten, was ihrer Angabe nach ein technisches Versehen war. In der Geschäftsordnung des Stadtrats ist sowohl die Bekanntgabe der Niederlegung auf amtlichen Schautafeln wie auch der Hinweis auf die Niederlegung auf der Website der Stadt vorgesehen; dort sind Amtliche Bekanntmachungen sogar im Wortlaut veröffentlicht, was den Weg ins Rathaus erspart, wenn man vom korrekten Abdruck des Originals ausgeht.

Diesen Fehler hätte man einräumen und korrigieren können. Anstatt aber die Niederlegung zu wiederholen, eine neue Frist zur Einsichtnahme zu setzen und die Bürger, darunter auch Stadtrat Meiser, auf der Website über den Jahresabschluss zu informieren, logischerweise als aktuellen Eintrag an erster Stelle, kaprizierte die Verwaltung den Abdruck nachträglich und hinweislos mitten in die 2023er Liste hinein. Erkennbar war dieser Zuwachs im Inneren nur für jemanden, der sich vorsichtshalber einen Ausdruck erstellt hatte. Das Vorgehen ist vergleichbar mit einem Schüler, der auf Mahnungen der Stadtbibliothek, endlich ein bestimmtes Buch zurückzugeben, nicht reagiert, es stattdessen heimlich ins Regal zurückstellt und sagt: „Da ist es doch!“ Merke: Fehler zu machen ist nicht schlimm. Den wahren Charakter offenbart, wie man mit Fehlern umgeht.

Unter diese Überschrift fällt auch der zweite Versuch der Verwaltung, unterstützt durch die Rechtsaufsicht. Sie argumentiert, allein der Aushang in den Schaukästen sei relevant. Und wirft noch eine Nebelbombe: Erst jetzt, nach einer Rechtsänderung, komme die Allein-Bekanntmachung im Internet in Betracht. Um die Bekanntmachung geht es aber gar nicht; die erfolgt weder im Schaukasten noch im Internet, sondern durch „Niederlegung zur Einsichtnahme“. Es geht um die Information über diese Niederlegung. Und die muss nach der Geschäftsordnung sowohl auf den Amtstafeln wie auch im Internet erfolgen. Unternehmen und Bürger können sich entscheiden, ob sie Aushänge konsultieren oder sich über die Website informieren. Fehlt einer der beiden Hinweise, liegt keine Niederlegung vor. Sind daran Fristen geknüpft, beginnen sie nicht zu laufen.

Die Bürger auf die Schaukästen zu verweisen und sie als allein relevant zu bezeichnen, ist Verwaltung von vorgestern, ein unglaublicher Rückgriff in die Mottenkiste. Das lässt erneut den Schluss zu: Mit Transparenz ist in dieser Amtszeit wohl nicht mehr zu rechnen.


Stadt, Gesellschaft, Stadtgesellschaft

landsberglog vom 14.02.2024 (wie Print)


Wie ebnen wir den Weg des Einzelnen in die Gemeinschaft? Wie schaffen wir Kontakt und Miteinander? Wie werden wir sozial? Diese Fragen bilden die Essenz und in vielen Fällen das unausgesprochene Motiv ehrenamtlichen Engagements. Im Sportverein und in der Kirche, im Chor und in der Wandergruppe, im Jugendzentrum und im Seniorenbeirat - letztlich geht es immer um die gleiche Frage: Wie gestalten wir unser Zusammenleben, wie verhindern wir Isolation, wie bilden wir eine Gesellschaft?

In Festreden ist das Vertretern der Stadt Landsberg auch klar. Die Politik bedankt sich bei Ehrenamtlern, verleiht ihnen Auszeichnungen, spornt zum Weitermachen an. Etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig. Viele Aufgaben kann die öffentliche Hand nicht selbst wahrnehmen. Ob Nachbarschaftshilfe, Hospizarbeit, Faschingsverein, Autorenkreis, Hundestaffel, Behindertensport oder Vorschulschwimmen: Der Staat ist auf all das angewiesen und fußt auf diesem Zusammenhalt.

Umso unverständlicher ist es, wenn die Stadt Landsberg, vertreten durch die Oberbürgermeisterin und den Stadtrat, Anträge ehrenamtlicher Bürger und Organisationen an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und sozialem Wirken bürokratisch und ohne hinreichenden Respekt abbügelt. Zuletzt geschah dies in der ersten Stadtratssitzung des Jahres, als der Seniorenbeirat sich um Unterstützung in einer Raumfrage bemühte. Sein Problem sind nicht Veranstaltungen; hierfür gibt es genug Stätten, insbesondere bei freien Trägern wie der AWO. Sein Problem besteht darin, dass er ohne feste Adresse, ohne einen zentralen Raum in der Innenstadt, Landsbergs 6.600 Senioren untertags nicht erreicht und ihnen auch kein soziales Angebot unterbreiten kann. Ein offener Seniorentreff, ein Spielenachmittag, Beratungstage und vieles mehr sind geplant. Getränke soll es dabei zum Selbstkostenpreis geben; wer sich immer in Cafés treffen muss, hat hohe Kosten. Außerdem hätte der Seniorenbeirat dann auch für die eigenen Sitzungen einen festen Ort.

Der Seniorenbeirat hat seinen Antrag am 10. Januar 2024 schriftlich gestellt. Doch weder die Abteilung 10 (Allgemeine Verwaltung und Rechtsamt) noch die Abteilung 40 (Planen und Bauen) noch das Referat 13 (Schule, Jugend und Senioren), bei dem auch die Musikschulen und das Jugendzentrum ressortieren, fanden einen Raum zur Allein- oder Mitbenutzung. Stattdessen brachte die Oberbürgermeisterin den Antrag schon in die 14 Tage später stattfindende Stadtratssitzung ein, wo er abgelehnt wurde.

Dabei käme bereits der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss des ehemaligen Ursulinenklosters in Betracht, der von den Mietern der städtischen Seniorenwohnungen nicht in Permanenz benötigt wird. Darüber hinaus gibt es andere Möglichkeiten, wenn man sich Zeit nimmt und einen guten Willen hat.

Wenn Ehrenamtler, die sich für die Gesellschaft engagieren, einmal die Hilfe der Stadt brauchen, erwarten wir, dass ein solcher Wunsch nicht einfach abgetan wird. Das gilt auch dann, wenn sich Stadtrat oder Verwaltungsspitze wie hier über Formen geärgert haben, die aber nebensächlich sind. Die Stadtgesellschaft als Ganzes hat einen Anspruch auf Fairness und Verständnis gegenüber dem Ehrenamt. In diesem und in künftigen Fällen.


Winterurlaub oder Wärmepumpe?

landsberglog vom 07.02.2024 (wie Print)


Es gibt so manche Unvereinbarkeit, die man erst im Laufe eines Hausbesitzerlebens feststellt. Dazu zählen Sonnensegel im zerrenden Gewittersturm, Wintergärten bei sengender Sommersonne, Stellplätze unterm harzenden Nadelbaum und Plexiglasdächer bei lochfressendem Hagelschlag. Zwei Landsberger Wetterereignisse, starke Schneefälle im Dezember 2023 und die Kombination aus Tauwetter und Blitzeis im Januar 2024, haben nun möglicherweise einen neuen Gegensatz offenbart: Winterwetter und Wärmepumpe.

Bislang haben wir uns darüber keine Gedanken gemacht. Die Wärmepumpe steht in der Gunst der Bundesregierung ganz oben; wenn es nach ihr geht, heizen wir bald alle damit. Allerdings kommen die handelnden Minister aus dem Norden oder Westen Deutschlands, wo man sich jedes Jahr von Neuem fragt, ob Winterreifen wirklich nötig sind. Dort denkt man zum Schutz von Außenanlagen eher an Deichbau, um sich vor Ausuferungen von Nordsee, Elbe oder Rhein zu schützen; Schnee ist dort so gut wie nie ein Thema.

Auf die meteorologische Besonderheit der Voralpenregion machte uns jetzt ein Haustechnik-Betrieb aus dem Landkreis Landsberg aufmerksam, der seit zehn Jahren Wärmepumpen installiert, also unverdächtig ist, ein Gegner dieser Technik zu sein. Allerdings stört ihn, dass er im Winter Installationen verschieben oder unterbrechen muss, um notfallmäßig Wärmepumpen zu reparieren, die wegen Schnee oder Eis ausgefallen sind.

Wir wollten wissen: Gibt es da tatsächlich ein Problem? Einer der großen Hersteller von Wärmepumpen wollte das auf Nachfrage zwar nicht bestätigen, stellte uns aber ein vielsagendes Merkblatt zur Verfügung, das neue Besitzer von Wärmepumpen bei der Übergabe der Anlage erhalten. Dort heißt es: „Überprüfen Sie in regelmäßigen Abständen die vorderen und hinteren Gitter an der Außeneinheit der Wärmepumpe. Stellen Sie sicher, dass kein Schnee die Luftzufuhr blockiert. Herabfallender Schnee und Eis kann die Außeneinheit der Wärmepumpe beschädigen. Stellen Sie daher sicher, dass Schnee und Eis vom Dach in der Nähe der Pumpe entfernt werden. Achten Sie darauf, dass sich um die Wärmepumpe herum kein Schnee ansammelt. Wenn es viel Schnee gibt, müssen Sie den Bereich um die Pumpe herum räumen. Wenn der Schnee schmilzt und das Eis taut, entsteht eine Menge Kondenswasser. Bringen Sie bei Tauwetter eine Ablaufwanne an, die den Oberflächenwasserablauf vom Haus weg ermöglicht.“

Wir fragen uns, wie wir diese Aufgaben wahrnehmen sollen, wenn wir in der kalten Jahreszeit unterwegs sind. Stellt sich für uns nun die Frage „Winterurlaub oder Wärmepumpe?“ Wer kümmert sich in unserer Abwesenheit um die Beseitigung des Schnees auf dem Dach, um die radiale Schneeräumung um die Pumpe herum, um den Oberflächenwasserablauf?

Könnte es sein, dass im Freien stehende Wärmepumpen bei uns generell problematisch sind? Diese Frage interessiert uns ab jetzt ebenso wie die nach den künftigen Strompreisen, nach der Verfügbarkeit von Heizungsplanern und nach den notwendigen Investitionen in Dämmung, Photovoltaik und großformatige Heizkörper. In Sachen Heizung ist das letzte Wort in Deutschland wohl noch nicht gesprochen, meint unser Haustechniker. Und er hat wohl Recht.


Gegen rechts ist nicht genug

landsberglog vom 31.01.2024 (wie Print)


2.500 Landsberger haben am Samstag eindrucksvoll bekundet, dass die AfD nicht wählbar ist. Wer den Stimmzettel als Denkzettel einsetzt, stürzt unser Land ins europäische Abseits, in den wirtschaftlichen Abgrund und ins demokratische Chaos. Wer damit liebäugelt, schafft seinen Wohlstand und seine Freiheit selber ab.

Gegen „rechts“ zu demonstrieren, ist aber nicht genug. Wir müssen auch die Nichtwähler mobilisieren, so wie es bei der Landratswahl in Thüringen am Wochenende gelungen ist. Und diese Nichtwähler müssen bei den Parteien der Mitte für sie passende Angebote finden. Im Moment ist das schwer. Die aktuelle Bundespolitik mutet den Menschen zu viel zu, und zwar rechtlich wie erstmals auch gesellschaftlich. Erforderlich ist ein Kurswechsel von aktivistischer ex-cathedra-Regulierung hin zu machbarer und akzeptabler Schritt-für-Schritt-Anpassung. Das gilt auch für bereits beschlossene Vorschriften. Außerdem brauchen wir eine Union mit klaren Konzepten und wählbaren Kandidaten, die ohne Belehrung und Schadenfreude auftreten. Die CDU-Ministerpräsidenten bilden dazu ein geeignetes Potential.

Essenziell ist zudem eine neue Migrationspolitik. Bislang hat die Koalition nur Probleme eingeräumt, aber keine praktikablen Lösungen benannt. Solange abenteuerliche Konzepte wie „Ruanda“ im Raum stehen, glaubt niemand, dass die Regierung den Turnaround schafft.

Dabei gäbe es eine Lösung. Wir haben in Deutschland einen eklatanten Kräftemangel, der nicht nur ein Fach-Kräftemangel ist. Es fehlen eine Million Arbeitskräfte pro Jahr. Im internationalen Wettbewerb um bereits qualifizierte Talente sieht es nicht so aus, als würde die imagemäßig stark abgesunkene Bundesrepublik auf den vorderen Plätzen landen. Warum kombinieren wir die beiden Themen nicht miteinander? Denkbar wäre, jedem Migranten mit absehbarem Bleiberecht die sofortige Teilnahme an einem zwölfmonatigen verschulten Kurs „Integration und Qualifikation“ vorzuschreiben. „Verschult“ meint „Lernen in Gemeinschaft“, etwa in Bildungseinrichtungen oder Kasernen. Nach diesem einjährigen Power-Berufsgrundkurs wären Migranten, entsprechend ihrer individuellen Vor-Qualifikation, berufstauglich und zudem sprachlich auf einem höheren Niveau. Manche so gewonnene Kraft könnte sich später zumindest in spezialisierter Form zur Fachkraft entwickeln.

Schutzsuchende werden dann nicht mehr, wie manche meinen, „fürs Nichtstun bezahlt“, sondern erhalten eine Vergütung, wenn und solange sie an diesem verpflichtenden Ausbildungsjahr teilnehmen. Und wer später in sein Land zurückkehrt, freiwillig oder wegen fehlender Anerkennung, hat trotzdem profitiert.

Wir beheben damit den Kräfte- und reduzieren den Fachkräftemangel. Wir entlasten die Landkreise und Kommunen, bei denen Asylbewerber und Flüchtlinge später, planbarer und mit weniger Betreuungsbedarf ankommen. Und wir vergrößern die Chance zur Integration von Migranten durch Sprache und Beruf.

Die Ampel-Politik korrigieren, die Opposition ertüchtigen, das Problem Migration lösen und klare Kante gegen Verfassungsfeinde zeigen wie am Samstag bei der Demo und am Sonntag in Thüringen, so kommen wir aus der Krise wieder heraus.


Die Fünf-Minuten-Terrine

landsberglog vom 24.01.2024 (wie Print)


Im Jahr 2020 haben sich Bürger über die Oberbürgermeisterin an den Stadtrat gewandt. Sie baten darum, die übermäßige Inanspruchnahme der Wohnstraßen südlich der Waldorfschule zu beenden. Aufgrund einer Öffnung im Zaun der Schule kommt es in den Anliegerstraßen trotz eines Haltverbots zu Elterntaxi- und Parkverkehr. Dazu finden Sie in dieser Ausgabe des KREISBOTEN einen Bericht.

Die Oberbürgermeisterin leitete das ausführliche Schreiben damals offenbar nicht an den Stadtrat weiter, sondern stellte den Antrag nach mündlichem Kurzvortrag im nichtöffentlichen Teil einer Stadtratssitzung zur Abstimmung. Er wurde abgelehnt.

Das gibt erneut Anlass zur Kritik. Erstens: Eingaben von Bürgern an die Stadt müssen vollständig an den Stadtrat weitergeleitet werden, es sei denn, es handelt sich um wiederkehrende Angelegenheiten der laufenden Verwaltung ohne grundsätzliche Bedeutung. Bloßes Referieren reicht nicht. Zweitens: Eine nichtöffentliche Beratung ist nur zulässig, wenn es besondere Gründe der Geheimhaltung gibt; die lagen hier nicht vor.

Der landsbergblog, der oft und geübt recherchiert, benötigte zur Beurteilung der Eingabe der Bürger über drei Stunden Zeit. Wir sahen uns den Bebauungsplan für die Waldorfschule an, betrachteten Luftbilder, studierten die Park-Empfehlungen der Waldorfschule, prüften den Schulwegeplan der Stadt und lasen Urteile zur mittelbaren Störerhaftung. Die Bürger haben Anspruch darauf, dass die Stadträte ähnlich sorgfältig vorgehen. Damit sind ein Ad-Hoc-Vortrag außerhalb der Tagesordnung und Entscheidungen im Eilmodus unvereinbar. Man kann dem Stadtrat ein komplexes Thema nicht als Fünf-Minuten-Terrine auftischen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass es verschiedene Lösungswege gibt; die eine Vorschrift, die die Sache klar regelt, gibt es nicht. Erforderlich ist daher eine politische Abwägung. Dass die Bürger nun, bei erneuter Antragstellung drei Jahre später, über das damalige Verfahren sauer sind, kann man verstehen. Die Enttäuschung ist groß.

Was würden wir in einem solchen Fall tun, hätten wir eine Funktion in der Verwaltung? Wir würden den Stadträten alle Unterlagen zur Verfügung stellen, die wir herausgesucht haben, damit jeder von ihnen eine optimale Vorbereitung bekommt. Wir würden den Punkt als eigenständigen Tagesordnungspunkt auf die Agenda einer öffentlichen Stadtratssitzung setzen, so dass die Antragsteller präsent sein und nachvollziehen können, wie der Stadtrat seine Abwägung getroffen hat. Und wir würden vor Ort zuvor das ein oder andere Gespräch geführt haben, um vielleicht einen Konsens zu erzielen. Das geht nicht als Schnellschuss, sondern braucht Sorgfalt und Fleiß.

Die Ampelkoalition in Berlin macht mit ihren einsamen und praxisfernen Entscheidungen viele Bürger zu Wutbürgern. Sollten wir nicht wenigstens auf kommunaler Ebene dafür sorgen, dass Anliegen ernst genommen werden, zumal sie, wie in diesem Fall, möglicherweise auf einfache Weise lösbar sind? Egal, wie die Politik entscheidet: Sie braucht in solchen Fällen ein konsequent demokratisches Verhalten. Schon der Anschein des allzu schnellen Abbügelns von Problemen der Bürger ist brandgefährlich. Wer das versucht, weiß nicht, was er anrichtet.


Ein Jahr ohne Eigenschaften

landsberglog vom 17.01.2024 (wie Print)


Das Jahr 2023 war für Landsberg ein Jahr ohne Eigenschaften. Von der Einweihung der im Vorjahr fertig gestellten Kita am Reischer Talweg und der Gründung einer Kosten-verdoppelnden Wohnungsbaugesellschaft abgesehen hat sich in der Stadtpolitik nichts Wesentliches getan. Im Gegenteil: Das Papierbach-Projekt, das 2024 fertig sein sollte, ist in der Krise. Der Penzinger „Innovationscampus“, an dem die Stadt beteiligt ist, wird durch die BImA gebremst. Fernwärme für Landsberg ist außerhalb der Altstadt praktisch abgeblasen. Die Fußgängerzone wird nicht erweitert. Die Oide Wiesn mag man nicht mehr. Langzeitprojekte wie das Stadtmuseum kommen nur langsam voran.

Insgesamt ist die Bilanz der derzeitigen Koalition aus UBV, Grünen und SPD dreieinhalb Jahre nach ihrem Amtsantritt verheerend. Während andere Städte große Schritte in Sachen Verkehrsberuhigung und Energiewende machen, ist in Landsberg alles beim Alten. Selbst nahezu beschlussreife Angelegenheiten wie der neue Flächennutzungsplan wurden nicht erkennbar weiterverfolgt. Stattdessen soll sich das Bauamt nun ungeachtet der großflächigen Folgewirkungen der Überplanung eines Mini-Karrees in der Schwaighof-Siedlung widmen, um ein einziges Vorhaben zu verhindern, das der Stadt nicht passt. Es ist als hätten die neuen Büroinhaber (m/w/d) eine Käseglocke über die Stadt gestülpt. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landsberger Stadtverwaltung nimmt dies langsam unerträgliche Ausmaße an; entsprechend schlecht ist dort das Betriebsklima.

Ist solch ein Stillstand akzeptabel? Nein, ist er nicht. In den dreieinhalb Jahren haben Hunderte von Schulabsolventen ihren Abschluss gemacht und suchen nun Wohnungen. Betriebe haben Expansionspläne entwickelt und brauchen neue Flächen. Einzelhändler haben geschlossen; die Verpächter suchen Nachfolger. Kommunale Daseinsvorsorge ist in Landsberg zur Hängepartie geworden.

Echte Sorgen muss man sich um die SPD und die Grünen machen. Von ihrer Programmatik haben sie so gut wie nichts durchgesetzt. Ihr Fingerabdruck lässt sich nirgends aufspüren. Ihre Handschrift ist nicht erkennbar. Ihr Profil ist vergessen. Selbst die beiden Bürgermeister-Posten vermitteln offenbar kaum inhaltlichen Einfluss. Stattdessen dienen sie, so wirkt es nach außen, in erster Linie dazu, die Reihen zu schließen. Die SPD steht dabei unter doppeltem Druck. Auch im Landkreis hat sie sich personell, dort durch das Amt des stellvertretenden Landrats, einfangen lassen und muss nun ihre Kritik, insbesondere am 100-Millionen-Bautraum des Landrats, arg zurückhaltend dosieren. Wenn sie und die Grünen so weitermachen: Wie sollen beide Parteien bis zum Wahlkampf Anfang 2026 von der Schräglage wieder auf die Beine kommen? Können sich SPD und Grüne dazu komplett und glaubwürdig neu aufstellen? Das geht aus der aktuellen Konstellation heraus nicht.

Deswegen sollten beide Parteien und Fraktionen dringend darüber nachdenken, wieder eigenständig zu agieren und die Oberbürgermeisterin nur noch von Fall zu Fall zu unterstützen, wenn die Ziele übereinstimmen. Ansonsten sollten sie mit Anträgen die Politik der SPD und der Grünen wieder zur Geltung bringen. Dann wissen ihre Anhänger 2026, was sie wählen, wen sie wählen und warum.


Demo, Blockade, Gewalt

landsberglog vom 10.01.2024 (wie Print)


Die Bürger Landsbergs sind in dieser Woche durch die Blockade von Kreisverkehren sehr schmerzhaft in die Auseinandersetzung um die Subventionierung landwirtschaftlicher Betriebe einbezogen worden, obwohl sie an den kritisierten Beschlüssen weder schuld sind noch sie beeinflussen können. Das wirft die Frage auf, ob absichtliche Blockaden, die auch die Klimakleber anwenden, noch Demonstrationen sind oder etwas anderes, nämlich Blockaden. Im ersten Fall wären sie zu respektieren, im zweiten Fall aufzulösen.

Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand. Wenn Demonstrationen das Recht zu Blockaden beinhalten würden, dann hätten Millionen von Organisatoren und Teilnehmern sie bei ihren Demos schon längst eingesetzt. Immerhin ist Artikel 8 des Grundgesetzes bereits seit 74 Jahren in Kraft. In diesen 74 Jahren hat sich eine Rechteabwägung herausgebildet, die allen Seiten gerecht wird. Unbestritten ist, dass Demonstrierende das Recht auf Sichtbarkeit haben; niemand muss in den Wald gehen, um für oder gegen etwas einzutreten. Aber bei jeder Demo ist ein Kompromiss zu finden zwischen dem Demonstrationsrecht der Teilnehmer und den Freiheitsrechten der Nicht-Teilnehmer. Demonstrationen dürfen das tägliche Leben der Anderen nur soweit einschränken, wie das zum Zweck der Wahrnehmbarkeit der Demo notwendig ist. Die Einschränkung ist dann hinzunehmende Nebenwirkung. Es ist aber völlig indiskutabel, die Einschränkung anderer vorsätzlich herbeizuführen und sie zur Hauptwirkung zu machen. Die willkürliche Blockade hat mit einer Demonstration nicht das Geringste zu tun. Die Blockade ist bereits der rechtswidrige Exzess, nicht etwa erst eine über die Blockade hinausgehende besondere Nötigung.

Wäre die Blockade vom Grundgesetz gedeckt, müssten Blockierer übrigens folgerichtig das Recht haben, die Wirksamkeit der Blockade durchzusetzen. Mindestens könnten sie von der Polizei verlangen, zu verhindern, dass irgendjemand die Blockade durchbricht. Hin- und herfahrende Trecker auf der Neuen Bergstraße würden dann ebenso zum Schutzgut wie nebeneinander fahrende Mähdrescher auf der B17 und Klimakleber auf dem Hauptplatz. Wer nicht blockiert werden möchte, wird zum Störer. Die nächste Stufe nach der Blockade heißt Gewalt. Und die könnten die Blockierer auch selbst ausüben, als strafbefreite Nothilfe, wenn keine Polizei in der Nähe ist.

Es wird jetzt höchste Zeit, das Thema auf die Tagesordnung der Parlamente zu setzen. Das Demonstrationsrecht kann durch Gesetze eingeschränkt oder präzisiert werden. Schaffen es die zuständigen Behörden auf Landkreisebene und die Polizei nicht, Blockaden zu verhindern oder aufzulösen, müssen sie explizit verboten und unter Strafe gestellt werden.

Ob es so weit kommen muss? Gesetze soll man nur mit zitternden Händen ändern, hat mal ein Philosoph gesagt und hat Recht damit. Die Debatte über das Demonstrationsrecht allein könnte ausreichen, um zumindest diejenigen Organisationen und Verbände zu erreichen, die sich zwar als Interessenvertreter, zugleich aber auch als Teil der politischen Landschaft verstehen. Wir brauchen einen Konsens über das Recht und den Exzess. Vernünftige Menschen sollten in der Lage sein, darüber einen Diskurs zu führen und zu einem Ergebnis zu kommen.


Die überschrittene Grenze zur Anbiederung

landsberglog vom 03.01.2024 (wie Print)


Anfang Dezember fand im historischen Rathaus ein umstrittenes Ereignis statt. Das Kulturbüro der Stadtverwaltung und der Förderverein „Liberation Concert“ hatten zu einer Veranstaltung eingeladen, in deren Mittelpunkt eine Solidaritätserklärung der Stadt Landsberg zu Israel stand. Bekräftigt wurde sie durch die in den Landesfarben Israels angeleuchtete Rathausfassade. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) erklärte der Berichterstattung zufolge: „Wir brauchen uns, wir sind mit Ihnen und mit Euch – Schalom Israel!“ und stufte diesen Moment als „historische Stunde“ für die Stadt Landsberg ein.

In den Tagen danach ist in Leserbriefen zurecht eingewandt worden, die Bestärkung Israels sei zu undifferenziert erfolgt. Die Stadt habe sich in einem Moment vor Israel „verbeugt“, in dem es im Gaza-Streifen durch „blinde Rache zulasten der hilflosen Zivilbevölkerung“ moralisch versage. Tatsächlich hatte Israel zu diesem Zeitpunkt seine massive Militäroperation im Gazastreifen bereits begonnen, mit „willkürlichen Bombardierungen“ (US-Präsident Biden) und inzwischen mehr als 20.000 getöteten Zivilisten (Neue Zürcher Zeitung). Viele Staaten baten Israel um Mäßigung, wohlwissend, dass die Hamas zuvor ein unmenschliches Verbrechen begangen hat, als sie am 7. Oktober 2023 wahllos und brutal 1.300 Menschen tötete.

Die Veranstaltung hat wieder einmal gezeigt, dass Kommunen nicht versuchen sollten, Außenpolitik zu machen. Dazu sind sie auch gar nicht berufen; vielmehr sollen sie über „örtliche Angelegenheiten“ entscheiden. Auch sind weder die Oberbürgermeisterin noch die von ihr geleitete Verwaltung berechtigt, Ereignisse wie diese (mit-) zu veranstalten, sofern nicht der plural zusammengesetzte Stadtrat darüber zuvor diskutiert und abgestimmt hat. Ohne Ermächtigung ist die Oberbürgermeisterin nur zur Regelung wiederkehrender Angelegenheiten der laufenden Verwaltung befugt, die keine grundsätzliche Bedeutung haben.

Das grundsätzliche Verhältnis Deutschlands zu Israel hatte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) einen Monat zuvor auf die Formel gebracht, die Gründung Israels sei nach dem Holocaust das Schutzversprechen der Welt an die Jüdinnen und Juden gewesen – und Deutschland sei „verpflichtet, zu helfen, dass dieses Versprechen erfüllt werden kann“. Deutsche Staatsräson ist, darin besteht Einigkeit, die Sicherheit Israels. Aus dem Holocaust folgt auch der Auftrag, Terror und Hass, Wut und Fanatismus, religiöse Verfolgung und Ausgrenzung beim Namen zu nennen und soweit möglich dagegen vorzugehen. Zu den Aufgaben Deutschlands und der Deutschen gehört aber nicht, die politische Führung Israels devot zu unterstützen. Den sicheren Hafen Israel schützen wir nicht durch stetiges Schulterklopfen.

Die Stadtverwaltung hätte daher gut daran getan, das ganze Bild zu zeichnen. Unter Freunden kann die Ermahnung zur Einhaltung von Humanität kein Fehlgriff sein. Lob mit der Gießkanne ist kein Bestandteil von Diplomatie. Sollte die Oberbürgermeisterin oder das Kulturbüro weitere „historische Stunden“ auf dem Gebiet der Außenpolitik planen, und sollte der Stadtrat sie wider Erwarten für sinnvoll halten, wäre die Grenze zur Anbiederung zu beachten. Im vorliegenden Fall wurde sie deutlich überschritten.


Zwischen den Jahren für Sicherheit sorgen

landsberglog vom 29.12.2023 (wie Print)


Im zu Ende gehenden Jahr sind mehr als 22 Millionen Deutsche Opfer von Internet-Kriminalität geworden. Auch im Landkreis Landsberg berichtet die Polizei immer öfter über Vermögensschäden, die durch Hacker und Scammer entstanden. Hacker knacken Passworte oder besorgen sich Zugangsdaten durch Phishing-Attacken. Scammer bewegen Menschen dazu, ihnen Geld zu zahlen, das sie meist durch Kuriere abholen lassen.

Gegen Scammer hilft nur, sich selbst und anderen, insbesondere Senioren, die Tricks der Täter vor Augen zu führen: Ein Schockanruf, der in Aufregung versetzt. Pausenlose Telefonate, die keine Luft zum Atmen lassen. Mehrere Täter, die die falsche Story scheinbar bestätigen. Technische Tricks wie das angebliche Weiterleiten zur Polizei. Ein Geldtransfer in bar auf der Straße.

Oft findet der erste Kontakt durch einen Verwandten statt, der in Not sein soll oder binnen Stunden Geld für einen Haus- oder Autokauf braucht. Dessen aufgeregte oder weinerliche Stimme klingt echt. Manchmal erfolgt die Kontaktaufnahme via WhatsApp und es erscheint sogar das Foto der um Geld bittenden Person. Dann ist das Opfer zuvor auf einen anderen Trick hereingefallen: „Hallo Mama, ich habe eine neue Telefonnummer. Gib sie bitte bei WhatsApp ein.“

Wir appellieren nochmal an alle, die mit Senioren Kontakt haben: Machen Sie diese Betrügereien bei nächster Gelegenheit zum Thema! Eine gute Idee ist auch, ein familienweites „Passwort“ zu vereinbaren, indem man eine Frage sowie die richtige Antwort neben das Senioren-Telefon legt. Wer die Frage nicht korrekt beantwortet, kann kein Verwandter sein.

Hacker richten sich vor allem an Menschen mit wenig Zeit. Wer schnell in einer Mail auf einen Link klickt, das macht das in der Regel zu schnell und ist schon in die Falle gegangen. Hacker profitieren aber auch davon, dass wir oft nachlässig mit unseren Passworten umgehen. Vielleicht nutzen Sie die Tage zwischen den Jahren dazu, Ihre Passworte so zu ändern, dass jede Website ein eigenes (langes) Passwort hat, und zwar eines, das Sie sich nicht merken und ein Hacker nicht ermitteln kann. Dazu brauchen Sie eine App, die diese Passworte erzeugt und verschlüsselt speichert; Sie öffnen diese App auf PC oder Smartphone durch ein Master-Passwort (etwa die Anfangsbuchstaben der Worte eines Ihnen vertrauten Satzes). Sollte das Passwort durch Ausspionieren eines Dienstes kompromittiert werden, kann das ab sofort nur bei ihm zu Schaden führen und nicht auch noch anderswo.

Ein besonders wichtiges Thema ist Ihre E-Mail. Fast jeder Internet-Dienst bietet das Feld „Passwort vergessen“ an. Hat jemand Ihr Smartphone oder Ihren Laptop gestohlen und Zugriff auf Ihre E-Mail, kann er sich mit den bereitwillig zugesandten neuen Passworten nach und nach Zugang zu allen Diensten verschaffen und Sie aussperren. Deswegen sollten Sie auf allen Endgeräten einstellen, dass sich das E-Mail-Programm nur öffnen lässt, wenn man ein korrektes Passwort eingibt. Denn, Achtung: Die viel gepriesene Zwei-Faktor-Authentifizierung (man schickt Ihnen einen zusätzlichen Code) hilft nur, wenn der auf einem anderen als dem gestohlenen Endgerät eingeht!

Das alles ist mühsam, aber leider notwendig. Nur wenn wir den Hackern und Scammern das Leben erschweren, hört diese Seuche auf.


Halbe Lösung, doppeltes Problem

landsberglog vom 20.12.2023 (wie Print)


Die Beschlussfassung des Stadtrats zur Verkehrsberuhigung des Vorderen und Hinteren Angers hat erhebliche Mängel. Zunächst: Anders als von der Oberbürgermeisterin behauptet, entspricht sie nicht dem Bürgerwillen. Ergebnis der Bürgerbeteiligung war ein Doppelbeschluss, zu dem die Einrichtung einer Fußgängerzone an den Wochenenden gehörte. Später teilten die zuständigen Ämter mit, dass das nicht geht. Damit verwirklichte sich ein Problem, auf das der landsbergblog bereits früh aufmerksam gemacht hat: Eine Bürgerbeteiligung ohne Einbeziehung der Fachleute führt dazu, dass der Bürgerwille bei rechtlichen Hindernissen auf einen Schlag ersatzlos obsolet wird. Jedes politische Gremium würde man erneut einberufen und fragen: Wenn Plan A nicht geht, was ist dann Plan B? Bei den Bürgern verfährt man leider anders: Ihr hattet Eure Chance.

Die nun beschlossene erhebliche Reduzierung von oberirdischen Parkplätzen und die Verkürzung der maximalen Haltezeiten ist eine gefährliche „halbe“ Lösung. Als dieser Vorschlag in der vergangenen Amtsperiode des Stadtrats geboren wurde, war er mit dem Bau eines zweigeschossigen Parkhauses unterhalb des neuen Jugendzentrums verbunden. Von diesem Parkhaus hätte man beide Anger über die Bruder- und die Limonigasse schnell erreicht. Die jetzige Stadtratsmehrheit glaubt, Parkplätze kompensationslos streichen zu können. Verkehr verschwindet aber nicht einfach, sondern verlagert sich nur. Der Parksuchverkehr wird auch bei weniger Parkplätzen bleiben; die Zahl der „Suchrunden“ pro Parkplatz wächst sogar. Entnervte PKW-orientierte Kunden werden Vorder- und Hinteranger dauerhaft den Rücken kehren. Gleichzeitig versäumt man, die große Zahl der Altstadt-Bummler zu gewinnen, die sich in einer Fußgängerzone mit Außengastronomie und Sitzflächen wohlfühlen; sie findet man weiterhin auf dem Hauptplatz und am Lechufer. Die mutlose halbe Lösung des Stadtrats bringt also ein doppeltes Problem.

Der Einzelhandel und die Gastronomie kennen im Übrigen nur die Zustände „Fußgängerzone“ und „keine Fußgängerzone“ – mit der Kategorie „parkplatzreduzierte Fahrstraße mit Aufenthaltsflächen im fließenden Verkehr“ motiviert man keinen Händler und keinen Wirt zu unternehmerischem Engagement.

Dass ausgerechnet die Grünen ausschlaggebend gegen die Fußgängerzone stimmten, macht sprachlos. Die Chance zur Verkehrswende in unserer Innenstadt war noch nie so groß wie heute. Die Grünen manifestieren mit ihrem Votum gegen die Fußgängerzone einen Belegungszustand der Ladenlokale, den keiner anstrebt. Sie verhindern den Paradigmenwechsel in Richtung „casual shopping“. Und sie halten Straßenverkehr aufrecht, den man vermeiden könnte. Wer „Grüne für Fußgängerzone“ googelt, stößt auf 1,6 Millionen Fundstellen. „Grüne gegen Fußgängerzone“? Kein Ergebnis gefunden.

Bleibt nur noch eine Frage: Was steht eigentlich im Verkehrsentwicklungsplan? Den hält die Stadtspitze unter Verschluss, so als würde uns ein Blick hinein erblinden lassen. Dabei wären die darin enthaltenen Vorschläge hilfreich gewesen. Warum kaufen wir teure Gutachten und werfen sie weg? Wieso glauben wir, klüger zu sein als unsere Berater? Aus welchem Grund fangen wir alles immer wieder vom vorne an?


Die zweite Hälfte neu gestalten

landsberglog vom 13.12.2023 (wie Print)


Als uns Vertreter der Stadt darüber informierten, dass der Investor am Papierbach Erleichterungen anstrebt, bei denen neben dem Kulturbau auch Gewerbeflächen und die zentrale Einkaufsmöglichkeit geopfert werden sollen, wurden in Stadtrat und der Verwaltung zwei Lager erkennbar. Einige wollen das Projekt auch bei großen Abstrichen durchziehen, vor allem aus Angst vor Gesichtsverlust. Dabei erklären sie sogar die Nahversorgung für verzichtbar. Das andere Lager sagt: Verträge müssen eingehalten werden. Die Stadt verändert nach Fehlkalkulationen keine Bebauungspläne und schafft erst recht kein Wohn-Ghetto. Sie generiert keine Strukturen, die es erfordern, für jeden Liter Milch ins Auto zu steigen. Sie achtet bei Zugeständnissen auf Folgewirkungen für andere städtebauliche Projekte.

Wir halten die zweite Position für richtig. Ehret + Klein hat dem Stadtrat und den Bürgern unter dem Signet „Urbanes Leben“ versprochen, „Landsbergs Neue Mitte“ zu schaffen, ein „lebendiges Quartier“ mit Restaurants, Geschäften, einem Hotel, Kleingewerbe, Kultur und Dienstleistern von der Hausaufgabenhilfe bis zur Paketannahme. Die Stadt hätte nie einen reinen „Wohnen am Papierbach“-Bebauungsplan beschlossen. Das darf sie auch jetzt nicht nachträglich tun, indem sie jeder Menge Befreiungen zustimmt. Der Kapitalmarkt gibt dem Investor über die Finanzierung durch Eigenkapital und Bankdarlehen hinaus viele Möglichkeiten, das Bauvorhaben in neuer Konstellation fortzusetzen. Will er das nicht, dann ist es legitim, wenn die Stadt an eine Fortsetzung des Projekts durch Dritte denkt und erwägt, die zweite Hälfte des Areals neu zu überplanen.

Es ist zu hoffen, dass der städtebauliche Vertrag zwischen der Stadt sowie Ehret + Klein Vereinbarungen zu Leistungsstörungen enthält, die das Finanzielle in einem solchen Fall regeln. Würde man das Projekt jetzt halbieren, wäre die Investorenseite zumindest davon befreit, die Verlustbringer Kulturbau, zweite Kita, das „Brückerl“ über die Bahn und die aus ihrer Sicht unvermarktbaren Gewerbeflächen in den nördlichen Baufeldern zu errichten und zu vermarkten.

Die Stadt könnte das verbliebene Areal dann weiterentwickeln, mit den Schwerpunkten Einkaufen, essen und trinken, sich treffen, kulturell zusammenwirken, sich erholen und neue Wohnformen verwirklichen. Damit würde man nicht nur den Anspruch der Eigentümer und Mieter erfüllen, die auf die Zusagen zur Nahversorgung mit Geschäften und Gastronomie vertraut haben. Das neue Teilquartier wäre zugleich ein attraktives Angebot für die Altstadtbewohner und für alle Landsberger. Das gilt insbesondere, wenn man hierbei an Innovationen denkt, beispielsweise an eine moderne Markthalle, an arbeitnehmerfreundliche Öffnungszeiten unter Einschluss der Abendstunden sowie an eine moderne Kombination von Einzelhandel und Gastronomie. Interessenten für eine Fortsetzung mit anderem Schwerpunkt gibt es bereits.

Wie viele „holprige“ Bauvorhaben wird auch das Urbane Leben am Papierbach nicht dadurch besser, dass man ein Zugeständnis nach dem anderen macht. Das geht fast immer zulasten der Bewohner. Und städtebauliche Ziele bleiben auf der Strecke. Hier ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Noch kann man etwas korrigieren. Hat man erst einmal lange Leine gelassen, ist es zu spät.


Vor dem Ofen, nicht dahinter

landsberglog vom 06.12.2023 (erweiterte Fassung)


Deutschland soll so schnell wie möglich auf Öl und Gas verzichten sowie den Siegeszug der Elektroheizung einläuten. Doch die Bedingungen, die das wirtschaftlich vertretbar machen, sind noch nicht gegeben. Es fehlen leistungsfähige Netze, nutzbare Stromtrassen und bezahlbare Strompreise. Daher gibt es seit dieser Woche eine Notregelung: Die Netzbetreiber können die Versorgung von Wärmepumpen, Ladestationen und Klimaanlagen drosseln, wenn das Netz überlastet ist. Das führt zu der Frage: Darf ein Staat seinen Bürgern Maßnahmen vorschreiben, die enorme Ausgaben erfordern, ihnen aber zugleich das Risiko von Ausfällen und Engpässen bescheren?

Wie auch immer: Die einzigartige deutsche Energiepolitik veranlasst immer mehr Haushalte, dem Heizen mit Holz größeren Stellenwert zu geben und Kaminöfen zu nutzen, sei es als Grundheizung, sei es zur Abdeckung des Spitzenbedarfs. In Deutschland sind derzeit schon 7,5 Millionen Kamin- und Kachelöfen in Betrieb. Auf den ersten Blick macht man damit alles richtig: Holz ist Teil der erneuerbaren Energien und kann vor Ort gewonnen werden. Allerdings erzeugen viele dieser Feuerstätten, selbst wenn sie neueren Datums sind, Stoffe, die sich schädlich auf die Gesundheit und das Klima auswirken. Ohne sie wäre die Luft reiner, insbesondere in den Altstädten und in Vierteln mit hohem Kaminanteil.

Das bedeutet nicht, dass wir nach Öl und Gas auch auf ein Holz-Verbot gefasst sein müssen. Denn die Problematik lässt sich auf zwei Wegen entschärfen: hinter dem Ofen und vor dem Ofen. „Dahinter" (oder darüber) meint die Nachrüstung von Katalysatoren und Partikelabscheidern (gleich Elektrofiltern). Wer sie installiert, übererfüllt die Grenzwerte für neue Kaminöfen erheblich und ist langfristig auf der sicheren Seite. Allerdings kostet die Technik mit Montage mindestens 2.000 Euro; außerdem sieht das entstehende Zwillingsgebilde nicht gut aus.

Die Lösung „vor dem Ofen“ ist viel kostengünstiger und deutlich charmanter. Sie besteht darin, die Besitzer von Kaminöfen zu schulen, wie sie ihre Feuerstätte so betreiben, dass die unabsichtlich generierte Umweltbelastung deutlich zurückgeht, ebenso wie der persönliche Holzverbrauch. Für diesen „sanften Weg“ zur Optimierung haben viele Gebietskörperschaften bereits optiert, zum Beispiel die Landkreise München, Ebersberg, Aichach-Friedberg und Amberg-Sulzbach sowie die Städte Mindelheim, Stadtbergen, Pfullingen und Reutlingen. Sie sind Kooperationen mit der „Ofen-Akademie“ eingegangen. Das heißt: Sie haben an ihre Bürger Gutscheine verschenkt, damit sie online zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl den „Ofenführerschein“ machen können. Wenngleich der zweistündige Video-Kurs samt Test und Zertifikat bei einem Preis von 39 Euro auch gutscheinlos erschwinglich ist, ist die Nachfrage danach offenbar extrem hoch. Auch mit der Erfolgsquote kann man zufrieden sein: Über 40 Prozent haben den Kurs mit der nötigen Punktzahl abgeschlossen und sind nun so etwas wie Botschafter fürs richtige Heizen.

Der Landkreis Landsberg, die Stadt Landsberg und die Märkte Dießen und Kaufering wären von der Größenordnung her ebenfalls mögliche Partner für eine Kooperation, sind aber noch nicht im Boot.

Seit kurzem beheizt auch der landsbergblog sein Büro mit Hilfe eines Kaminofens. Unser Kaminbauer zeigte bei der Aufstellung wenig Neigung, uns in die Geheimnisse des Ofenbetriebs einzuführen; wir erfuhren nur, „wie er das macht“. Also haben wir als erstes den Online-Kurs absolviert. Und lernten eine Menge. Holz verbrennt emissionsärmer, wenn es liegt. Die pro Abbrand zu verwendende Holzmenge in Kilogramm ergibt sich, wenn man die Nennwärmeleistung des Kaminofens, die auf dem Typenschild steht, mit 0,18 multipliziert, wobei die erste Auflagenmenge 30 bis 50 Prozent höher sein soll. Holz nachlegen soll man, wenn die Flamme erloschen, die Glut aber noch gut sichtbar ist. Ein Aschebett tut der Verbrennung gut. Das sind nur einige von vielen Tipps, die vermittelt werden. Das Video gibt aber auch Hinweise, wie der Kaminofen der nahen Zukunft aussehen wird. Viele Geräte haben dann eine automatische Luftzufuhranpassung, einen Katalysator und einen Partikelabscheider serienmäßig an Bord. Gut zu wissen, wenn ein Neukauf ansteht.

Das Fazit unseres Selbsttests: Das vermittelte Wissen ist für ressourcenschonenden und emissionsarmen Kaminofenbetrieb essentiell. Für die Umwelt bringt der Dienst aber nur spürbare Ergebnisse, wenn man viele Ofenbesitzer (m/w/d) zugleich anspricht und die Qualifikation einer relevanten Grundgesamtheit nicht Jahre dauert. Nur dann kann man auch von einem Multiplikatoren-Effekt ausgehen. Deswegen sind Gemeinden, Städte und Kreise die idealen Initiatoren. Sie können unmittelbar vor Ort für bessere Luftqualität sorgen und messbar etwas fürs Klima tun. Das Ergebnis entsteht nach kurzer Zeit und nicht erst perspektivisch. Und der finanzielle Aufwand ist gering. Jetzt müssen wir die Verantwortlichen nur noch hinter dem Ofen hervorlocken.


Der Landrat in Luxus, die Gemeinden in Not

landsberglog vom 29.11.2023 (nur Print)


 

„Ich gehe davon aus, dass ich in gleicher Angelegenheit nicht noch einmal schreiben muss“ - dies war eine sehr wirksame Formel, mit der einer unserer Kollegen mahnende Briefe abschloss, immer mit Erfolg. Die gleiche Wendung hätten wir vielleicht Ende 2021 und 2022 verwenden sollen, als der landsbergblog jeweils den Phantasieentwurf von Landrat Thomas Eichinger (CSU) für den Haushalt des Folgejahres bemängelte. Denn nun haben wir erneut Anlass zur Kritik: Was der Landrat 2024 ausgeben will und in eine Erhöhung der Kreisumlage um vier Prozentpunkte münden soll, ist völlig unverantwortlich. Deswegen erinnern wir ihn heute erneut an die „Grundsätze kommunaler Haushaltsführung“ der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Erstens: Verlange kein Geld von anderen, bevor Du Dein eigenes aufgebraucht hast. Der Landkreis hat erhebliche Liquidität in Form genehmigter, aber nicht in Anspruch genommener Aufwendungen, was von vorneherein absehbar war. Der KREISBOTE schrieb: „Das ist eine faktische Landkreisbank“. Zitat Hanns-Seidel-Stiftung: Es ist verboten, stille Reserven einzuplanen.

Zweitens: Verlange von Deinen Gemeinden keine Zahlungen, die sie erdrücken. Denn sie haben keine Möglichkeit, ihrerseits Umlagen zu erheben; die Letzten beißen die Hunde. Zitat der Stiftung: Die Gemeinden müssen jederzeit in der Lage sein, ihren Ausgabeverpflichtungen nachzukommen.

Drittens: Erkenne für Geldforderungen die richtige Zeit! Um die neue Kreisumlage zu finanzieren, müssten die Gemeinden Steuern und Gebühren erhöhen. Und das, obwohl die Inflation und die Energiekosten den Bürgern die Luft zum Atmen nehmen. Zitat: Auch Gebietskörperschaften müssen sich konjunkturgerecht verhalten.

Viertens: Der Landrat in Luxus, die Gemeinden in Not - das wäre das Ergebnis, wenn sie sich - über die Beschaffung von Finanzmitteln für Investitionen hinaus - zur Deckung von Transferausgaben zusätzlich verschulden müssten. Das ist genauso unverantwortlich, als wenn ein Vermieter zum Mieter sagt: Wenn Du die Mieterhöhung nicht bezahlen kannst, nimm halt einen Kredit auf! Zitat: Die Haushaltsführung muss sparsam und wirtschaftlich sein.

Fünftens: Behaupte nicht einfach, Büros zu mieten sei teurer als ein 80-oder 100-Millionen-Neubau - belege, dass es auch heute, nach enormen Baukostensteigerungen, noch so ist! Zitat: Wahrheit und Klarheit sind unumstößliche Grundsätze des Haushaltsrechts.

Sechstens: Höre auf, Schulden ohne Ende zu produzieren. Das belastet zukünftige Generationen, deren Spielraum immer enger wird. Es ist unsolidarisch. Zitat der Hanns-Seidel-Stiftung: Anzuraten ist die Rückführung der Verschuldung mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts.

Und siebtens: Wenn Du im Glashaus sitzt, werfe nicht mit Steinen. Wenn Du Geldnöte hast, baue Dir kein Landratsamt. Das ist doch gesunder Menschenverstand.

„Ich gehe davon aus, dass ich in gleicher Angelegenheit nicht noch einmal schreiben muss“ - dass wir ans Ende dieses Beitrags keine ähnliche Formel setzen, versteht sich nach drei aufeinanderfolgenden skandalösen Haushaltsentwürfen von selbst. Wir werden in gleicher Angelegenheit wieder schreiben müssen. Beim aktuellen Landrat ist das gewiss.


Gebt uns Geld und übt Verzicht

landsberglog vom 22.11.2023 (nur Print)


 

Bitte lesen Sie zunächst die Sonderseite "Bedingt baubereit" von Werner Lauff im KREISBOTEN vom 22. November 2023!

Nun folgt der landsbergblog:

Liebe Investoren und Projektentwickler des „Urbanen Lebens am Papierbach“! Lasst uns bitte zu den Grundlagen zurückkehren. Grundlage Nummer 1 ist: Kein Investor kann bei einem städtebaulichen Projekt „Rendite auf alles“ erreichen. Es gibt Gewinnbringer und Verlustbringer. Gewinnbringer sind Wohnungen, die auf dem freien Markt verkauft werden. Verlustbringer sind Sozialwohnungen und Flächen für quartierbildendes Gewerbe, etwa für ein Restaurant oder einen Bäckerladen. Wenn Ihr die Gewerbeflächen nicht verkaufen könnt, dann sind sie schlicht zu teuer; reduziert Eure Erwartungen! Es ist unverständlich, dass Ihr von der Stadt Kompensationen für unerfüllbare Wünsche verlangt.

Grundlage Nummer 2: Das Urbane Leben am Papierbach ist nicht unser Projekt. Es ist Euer Projekt. Was bringt Euch auf den Gedanken, die Stadt hätte die Pflicht, Eure Defizite auszugleichen? Sie hat auf Euren Wunsch ein Industriegelände in ein Wohngebiet umgewandelt. Nach der SoBoN-Richtlinie musstet Ihr mit einem begrenzten Teil des Wertzuwachses notwendige Investitionen in Schulen, Kitas und den Lechsteg unterstützen. In diese Richtung läuft der Zahlungsstrom, nicht andersrum. Manche sagen und schreiben, es werde wegen gestiegener Kosten ja heute fast alles nachverhandelt. Das sei ganz normal. Das stimmt so nicht. Ja, Bauherren verhandeln mit Bauunternehmen und Grundstückskäufer mit Grundstücksverkäufern. Ein Bauherr kann, wenn er sich verrechnet, aber nicht zur Stadt gehen und um eine erweiterte Baugenehmigung oder einen neuen Bebauungsplan bitten. Die Stadt ist kein Generalrisikoträger. Erst recht trägt sie nicht zur Verbesserung der Liquidität von Häuslebauern bei. Ob kleine Häuslebauern oder große Häuslebauer: Da gibt es keinen Unterschied.

Grundlage Nummer 3: Wenn es strukturelle Probleme gibt, einen großen Supermarkt zu gewinnen, dann hättet Ihr das vorher wissen und sagen können. Habt Ihr niemanden gefragt, der etwas davon versteht? Und wenn doch, wieso kommt Ihr erst jetzt damit heraus? Wenn Rewe oder Edeka nicht wollen, dann denkt halt kleinteiliger. Es gibt unzählige Modelle für Nahversorgung, vom Dorfladen bis zur Markthalle. Wo ist Eure Kreativität geblieben?

Eure Strategie heißt: Gebt uns Geld und übt Verzicht, damit unsere Kalkulation wieder stimmt. Anders gesagt: Ihr habt etwas versprochen und bepreist es jetzt. Das geht so nicht. Die Strategie der Stadt muss sein: Haltet Eure Versprechen und opfert nicht ausgerechnet die Elemente, die zur Quartiersbildung unerlässlich sind. Das ist auch im Interesse derer, die bereits Wohnungen gekauft haben. Über Parkplätze können wir reden und über manche andere regulatorische Beschränkung auch. Aber Zahlungen und der Verzicht auf Elemente eines lebenswerten Quartiers, das sind die roten Linien, die die Stadt nicht überschreiten darf. Maßstab ist: Hätte die Stadt in Kenntnis der neuen Entwicklung mit Euch einen städtebaulichen Vertrag geschlossen? Wenn nein, darf sie auch jetzt nicht in diese Richtung gehen.

Bei einem Millionenprojekt wie diesem gibt es nicht nur die Banken und die Stadt. Es gibt andere Möglichkeiten, frisches Geld zu generieren, etwa durch Teilhaber oder Investmentfonds. Wir wünschen uns, dass Ihr diese Optionen ausschöpft. Holt anschließend tief Luft und bleibt bei Eurem alten, guten Plan!


Neue Herausforderung, alte Struktur?

landsberglog vom 15.11.2023 (nur Print)


Es sind Dauerthemen unserer Zeit: der Fachkräftemangel, die Erzeugung erneuerbarer Energie, die Umrüstung unserer Häuser auf elektrobasierte Heizungen und die Einsparung von CO2 im Straßen- und Güterverkehr. Klima, Umwelt und Demographie haben uns zum Wandel verpflichtet. Manche Akteure haben diese Herausforderung bereits seit Langem angenommen. Bei anderen ist noch Denkarbeit nötig, um Fortschritte zu erzielen.

Beispiel Fachkräftemangel: Bevor wir darauf hoffen, dass wir im ohnehin nicht sehr aussichtsreichen Wettbewerb mit Kanada, USA und Dubai Arbeitnehmer anwerben: Warum schauen wir uns nicht viel stärker in unseren Betrieben um und qualifizieren unsere eigenen Mitarbeiter? Die entsprechenden Angebote der Bundesanstalt für Arbeit werden vom Management und von den Betriebsräten zu wenig genutzt; das beklagt sogar der Bundeskanzler. Und soweit wir im Wettbewerb mit englischsprachigen Ländern tatsächlich hoffen, englischsprachige Fachkräfte nach Deutschland zu locken, wann fangen wir damit an, unseren Meistern und Vorarbeitern englisch beizubringen?

Beispiel Heizungsgesetz. Nah- und Fernwärme müssen stärker eingesetzt werden, weil die Umrüstungskosten vieler Häuser zu hoch sind. Aber wieso erhoffen wir uns, dass ausgerechnet die Stadtwerke Landsberg plötzlich zum zentralen Wärmelieferanten werden? Sie haben mit dem Stromnetz, das sie überflüssigerweise erworben haben, und der Wasserversorgung genug zu tun. Die Stadtwerke werden in vielen Jahren allenfalls die Altstadt abdecken. Jedenfalls sind sie bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das Nah- und Fernwärme anbieten kann. Für andere Wohngebiete, in denen oft noch nicht einmal Straßen aufgerissen werden müssen, gibt es andere Möglichkeiten. Wenn die Stadt also schon kein neues „Wärmewerk“ gründen will, das unbelastet von defizitären Kerngeschäften agieren kann, wäre wenigstens ein Wärmebüro nötig, das die Möglichkeiten aufzeigt, die über die Altstadt hinaus bestehen und das Eigentümer sowie Unternehmen zusammenbringt.

Beispiel LENA. Es ist schön, dass wir auf Landkreisebene eine eigene Energieagentur in Form eines eingetragenen Vereins haben, der Beratung vornimmt und vermittelt. Weniger schön ist, dass dieser Verein nicht deutlich genug gemacht hat, dass das operative Unternehmen „LENA Services GmbH“ seit einer Kapitalerhöhung längst neue Gesellschafter hat. Der LENA e.V. hält nur noch zehn Prozent der Stimmrechte. Die LENA Services GmbH kann also nicht im Windschatten des LENA e.V. segeln und kein automatischer Akteur für den Landkreis sein, der Aufträge ohne Gegenangebot oder Ausschreibung erhält. Die Firma muss genauso behandelt werden wie jedes andere Unternehmen auch. Dass man den alten Namen beibehalten hat, ist grenzwertig.

Fachkräfte kommen aus dem Ausland, um Fernwärme kümmern sich die Stadtwerke, die LENA Services ist „unser“ Unternehmen, das man im Landkreis beauftragen sollte: Vielleicht haben wir immer noch nicht begriffen, dass wir die Herausforderungen dieser Zeit nicht mehr dadurch lösen können, dass wir in alten Strukturen denken. Wir müssen viel agiler werden, die Dinge hinterfragen, alte Denkweisen ablegen, Märkte erkunden, best-practice-Beispiele ansehen und ungewöhnliche Wege aufzeigen – darauf kommt es an.


In verschämtem pianissimo

landsberglog vom 08.11.2023 (nur Print)


Im vierten Satz von Haydns 45. Symphonie geschieht etwas Ungewöhnliches: Die Oboe und das Horn, der Kontrabass und das Cello, die Viola und das Fagott verlassen nach und nach die Bühne, bis einsame Violinen das Orchesterwerk in verschämtem pianissimo zu Ende bringen. Daran erinnert uns soeben der Auszug der Stadtratsmitglieder aus dem Klimaschutzbeirat der Stadt Landsberg. Erst Weisensee, dann Schlee, dann Meiser. Ein Ersatz ist nicht geplant; damit gehören die Landsberger Mitte, die CSU und die Ausschussgemeinschaft ödp/Daschner dem Gremium nicht mehr an. Andere Mitglieder wie die Oberbürgermeisterin (eigentlich Vorsitzende des Beirats) sind zwar nicht ausgeschieden, glänzen aber häufig durch Abwesenheit. Was läuft da schief? Ist das Thema Klimaschutz plötzlich nicht mehr relevant?

Recherchen des landsbergblog zeigen: Das Gremium, das eigentlich einzubeziehen ist, wenn es um „Angelegenheiten und Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung für den Klimaschutz und die Klimaanpassung, beispielsweise die Bauleitplanung, die Mobilitätsplanung und die Sanierung von städtischen Liegenschaften“ geht, konnte diese Aufgabe selten wahrnehmen. Über die Verkehrsentwicklung (Mobilitätsplanung!) durften die Mitglieder nicht sprechen, weil das Thema von der Verwaltung trotz sehr teurer externer Planungsarbeit so unter Verschluss gehalten wird, dass man schon von Kidnapping sprechen kann. Zu Bebauungsplänen (Bauleitplanung!) gab es kaum Vorlagen. Stattdessen hörte der Beirat immer wieder Vorträge interner und externer Referenten. Diese Schlecht- und Nichterfüllung der Aufgaben haben die Mitglieder, wie sie uns versichern, des Öfteren fruchtlos beklagt. Insgesamt drei zogen daher die Reißleine. Dass die Fraktionen keinen Ersatz benennen werden, spricht Bände. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben.

„Das ist die Gefahr, wenn ein Gremium nur nicht öffentlich tagen darf“, sagte uns ein Mitglied, das ungenannt bleiben will. „Den Bürgern spiegelt man Aktivität vor, aber in Wirklichkeit tut sich nichts in der Black Box.“ Das ist nicht zuletzt deswegen überraschend, weil die meisten Sitzungen von Bürgermeister Moritz Hartmann (Grüne) geleitet wurden, der aber eher „zögerlich und ängstlich“ agiert haben soll – dabei geht das Gremium auf eine Initiative der Grünen zurück und wäre der ideale Ort, grüne Programmatik einzubringen. In öffentlicher Sitzung wäre das wahrscheinlich von den Bürgern und den Medien bemerkt worden. Doch die Tendenz der derzeitigen Stadtspitze geht dahin, immer mehr Angelegenheiten hinter verschlossenen Türen zu beraten, auch wenn, wie hier, kaum ein Grund zur Geheimhaltung besteht. Das kollidiert mit den Prinzipien der Bayerischen Gemeindeordnung: Bürger sollen, wann immer möglich, nicht nur an der Entscheidung, sondern auch an der Entscheidungsfindung teilnehmen.

Im Übrigen: Wie wollen wir die Themen Klimawandel und Energiewende populärer machen, wenn sie in Geheimzirkeln auf der Tagesordnung stehen? Eigentlich kann dieses Vorgehen nur einen Grund haben: Die Bürgermeister und die Verwaltung wollen den Klimawandel so behandeln wie die verbliebebenen Violinen die letzten Töne in Haydns Symphonie: in verschämtem pianissimo.


Wenn der Gleichklang fehlt

landsberglog vom 31.10.2023 (nur Print)


Drei aktuelle Meldungen aus der vergangenen Woche:

Nummer 1: Ein Landsberger Kleingartenverein hat auf seinem Areal Photovoltaik-Anlagen verboten, die fest installiert oder größer als ein Quadratmeter sind. Die Stromerzeugung durch Diesel-Aggregate wäre hingegen zulässig.

Nummer 2: Eine Standortanalyse zeigt zur Enttäuschung vieler Mandatsträger, dass im Landkreis Landsberg kaum Windräder aufgestellt werden können, weil der Kreis und die Gemeinden damit fast überall gegen rechtliche Regelungen verstoßen würden.

Nummer 3: Vergleicht man den von den Stadtwerken Landsberg berechneten Strompreis mit den Tarifen, die neuesten Studien zufolge zur Akzeptanz von Wärmepumpen erforderlich wären, besteht eine nahezu aussichtslose Diskrepanz. Bei diesem Stromtarif wird das nichts.

Dies sind drei Beispiele dafür, warum wir uns überall, auch in Landsberg, derzeit so schwer tun, Regierungen zu vertrauen und Regulierungen wie das Heizungsgesetz mitzutragen: Es fehlt die Synchronisierung der Maßnahmen, und das gleich mehrfach. Wer auf Windenergie setzt, muss zuvor regulatorische Hindernisse beseitigen, die Windräder verhindern. Wer auf stromlastige Heizungen setzt, braucht in Deutschland einen regulierten und sogar subventionierten Strommarkt, nicht nur für die Industrie, sondern auch für lokale Energieversorger wie die Stadtwerke, die am Markt ansonsten größenbedingt zu teuer einkaufen müssen. Und natürlich funktioniert die Energiewende nur, wenn sie in den Köpfen ankommt und die Menschen sie in allen Rollen mittragen, auch als Vereinsvorsitzende zum Beispiel. Dazu wird aber viel zu wenig getan.

Man könnte es so formulieren: Wer A fordert, muss vorher B in Ordnung bringen. Das ist wie bei einer alltäglichen Projektplanung in einem Unternehmen. In den Ländern Europas, in denen der Umstieg auf nicht-fossile Heizungsarten weiter fortgeschritten ist als bei uns, ist man so vorgegangen. Man hat diesen Vorsprung nicht durch Verbote erreicht, sondern durch aktive marktgerechte Angebote. Fernwärmenetze, günstige Strompreise und staatliche Zuschüsse waren entscheidend. Und das waren Angebote an alle. Es ist grotesk, wenn die deutsche Politik betont, sozial Schwachen werde beim Umstieg auf erneuerbare Energien geholfen. Sie weiß genau, dass sie mit sozial Schwachen allein keine Energiewende hinbekommt, sondern die gesamte Bevölkerung gewinnen muss.

Der Gleichschritt fehlt noch in anderer Hinsicht. Die Politik baut Gebäude auf, die die Justiz kurz darauf wieder einreißt. Das wird wahrscheinlich mit einem großen Teil der Maßnahmen geschehen, die jetzt zum Thema Migration versucht werden; der Europäische Gerichtshof ist in Sachen Zurückweisung an der Grenze schon vorgeprescht. Zweites Phänomen: Die meisten Unterschriften, die wir unter exzessiv bürokratisch anmutende Formulare, AGBs und Verträge setzen müssen, gehen nicht auf eine übereifrige Verwaltung, sondern auf Urteile der Gerichte zurück. Wir haben keinen Werte-Gleichklang zwischen Politik und Justiz. Das führt zu einer Gesellschaft und einer Wirtschaft voller Absicherungen und Angst.

Drei Meldungen waren unser Ausgangspunkt. Sie zeigen mal wieder: Im Lokalen spiegelt sich die Welt, im Guten wie im Schlechten.


Wie gehen wir miteinander um?

landsberglog vom 25.10.2023 (nur Print)


Zwei Vorkommnisse in einer Woche, in Landsberg und in Penzing, führen uns zu der Frage: Wie gehen wir eigentlich miteinander um? Wieso wird aus dem Miteinander bei der Gestaltung der Aufgaben vor Ort so schnell ein Gegeneinander? Und wieso schließen wir bei Meinungsverschiedenheiten so häufig krachend die Tür?

Das erste Vorkommnis: Die VR-Bank hat, in harscher Diktion, die Konten zweier Stadträte gekündigt, wegen der „jüngsten Ereignisse“. Anschließend versandte sie einen Anhörungsbogen zum Entzug der Genossenschaftsanteile. Dabei handelt es sich offenkundig um eine Retourkutsche. Den Bankern haben die Anträge der Gastronomen und das Abstimmungsverhalten der Stadträte in Sachen „Oide Wiesn“ wohl so sehr missfallen, dass sie sinnbildlich zu den Waffen griffen.

Man kann über die Abstimmung und ihre spätere Auslegung geteilter Meinung sein; auch wir haben beides kritisiert. Die einzige Konsequenz daraus kann aber nur in dem Satz bestehen: Darüber wird noch zu reden sein. Was die VR-Bank da gemacht hat, geht hingegen weit, sehr weit über das Spektrum möglichen Verhaltens im Konfliktfall hinaus. Wenn erfahrene Personen in leitender Position mit derartigen Mitteln operieren, wie sollen wir dann jungen Menschen beibringen, wie man Konflikte löst? Wenn eine örtlich verankerte Bank in die um sich greifende Radikalität einstimmt und Stadträte derart angeht, wie sollen wir dann noch fürs Ehrenamt und für Engagement in der kommunalen Selbstverwaltung werben? Der Schaden, der hier in Kauf genommen wurde, ist weitreichend.

Wie gehen wir miteinander um, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind oder unterschiedliche Interessen haben? Diese Frage hat sich über Jahre hinweg auch in Penzing gestellt, wo zwei Gemeinderäte nun, nach langer Leidenszeit, von ihren Mandaten zurückgetreten sind.

Merkwürdigerweise haben Medien den Bürgermeister der Gemeinde dazu befragt. Das ist der falsche Ansprechpartner. Ein Gemeinderat ist kein Kammerchor, sondern ein Kollegialorgan. Mitglieder, die allein auf den Taktstock des Dirigenten schauen, sind fehl am Platz. Ein Bürgermeister leitet Sitzungen, führt aber nicht Regie. Es ist Sache der Mitglieder, ihren Arbeitsstil und ihre Debattenkultur zu definieren. Dabei gibt es eine gewisse Bandbreite, in der man sich bewegen kann. Die Definition „Unser Arbeitsstil ist es, Anträge und Bitten um Unterlagen von Kollegen ohne Beratung und Begründung zu überstimmen“ ist außerhalb dieser Bandbreite.

Ein solcher Umgang miteinander ist auch schädlich für die Gemeinde. Im konkreten Fall geht es unter anderem um Bodenverseuchung und Gewerbeemissionen. Den beiden Gemeinderäten lag daran, sicherzustellen, dass die Gemeinde und ihre Bürger vom Zweckverband nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden können. Das ist eine legitime, ja sogar alternativlose Position. Die permanente Ausgrenzung der beiden Räte, die auch wir beobachtet haben, führte nun zu ihrer Kapitulation.

Arbeiten wir an einer positiven Formulierung: Wir gehen so miteinander um, dass wir unterschiedliche Meinungen ernst nehmen und einbeziehen. Wir gehen nicht über sie hinweg und greifen erst recht nicht zu unlauteren Mitteln, um die Vertreter dieser Meinungen mundtot zu machen. Ist das zu viel verlangt? Nein, ist es nicht.


In eigener Sache

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Über Recht und über Macht

landsberglog vom 18.10.2023 (nur Print)


Schauen wir uns noch einmal ganz genau an, was am vergangenen Mittwoch und in den Tagen danach in unserer Stadt passiert ist. Man lernt eine Menge daraus.

Der Stadtrat stimmt über den Vorschlag ab, auf dem Hellmairplatz künftig nur noch kleine Zelte zu genehmigen und damit die Oide Wiesn der VR-Bank auszuschließen. Dabei passieren aber drei Fehler. Fehler Nummer 1: Der Stadtrat entscheidet nicht über eine Änderung der Altstadtsatzung, sondern will eine direkte Anweisung an die Verwaltung geben, eine ihr zustehende Entscheidung so und nicht anders zu treffen. Anstatt Recht zu setzen (was dem Stadtrat obliegt), entscheidet er in der konkreten Sache (was Aufgabe der Verwaltung ist). Der Fehler passiert, weil das gegen die Oide Wiesn gerichtete Anliegen dreier benachbarter Gastronomiebetriebe über den Bauausschuss bis in den Stadtrat vordringt, ohne dass es jemand in die richtige Form gießt.

Fehler Nummer 2: Zwei Stadträte, die mit den Gastronomiebetrieben eng verbunden sind, stimmen bei der Abstimmung mit. Das ist eindeutig rechtswidrig; es gibt fast keinen klareren Fall der Befangenheit als diesen. Das geben sogar Beteiligte zu: „Ohne die beiden Stimmen wäre die Abstimmung aber verloren gewesen“, heißt es. Wieso erklärt die Verwaltung vorher dennoch, die Gastronomen (Kompagnon und Ehemann) seien nur gattungsmäßig begünstigt, also ähnlich wie der Italiener am Bayertor oder der Chinese im Industriegebiet? Das ist abwegig. Offenbar wollte man die Abstimmung, deren Gewinn man vor Augen sah, um jeden Preis durchziehen.

Fehler Nummer 3: Nachdem der positiv formulierte Vorschlag „Zelte genehmigen“ ein Patt auslöst, vertritt die Stadtverwaltung die Auffassung, es sei beschlossen, die Zelte nicht zu genehmigen. Nein, ganz im Gegenteil. Hätte die Stadt das richtige Instrument gewählt, nämlich einen Antrag zur Änderung der Altstadtsatzung, wäre der Wunsch der Gastronomen durch das Patt jetzt abgelehnt. Daher kann er bei der Wahl des falschen Mittels nicht angenommen sein. Das ist doch einfachste juristische Logik!

Trotzdem hat die von UBV, SPD und Grünen gebildete Stadtratsmehrheit auch an den Tagen nach der Sitzung den Eindruck aufrechterhalten, das Aus für die Oide Wiesn sei wirksam beschlossen. In Wirklichkeit ist die Zuständigkeit wieder auf die Verwaltung übergegangen und die bisherige Verwaltungspraxis legt eine erneute Genehmigung nahe, zumal Probleme von Sicherheit und Ordnung offenbar nicht vorliegen. Aber die VR-Bank hat sich bereits beeindrucken lassen und hadert mit Landsberg. Der Schaden ist damit eingetreten und vielleicht kaum noch reparabel. In Landsberg gibt es zu viele Bedenkenträger, die Initiativen kaputtmachen und Impulse für eine lebendige Altstadt verhindern.

Es bleibt zu fragen: Wie kann es passieren, dass die Stadtratsmehrheit eine Kette von Fehlern begeht, und danach immer noch so tut, als sei alles in Ordnung gewesen? Wie kann man mehrfach gegen das Recht verstoßen und dennoch den Eindruck erwecken, die Sache sei entschieden? Eine andere Meinung als diese kann man dazu kaum noch haben: Recht ist hier nicht mehr die entscheidende Kategorie; es ging vielmehr um die Ausübung von Macht. Wenn das Übung wird, haben wir in Landsberg leider ein ernstes Problem.


Bayerns letzte Chance

landsberglog vom 11.10.2023 (vorab am 09.10., nur Print)


Bayern und Hessen haben am vergangenen Sonntag gewählt. Gemeinsam ist beiden Resultaten, dass die Bürger die Berliner Ampelkoalition abgestraft haben. Die erneuten Verluste der SPD sind geradezu tragisch. Die FDP ist abgestürzt. Und bei den Grünen ist aus Aufwind Abwind geworden. In Bayern kommt aber ein entscheidender Aspekt hinzu. Die Christdemokraten haben hier, anders als in Hessen, vom Bundestrend nicht profitiert. Markus Söder (CSU), der laute Ampel-Kritiker, hätte ebenfalls 7,6 Prozent zulegen können, wie es seinem Kollegen Boris Rhein (CDU) gelang. Aber er fuhr das schlechteste Ergebnis der CSU seit 1950 ein. Der Franke vermittelt den Wählern offenbar keine Perspektive. Er ist nicht Teil der Lösung. Perspektive sehen die Bayern bei den Freien Wählern (Platz 2) und der AfD (Platz 3). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei uns vor Ort. Bayern ist damit weiter auf dem Weg nach rechts.

Das wundert nicht. Dies ist nicht mehr das Land, das es einmal war. Viele Jahre lang folgte hier aus Einfachheit Handlungsfähigkeit und aus Lebensfreude Leistungsstärke. Inzwischen haben uns und die Politik Zwänge übermannt. Lange Behördenwege, unklare Gesetze, ausufernde Rechtsprechung und, Stichwort: Migration, hilflose Parlamentarier machen die Bürger irre. Sie verzweifeln in einer Zeit des Energiemangels und der Inflation, des Pflegenotstands und des Baustillstands, der Klimakrise und der Rezession. Viele Politiker sind zu Schauspielern geworden, die so tun, als hätten sie die Dinge im Griff. Bei Festen winken sie uns zu, doch eigentlich winken sie uns ab. Belgien hat mal jahrelang keine Regierung gehabt; das war auch nicht schlimmer als das, was wir hier erleben. Parallel spreizt sich die Gesellschaft immer mehr, was durch stärker werdende Egoismen, absurde Klebeproteste, Hass und Häme im Internet, Gender-Dissens und wachsendem Populismus zum Ausdruck kommt. „Mia san“ noch nicht einmal mehr „mia“.

Die bayerische Landtagswahl vom Sonntag kann kein anderes Signal setzen als dieses: Es muss Schluss sein mit der Politik-Camouflage. Wir müssen es einreißen, das potemkinsche Dorf, das Leistung suggeriert. Dies sind vielleicht die letzten fünf Jahre einer stabilen, weitgehend gleichgesinnten, bayerischen Koalition. Jetzt sind fünf Jahre Zeit, in denen die Regierung den Landtag mit Initiativen zur Entbürokratisierung überschütten kann. Fünf Jahre für Entwürfe zu Gesetzesänderungen auf Bundesebene im Bundesrat. Fünf Jahre zur Durchforstung der Verwaltungsvorschriften in den Ministerien. Fünf Jahre für kreative Lösungen beim Wohnungsbau. Fünf Jahre zum Einbremsen selbstzufriedener Landräte. Fünf Jahre zur Behebung des Pflegenotstands. Fünf Jahre für Stromleitungen. Fünf Jahre für Windräder. Fünf Jahre für Fernwärme. All diese Themen müssen jetzt so gelöst werden, dass ein Aufatmen durchs Land geht. Ein Ruck reicht schon lang nicht mehr.

Aus Einfachheit folgte Handlungsfähigkeit, aus Lebensfreude Leistungsstärke. Das war das Bayern von Goppel, Strauß, Streibl und Stoiber. Bayern unter Söder ist nichts Besonders mehr, es ist so notleidend wie ganz Deutschland. Es gibt daher nur ein valides Motto. Es heißt „Jetza!“. Jetzt oder nie. Wenn wir jetzt nicht Thema für Thema angehen, dann ist die letzte Chance vertan, in die Meisterklasse zurückzukehren. Es gibt noch Hoffnung, endlos aber nicht.


Mit überdeutlicher Absicht zur Einzelfallregelung

landsberglog vom 04.10.2023 (nur Print)


Der Bauausschuss des Stadtrats will ein nach jetziger Rechtslage unstreitig zu genehmigendes Bauvorhaben in der Schwaighofsiedlung verhindern, indem er ein kleines Teilgebiet zwischen Adam-Vogt- und Weiherstraße überplant, also mit einem qualifizierten Bebauungsplan versieht. Einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss, verbunden mit einer Veränderungssperre, soll der Stadtrat kurzfristig beschließen.

Die Oberbürgermeisterin und die Stadtbaumeisterin hatten in der Sitzungsvorlage etwas ganz anderes vorgeschlagen. Danach war das Gebiet zwischen der Weiher- und der Altöttinger Straße als Einheit zu betrachten, denn die Adam-Vogt-Straße habe keinen trennenden Charakter. Da es in diesem Cluster mehrere Bezugsobjekte ähnlicher Größe gebe, sei das Bauvorhaben zu genehmigen. Wie man dann aus der Sitzung mit dem Ergebnis herauskommen kann, das Areal genau dort zu trennen, wo kein trennender Charakter vorliegt, ist nicht nur unerfindlich, sondern wird auch in dem zu erwartenden Rechtsstreit eine Rolle spielen. Man erkennt eine überdeutliche Absicht zur Einzelfallregelung.

So einfach lassen sich die Fehler der Vergangenheit leider nicht korrigieren. Der letzte passierte beim ersten Antrag auf den Bau von Geschosswohnungen in der Schwaighofsiedlung. Ihn zu genehmigen war nicht nur eine maßlose Überschreitung von Kompetenzen, sondern schlicht rechtswidrig, denn das erste Mehrfamilienhaus fügte sich ja definitiv nicht in die Umgebung ein und hätte daher nicht durchgewunken werden dürfen. Der noch schwerere Fehler war, dass die Stadt die heterogene Siedlungsentwicklung trotz Anträgen aus dem Stadtrat, vor allem von Jonas Pioch, jahrzehntelang zugelassen hat. Es ist völlig unmöglich, dort jetzt eine städtebauliche Ordnung herzustellen.

Das ist auch nicht gerecht. Zwar haben alle Eigentümer in den jeweiligen Mini-Gebieten Bestandsschutz. Aber derzeit haben sie auch eine Entwicklungsgarantie. Plötzlich muss man wieder darum kämpfen, anbauen oder aufstocken zu dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es noch nicht einmal einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung weiterhin zugelassen werden müsste

Und welche Signalwirkung hat das auf Eigentümer in der gesamten Schwaighofsiedlung, die ihr Objekt demnächst, etwa wegen mangelnder Sanierbarkeit, verkaufen wollen? Investoren können nicht mehr von der Bebaubarkeit nach dem Einfügegebot ausgehen, denn es könnten ja auch hier eine Veränderungssperre und ein Bebauungsplan drohen; sie werden weniger Geld bieten. Wertprägend ist zwar nicht allein die Baumasse. Aber Wohnformen haben sich nun mal geändert. Die Nachfrage nach einer zentral gelegenen Wohnung ist viel größer als die nach einem beschaulichen Einfamilienhaus.

Klar formuliert: Die nicht nachvollziehbare Trennung eines Gebiets mit der Folge, dass der halbe Teil zum Nachteil von Bauwerbern nach dem Freihafen-Modell vom Gesetz ausgenommen wird, die andere Hälfte aber nicht, lässt zu stark erkennen, dass der angestrebte Bebauungsplan nicht Teil eines übergreifenden Planungswillens ist, sondern eine Einzelfallregelung darstellt, mit der die Politik eilig auf Anwohnerproteste reagiert hat. Das ist auch nicht einfach reparabel; die Absicht ist überdeutlich geworden und bleibt im Raum.


Wenn der Müllmann Fotos macht

landsberglog vom 27.09.2023 (nur Print)


Wenn in einer Straße Leitungen erneuert werden, müssen sich Auftraggeber, beteiligte Tiefbaufirmen, Anwohner, Besucher, Ver- und Entsorger sowie Lieferanten miteinander abstimmen. Das funktioniert aktuell in der Schlesierstraße im Landsberger Westen sehr gut. Grundsätzlich ist immer eine von zwei Einfahrten frei. Ist das ausnahmsweise nicht der Fall, wird rasch Platz geschaffen. Das hat bisher dazu geführt, dass soweit ersichtlich alle, die die Schlesierstraße befahren wollten, das auch tun konnten, unter anderem der Kaminkehrer, die Müllabfuhr, DHL, dpd, GLS, Amazon und Bofrost. Die maximale Wartezeit betrug zehn Minuten.

Nur in einem Fall hat das nicht funktioniert – ausgerechnet bei einem Entsorgungsunternehmen, das nur alle vier Wochen vorbeikommt. Es handelt sich um die Firma K., einem Betrieb für Entsorgung und Recycling aus Augsburg, der als Unterauftragnehmer der Firma B. aus Pegnitz die Gelben Tonnen leert, fürs Duale System Deutschland.

Auf Nachfrage erklärte ein Vertreter von K. am vergangenen Freitag, die Leerung der Tonnen sei nicht etwa vergessen worden. Der Fahrer habe erkannt, dass eine der beiden Einfahrten gesperrt war. Die andere, die mit dem Schild „Anlieger frei bis Baustelle“ gekennzeichnet war, sei durch einen dort stehenden LKW versperrt gewesen. Der Fahrer habe von beiden Einfahrten Fotos gemacht und dann beschlossen, weiterzufahren. Das Unternehmen bezeichnete dieses Vorgehen als „vollkommen korrekt“. Der Fahrer sei nicht verpflichtet, sich durch Aussteigen oder Hupen bemerkbar zu machen und darum zu bitten, dass der störende LKW die Einfahrt frei macht. Das Unternehmen müsse keine Wartezeiten hinnehmen. Man müsse sich auch nicht um die Ermittlung des Auftraggebers für die Baumaßnahme bemühen, in diesem Fall die Stadtwerke Landsberg, sondern schicke nur eine E-Mail „an die Gemeinde“. Eine Information der betroffenen Anwohner, beispielsweise über die Abfall-App des Landratsamts, sei ebenfalls nicht Aufgabe des Entsorgers. Der Vertreter von K. war auf Nachfrage nicht zu einem zweiten Abholversuch bereit. Sei eine Leerung der Tonnen aktuell nicht möglich, sei die Sache bis zum nächsten Termin vier Wochen später erledigt.

Die Anwohner der Schlesierstraße gaben sich mit dieser Aussage nicht zufrieden. Alle ließen ihre gelben Tonnen übers Wochenende auf der Straße stehen – manche nicht in der Hoffnung auf eine späte Leerung, sondern eher demonstrativ. Parallel bemühten sich offenbar mehrere Seiten, am Montag früh auch noch einmal der landsbergblog, um ein Umdenken des Augsburger Unternehmens. Und siehe da, die Leerung erfolgte am Montagnachmittag doch noch. Die Dienst-nach-Vorschrift-Haltung „Bei Baustellen machen wir Fotos und fahren weiter“ mündete fünf Tage später in eine Sonderleerung; am Abholtag den Dialog vor Ort zu führen und einige Minuten zu warten, wäre billiger gekommen.

Was lernen wir daraus? Zum einen: Das Servicedenken mancher Dienstleister ist nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte. Da ist zuweilen Nachhilfe nötig. Vielleicht führt dieses Vorkommnis ja zu einem Umdenken. Zum anderen: Bürger sollten sich nicht alles gefallen lassen. Nachhaken lohnt. Und ein bisschen Ungehorsam tut manchmal ganz gut.


Erpfting wagt die Nachbar-Pflege

landsberglog vom 20.09.2023 (nur Print)


Über „Diese agilen Erpftinger“ hatten wir uns schon am 22. Februar dieses Jahres gefreut; da ging es um den „Arbeitskreis Erpfting“, der sich intensiv mit der Entwicklung des Landsberger Ortsteils befasst (weiter unten im Blog). Heute ist schon wieder eine Anerkennung fällig, eine große sogar. Die Erpftinger haben sich nämlich bereiterklärt, ab der Jahreswende für mindestens drei Jahre das Projekt „QuartierPflege“ in die Tat umzusetzen, die man auch als Nachbar-Pflege bezeichnen kann. Darüber beschließt der Stadtrat am Mittwoch. Damit wird Erpfting bundesweit unter den Ersten sein, die die Idee umsetzen. Die Kostenübernahme ist gerade erst durch den Bund in der „Pflegereform“ beschlossen worden – sie berechtigt und verpflichtet die Pflegekassen für die Dauer von vier Jahren zu entsprechenden Projektfinanzierungen.

Hintergrund der Maßnahme ist der Pflegenotstand. Für das Jahr 2030 sind bundesweit 400.000 offene Stellen prognostiziert. Bereits jetzt können nicht alle Plätze in stationären Pflegeeinrichtungen besetzt werden und auch ambulante Dienste weisen Pflegebedürftige wegen Personalmangel ab. Das ist ein unhaltbarer Zustand, dem man eigentlich nur durch ein verpflichtendes soziales Jahr anstelle einer Wehrpflicht begegnen kann. Das hat auch der Bundespräsident vorgeschlagen; ob die Berliner Koalition Schritte in diese Richtung unternehmen will, ist aber unklar.

Bleibt einstweilen die Hilfe zur Selbsthilfe. Erpfting sei für die Umsetzung besonders geeignet, weil es dort bereits Alltagsbegleiter, ein Seniorenmanagement und eine Nachbarschaftshilfe gibt, heißt es in der Beschlussvorlage der Verwaltung. Für Betreuung war also bereits gesorgt. Die Ausdehnung dieser Maßnahmen auf die häusliche Pflege ist allerdings ein richtig großer Schritt. Das von der bundesweit tätigen Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. entwickelte Konzept sieht vor, dass ein lokales Netzwerk aus fünf bis acht festen Personen aus der Nachbarschaft Menschen mit Unterstützungsbedarf (ältere Menschen oder solche mit physischen oder psychischen Einschränkungen) Hilfe leistet und damit auch die pflegenden Angehörigen entlastet.

Die jeweilige nachbarschaftliche Tätigkeit kann ehrenamtlich, in Teilzeit oder in Vollzeit, angestellt oder freiberuflich erfolgen. Das Spektrum reicht von „einmal pro Woche etwas vorlesen“ - ein Ehrenamt - über „dreimal in der Woche einkaufen, kochen oder bei der Körperpflege helfen“; das sind Tätigkeiten, die zu entlohnen sind. Die Nachbar-Helfer werden dabei durch hauptamtliches Personal koordiniert und begleitet. Nach Angaben der Initiatoren setzt das Projekt eine enorm hohe Teilnahmequote voraus: „Wenn fünf bis zehn Prozent der Menschen in einem Kleinquartier von 1.500 Personen Unterstützung benötigen, sind 300 bis 500 Nachbar:innen erforderlich, um die Grundversorgung sicherzustellen“, heißt es auf der Website der Gesellschaft. Das bezeichnen selbst die Initiatoren als „visionär“. Tatsächlich würde das umgerechnet auf den Landsberger Ortsteil bedeuten, dass sich acht von zehn Erpftinger Haushalten in das Projekt einbringen und dabei zu einem großen Teil auch pflegerische Tätigkeiten verrichten müssten. Ob das möglich ist?

Unsere Anerkennung soll diese Ungewissheit aber nicht schmälern. Diese agilen Erpftinger haben schon wieder Gemeinsinn bewiesen. Dafür gebührt ihnen Dank.


Bayern-Wahl: Stimmzettel, kein Denkzettel

landsberglog vom 13.09.2023 (nur Print)


Politisch gesehen ist es eine schwierige Zeit. Der russische Angriff auf die Ukraine, die immer deutlicher werdende Klimakrise, die Inflation und die Energieknappheit stellen die Regierungen im Bund und den Ländern vor Herausforderungen. Die Berliner Ampelkoalition versucht sich ausgerechnet in dieser Zeit an Themen wie dem Wärmepumpen-Primat und der Geschlechter-Selbstbestimmung, ohne die Voraussetzungen für eine spätere Akzeptanz im täglichen Leben zu schaffen.

Auch in Bayern, wo am 8. Oktober gewählt wird, ist in vielen Fragen kein Fortschritt erkennbar. Glaubt irgendjemand daran, dass wir alsbald unsere Bürokratie abbauen? Dass alle Haushalte und Schulen Glasfaseranschlüsse haben werden? Dass die Verlagerung von Mobilität auf Bus und Bahn gelingt? Dass wir irgendwann preiswerten Strom bekommen? Dass wir den Wettbewerb mit Dubai, Kanada und den USA um qualifizierte Fachkräfte bestehen? Dass wir die Inflation deutlich reduzieren? Dass unser Gesundheits- und Pflegesystem aus dem Notbetrieb herauskommt? Dass wir Sanierungsstaus schnell abbauen? Dass unsere Bahn bald pünktlich fährt? Dass Wohnraum wieder bezahlbar wird? Das glaubt wohl niemand.

Viele Wähler lassen teils offen, teils verschämt, erkennen, ihren Stimmzettel zum Denkzettel zu machen. Schon jetzt kann man in den Umfragen eine gemeinsame Linie auf Zwei-Drittel-Niveau ablesen. Mehr Sicherheitskräfte oder Polizei in Freibädern: 78 Prozent. Gendern mit Sonderzeichen an Schulen und Unis verbieten? 62 Prozent. Der Deutschlandpakt schafft keinen Fortschritt bei der Digitalisierung? 68 Prozent. Diese Werte gehen weit über die Anteile der Bevölkerung hinaus, denen pessimistische, apodiktische oder populistische Ansätze eigen sind.

Ein Stimmzettel ist aber kein Stimmungszettel und erst recht kein Denkzettel. So eingesetzt mag er am Wahlabend zwar Schrecken und Demut bewirken; gleichzeitig führt er aber auch zu Chaos und Stillstand, wenn Koalitionen unmöglich werden. Die Unfähigkeit zum Handeln ist die schlechteste aller Lösungen. Genau das kann aber passieren, wenn viele Wähler jetzt tatsächlich erstmals AfD wählen, die in den Umfragen bereits auf Platz 2 liegt. Die europafeindliche, die Klimakrise herunterspielende und thematisch auf einzelne Themen wie die Flüchtlingspolitik fixierte Rechtsaußen-Gruppierung wäre von allen Parteien, die bei der Wahl antreten, am wenigsten in der Lage, die genannten Probleme zu lösen. Aber darum geht es vielen Wählern gar nicht. Es geht ihnen um ein Fanal.

Wer am 8. Oktober eine Wende herbeiführen will, sollte Parteien als Plattformen begreifen und sie von den Handelnden abstrahieren. Fragen Sie sich, in welchem politischen Umfeld Sie selbst die größte Über-einstimmung zur Umsetzung Ihrer persönlichen Werte und Ziele vermuten. Und probieren Sie es doch anschließend mal aus, indem Sie sich dieser Plattform anschließen, Versammlungen besuchen oder an Stammtischen teilnehmen. So eingesetzt verliert der Stimmzettel seinen Zeugnischarakter und wird zum Optionsschein. Dann wäre es auch vorbei mit dem passiven Politik-Konsum - es wäre der Start für aktive Politik-Beeinflussung. Das wäre ein echter Neuanfang. Zunächst für Sie persönlich. Und wenn ganz viele so vorgehen, auch für die jeweilige Partei.


Landsberg braucht ein Wärmewerk

landsberglog vom 06.09.2023 (nur Print)


Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl hat in ihrem aktuellen Bürgerbrief mitgeteilt, dass die Stadt, wie vom Bund vorgesehen, demnächst mit der kommunalen Wärmeplanung beginnen will. Wörtlich schreibt sie, die Bürger würden „bis spätestens 2028 … erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird - oder sie ihre Heizung absehbar auf beispielsweise eine Wärmepumpe umrüsten sollten“.

Diese Aussage ist höchst unbefriedigend. Viele Gemeinden im Landkreis kümmern sich bereits seit Jahren engagiert um eine optimale energetische Versorgung ihrer Bürger. Die Große Kreisstadt hinkt massiv hinterher, weil die Stadtwerke zu langsam agieren. Was sollen Haushalte tun, die in den Jahren 2024, 2025, 2026 und 2027 ihre Heizkessel erneuern müssen? Die Wärmepumpe ist in vielen Fällen keine Option. Sie arbeitet nur dann korrekt, wenn sie fachmännisch geplant und in ein Haus eingebaut wird, das mit Dämmung, Photovoltaik und Heizkörpervergrößerung oder Fußbodenheizung optimal vorbereitet ist – ansonsten macht sie Eigentümer und Mieter arm, weil sie, ausgerechnet im Land mit den höchsten Stromkosten, viel zu viel Strom verbraucht. In vielen Häusern in Landsberg ist diese Situation aus wirtschaftlichen Gründen nicht herstellbar; wir reden über Investitionen von bis zu 200.000 Euro. Da nützt auch kein Staatszuschuss etwas, weil er auf aktuelle Bedürftigkeit abstellt. Das Problem ist aber, dass die so oft geforderte private Altersversorgung bei derartigen Ausgaben verloren geht, denn nun steckt das Geld in einem Haus, dessen Verkauf und Abriss ohnehin vorgezeichnet ist.

Daher kann die Stadt sich nicht auf ihre hoheitliche Pflichtaufgabe „Wärmeplanung“ zurückziehen – sie muss sich unternehmerisch engagieren, um Fernwärme auf das ganze Stadtgebiet zu erstrecken, wie es viele kreisangehörige Gemeinden bezogen auf ihr Gebiet ebenfalls tun. Hätte die Oberbürgermeisterin in ihrem Bürgerbrief erklärt: „Wir streben an, ganz Landsberg mit Fernwärme zu versorgen“, dann hätte sie den Ausnahme-Tatbestand geschaffen, der die Bürger entlasten würde. So aber werden sie in eine Wartestellung gezwängt. Am Ende entscheidet der Stadtrat faktisch darüber, wer sein Haus behalten kann und wer nicht. Da beendet man doch lieber gleich etwaige Mietverhältnisse, verkauft sein Eigentum und zieht in eine benachbarte Gemeinde, die etwas von Wärme versteht.

Landsberg braucht daher sofort ein öffentlich-rechtliches Wärmewerk. Sein Ziel muss sein, in einigen Jahren weit über die Altstadt hinaus so viele Haushalte wie möglich zu angemessenen Preisen mit Fernwärme zu versorgen. Damit und nur damit schafft die Stadt die rechtliche und zeitliche Perspektive, die absurde Investitionen in eine nicht hinreichend werthaltige Immobilie und eine unpassende Technik überflüssig macht. So, aber auch nur so, lässt sich die Turbulenz vermeiden, die der Bund in Sachen Wohnen, Leben und Arbeiten soeben künstlich erzeugt. Dem Beirat dieses Wärmewerks müssen vor allem Bürger, darunter Hausbesitzer und Mieter, angehören, nicht wie in anderen Gremien nicht betroffene und wenig geschulte Politiker.

Wer die Entwicklung bundesweit verfolgt, der weiß: Die Sache ist ernst. Wir können kommunal einiges korrigieren. Aber das müssen wir ab sofort auch tun.


Tarnung, Täuschung, Camouflage

landsberglog vom 02.08.2023 (nur Print, kein Audio)


Die Sommerferien haben begonnen, der Stadtrat ist in den Ferien und auch wir machen dieses Jahr mal eine Sommerpause. Zwei Themen aus der letzten Stadtratssitzung, beide aus den Kategorien Tarnung, Täuschung und Camouflage, müssen wir den reisenden Mandatsträgern allerdings noch nachrufen.

Zunächst zum Kratzerkeller. Der Stadtrat hat dort notgedrungen ausufernde Neubauten akzeptiert, weil das Bestandsgebäude inzwischen unter Denkmalschutz steht und nicht wie ursprünglich geplant verändert werden darf. Über diese Konsequenz hätte er bereits bei der Erklärung des Gebäudes zum Denkmal beraten müssen, aber die Stadtverwaltung hat den Stadtrat damit gar nicht befasst. Auf Nachfragen, warum das so war, bemühte sie sich, den Eindruck zu erwecken, das Landesamt für Denkmalpflege sei dafür alleinzuständig. Das ist es nicht. Die Eintragung eines Gebäudes in die Denkmalliste erfolgt vielmehr im Benehmen mit der jeweiligen Gemeinde. Die Stadt war also aufgefordert, zu entscheiden, ob sie ebenfalls der Meinung ist, dass der Kratzerkeller wegen der dort stattgefundenen Vorbereitungen für ein Kibbuz zum Denkmal werden soll oder nicht. Die Beratung und Entscheidung obliegen dem Stadtrat, weil es sich nicht um eine regelmäßig wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt, die von der Oberbürgermeisterin mit Ihren Mitarbeiterinnen allein entschieden werden kann. Das Thema „Denkmalschutz für den Kratzerkeller“ hätte also längst im Stadtrat aufschlagen müssen. Dazu musste eine Frist eingehalten werden, die das Landesamt in einem seiner Schreiben festgelegt hat, vermutlich in dem vom 11. Oktober 2022, das die Verwaltung aber nicht herausgeben will, weil es sich um „behördeninternen Schriftverkehr“ handele. Der Stadtrat hätte dann die Wahl gehabt, die Eintragung in die Denkmalliste abzunicken (Schweigen gilt als Zustimmung) oder den Landesdenkmalrat mit dem Thema zu befassen.

Ganz zum Schluss gab es noch den Versuch eines klassischen An-den-Pranger-Stellens. Die Oberbürgermeisterin teilte die Beratung zum Derivate-Verfahren in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil auf und gab dem Anwalt der Stadt (aus der Kanzlei R.) Gelegenheit, sich öffentlich über den landsbergblog zu beschweren. Der hatte vor zwei Wochen auf ein prozessuales Problem der Stadt hingewiesen. Es besteht darin, dass die Stadt vorhat, ihre frühere Kanzlei B. auf Schadenersatz zu verklagen, weil die Verjährung von ihr nicht wirksam gehemmt wurde. In einer bestimmten Konstellation aber ist nicht B. Schuld, sondern die aktuelle Kanzlei R. Was der Anwalt uns vorwarf, wurde nicht so recht klar; drei Befragte haben drei verschiedene Dinge herausgehört. Im Kern geht es aber wohl darum, dass wir die Kanzlei R. nicht zu diesem Thema befragt hätten. Aber unser Ansprechpartner ist die Stadt (die bis heute nicht geantwortet hat); die erstmalige Konfrontation der Kanzlei mit einem möglichen Ersatzanspruch der Stadt kann nicht unsere Aufgabe sein. Sowohl die Aufteilung öffentlich/nichtöffentlich wie auch die Vorwürfe in Abwesenheit hätte man sich sparen können. Das ist schlechter Stil.

Nun sind Ferien. Wir sehen uns im September wieder. Und hoffen auf eine gute Zusammenarbeit von Stadtrat und Verwaltung, mit wesentlich weniger Tarnung, Täuschung und Camouflage.


Zu bescheiden, um prägend zu sein

landsberglog vom 26.07.2023 (VORAB)


Vom Ensembleschutz, der sich auf große Teile von Erpfting erstreckt, haben die Stadt und die für den Denkmalschutz zuständigen Behörden schon oft Ausnahmen gemacht. Dabei legten sie einheitliche Kriterien zugrunde und sorgten so für Vergleichbarkeit und Rechtssicherheit. Doch plötzlich stellen sich die Denkmalschützer quer, ausgerechnet bei einem nur unter extremem Aufwand sanierungsfähigen Bauernhaus, das viele Jahre leer stand. Die Mehrheit des Bauausschusses hat diese Wende zwar nicht unterstützt. Aber nun soll der Stadtrat am Mittwochabend aufgrund eines Überprüfungsantrags endgültig entscheiden, mit ungewissem Ausgang.

Abbruch trotz Ensembleschutz – das geht, den Erläuterungen zu den bisherigen Ausnahmen zufolge, wenn das betreffende Gebäude für das Ensemble „nicht prägend“ ist. Das Wort „prägend“ beschreibt eine besondere Eigenschaft eines Hauses. Ein Gebäude ist vor allem dann „prägend“, wenn es von Weitem gut erkennbar ist, sofort beeindruckt und Signalwirkung für das ganze Ensemble hat. Ein Gotteshaus, ein Bauernhof mit Pferdestall und eine alte Schmiede sind Beispiele aus der Praxis.

Im konkreten Fall wäre das Prädikat „prägend“ aber weit übertrieben. Das Bauernhaus fügt sich eher unscheinbar in die Umgebung ein, ist anders ausgerichtet als die anderen Gebäude und wirkt neben einigen größeren benachbarten Häusern, darunter zwei Denkmälern, als hätte es sich weggeduckt. Es ist ein bescheidenes Haus, man könnte sagen: es ist zu bescheiden, um prägend zu sein. Damit ist die Kernfrage auch schon beantwortet.

Einbeziehen sollte man freilich noch, ob durch den Abriss ein Gefüge von Gebäuden verloren geht und damit ein harmonisches Zusammenwirken von Häusern aufgegeben wird. Aber auch das ist nicht der Fall. Von einem Gefüge oder einem Zusammenwirken kann spätestens seit dem Moment keine Rede mehr sein, als die Behörden einem Bauwerber auf der Straßenseite gegenüber, in Rufweite, erlaubten, sein altes Haus abzureißen und an dessen Stelle einen modernen Kubus des 21. Jahrhunderts zu errichten.

Ein Check vor Ort bestätigt das. Der Blick des Betrachters bleibt nicht am bescheidenen Bauernhaus hängen, sondern an den imposanten Denkmälern, am modernen Haus gegenüber und an weiteren neuen Gebäuden in der Straße, die fast unmittelbar an das Bauernhaus angrenzen. In dieser Straße findet man weder Gefüge noch Zusammenwirken; diese Straße ist voller baulicher Gegensätze.

Also: Darf die junge Familie das wirtschaftlich nicht sanierbare Bauernhaus abreißen, das weder das Großensemble Erpfting prägt noch Teil eines Gefüges in unmittelbarer Nachbarschaft ist? Nach den bisher verwendeten Kriterien darf sie das. Warum nun einige von dieser Praxis abweichen wollen, erschließt sich uns nicht. Man kann sie schon aus Gründen der Gerechtigkeit nicht aufgeben.

Das Schicksal des Bauernhauses ist im Übrigen nicht nur für die Besitzer-Familie wichtig. Auch die Erpftinger hoffen auf eine gute Einzelfall-Entscheidung im Sinne der bisherigen Übung. Nur so können sie mit den weitgehenden Restriktionen leben. Auch daran sollte der Stadtrat am Mittwochabend denken. Ein Abrissverbot wäre ein Rückschritt und eine schlechte Voraussetzung für die Akzeptanz des Ensembleschutzes im ganzen Ort.


landsbergblog zum Hören

Podcast vom 19.07.2023



Kurzfassung:

In der parlamentarischen Demokratie gehört es zu den Aufgaben der Parteien, auf allen Ebenen, selbst im kleinsten Ort, durch Information und Diskussion Meinungen aufzunehmen und als „Sachwalter von Bürgerinteressen“ in den parlamentarischen Willensbildungsprozess einzubringen. Die Bürger sollen über die Parteien auch zwischen den Wahlen mitsprechen können, stufenweise über die Parteigliederungen bis in die Parlamente hinein. Diese Pflicht der Parteien zum Bürgerdialog erstreckt sich nicht nur auf lokale Themen, sondern bezieht sich besonders auf Themen der Länder und des Bundes. Darauf wies die Bundeszentrale für politische Bildung im vergangenen Jahr noch einmal nachdrücklich hin.

Im Landkreis Landsberg ist dieser Anspruch bei den Parteien weitgehend in Vergessenheit geraten. Das hat zu einem Gefühl der Entfremdung gegenüber der „großen Politik“ geführt. Bis zur dritten Lesung des Gebäudeenergiegesetzes sollte man das aber ändern, denn hier stoßen wir an die demokratische Substanz. Die Absolutheit, mit der SPD und Grüne auf Bundesebene das Vorhaben nach vorne treiben, erbost viele Bürger. Wir sind das Land mit den höchsten Strompreisen Europas. Unsere Atomkraftwerke sind abgeschaltet. Die Penetration von Windkraftanlagen ist in den Anfängen. Stromtrassen sind noch in Planung. Die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen im öffentlichen Raum schreitet nur langsam voran. Für die Konzeption von Wärmepumpen haben wir kaum Fachpersonal. Gas plus Wasserstoff ist noch eine Fiktion. Und Fernwärme ist nur in kleinen Teilen der Gemeinden verfügbar. Dass die Regierung den Bürgern trotz dieser Fakten eine Hauptrolle in der Energiewende zuweist, versteht niemand.

Die Bundesregierung nimmt der Mehrzahl der Deutschen mit ihrer stromorientierten Politik die Zukunftssicherheit. Es ist völlig unklar, wer sich wann wie verhalten soll und wer dazu planend und ausführend zur Verfügung steht. Hinzu kommt: Die versprochenen Zuschüsse gelten faktisch nur für Objekte mit akzeptablen Sanierungsbedingungen. Wer aber sein Haus durch Dämmung, Großheizkörper und Photovoltaik gar nicht für die Wärmepumpe optimieren kann, weil die Refinanzierung der sechsstelligen Kosten zu Lebzeiten (der Personen oder des Gebäudes) ausgeschlossen ist, wird zum Abriss und Grundstücksverkauf gezwungen. Mietern, die dadurch ihre Wohnung verlieren, droht die Geschosswohnung mit hohen Mieten und Energiekosten.

Ohne weitere Beratung und Anpassung führt dieses Verhalten in die politische Katastrophe: Schon jetzt ist absehbar, dass es bei den nächsten Wahlen einen Rechtsruck geben wird; da niemand mit den Gewinnern koalieren will, droht die Unregierbarkeit. Es ist daher im Interesse der Regierungsparteien, den Weg zum Bürger zu suchen. Wenn sie jetzt nicht Versammlungen einberufen, kompetente Personen über das neue Gesetz berichten lassen, und zuhören, was Heizungsbauer und Sanitärbetriebe, Hausbesitzer und Mieter sowie Energieberater und -versorger zu den Plänen zu sagen haben, dann riskieren sie auch regional ihre Akzeptanz. Klimapolitik funktioniert nur mit den Bürgern zusammen. Hallo SPD, Grüne, FDP: Erinnert Euch an Euren Auftrag! Nehmt Eure Verantwortung wahr!

Die Erinnerung der Bundeszentrale für politische Bildung finden Sie HIER .


landsbergblog zum Hören

Podcast vom 12.07.2023



Kurzfassung:

Es ist ein starkes Stück: Der Landkreis missachtet den dringenden Appell des freien Trägers „SOS Kinderdorf“, die nur mit einer Halbtagsstelle ausgestattete „Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt“ wegen des hohen Beratungsbedarfs schnell um eine weitere halbe Stelle aufzustocken. Der Jugendhilfeausschuss verweist den Träger – im Einvernehmen mit dem Leiter des Jugendamts, gegen den nachhaltigen Widerspruch von Kreisrat Felix Bredschneijder (SPD) – stattdessen mehrheitlich auf einen längeren Evaluierungsprozess, in dem festgestellt werden soll, ob die Aufstockung notwendig ist. Der überlastete Träger macht daraufhin von seinem Recht auf Kündigung Gebrauch und stellt die Beratung ein.

Damit ist die einzige Anlaufstelle im Landkreis zur Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch geschlossen. Ausgerechnet für diese Nöte, die Betroffene meist ins Mark treffen, und ausgerechnet für diese Taten, die nicht verschwiegen und nicht toleriert werden dürfen, gibt es nun im Landkreis keine professionelle pädagogische Hilfe mehr.

Und weswegen? Weil der Landkreis annahm, man könne alle Aufgaben, die zu einer derartigen Fachstelle gehören, in 19,25 Wochenstunden bewältigen.

  • Betroffene Kinder in mehreren Sitzungen beraten,
  • Erwachsenen Mut machen, einen Verdacht nicht wegzuschieben,
  • die Fachstelle bekannt machen und sie vernetzen,
  • Lehrer und Kita-Mitarbeiter sensibilisieren.

Das war mit einer Halbtagsstelle von vorneherein nicht zu schaffen. Der Landkreis wollte offenbar mit wenig Geld viel Ruhm ernten. Das konnte nicht gelingen.

Das Jugendamt und sein Leiter Peter Rasch seien daran erinnert, dass sie „die Gesamtverantwortung für die Bereitstellung und Erfüllung der Jugendhilfeaufgaben tragen“; so formuliert es die Bayerische Staatsregierung. Will heißen: Der Landkreis und seine Gremien haben nach der Delegation einer Aufgabe weiterhin durch ständiges Anpassen von Stellenplänen und Budgets dafür zu sorgen, dass die Jugendhilfe und -fürsorge in jedem Moment qualifiziert, kontinuierlich, zeitnah und gerecht stattfinden kann. Für die Aufstockung einer halben auf eine Stelle ist daher kein monatelanges formales Verfahren angebracht. Hinschauen und zuhören sind in einem solchen Fall genug Evaluation.

Denn: Arbeitet das Jugendamt mit freien Trägern zusammen, muss es das „partnerschaftlich“ tun; so verlangt es das Sozialgesetzbuch. Zu Partnerschaft gehört vor allem, Vertrauen zu entwickeln. Das gilt erst recht bei langjährig Beauftragten wie der SOS-Beratungsstelle. Ein Jugendamt, das die freien Träger vorwiegend mit Argwohn betrachtet, ist ebenso fehl am Platz wie eines, das die Jugendpflege und das Kindeswohl unter monetären und administrativen Generalvorbehalt stellt.

So sehr man die - fristgerechte und regelkonforme - Kündigung des Vertrages durch das SOS Kinderdorf bedauert, weil sie ein Vakuum schafft: Vielleicht müssen im Konfliktfall noch mehr beauftragte soziale Träger nach dem Motto „Bis hierhin und nicht weiter“ verfahren. Nur so können sie effektiv und mit der nötigen Resonanz reagieren, wenn es um die Relativierung der Jugendhilfe geht. Wenn alle schweigen, ändert sich nichts.


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Podcast vom 05.07.2023

ACHTUNG: Bitte entschuldigen Sie die Tonprobleme!

Kurzfassung:

In Sachen „Derivate“ verfährt die Stadtverwaltung nach dem Motto „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Das Urteil des Landgerichts München haben noch nicht einmal alle Stadträte erhalten, geschweige denn wir. Daher haben wir es uns anderweitig besorgt. Wer es genau liest, der erkennt: Die Stadt hat durch die mögliche Haftung der Anwälte für die versäumte Hemmung der Verjährung im Verfahren gegen die Banktochter Fides Kapital eine interessante Perspektive erhalten (siehe landsbergblog vom 31. Mai 2023). Gleichzeitig hat sie unserer Analyse zufolge aber auch ein ernstes prozessuales Problem.

Zur Erinnerung: Das Landgericht war erstinstanzlich zu dem Schluss gekommen, die Hemmung der Verjährung sei nicht durch die vorgenommene Mahnung erfolgt, denn die Anwälte hätten den geschuldeten Betrag darin offengelassen und erst sehr spät beziffert. Auch die Streitverkündung gegenüber der Fides Kapital habe nicht zur Hemmung der Verjährung geführt, weil die Stadt die Bank und die Banktochter – so das Gericht - gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen konnte. Selbst wenn man insoweit anderer Meinung sei, helfe das der Stadt nicht, denn die Wirkung der Streitverkündung habe nur bis Mai 2021 gereicht; spätestens bis dahin hätten die Landsberger Anwälte den Mahnbescheid konkretisieren, also die Schuld beziffern müssen.

Die Stadt hat gegen das Urteil des Landgerichts Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) München eingereicht. Dabei hat sie den früheren Anwälten der Stadt, der Kanzlei B., den Streit verkündet. Zwar bedarf es unserer Meinung nach des 475.000 Euro teuren Gangs zum OLG gar nicht, aber da ist die Stadt wohl anderer Meinung.

Wie auch immer: Vertreten wird die Stadt von ihrer jetzigen Kanzlei R. Angenommen, das OLG entscheidet, dass die Streitverkündung gegenüber der Fides Kapital doch wirksam und die Verjährung bis Mai 2021 noch gehemmt war, wäre es wohl Aufgabe genau dieser Kanzlei R. gewesen, den Mahnbescheid innerhalb der Restfrist zu konkretisieren, um die Verjährung dauerhaft auszuschließen; sie war da schon über ein Jahr für die Stadt tätig. Unwahrscheinlich ist diese Wendung nicht: Im Verfahren gegen die Bank ging es um die Wirksamkeit der Derivate und bei der Klage gegen die Banktochter geht es um die Qualität der Beratung. Letzteres setzt das Erste voraus. Daher könnte der Schwarze Peter jetzt durchaus von der Kanzlei B. zur Kanzlei R. weiterwandern. Daher reicht es wohl nicht, wenn die Stadt nur der Kanzlei B. den Streit verkündet; sie muss das auch gegenüber der Kanzlei R. tun. Außerdem könnte die Kanzlei R. die Stadt beim OLG nicht vertreten; sie würde ja in fremder und zugleich eigener Sache mitwirken. Die Stadt braucht also neue Anwälte.

Die Verwaltung und der Stadtrat haben von diesem Problem offenbar noch keine Kenntnis. Die Pressestelle teilte uns mit, dass man auf die E-Mail des landsbergblog „frühestens Mitte KW 29, bis Frau Mayr-Endhart wieder im Hause ist“ antworten könne. Unsere schon vergangene Woche geäußerte Bitte, unsere Hinweise im Fall einer Abwesenheit der Oberbürgermeisterin vorzulegen, hat man offenbar ignoriert. Stimmt schon: Die wenigsten Kopfschmerzen machen Probleme, die man noch gar nicht kennt. Das ist auch eine Möglichkeit, einen Beruf auszuüben. Aber keine besonders gute.


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Podcast vom 28.06.2023

Kurzfassung:

Drei Beiträge des landsbergblog erfordern Aktualisierungen. Kernthese des Kommentars „Die Normalisierung des Eigensinns“ vom 14. Juni war, dass wir auf manche schlechte Leistung inzwischen leidend, aber lautlos reagieren, und nicht, wie eigentlich erforderlich, mit Widerspruch. Ein paar Tage später haben wir schon wieder so einen Fall: Eine so schlechte Umleitung wie in und um Kaufering haben wir noch nie gesehen. Wer von Kaufering nach Landsberg will, soll Kilometer nach Norden fahren, sogar über die Kolonie Hurlach hinaus, um sich auf der B17 (neu) nach Landsberg (West) zu begeben. Das macht wohl niemand; außerdem ist die Viktor-Frankl-Straße so nicht erreichbar und es droht die Endlosschleife. War es für das Landratsamt unvorstellbar, dass nun alle den viel einfacheren Weg über die Iglinger Straße nehmen? Hat man deswegen dort keine Vorbereitungen für erhöhtes Verkehrsaufkommen getroffen?

Thema 2: Am 31. Mai berichteten wir in Sachen „Derivate“ über das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) München im Rechtsstreit der Stadt gegen die Banktochter „Fides Kapital“. Offiziell hat die Stadt die Medien darüber immer noch nicht informiert, wahrscheinlich weil es ihr zu peinlich ist, dazu auch noch eine Presseerklärung zu machen. Aus dem Urteil geht hervor, dass die früheren Landsberger Anwälte wohl versäumt haben, die Verjährung von Ansprüchen gegen die beklagte Banktochter rechtswirksam zu hemmen. Das könnte nun dazu führen, dass die Kanzlei Schadenersatz in Millionenhöhe leisten muss. In welcher Form sie mit diesem Anspruch konfrontiert werden soll, ist nach wie vor unklar. Inzwischen ist häufiger von der Streitverkündung die Rede, die wir im Kommentar ins Spiel gebracht hatten. Wie auch immer: Parallel hat der Bundesgerichtshof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts im Betragsverfahren gegen die Bankmutter zurückgewiesen (OLG II). Das war nicht anders zu erwarten; schon der erste Antrag gegen das Grundurteil (OLG I) blieb ohne Erfolg. Dieser Rechtsstreit ist also nun beendet. Insofern kommt das mutmaßliche Anwaltsversäumnis wie gerufen. Den Satz “Das war’s nun in Sachen Bank“ sucht man aber vergeblich. Die heutigen Anwälte der Stadt denken an eine Verfassungsbeschwerde und die Stadt verbreitet das gerne weiter. Hauptsache es bleibt Hoffnung. Wahrscheinlich ist man beim Eingestehen der Niederlage schon in Pension.

Thema Nummer 3: Unter der Überschrift „Beschlüsse für das Niemandsland“ hatten wir am 10. Mai berichtet, dass die Oberbürgermeisterin diverse Beschlüsse des Stadtrats wieder aufheben ließ, nachdem sie nicht in die Tat umgesetzt wurden. Die Begründung: Es seien ja keine Haushaltsmittel dazu etatisiert worden. Und: Einige Beschlüsse seien in langlaufende Planungsverfahren überführt worden. Auf Anfrage von Stadtrat Christian Hettmer (CSU) stellte die Rechtsaufsicht der Stadt (das Landratsamt) nun fest: Zum Beschlussvollzug gehört auch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln auf Initiative der Verwaltung. Ein Beschluss lässt sich nicht durch Nicht-Etatisierung erledigen. Und: Die Überführung in einen Planungsprozess ist kein Beschlussvollzug; dieser steht vielmehr noch aus. Wie erwartet: Ein Dämpfer für die Oberbürgermeisterin und Kudos für Christian Hettmer.


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Podcast vom 21.06.2023

Kurzfassung:

Nach der Landtagswahl im Herbst wird es auch um Änderungen des Kommunalrechts sowie solcher Bundes- und Landesgesetze gehen, die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben behindern. Hier sind, schlagwortartig begründet, unsere Reformvorschläge:

(1) Begrenzung der Kreisumlage. Die finanzielle Selbstbedienung der Landkreise muss ein Ende haben.

(2) Transparentes Zuschussregister, damit Kommunen nicht länger Trüffelschweine sein müssen.

(3) Lockerung von EU-Normen (Beihilfe, Ausschreibung). So wird die Gründung weiterer Tochterfirmen der Kommunen überflüssig.

(4) Daher auch: Keine erneute Vertagung der Einführung der kommunalen Umsatzsteuer.

(5) Bei bestehenden Tochterfirmen: Pflicht zur Einbeziehung externer Profis in die Gremien …

(6) … und Stärkung der Kontrollrechte der Stadt- und Gemeinderäte über die Rolle „Gesellschafterversammlung“ hinaus.

(7) Übernahme der Mehrkosten, die den Kommunen durch das „Heizungsgesetz“ der Ampelkoalition entstehen.

(8) Neufassung der (durch die Rechtsprechung degenerierten) baurechtlichen Regelungen zum unbeplanten Innenbereich.

(9) Neuregelung der Zuständigkeit für verkehrsrechtliche Anordnungen mit Übergabe von Kompetenzen an die Kommunen (Beispiel: Entscheidung über Tempo 30).

(10) Klare Definition der Aufgaben von (Ober-)Bürgermeistern bei der Vorbereitung von Sitzungen (Unterlagen, Information).

(11) Pflicht der Stadt- und Gemeinderäte, die Nichtöffentlichkeit von Beratungspunkten einzeln zu beschließen und zu begründen.

(12) Sanktionierung des Fehlens bei Ratssitzungen – dadurch weniger „Promi-Kandidaten“, die nur Stimmen ziehen sollen.

(13) Reduzierung der Zahl der Ratsmitglieder auf maximal 30 (kreisangehörige) bzw. 50 (kreisfreie Städte).

(14) Normierung individueller Auskunftsrechte der Ratsmitglieder gegenüber der „Verwaltung“.

(15) Definition der Kompetenzen von „thematischen Referenten“ des Stadt- oder Gemeinderats.

(16) Effektive Kontrolle des Vollzugs von Beschlüssen; kein Unter-den-Tisch-fallen-lassen mehr.

(17) Einführung von Muss-Regelungen zur Transparenz: Wann erhalten Bürger welche Informationen zur Ratssitzung?

(18) Verpflichtung zu kostenlosen Schulungsprogrammen für Bürger: „Mein Weg in den Gemeinderat“.

(19) Einführung der Doppik in allen Kommunen: Weniger Investitionsstaus, mehr Planung, mehr Strategie, mehr Controlling.

(20) Reduzierung der Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, damit Städte und Gemeinden mehr Mittel für eigene Ziele haben.

(21) Pflicht zur Aufstellung eines Verkehrsentwicklungsplans mit den Zielen „weniger Autoverkehr, mehr Rad und ÖPNV“.

(22) Wirksame Entbürokratisierung auf allen Ebenen, die auch auf die Kommunen durchschlägt.

Der landsbergblog leitet diese Vorschläge an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus der Region weiter. Ziel der Initiative ist eine weitere und nachhaltige Professionalisierung der kommunalen Tätigkeit.


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Podcast vom 14.06.2023

Kurzfassung:

(1) Ein Autohaus bescheidet seinen Kunden, Reparaturen seien erst in einigen Wochen möglich; man solle sich eine andere Werkstatt suchen. (2) Ein Discounter nutzt die Inflation zur übermäßigen Preiserhöhung und generiert so plötzlich einen zweistelligen Umsatzsprung. (3) Ein Bauamt verhängt wegen einer Maßüberschreitung einen Baustopp; durch die Verzögerungen gerät der Einzugstermin in Gefahr. (4) Ein Bauträger lässt seine vorhabenbezogene GmbH in Konkurs gehen, weil er geltend gemachte Baumängel nicht nachbessern will. (5) Anwohner erfahren, dass ihre Straße zur Erneuerung von Leitungen sechs Monate gesperrt wird – und nächstes Jahr nochmal. Das sind fünf aktuelle Fälle aus Landsberg, die uns in den vergangenen Wochen beschäftigt haben. Haben die etwas miteinander zu tun? Wir glauben: Ja.

Allen fünf Fällen ist gemeinsam, dass ein Amt oder eine Tätigkeit in einer Weise ausgeübt wird, die die Interessen Betroffener und insbesondere von Kunden nicht so berücksichtigt, wie das möglich wäre. (1) Das Autohaus könnte Kunden mit einer Wagenpanne an freie Werkstätten vermitteln, statt sie selbst auf die Suche zu schicken. (2) Der (auch bei uns präsente) Discounter könnte sich Grenzen setzen und damit der Inflation entgegenwirken, statt unter ihrem Deckmantel Profite anzustreben. (3) Das Bauamt könnte sich bemühen, die Planabweichungen zu beheben und gleichzeitig den Neubau weiterlaufen zu lassen. (4) Der Bauträger könnte seiner Verantwortung zur Beseitigung von Mängeln gerecht werden, statt das Problem einfach auszusondern. (5) Beim Leitungstausch könnten die Stadtwerke in einer Straße alle Netze gleichzeitig erneuern und in der Ausschreibung eine kurze Bauzeit festlegen. Doch man entschied sich in allen fünf Fällen für das Prinzip „Business as usual“.

Die Akteure beschäftigen sich zu viel mit Problemen und zu wenig mit Lösungen. Ähnlich wie Kapitäne ihr Schiff durch raue See führen, ist es Aufgabe von Geschäftsführern, Widrigkeiten vorherzusehen und darauf zu reagieren. Davon ist oft nichts zu spüren. Die Politik ist dabei ein schlechtes Vorbild. Die ungenehmigte Zerstörung des Biotops im Pflugfabrik-Areal war der Stadtratsmehrheit noch nicht einmal eine Rüge wert. Die erste Reaktion auf die Reduzierung der Busfrequenz und den Ausfall ganzer Linien war Schulterzucken. Ähnlich verhielt es sich, als die beauftragte Organisation die Kindertagesstätte am Wiesenring nicht mehr weiterbetrieb und den Auftrag zurückgab. Natürlich haben wir Fachkräftemangel, aber der ist schon Jahre bekannt. Vielen dient das Schlagwort heute dazu, eine zumindest vorübergehend schlechte Leistung hoffähig zu machen, wie das in manchem Staat schon zur Regel geworden ist.

Es gilt, den Anfängen zu wehren. Boni, die sich an kurzfristigen Erfolgszahlen orientieren. Handelnde, die kaum einer Kontrolle unterliegen. Eine allgemeine Haltung, die man „erstmal ich“ nennen könnte. Das Verblassen des Gebots der Fairness. Das alles sind, zumindest in der Summe, Wege zur Gleichgültigkeit. Wir sind dabei, Eigensinn zu normalisieren. Wenn wir dagegen nichts tun, entsteht in unseren Köpfen tiefe Resignation, wie das bei Vielen schon der Fall ist. Keine gute Basis für ein Jahrzehnt, in dem wir existentielle Probleme lösen müssen.


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Weiterfahrt im Mannschaftsbus

Podcast vom 07.06.2023 (vorab veröffentlicht am 05.06.2023)

ACHTUNG: Das Laden der Audio-Datei dauert etwas!

Kurzfassung:

Es kam uns eine Analogie in den Sinn, als wir erfuhren, dass Stadtrat Jonas Pioch die Landsberger Mitte verlässt und in die Fraktion der SPD eintritt. Wir dachten an den Fußballspieler Mitchell Weiser, der im Jahr 2022, am Tag bevor das Transferfenster schloss, von Bayer Leverkusen in den Kader von Werder Bremen wechselte. Weiser suchte einen festen Platz in einem Team: „Ich will spielen“, sagte er. Kurz zuvor hatte Bayer Leverkusen Weisers Entschluss zum Wechsel beflügelt, erst durch Entzug seiner Rückennummer 23, dann durch die Aussage, er habe bei der Werkself „keine sportliche Perspektive“. Da er Werder durch eine Ausleihe schon kannte, waren die Bremer nun sein Wunschverein.

So ähnlich dürfte es sich im Fall Jonas Pioch zugetragen haben. Der Diplomjurist, Jahrgang 1989, ist seit Langem der Auffassung, dass man das Amt eines Stadtrats nur als Mannschaftssport ausüben kann; nur so entstehe Augenhöhe mit der Verwaltungsspitze. Sein Wunsch nach Teambildung zieht sich wie ein roter Faden durch Piochs Engagement, schon früh im Jugendbeirat, später bei der Ausbildungsmesse. „Das ist nur im Team gelungen“, hört man ihn öfter sagen. Eitelkeiten und Machtkämpfe liegen ihm eher fern. Er hat wenig für den Drang nach Ämtern übrig und noch weniger für Amtsträger, die Aufgaben bei der ersten Schwierigkeit gleich wieder abgeben. Sein Weg ist, konzentriert einen guten Job zu machen. Daher vertraute ihm eine Unternehmensgruppe kürzlich mit 34 Jahren die Leitung der Abteilungen Recht und Compliance an, in einem schwierigen Wirtschaftssektor, der durch Hunderte Normen aus allen Rechtsgebieten geprägt ist.

Der Entschluss, dass die SPD-Fraktion für ihn das richtige Team sein könnte, ist durch die Person des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dieter Völkel, genährt worden. Pioch schätzt Völkel wegen seiner juristischen Kompetenz und seiner Fähigkeit zur punktgenauen Argumentation. Völkel ist auch Garant dafür, dass Stadträte keinen Fraktionszwängen unterliegen, was vermutlich die wichtigste Voraussetzung für die Verständigung war. Pioch wechselt zwar nun ins Lager der Stadt-“Regierung“, wird seine kritischen Haltungen, wie etwa im Fall der Wohnungsbaugesellschaft, aber sicher beibehalten.

Sein Wechsel zum Team Völkel schafft zudem neue Perspektiven für den sehr erfahrenen, aber immer noch jungen Stadtrat. Bei der nächsten Wahl wird es in der SPD-Fraktion personelle Veränderungen und damit Vakanzen geben. Pioch, der bei der letzten Wahl rund 4.500 Stimmen erhielt, kann dosieren, wie sehr er sich neben Beruf und Familie ehrenamtlich einbringt. Wir tippen darauf, dass Pioch auch dort nicht ins Scheinwerferlicht drängt, sondern lieber als Influencer wirkt, der die Stadtpolitik mitlenkt und nach vorne bringt. So versteht er sein Amt heute schon. Deswegen ist er auch immer wieder Ansprechpartner von Bürgern, deren Position er im Stadtrat vertritt, wenn er die zugrunde liegenden Werte teilt, etwa wenn es um Bauthemen wie Nachverdichtung geht.

Der Fußballspieler Mitchell Weiser verlässt nach Ansage fehlender sportlicher Perspektive seinen alten Verein, weil er nach einem Team sucht, das seine Talente schätzt. Wenn wir nicht ganz falsch liegen, erklärt dies auch den Wechsel von Jonas Pioch zur SPD. Er bleibt in der Liga und hat das gleiche Ziel. Nur diesmal ist es eine Weiterfahrt im Mannschaftsbus.


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Der teure Fehler des Landsberger Stadtrats

Podcast vom 31.05.2023

ACHTUNG: Das Laden der Audio-Datei dauert etwas!

Kurzfassung:

Die Stadt Landsberg hat lange gehofft, die strittigen und Verlust bringenden Derivatabschlüsse rückwirkend vernichten zu können, sei es wegen des Spekulationsverbots der Kommunen, sei es wegen der Nichtgenehmigung der Abschlüsse durch das Landratsamt. Das hatte alles keinen Erfolg. Beklagt war bislang das Bankhaus Hauck & Aufhäuser als Verkäufer der Wertpapiere. Es war für alle Beteiligten klar: Wenn die Stadt gegenüber der Bank nicht obsiegt, dann folgt als nächstes der Prozess gegen die „FidesKapital“, die mutmaßliche Rechtsnachfolgerin der damaligen Beratungstochter der Bank. Klagegrund ist dann die fehlerhafte Beratung gegenüber der Stadt, zumindest bei den beiden Derivat-Abschlüssen, die völlig aus dem Rahmen fielen.

Nun aber hat das Landgericht München entschieden, dass Ansprüche gegen die FidesKapital bereits seit 2015 verjährt sind. Die frühere Anwältin der Stadt, eine renommierte Münchener Wirtschaftskanzlei, hatte sich darauf verlassen, dass zwei Maßnahmen ausreichen würden, um die Verjährung zu hemmen. Erste Maßnahme war eine Streitverkündung; sie war aber im konkreten Fall nicht zulässig. Die zweite Maßnahme war ein Mahnbescheid; er war aber nicht hinreichend konkret. Da beide Handlungen in dieser Form nach Meinung des Gerichts nicht ausreichten, kommen die FidesKapital und damit auch das Bankhaus nun ungeschoren davon.

Stattdessen rücken die Anwälte in den Fokus. Das Urteil der drei Richterinnen, das an Klarheit nichts vermissen lässt, könnte zu einer Wende im Derivatestreit führen: Wir bekommen möglicherweise doch viel Geld zurück, nur von einer ganz anderen Stelle als erwartet und mit anderen Hürden, die nun zu überwinden sind.

Allerdings hat der Stadtrat mit Mehrheit beschlossen, gegen das Urteil des Landgerichtes Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen. Nach Meinung der Verwaltungsspitze würde das den Schadenersatzanspruch der Stadt gegen die Anwaltskanzlei noch ein Stück aussichtsreicher machen. Aber für diesen Schritt fallen nach unseren Berechnungen weitere 475.000 Euro Prozesskosten an. Das wäre nur in einem einzigen Fall sinnvoll: Wenn die Stadt ihrer früheren Kanzlei im jetzigen Verfahren den Streit verkündet. Dann wären sie und ihre Haftpflichtversicherung an die Feststellungen der Gerichte gebunden, zur Frage der Verjährung ebenso wie zur Unwirksamkeit der verjährungshemmenden Handlungen. Dann wären wir gegenüber den Anwälten schon einen Schritt weiter.

So aber ist der Weg zum Oberlandesgericht nur ein teurer Umweg. Die mit der neuen Klage befassten Gerichte starten nämlich eine eigene Prüfung von Anfang an. Ist die Verjährung eingetreten? Lag das daran, dass die Kanzlei die falschen Mittel eingesetzt hat? Hat die Bankentochter schlecht beraten? Welchen Schaden hat die Stadt dadurch gehabt? Darauf, was andere Gerichte zu einzelnen dieser Fragen meinen, kommt es nicht an. Das gilt nicht nur für das Oberlandesgericht: Im Grunde hätte man sich schon die erste, 400.000 Euro teure, Klage sparen können. Von dieser Prozessschiene profitieren allein die jetzigen Anwälte der Stadt, die eine weitere Gebühr in Rechnung stellen können. Es bleibt nur eine Chance: Unser Weg muss nun direkt in Richtung Wirtschaftskanzlei führen, so oder so. Ein neuer Beschluss ist dafür essentiell.


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Ein Film, den man entflechten muss

Podcast vom 24.05.2023

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Kurzfassung:

Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Deutsche Welle TV strahlt derzeit in vielen Ländern und Sprachen eine Dokumentation aus, die sich unter dem Titel Im Land der Täter – Holocaust-Überlebende im Nachkriegsdeutschland mit der Unterbringung von „Displaced Persons“ in Landsberger Kasernen befasst.

Autor Hans Pfeifer hat dazu betagte Überlebende (sogar einen 100 Jahre alten Zeitzeugen) in den USA aufgesucht und befragt. Diese transatlantische Recherche ist verdienstvoll. Die Redaktion nahm die wohl letzte Gelegenheit wahr, die Beteiligten zu befragen. Deren Aussagen sind wertvolle Beiträge zu Wissenschaft, Forschung und politischer Bildung. Sie verdeutlichen auch, dass fast 80 Jahre danach die Trauer, das Entsetzen und das Leid nicht vergessen sind und nicht vergessen werden dürfen.

Allerdings erliegt die Dokumentation der Versuchung, das konsekutive Geschehen in Landsberg kumulativ darzustellen und eine Linie von Hitlers Festungshaft bis in die Jetzt-Zeit zu zeichnen. Dabei werden unterschiedliche Zeiten, Personengruppen und Ziele vermengt. Dies wird bereits in den ersten Sätzen deutlich. Landsberg habe sich in der NS-Zeit als Hitlerstadt "gerühmt“. Juden seien hier auch in der Nachkriegszeit "unerwünscht“ gewesen. Und über einen Gedenkort für die Opfer der Shoah werde „bis heute gestritten“. In Landsberg habe Hitler „Mein Kampf“ geschrieben, hier seien KZs gebaut worden und die Bürger hätten gegen „Siegerjustiz“ demonstriert. So aneinandergereiht entsteht der Eindruck einer durchgängigen Jahrzehnte anhaltenden Nähe Landsbergs zum NS-Regime, was durch zeitlich nicht eingeordnete Erzählungen verstärkt wird. Landsberg wird Haltungsgleichheit bis in die Gegenwart unterstellt. Der Satz, die Stadt stehe „wie kaum eine deutsche Stadt für das Ausmaß des Nationalsozialismus“, ist Katalysator dieses Narrativs.

Angesichts dieses Einstiegs ist es kein Wunder, dass die Doku über weite Strecken nicht auf das DP-Lager der Amerikaner fokussiert, sondern immer wieder ins KZ-Außenlager Kaufering VII der Nationalsozialisten wechselt. Durchgängig wird erkennbar, dass der Autor kein Verständnis dafür hat, dass die Stadt noch kein Baurecht für ein Dokumentationszentrum bei den Tonröhrenbauten in der Erpftinger Straße erteilt hat. Ihre Haltung, zunächst mehr über die künftigen Betreiber und die Nachhaltigkeit einer solchen Einrichtung wissen zu wollen, ist der Deutschen Welle lediglich ein Zitat im Abspann wert.

Dieser Versuch der Quadratur des Kreises musste misslingen: Man kann nicht mit einer Diktion, einer Formel, einem Zitat alles abdecken, was vor, im und nach dem dritten Reich in Landsberg geschah. Das gilt nicht nur für Filmemacher, das wird auch fürs neue Stadtmuseum gelten. In getrennten Filmen hätte sich die Gelegenheit geboten, die – inzwischen greifbaren - Lösungen zur Trägerschaft eines Dokuzentrums darzustellen. Dann wäre auch Zeit für einen genaueren Blick auf die Probleme, aber auch die Aufbruch-Wirkung der DP-Lager geblieben. So aber springt die Doku oberflächlich und apodiktisch zwischen den Themen hin und her. Am Ende braucht man Zeit und Muße, um die Stränge zu entflechten. Ob das im Ausland, in dem der Film hauptsächlich gesendet wird, gelingt?


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Kommunalrecht: Mal greif ich zu, mal lass ich's sein

Podcast vom 17.05.2023

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Kurzfassung:

Der landsbergblog und andere, die sich professionell mit dem kommunalen Geschehen befassen, stehen immer wieder vor dem Problem, dass sie über Politik schreiben wollen, aber Recht und Gesetz zum Thema machen müssen. Das ist für die Leser unbefriedigend, aber leider unvermeidbar.

Der erste Grund dafür ist, dass viele Menschen ein politisches Ziel verfolgen, indem sie beim Recht „zugreifen“. Sie interpretieren Gesetze und Urteile so, dass daraus genau das Handeln folgt, das sie für richtig halten. Noch mehr: Sie holen sich aus dem Recht die Legitimation, apodiktisch zu sein und ihre Meinung als alternativlos darzustellen. Es ist erstaunlich, auf wieviel Resonanz solche Zugriffe stoßen. Erst beim genauen Hinsehen wird erkennbar, dass das Recht dabei oft falsch dargestellt wird. Kann- und Soll-Vorschriften werden als Muss-Regelungen ausgelegt. Leitsätze aus Urteilen werden aus dem Kontext gerissen. Und immer wieder findet der direkte Rückgriff auf Grundrechte statt, die angeblich verfassungsunmittelbar ein bestimmtes Verhalten fordern. Bei den großen Themen wie der Umwelt führt das inzwischen dazu, dass Beleidigung, Blockade und Beschädigung an der Tagesordnung sind. Aber auch auf kommunaler Ebene hat das Absolute inzwischen Konjunktur.

Der zweite Grund, warum wir immer wieder übers Recht schreiben müssen, ist die fehlende Reflektion der möglichen Überschreitung rechtlicher Grenzen. Noch nie hat ein Landsberger Stadtrat so oft nichtöffentlich beraten wie der jetzige. Noch nie hat man der Öffentlichkeit so viele Sitzungsunterlagen vorenthalten wie derzeit. Noch nie wurde der im Geheimen tagende Ältestenrat, der Abläufe festlegen soll, so oft zur inhaltlichen Beratung eingesetzt. Noch nie wurden so viele Stadtrats-Beschlüsse nicht umgesetzt. Den Höhepunkt der Reflektionslosigkeit gab es vor einigen Wochen, als 15 Stadträte ihre Beschlüsse anhand einer Liste einfach wieder aufhoben – nach Jahren der Untätigkeit der Stadtverwaltung. Stadträte müssen darauf achten, ob das Verfahren, in das man sie gerade einbezieht, mit der Gemeindeordnung übereinstimmt. Ein Stadtrat kann die Legitimität seines Handelns nicht einfach unterstellen; er muss sie bei jedem Thema in Frage stellen.

Muss dieser Tagesordnungspunkt wirklich nichtöffentlich behandelt werden? Welche Unterlagen bekommen die Bürger und welche nicht? Sind unsere Beschlüsse in den städtischen Haushalt eingepflegt, werden also umgesetzt? Haben wir rechtzeitig alle Informationen erhalten, so dass wir guten Gewissens über einen Tagesordnungspunkt entscheiden können? Verstehen wir, was da im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG geregelt ist – und müssen diese Regelungen so sein?

Aus beiden Gründen ist auch die journalistische Beobachtung der Rechtmäßigkeit kommunalen Handelns unverzichtbar. So kleinteilig und kleinkariert das manchmal wirken mag: Diejenigen, die das Recht für ihre Argumentation manipulativ in Anspruch nehmen oder es großzügig außer Acht lassen, wollen immer einen Vorteil erzielen. Oft haben sie Erfolg, weil sich niemand fit fühlt, gegenzuhalten. In einer Demokratie darf der Satz „Frechheit siegt“ aber nicht in den politischen Alltag Einzug halten. Deswegen tut Aufklärung not - und permanente Prüfung, auch wenn sie wehtut.


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Beschlüsse für das Niemandsland

Podcast vom 10.05.2023

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Kurzfassung:

In der Gemeindeordnung steht: Die Oberbürgermeisterin vollzieht die Beschlüsse des Stadtrats. Aber macht sie das gewissenhaft? Es sieht nicht so aus. Ende Januar hatte CSU-Stadtrat Christian Hettmer auf acht Seiten akribisch aufgelistet, welche Beschlüsse des Stadtrats die Verwaltung nicht umgesetzt hat. Der KREISBOTE hatte die Liste analysiert und Muster von Verwaltungs-Inaktivität (VIA) herausgearbeitet. VIA Nummer 1: „Wir hatten noch keine Zeit dazu.“ VIA Nummer 2: „Wir haben den Beschluss in den Planungsprozess XY eingebracht.“ VIA Nummer 3: „Dafür wurden keine Haushaltsmittel bereitgestellt.“

VIA Nummer 2 ist geschickt formuliert. Hier wird der Eindruck erweckt, man habe den Beschluss irgendwie berücksichtigt. Aber er ist „auszuführen“; die Oberbürgermeisterin kann ihn nicht in andere Prozesse „überführen“. Nur der Stadtrat selbst kann über das Schicksal seiner Beschlüsse entscheiden. Wer einen Akt erlassen darf, ist für dessen Aufhebung oder Veränderung alleinzuständig.

VIA Nummer 3 ist noch raffinierter konstruiert. Der Beschluss steht ja deswegen auf Hettmers Liste, weil der Stadtrat ihn bei der Haushaltsberatung weder bekräftigt noch (zum Beispiel aufgrund zu hoher Kosten) einkassiert hat. Vielmehr hatte die Verwaltung keine entsprechende Position in den Haushalt aufgenommen; das Thema kam gar nicht zur Sprache und dem Stadtrat fiel nicht auf, dass im Haushalt eigentlich Mittel für die Umsetzung des Beschlusses stehen müssten. Die Verwendung des Passivs – es „wurden“ keine Haushaltsmittel bereitgestellt“ -, die sich später wiederholen wird, ist schon reichlich frech. Ehrlicher wäre die Formulierung, dass die Stadtverwaltung im Haushaltsentwurf keine Mittel eingeplant hat. Sie hat den jeweiligen Beschluss unter den Tisch fallen lassen; man könnte zugespitzt und unjuristisch auch sagen: Sie hat ihn unterschlagen. Er landete im Niemandsland.

Die Stadtverwaltung sah dieses Problem durchaus, sonst hätte sie jetzt, mit der Fehlliste konfrontiert, nicht beantragen müssen, dass der Stadtrat alle Beschlüsse für erledigt erklärt, für die “keine Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt wurden“. Was die Verwaltung mit ihrem jetzigen Beschlussvorschlag passivisch verbrämte, bedeutete genau betrachtet: „Der Stadtrat erklärt alle Beschlüsse für erledigt, die die Stadtverwaltung nicht in den Haushaltsentwurf aufgenommen hat.“

Der Stadtrat hat dies mit 15 zu 10 Stimmen vor zwei Wochen tatsächlich beschlossen. Oder auch nicht, denn die Verwaltung hat irrigerweise zweimal das Wort „Anträge“ verwendet. Gemeint sind natürlich Beschlüsse, sonst hieße der Vorgang ja nicht Beschlussvollzugskontrolle. Jedenfalls hat der Stadtrat damit abgenickt, dass die Stadtverwaltung unliebsame Stadtratsbeschlüsse wahlweise im Keller einlagern oder sie auf eine lange Projektreise schicken kann. Eines Tages werden sie dann auf eine Liste gesetzt, um pauschal begraben zu werden. Damit macht der Stadtrat die Oberbürgermeisterin zu einer Superrevisionsinstanz. Er verzichtet auf Rechte, die er für die Bürger wahrnimmt. Er durchbricht die kommunale Aufgabenteilung. Versteht das die Stadtratsmehrheit nicht oder ist es ihr egal?


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Die Rückkehr des Momentums

Podcast vom 03.05.2023

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Printfassung:

Es ist eine gute Nachricht: Annegret Michler macht von der Möglichkeit Gebrauch, wieder in die Landsberger Stadtverwaltung einzutreten. Sie übernimmt – nun ganztags - erneut die Funktion der Stadtbaumeisterin, die sie in den Amtszeiten OB Lehmann und OB Neuner bereits zehn Jahre lang innehatte. Sie folgt auf Birgit Weber, die in den Ruhestand geht.

Ihre Einarbeitungszeit wird sich in Grenzen halten. Bei manchen Vorhaben, etwa am Wiesengrund, kann sie nahtlos an ihre frühere Tätigkeit anknüpfen, weil sich der Status kaum geändert hat. Auch der Flächennutzungsplan ist noch der alte. Manches bereits damals ins Auge gefasste Baugebiet ist noch nicht in Angriff genommen. Mehrere Brachflächen in der Stadt sind längst zur Bebauung freigegeben und dennoch tut sich nichts. Wir haben in Landsberg immer noch zu wenig Sozialwohnungen und auch keinen Plan, wer sie zu welchen Bedingungen errichten soll. Die Verkehrsentwicklung, elementarer Bestandteil der Stadtplanung, ist noch nicht weit gediehen. Radwegemäßig stehen wir in Deutschland auf Platz 312 von 447. Beim Projekt Wohnen am Papierbach, dessen Anfänge Michler mitgestaltet hat, ist noch manches Thema offen, insbesondere die qualitative Frage, wie aus dem Areal ein Quartier werden kann.

Allzu viel hat Annegret Michler also nicht versäumt, als sie von Kaufbeuren aus in ganz Bayern freiberuflich tätig war. In dieser Eigenschaft als städtebauliche Beraterin hat sie Erfahrung gewonnen und auch manchen Einblick in andere Kommunen erhalten. Diese Expertise hat sie mit Sicherheit auch in politischer Hinsicht sensibilisiert. Der Konsens mit den politischen Entscheidungsträgern steht bei Auftragsverhältnissen naturgemäß an erster Stelle. Tugenden wie Zuhören, Analysieren und Erwartungen ermitteln gehören beim Auftragsverhältnis immer dazu.

Der Hauptgrund, warum wir uns auf die Tätigkeit von Annegret Michler in Landsberg freuen, ist aber ihr sehr umfassender Blick auf den Städtebau. Er ist sowohl von der sich fortentwickelnden Forschung und Lehre geprägt wie auch von gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimaschutz, Energiepreise, Wohnungsmarkt, Alterspyramide und Pflegenotstand. Michler ist mit den oft schwierigen und langwierigen Planungsprozessen vertraut, hat aber auch ein Faible für Bürgerbeteiligung und Ideenaustausch. Sie weiß um das Erfordernis der Nachverdichtung, aber sie mag moderne Architektur und Grundrisse, die auch für die nächste Lebensphase passen. Bei Annegret Michler hat man immer das Gefühl, Städtebau auf dem Stand der Zeit zu beobachten. Das Momentum wird erlebbar.

Voraussetzung dafür ist, dass die Zusammenarbeit zwischen der Stadtbaumeisterin und der Oberbürgermeisterin funktioniert und man auf gleicher Wellenlänge funkt. Wie gut der Neustart gelingt, hängt auch von der Kommunikation ab. Das Baurecht ist durch viele einzigartige Faktoren gekennzeichnet: Pläne und Befreiungen, Wettbewerbe und Juryentscheide, Honorarordnungen und europaweite Ausschreibungen. In diesem Geflecht ist Politik nicht immer leicht verständlich. Deswegen sei an alle Beteiligten appelliert, die Öffentlichkeit und die Medien immer wieder über Strategien, Ziele und Methoden des Landsberger Städtebaus zu informieren. In diesem Sinne: Viel Erfolg, Annegret Michler, und welcome back!


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Gießkannenortsrecht nach Amtsgeschmack

Podcast vom 26.04.2023

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Kurzfassung:

Im Januar 2021 beschloss der Pandemieausschuss des Stadtrats, dass der Mindestabstand von Neubauten zur Grundstücksgrenze in Landsberg zweieinhalbmal so groß sein muss wie die Landesbauordnung verlangt. Diese Spezialregelung hat viel Unverständnis hervorgerufen. Sie laufe dem Bemühen um mehr Wohnraum und bezahlbare Mieten zuwider. Bei einem Haus mit vier Wohneinheiten und zehn Metern Tiefe fielen auf jeder Seite und Etage 30 Quadratmeter bebaubarer Fläche weg, was 25 Prozent der Gesamtfläche ausmache. Logischerweise seien die Kaufpreise und Mietzinsen dieser Wohnungen dann um 25 Prozent höher als notwendig. Eine solche Kommunalpolitik sei unsozial.

Die CSU-Fraktion hat daher im September 2022 den Antrag gestellt, die städtische Satzung wieder aufzuheben. Heute wird der Antrag endlich im Stadtrat beraten. Die Stadtverwaltung plädiert allerdings für eine Ablehnung; sie hält nur eine Reduzierung auf den doppelten Abstand wie sonst in Bayern für vertretbar und hat gleich eine neue Satzung beigefügt.

Die aber ist nach Einschätzung von Juristen bereits auf den ersten Blick rechtswidrig, weil sie eine Regelung für die ganze Stadt Landsberg treffen soll, egal um welches unbeplante Innenbereichs-Viertel es geht. Die Vergrößerung der Abstandsflächen ist aber nur dort zulässig, wo Ortsbild und Wohnqualität dies erfordern. Eine Kommune muss die Schutzbedürftigkeit von Gebieten einzeln abwägen und begründen. Das geht nicht mit der Gießkanne. Es bedarf „substanziierter Darlegungen der tatsächlichen Gegebenheiten“, wie es in Urteilen heißt. Nur ein komplett homogenes Gemeindegebiet erlaubt eine gemeindeweite Regelung.

Das stimmt mit der Intention des Gesetzgebers überein. Der Bayerische Landtag wollte den Kommunen das Recht geben, örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Deswegen hat er die Regelungen im Artikel 81 der Bauordnung verankert, der noch weitere Abweichungsmöglichkeiten im Einzelfall enthält. Der Landtag wollte die Kommunen nicht pauschal ermächtigen, Regelungen nach Geschmack und politischer Vorliebe zu treffen.

Ortsweite Satzungen können nicht durch die Zusage der Stadtverwaltung geheilt werden, immer wieder Ausnahmen zuzulassen. Da wägen die Falschen zur falschen Zeit ab. Abwägen muss der Stadtrat, und zwar schon beim Satzungserlass. Bauen ist viel zu teuer und Grundstücke sind viel zu wertvoll, als dass man auf Ausnahmen freundlich gesinnter Beamter setzen kann. Das Baurecht muss transparent und gerecht sein; Einzelfallregelungen sind immer schlechter als Rechtssicherheit.

Viele Städte und Gemeinden haben Anfang 2021 ähnliche Satzungen erlassen und wieder aufgehoben, um zur bayernweiten Norm zurückzukehren. Je länger die Stadt Landsberg damit wartet, umso unzumutbarer wird die Lage für die Bauwerber. Ohnehin gehen die Bauanträge bundesweit stark zurück; die Schere zwischen Bedarf und Bestand wird immer größer. Derzeit können Bauwerber in Landsberg nicht den Bauantrag stellen, den sie zur Erzielung der erhofften Rendite und zur Berechnung erträglicher Mieten brauchen. Teure Grundstücke, hohe Baukosten, steigende Zinsen: Dazu passen keine Zusatz-Hürden. Und erst recht kein Gießkannenortsrecht nach Amtsgeschmack.


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Kommunen und KI

Podcast vom 19.04.2023

Kurzfassung:

Die Wissenschaft und die Verbände sind sich schon lange einig: Für Künstliche Intelligenz (KI) gibt es in den Landkreisen, Städten und Gemeinden „eine unüberschaubare Anzahl möglicher Einsatzzwecke“. Und zwar nicht irgendwann, sondern schon jetzt. Was ist neu an Künstlicher Intelligenz? Welche Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich für die Kommunen? Und wie sollte die Stadt Landsberg mit der KI umgehen?

Machen wir uns zunächst klar, dass es – jenseits von Computern und Smartphones - schon lange Geräte und Anwendungen gibt, die autonom reaktionsfähig sind. Der Tempomat mancher Autos kennt die Funktion „Wenn Stau, dann Bremse“. Das ist nur eines von vielen Beispielen für das (oft per 5G vernetzte) Internet der Dinge. Künstliche Intelligenz bringt nun erstmals menschenähnliches Denk- und Sprachvermögen in unsere Computer und Mikroprozessoren. Dabei gibt es keine vorprogrammierten Wenn-Dann-Beziehungen mehr. KI orientiert sich stattdessen an einer umfangreichen Wissensbasis, mit der das jeweilige Gerät „gefüttert“ wurde. Zusammen mit guter Spracherkennung und gewandter Sprachausgabe ergibt sich ein fast natürlicher Dialog zwischen Mensch und Maschine. Abfragen und Ausgaben können dabei in jeder beliebigen Sprache erfolgen, auch wenn die Wissensbasis selbst einsprachig ist.

Die OECD sagt, dass KI bereits in wenigen Jahren fast ein Drittel der Tätigkeiten von Mitarbeitern in den öffentlichen Verwaltungen ersetzen kann. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht das Potential noch größer: Die Kommunalverwaltung könne zu 67 Prozent automatisiert werden, sagen die Zukunftsforscher.

Entscheidend ist, dass sich Landkreise, Städte und Gemeinden rechtzeitig überlegen, wie man Aufgaben und Tätigkeiten mit Hilfe der neuen Technik auf eine höhere Stufe heben kann. KI ist kein Jobkiller; KI macht den Kopf frei für mehr Kreativität, mehr Service, mehr Einzelgespräche. Wir sollten uns nicht davor fürchten, besser zu werden.

Die Ziele sind: Vereinfachung schaffen und Mehrwert generieren. Ideal wäre daher, eine Gruppe von internen und externen Experten zu bilden, die ohne Denkverbote Anwendungsmöglichkeiten der KI vor Ort ausfindig macht. Vorbild könnten die Agentur LENA und die LENA Services sein, die sich im Auftrag des Landkreises erfolgreich um die Energiewende kümmern. So schützen wir uns auch vor windigen Beratern, die ihr Wissen um die KI vermarkten, aber nichts von den Kommunen kennen. Übrigens arbeitet die Stadt Landsberg gemeinsam mit Apfeldorf, Unterdießen und Fuchstal schon mit Künstlicher Intelligenz, nämlich beim Projekt „TwinCity3D“. Das wird vom Bund mit fast einer Million Euro gefördert. Das Beispiel zeigt, dass das Thema auch geeignet ist, Fördermittel zu generieren. Ein Grund mehr, früh einzusteigen, Ideen zu entwickeln und ein „early adopter“ zu werden.

KI ist mehr als eine Technologie. KI ist eine Bewegung, ein Wandel, eine Revolution. Jede Woche passiert etwas Neues. Die Medien sind voll von Nachrichten darüber. Steigen wir in das Thema ein, schauen wir, welche Vorteile wir damit erzielen können und nutzen wir die Chance, Routinearbeit durch Wertschöpfung zu ersetzen!


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Was ist mit dem Schaden?

Podcast vom 12.04.2023

Kurzfassung:

Der jahrelange Einsatz von Löschschaum mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) auf dem Fliegerhorst Landsberg in Penzing hat weit reichende Folgen. Umwelttechnische Bodenerkundungen weisen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Konversionsfläche "auf das Vorliegen einer schädlichen Grundwasserbelastung hin, die ihrerseits eine Kontamination des Erdreichs bedingt" (Umwelttechnische Bodenerkundung Kindergarten Epfenhausen, 14.07.2022). Das Landratsamt Landsberg und die Gemeinde haben sich inzwischen ähnlich geäußert, gerade eben noch im Hinblick auf den Bebauungsplan „Ortskern Untermühlhausen“.

Bauwerber sind damit gewarnt, den Eigentümern bestehender Häuser ist damit aber nicht geholfen. Sie sind möglicherweise doppelt geschädigt: Zum einen werden Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück wegen der erforderlichen Prüfungen und der notwendigen Entsorgung kontaminierten Erdreichs sehr viel teurer. Zum anderen lässt sich für ihr Objekt nur ein verminderter Kaufpreis erzielen, denn Erwerber müssen die erhöhten Aufwendungen einkalkulieren, die durch die Verunreinigung entstehen können.

Entsprechendes gilt für die Gemeinde Penzing. Ob sie und die Bürger in diesen Fällen Ansprüche gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) geltend machen können, ist strittig. Die Anstalt hat bislang nur zugestanden, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten - "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage", nur bis zum 31. Dezember 2024 und nur aufgrund einer "gemeldeten Forderung". Das letzte ist besonders trickreich. Mit „gemeldeten Forderungen“ meint die BImA „bezifferte Forderungen“. Diese Bezifferung ist angesichts der jahrzehntelangen Emissionsdauer von PFC derzeit noch unmöglich, zumal sich die monetären Differenzen zum vorherigen, chemikalienfreien Zustand erst beim Verkauf eines Grundstücks oder nach einer Baumaßnahme beziffern lassen.

Durch diese Haltung entsteht schneller Handlungsbedarf. Eine Möglichkeit hat die Gemeinde Manching in einem ähnlichen Fall ergriffen. Sie reichte Klage gegen den Bund ein, um die Haftung für Folgeschäden der PFC-Nutzung feststellen zu lassen. Im Erfolgsfall führt dies zu einem Grundsatzurteil, auf dem die Gemeinde, aber auch die Bürger aufsetzen können, wenn die Schäden im Einzelfall feststehen.

Doch der Penzinger Gemeinderat hat einen entsprechenden Antrag der Gemeinderäte Roland Schmidhofer (Dorfgemeinschaft Untermühlhausen) und Christian Brambach (Dorfgemeinschaft Penzing) kürzlich brüsk zurückgewiesen. Der Vorwurf, dass sie „rechts überholen“, überzeugt nicht. Der neue Zweckverband für das Gelände des Fliegerhorstes wird vertragliche Vorkehrungen treffen, damit die BImA auch künftig für Schäden und Folgeschäden haftet. Parallel muss die Gemeinde nun für sich selbst und für betroffene Bürger Wege aufzeigen, wie die Haftungsfrage für das restliche Gebiet gelöst werden kann. Die BImA versucht, zahlungslos davonzukommen. Das zu unterbinden ist das Mindeste, was die Gemeinde Penzing jetzt tun muss. Wenn der Gemeinderat die Feststellungsklage nicht will, muss er alternative Wege gehen. Nichts tun geht aber nicht.


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Neben der Spur

Podcast vom 05.04.2023

Kurzfassung:

Der Stadtrat hat vor einer Woche beschlossen, dass 182 städtische Wohnungen von der Stadt Landsberg auf die „Wohnungsbaugesellschaft Landsberg GmbH & Co. KG“ übergehen. Die Gründung der neuen Firma ist seit Langem umstritten. Was aber bedeutet sie für die Themen soziale Gerechtigkeit und bezahlbarer Wohnraum? Ändert sich da was?

Und ob. Wenn eine Stadt selbst Eigentümerin und Vermieterin von Wohnraum ist, dann kann sie Wohnungen unter ihrem Wert vermieten. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet die Gemeinden sogar zur Gestaltung der Sozialordnung im Sinne sozialer Gerechtigkeit. „Sozial gerecht ist ein Rechtszustand, in dem allen Mitgliedern des Gemeindewesens ein menschenwürdiges Dasein und eine angemessene Erfüllung ihrer Bedürfnisse gesichert ist. Gemäß diesem Auftrag brauchen und sollen die Städte nicht stets für die Überlassung von Wohnraum die Vergleichsmiete verlangen“, heißt es in der aktuellen Fassung der Bekanntmachung des Bayerischen Innenministeriums zum Kommunalen Wohnungswesen.

Das gilt, der gleichen Bekanntmachung zufolge, auch für kommunale Wohnungsunternehmen. Aus der Gemeindeordnung ergebe sich jedenfalls kein Rechtsgebot zur Gewinnmaximierung. „Kommunale Wohnungsbauunternehmen können daher auf Grund sozialer Kriterien auch niedrigere Mieten erheben“, schreibt das Ministerium.

Die Stadt Landsberg hat dazu aber im Gesellschaftsvertrag der Wohnungsbau-KG eine andere Regelung getroffen. Dort spricht sie zwar von „Angemessenheit“, hat dabei aber nur das Wohl des neuen Unternehmens im Sinn: „Die Preisbildung für die Überlassung von Mietwohnungen … soll eine Kostendeckung einschließlich angemessener Verzinsung des Eigenkapitals sowie die Bildung ausreichender Rücklagen unter Berücksichtigung einer Gesamtrentabilität des Unternehmens ermöglichen.“ Was für ein Gegensatz zu den Formulierungen des Ministeriums! Dort waren Sozialpolitiker, hier Kapitalisten am Werk. Die Vorgabe ist umfassend - und sie ist fatal: Die neue Gesellschaft muss Abschreibungen auf Basis des hohen Zeitwerts stemmen, das Millionen Euro betragende Eigenkapital verzinsen und zudem noch Überschuss erwirtschaften, aus dem Rücklagen gebildet werden können. Soziale Gerechtigkeit und bezahlbarer Wohnraum sind mit diesen Vorgaben unvereinbar.

Auf der anderen Seite der Waage liegt fast nichts: Die neue Gesellschaft soll zwölf Wohnungen bauen; alles Weitere steht in den Sternen. Was hat den Stadtrat nur dazu gebracht, eine solche Privatisierung zu beschließen, die zudem in Sachen Steuern und Beihilfen höchste Vorsicht erfordert? Geht es vielleicht nur um die Einhaltung eines nicht durchdachten Wahlversprechens? Spielt der Wunsch nach einer systemsprengenden Gehaltserhöhung für einen städtischen Mitarbeiter eine Rolle? Ja, viele Kommunen haben Wohnungsbaugesellschaften; aber die meisten wurden errichtet, um den Wohnungsbau zu beleben oder sozial zu ergänzen. Hier aber steht der Transfer von Bestandsimmobilien im Vordergrund. Das Fazit: Die Gründung ist nicht sinnvoll, sie verursacht hohe Kosten, sie täuscht Bautätigkeit vor und sie ist sozialpolitisch neben der Spur.


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Sprechen wir über Telefonbetrug

Podcast vom 29.03.2023

Kurzfassung:

Eigentlich ist es nicht Stil des landsbergblog, seine Leser um ein konkretes Handeln zu bitten, aber heute muss es sein. Seit Jahren rufen Betrüger bei Senioren an, versetzen sie in einen Schockzustand und bringen sie dazu, unbekannten Menschen auf der Straße oder an der Haustür Geld, Schmuck und andere Wertsachen zu übergeben - angeblich um eine finanzielle Notlage Angehöriger zu beheben, eine Kaution zu stellen oder sich selbst vor einem Einbruch zu schützen. Seit Jahren berichten die Medien darüber und geben die Empfehlung der Polizei weiter, bei solchen Schockanrufen aufzulegen. Aber offensichtlich werden die potentiellen Opfer damit nicht erreicht.

Deswegen formulieren wir heute eine konkrete Bitte an Sie. Sprechen Sie in den kommenden drei Monaten mit allen Senioren, mit denen Sie in Kontakt kommen, mindestens einmal über die Betrugsmasche „Schockanruf“!

Zuerst wenden wir uns dabei an Friseure und Fußpfleger: Während Sie Ihre Dienstleistung erbringen, unterhalten Sie sich oft mit Ihren Kunden. Nutzen Sie die Gelegenheit, das Thema anzusprechen! „Haben Sie schon von diesen Anrufen gehört, die einen in Angst und Schrecken versetzen?“ Einen ähnlichen Appell hat die Polizei gerade in Teilen Norddeutschlands an Friseursalons gerichtet. Wir wenden uns aber natürlich auch an alle, die privat, als Familienmitglied, als Nachbarn oder bei Seniorentreffs, Gelegenheit haben, über die nicht endende kriminelle Masche zu informieren. Familienmitglieder können dabei konkret verabreden, wie Senioren vorgehen sollen, wenn es um eine angebliche Notlage in der Familie geht. Im Handy eingespeicherte Rufnummern für den Notfall sind sehr hilfreich, denn das Festnetz geben die Täter erstmal nicht frei.

Wie das erste Telefonat abläuft und wie die Täter die Opfer durch Anrufe im Sekundentakt so unter Druck setzen, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, das hören und lesen Sie unter www.landsbergblog.info. Im Audio-Podcast finden Sie auch den Original-Mitschnitt eines Schockanrufs. Die Täter nutzen dabei die Digitalisierung aus. Obwohl sie ihr „Call-Center“ weit entfernt von Deutschland betreiben, lassen sie im Display des Telefons eine deutsche Nummer erscheinen, oft sogar die „110“.

An Mitarbeiter der Banken und Sparkassen brauchen wir uns wohl nicht zu wenden; sie dürften ausreichend geschult sein, um ungewöhnliche Barabhebungen vom Konto oder merkwürdige Schließfach-Leerungen vorsichtig zu hinterfragen. Den Opfern wurde allerdings meist aufgegeben, bei der Bank eine falsche Geschichte zu erzählen, etwa eine bevorstehende Reise zu erfinden.

Anders sieht es bei Taxifahrern oder Nachbarn aus, die gebeten werden, Senioren schnell zum Geldabheben zu fahren; meist hören sie auf Nachfrage, was den Opfern da gerade widerfahren ist und warum sie dringend Geld brauchen. Auch an sie geht daher der Appell, das Thema anzusprechen. Allein die Frage während der Fahrt, ob so ein Fall vielleicht vorliegt, ist noch keine Indiskretion.

Wichtig ist, bei einem erkannten Schockanruf parallel – vom Handy aus – die 110 anzurufen. Die Polizei kann dann zumindest die Abholer des Geldes und der Wertsachen in Gewahrsam nehmen. Die Täter im Ausland wird man dadurch allerdings nicht entmutigen.


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Diagnose: Planstillstand

Podcast vom 22.03.2023

Kurzfassung:

Die Stadt Landsberg arbeitet seit Februar 2017 an der Aufstellung eines neuen Flächennutzungsplans inklusive Landschaftsplan und Verkehrsentwicklungsplan. Im Frühjahr 2019 erfolgte die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, der Behörden und der Fachdienststellen. Dann kam die Kommunalwahl 2020. Irgendein Fortschritt ist seitdem nicht feststellbar. Die von mehreren Planungsbüros für viel Geld ausgearbeiteten Entwürfe schmoren in den städtischen Aktenschränken. Sie sind inzwischen in Teilen überholt.

Wichtigster Grund dafür ist die fortschreitende Klimapolitik. Wollen wir unsere Klimaziele erreichen, müssen wir bis zum Jahr 2040 in Bayern jede Woche auf 160 Fußballfeldern und 1.000 Wohngebäuden Photovoltaik-Anlagen installieren, zwei neue Windkraftanlagen in Betrieb nehmen sowie drei Großbatteriespeicher und drei Elektrolyseure installieren. Jede Woche! Landsberg ist davon (anteilig) nicht ausgenommen.

Im Entwurf des Flächennutzungsplans (2019) sind zwar Flächen für Photovoltaik-Anlagen entlang der A96 vorgesehen. Aber mehr als eine Schraffur ist das bislang nicht; die Nutzbarkeit ist ungeprüft. Auch bei der Berechnung des gewerblichen Flächenbedarfs blieb Photovoltaik unberücksichtigt, weil die verwendete Formel den Hektar-Bedarf anhand von Arbeitsplätzen hochrechnet. Zur Fernwärme stellt die Begründung zum neuen Flächennutzungsplan zwar fest: „Die Versorgung mit Fernwärme ist … ein wesentlicher Baustein der Maßnahmen in Landsberg, die dem Klimawandel entgegenwirken sollen. Daher soll das Fernwärmenetz weiter ausgebaut werden“. Die nötigen Kraft- oder Heizwerke sind aber nicht ausgewiesen. Da wundert es kaum noch, dass der Flächennutzungsplan aufgrund der zu dieser Zeit noch geltenden 10H-Regelung auf Landsberger Flur kein einziges Windrad vorsieht. Auch die Themen Entsiegelung und Revitalisierung finden in den Erläuterungen zu den gezeichneten Plänen keine Erwähnung. Mit anderen Worten: Der Planentwurf vom Januar 2019 ist politisch, technisch und regulatorisch auf einem veralteten Stand. Das Liegenlassen hat ihn entwertet.

Wie kommen wir da wieder heraus? Der Stadtrat und die Stadtverwaltung sollten alle Anfang 2019 erstellten Planungsunterlagen daraufhin durchsehen, was sich noch verwerten lässt und was in den Papierkorb gehört. Dann sollte das Gremium klare Ziele vorgeben, damit die Pläne schnell auf den heutigen Stand kommen. Errechnung der notwendigen und realisierbaren Photovoltaik-Flächen. Wo können wir uns Windkraft vorstellen? Besonders das Thema Fernwärme duldet keinen Aufschub. Denn im Grundsatz wird es beim gesetzlichen Montageverbot neuer Öl- oder Gasheizungen bleiben; fraglich ist nur, ab wann und zu welchen Bedingungen. Die Städte müssen daher Perspektiven schaffen, indem sie einen Fernwärme-Ausbauplan mit konkreten Meilensteinen vorlegen. Gelingt es nicht, diese Art der Wärmeerzeugung großflächig einzusetzen, werden viele Eigentümer und Vermieter ihr Eigentum jedenfalls dann brach liegen lassen, wenn eine Modernisierung nicht mehr wirtschaftlich ist. Die Energiepolitik ist leider das effektivste Entmietungs-Instrument des Jahrzehnts. Aber noch können wir gegensteuern - mit einer energieorientierten Flächenplanung, die auch umgesetzt wird.


Wohnungsbau, Alte Wache, Norwegerhaus, Tempo 30

landsbergblog aktuell

Sonder-Podcast vom 17.03.2023

Zusammenfassung:

In „landsbergblog aktuell“ werden wir ab und zu Themen kommentieren, die wir entweder schon kommentiert haben, die aber inzwischen fortgeschritten sind, oder die noch nicht so richtig reif sind, um in großer Form kommentiert zu werden. Wir verwenden dazu keine Charts und Videos, es gibt nur den reinen Podcast und die Zusammenfassung.

Unsere Themen heute sind: Landsbergs künftige Wohnungsbaugesellschaft, die Alte Wache im Frauenwald, der Abriss des Norwegerhauses in Eching und die Replik auf einen Leserbrief im KREISBOTEN von dieser Woche. Es gibt ja Städte, die gründen Tochtergesellschaften, damit einige ihrer leitenden Mitarbeiter mehr Geld verdienen. Begünstigte sind dabei meistens Kämmerer und Stadtbaumeister, jeweils m/w/d. Das ist sicher nicht illegitim. Der Staat hat bei Besoldung und Ausstattung noch nicht hinreichend auf den Fachkräftemangel reagiert. Der Wettbewerb um Talente ist daher auch im öffentlichen Dienst spürbar und erst recht dort, wo auch die Wirtschaft lockt. Und das ist nun mal in den Bereichen Finanzen und Bauen besonders ausgeprägt. Der letzte Kämmerer kam aus der Wirtschaft, der aktuelle könnte dort durchaus irgendwann hingehen. Und qualifizierte engagierte Leiter städtischer Bauämter mit Erfahrung, Ideen und Visionen sind schwer zu finden.

Ob das auch in Landsberg das Motiv für die Gründung der Wohnungsbaugesellschaft ist, lassen wir mal offen. Ansonsten sehen wir nach wie vor keinen Sinn darin, die Bestandsimmobilien aus der Verwaltung auszulagern, sie aber weiterhin von Mitarbeitern der Verwaltung als Dienstleistung verwalten zu lassen. Dieser Transfer erfordert aufwändige und teure Bewertungen jedes einzelnen Objekts. Es entsteht, wie Haushaltsreferent Christian Hettmer (CSU) zurecht sagt, eine aufgeblasene Gesellschaft mit viel Kapital, aber wenig Bautätigkeit. Auf dem Papier werde – Zitat – „Substanz suggeriert“.

Eines sollte klar sein: Die Stadt muss den Mietern ihrer Wohnungen einen guten Grund nennen, warum sie plötzlich einen anderen Vermieter haben, der den Gesetzen des Kapitalmarkts unterliegt. An sie denkt bei diesem Verfahren offensichtlich niemand. Wer schützt sie wie vor immensen Heizkosten, hohen Mietsteigerungen und zunehmendem Verwaltungsaufwand? Beispielsweise kann es eine Konstellation geben, wenn die Stadt und die neue Gesellschaft nicht aufpassen, dass Leistungen der Stadt an die Kommanditgesellschaft der Umsatzsteuer unterliegen. Wenn diejenigen verwalten, die schon bisher verwalten, und diese Verwaltung in Rechnung stellen sollen, muss die Stadt 19 Prozent Umsatzsteuer aufschlagen. Ob die von den Beratern vorgeschlagene umsatzsteuerliche Organschaft funktioniert, bleibt offen. Auf jeden Fall besteht ein erhebliches Risiko; die Wohnungsbaugesellschaft müsste diese Mehrkosten ja an die Nutzer der Wohnungen weitergeben. Auch der Vorteil, den man immer wieder betont, dass nämlich keine Ausschreibung mehr erforderlich sei, wenn die Tochtergesellschaft baut, kann steuerrechtlich schnell ein Ende finden.

Die Stadtverwaltung versucht offenbar, die Angelegenheit so schnell und geheim wie möglich durchzupauken. In der Sitzung hatten die Stadträte Entwürfe der Gesellschaftsverträge und berieten darüber. In den Sitzungsunterlagen für die Presse und die Öffentlichkeit waren sie nicht enthalten. Wir werden versuchen, diese Verträge noch zu bekommen. Der Stadtrat soll in ihnen nämlich auf weitgehende Einflussmöglichkeiten verzichten. Anders als bei den Stadtwerken soll es kein Weisungsrecht geben. Die Geschäfte sollen von der Geschäftsführung weitgehend selbstständig geführt werden. Ein Aufsichtsrat, dem zwölf Stadtratsmitglieder angehören sollen, erhält größtenteils nur beratende Funktion. 18 weitere Stadtratsmitglieder sind abgehängt.

Diese Art der Beratung ganz wesentlicher Angelegenheiten hat natürlich nichts mehr mit dem Wahlversprechen „Transparenz“ zu tun. Als Beobachter fühlt man sich wie in dem gespielten Juristen-Witz, bei dem sich Richter und Staatsanwälte beim Bier über die Köpfe Unwissender hinweg Paragraphen zurufen und sich köstlich darüber amüsieren. Der Bräutigam ist sehr verwundert, die Braut, die klagt aus 1300. Gelächter, Schenkelklopfen, Heiterkeit. Und Sie sitzen dabei und verstehen nur Bahnhof.

Zweites Thema ist die Absage der Stadtverwaltung an den Verein „Kunst hält Wache e.V.“: Nein, ein Verkauf der alten Wache komme nicht infrage, weil man nebenan eine Ausweichfläche für das Museumsdepot brauche und sich dafür Ausdehnungsflächen vorbehalten wolle. Das ist ein weiteres Beispiel, wie wichtig unser Blogbeitrag „Was dürfen Bürgermeister?“ ist. Die Entscheidung über eine Zu- oder Absage an den Verein kann nämlich nur der Stadtrat treffen – es handelt sich nicht um eine wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung ohne grundsätzliche Bedeutung. Wann lernt die Stadtverwaltung diesen Satz endlich mal auswendig? Der Stadtrat hat gut daran getan, das Thema an sich zu ziehen, ausgehend von einem Antrag von Jonas Pioch und Axel Flörke (Landsberger Mitte). Selbstverständlich muss die Stadt die Interessen abwägen – aber eben der Stadtrat und nicht allein die Stadtverwaltung.

Drittes Thema ist der spektakuläre Abbruch des Norwegerhauses in Eching. Das hat weit über die Region hinaus Eingang in die Medien gefunden, zum Beispiel mehrfach in die BILD-Zeitung und in die Süddeutsche Zeitung. Solche Abrisse gibt es natürlich ab und zu. Aber wenn sie vorkommen, dann liegt meist ein anderer Sachverhalt zugrunde. Entweder es handelt sich von vorneherein um einen Schwarzbau. Oder eine privilegierte Nutzung – Stichwort: Forsthaus – wird nur vorgegeben. In Eching liegt die Sache anders. Unstrittig ist: Der Eigentümer Claus Vogt hat das Gebäude so ausgehöhlt, dass es die 1980 festgestellte Denkmaleigenschaft 2007 wieder verloren hat. Das wäre aber nur dann entscheidend, wenn das Gebäude vorher ein Schwarzbau gewesen wäre und durch die Denkmaleigenschaft Bestandsschutz erlangt hätte. Das war nicht der Fall, wie aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2014 hervorgeht. Zitat: Der von 1894 bis 1918 in München wohnende Schweizer Kunstmaler Hans Beat Wieland (1867 - 1945) errichtete hier im Jahr 1900 ein Haus im norwegischen Stil mit einem Riegelmauerwerk, einer Bretterverschalung außen und einem Betonunterbau. Das Haus hatte – damals, anfänglich, fügen wir hinzu - eine Küche, eine Wohnstube, zwei Schlafzimmer, eine Toilette und eine Veranda. Mit baupolizeilicher Verfügung vom 12. Juni 1900 wurde es als „Landhaus“ genehmigt. Mit baupolizeilichen Verfügungen vom 5. Juli 1902 bzw. 14. Mai 1904 wurden jeweils auf der Westseite ein Atelieranbau und ein weiterer Anbau genehmigt. … Mit Verfügung vom 29. April 1911 wurde ein unterkellerter Anbau an der Nordseite genehmigt, mit Verfügung vom 7. Mai 1913 ein Ausbau des Dachgeschosses auf der Westseite des Gebäudes.

Mit anderen Worten: Das Gebäude war vorher kein Schwarzbau, sondern wurde aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahr 1900 errichtet, die in den Jahren 1902, 1904, 1911 und 1913 erweitert wurde. Da es vorher kein Schwarzbau war, konnte es auch durch den Entzug der Denkmaleigenschaft nicht zu einem Schwarzbau werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in seinem Urteil aus dem Jahr 2014 auf diese denkmalschutzrechtliche Episode materiellrechtlich gar nicht abgestellt. Es vertritt unter Berufung auf frühere Urteile des Bundesverwaltungsgerichts in anderen Fällen die Auffassung, Eigentümer Vogt müsse sich – Zitat – „angesichts des weitgehenden Verlusts der alten Bausubstanz so behandeln lassen, als wenn er an der vorgesehenen Stelle erstmalig ein Gebäude errichtet hätte“. Das Gericht vergleicht also die Bausubstanz aus 1913 mit der aus 2014. Das ist der Kern des Urteils. Und damit wird die Sache schon zweifelhafter. Die Denkmalschutz-Geschichte erzählt sich so leicht. Aber das bayerische Denkmalschutz-Gesetz sieht bei einem Verstoß gar keinen Abriss vor. Dort werden nur empfindliche Geldstrafen bis zu fünf Millionen Euro angedroht. Der Abriss rechtfertigt sich nur, wenn man die Veränderung der Innenstruktur des Norwegenhauses im Vergleich zum Zustand im Jahr 1913 als Neubau einstuft und demzufolge als Schwarzbau.

Es gab, gemeinsam mit der Gemeinde Eching, durchaus Überlegungen, das äußerlich nur wenig veränderte Gebäude kulturell weiter zu nutzen. Das war eine gute Idee. Sie impliziert den Verzicht auf eine Wohnnutzung. Das hätte die Sache trotz der selbst verschuldeten Millionenverluste für Claus Vogt noch erträglich gemacht. Nun aber musste er nicht nur zusehen, wie das Haus abgerissen wurde; er bekommt auch noch die Rechnung für den Abbruch und die Entsorgung der verwendeten Baustoffe. Dabei wurde bislang nicht geltend gemacht, dass von dem Gebäude irgendeine Gefahr ausging, etwa für das Grundwasser oder die Umwelt. Was der Abriss notwendig? Für uns stellt sich die Sache etwas anders dar. Man könnte auch zu der Meinung kommen, dass hier eine übermäßige Pönalisierung vorliegt. Zumal: Kann man sich ein derartiges Vorgehen eigentlich an anderer Stelle vorstellen, etwa in der Landsberger Altstadt? Muss man auch dort die Fassade eines Altbaus aus dem Jahr 1900 abreißen, weil innen nicht mehr viel von der alten Bausubstanz zu erkennen ist? Geht das Landratsamt dann auch so rigide vor?

Unser letztes Thema. Vor Kurzem hatten wir die Weigerung der Ampelkoalition kommentiert, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, selbst darüber zu entscheiden, ob und wo man Tempo 30 einführen will. Im KREISBOTEN erschien nun ein Leserbrief, in dem uns vorgeworfen wird, die Gesetze der Physik nicht zu beachten. Wir hätten behauptet, Tempo 30 führe zu einer Reduzierung der Abgase. Genau das haben wir nicht getan, ganz im Gegenteil. Schon in der Fassung im KREISBOTEN schrieben wir: „In der Summe führt die Verwendung dieses Instruments zu weniger Lärm, weniger Pkw-Kilometern (wegen Umsteigern aufs Fahrrad), dadurch weniger Umweltbelastung und einem enormen Gewinn bei der Verkehrssicherheit.“ Und im Podcast haben wir noch deutlicher darauf hingewiesen, dass die Effekte „Lärmreduzierung“ und „Verkehrssicherheit“ unmittelbar eintreten, in Sachen Umwelt die unmittelbare Wirkung aber sogar negativ ist und nur mittelbar – durch einen verstärkten Umstieg aufs Fahrrad – wieder positiv werden kann. Und, noch einmal: Wir plädieren überhaupt nicht dafür, überall Tempo 30 einzuführen. Deswegen haben wir Durchgangsstraßen ja ausdrücklich erwähnt, dort Tempo 30 abgelehnt und für beidseitige Fahrradwege plädiert. Wir treten aber im Einklang mit mehreren Hundert Kommunen dafür ein, dass der Bund den Kommunen die Entscheidung überlässt, wo die Maßnahme örtlich sinnvoll ist. Vielleicht haben wir das damit hinreichend klargestellt.


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Mein Freund, der Baum

Podcast vom 15.03.2023

Kurzfassung:

Die Fällung mehrere Bäume an der Spöttinger Straße hat eine erneute Diskussion darüber entfacht, ob Landsberg eine Baumschutzsatzung braucht. Solche Regelungen stellen die Entfernung von Bäumen auf privaten Grundstücken unter städtischen Erlaubnisvorbehalt. Sie enthalten meist auch die Pflicht, einen Ersatzbaum zu pflanzen. Geschieht das nicht, wird ein hoher dreistelliger Geldbetrag fällig. Fällungen ohne Erlaubnis der Stadt sind mit Bußgeldern bis 50.000 Euro bewehrt.

Was spricht für, was spricht gegen eine solche Satzung – und gibt es vielleicht eine Alternative? Die Befürworter sagen: Bäume sind Schattenspender, Luftbefeuchter, Kühlaggregate und Luftfilter. Sie sind die Schlüssel zu erträglichen Temperaturen in der ansonsten betonierten und versiegelten Stadt. Sie sind Lebensstätte von Tieren und Pflanzen. Sie liefern Nahrung, auch für die Menschen. Sie erfreuen uns wegen ihrer Schönheit und ihrem jahreszeitlichen Wandel. Sie wirken auf uns beruhigend, haben positive Effekte auf die Gesundheit. Zugleich sind sie Sichtschutz und Raumbildner. Nicht zuletzt trägt jeder Baum zu einem aktiven Vogelschutz bei.

Das alles spricht zunächst einmal dafür, dass eine Stadt aus dem klimatischen Wandel heraus einen Baumentwicklungsplan erstellt und verfolgt, so wie sie aus dem demographischen Wandel heraus die passende Entwicklung von Schulen, Kitas und Pflegeheimen plant oder aus der Verkehrswende heraus Radwege konzipiert und Stellplatzverordnungen anpasst. Ein Baumentwicklungsplan, der sich auf öffentlichen Grund, aber auch auf die Bauleitplanung für private Vorhaben erstreckt, wäre ein wesentlicher und schneller Beitrag zur Lösung des Problems. Selbst wenn 100 Prozent der Bäume im Stadtgebiet gesund wären, würde eine Baumschutzsatzung ja maximal den Status quo konservieren, aber keine Perspektive schaffen. Zumal eine Baumschutzsatzung erhebliche Personal- und Verwaltungskosten verursacht. Grob geschätzt kann man mit diesen Beträgen Jahr für Jahr 2.000 neue Bäume pflanzen.

Auch ansonsten schafft eine Baumschutzsatzung wohl mehr Probleme als Nutzen. Schon ihre Beratung löst erfahrungsgemäß private Baumfällungen aus; es droht „die lange Nacht der Kettensägen“. Manch Grundstückseigentümer wird Bäume künftig vor Erreichen der Mindestmaße beseitigen. Gala-Bauer konzipieren auf Privatgrund weniger neue Bäume. Die Baumschutzsatzung kollidiert in vielen Fällen mit anderen Zielen, etwa der Lichtmenge, die in Photovoltaik-Anlagen ankommt. Aufgrund des Verbots, Bäume so zu schädigen, dass sie später gefällt werden müssen, muss faktisch auch der Beschnitt beantragt werden, auch im Fall des Überwuchses auf Nachbargrundstücke. Wer neu baut oder wer für die Stadt baut, bekommt leichter Fäll-Erlaubnis als wer im Bestand saniert. Und generell wird das Entscheidungsrecht vom Eigentümer auf die Stadt übertragen. Interessen von Nachbarn spielen dabei keine Rolle, weder in fordernder noch in abwehrender Hinsicht.

Sprechen wir – bald, bei der Beratung über die Flächennutzung - also lieber über einen Baumentwicklungsplan als über eine Baumschutzsatzung. Denken wir kreativ, nicht restriktiv. Konzentrieren wir uns aufs Handeln und nicht aufs Bestrafen. Es ist besser, baumpflanzende Gärtner zu beschäftigen als eine baumschützende Polizei.


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Mit zweierlei Maß

Podcast vom 08.03.2023

Kurzfassung:

Kürzlich beriet der Uttinger Gemeinderat über die Frage, ob einige der 54 Gemeindewohnungen an der Dyckerhoffstraße an Flüchtlinge vermietet werden können. Das Gremium lehnte das mehrheitlich ab. Interessant war die Begründung: Die Wohnungen seien alle sanierungsbedürftig. Es bestehe Handlungsbedarf in Bezug auf Brandschutz, Elektro, Heizung, Sanitär, Schimmelbefall, Wasserrohre, Fenster, Balkone und Gebäudesicherung. Dreizehn der 54 Einheiten seien bereits unbewohnt, hieß es. Wir fragen uns: Wieso lässt eine Gemeinde ihren Gebäudebestand derartig verkommen?

Uttings Mentalität findet ihre Entsprechung in der rudimentären Bauaktivität des Freistaats. Das von der Staatsregierung erklärte Ziel des Neubaus von 10.000 Wohnungen bis 2025 wurde krachend verfehlt, geht aus einer Debatte im Bayerischen Landtag hervor. Die 2018 gegründete staatliche Wohnungsbaugesellschaft Bayern-Heim hat offenbar noch keine einzige Wohnung gebaut, sondern lediglich Wohnungen gekauft, so auch in Landsberg. Das hübsche Video auf der Website der Staats-Tochter, das Manager beim Spatenstich zeigt, ist also nicht dokumentarisch, sondern Fiktion.

Rechtzeitiges Sanieren des öffentlichen Wohnungsbestands und ein beschleunigter Wohnungsbau mit Heizungen auf dem Stand der Energietechnik – das würde Schritt für Schritt den Anteil der Haushalte erhöhen, die energetisch gut aufgestellt sind. Da der Staat aber nicht schnell genug ist, arbeitet das Wirtschaftsministerium des Bundes gerade an einem Horror-Gesetz für alle Eigentümer. Die Rede ist vom geplanten Erneuerungsverbot von Öl- und Gasheizungen ab Anfang nächsten Jahres. Der Staat will im Eiltempo vor allem Wärmepumpen in die Haushalte bringen.

Aber das kann nicht funktionieren. Zum einen fehlen Zehntausende von Fachkräften, die solche Heizungen planen und installieren können. Detaillierte Sachkenntnis ist hier besonders wichtig, denn Wärmepumpen haben einen engen optimalen Wirkungsbereich, in dem sie wirtschaftlich sind. Wenn man sie falsch berechnet, werden sie zum Ziehungsgerät einer Stromverbrauchs-Lotterie. Zum anderen muss es auch genug bezahlbaren Strom geben. Da wir aus der Atomkraft und der Kohle-Verstromung aussteigen und die Photovoltaik im Winter schwächelt, müsste sich das Tempo der Installation von Windrädern vervielfachen. Ansonsten sind die Strompreise viel zu hoch und die verfügbaren Strommengen viel zu niedrig. So entsteht ein selbsterzeugter Blackout. Hatte die Stadt Landsberg dazu nicht gerade vorsichtshalber eine Broschüre verteilt?

Oft muss man übrigens auch noch Wände dämmen und bestehende Heizleitungen und Heizkörper erneuern; die Investitionssumme überschreitet dann schnell 100.000 Euro. Die Gemeinde mit dem Sanierungsstau, der enttäuschende Freistaat mit seiner Wohnbau-Abstinenz und der radikale, überfordernde Bund kreieren also gerade, jeder für sich, einen Stoff, aus dem ein Alptraum wird. Deswegen: Bitte nicht mit zweierlei Maß messen und das, was Ihr selbst nicht tut, im Eiltempo von den Eigenheimbesitzern und Wohnungsvermietern verlangen. Die bekommen langsam richtig Angst vor der Politik aus dem Elfenbeinturm, die von einer unbegrenzten Belastbarkeit der Bürger ausgeht. Die gibt es nicht, weder jetzt noch zukünftig.


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Der anti-kommunale Freiheitsbegriff

Podcast vom 01.03.2023

Kurzfassung:

486 Städte und Gemeinden in Deutschland, darunter Landsberg, Eresing, Windach, Schondorf und Utting, fordern vom Bund, dass die Kommunen das Recht erhalten, Tempo 30 innerorts anzuordnen, wo sie es für notwendig halten. Die Kommunen sollen in der Lage sein, unabhängig von besonderen Gefahrensituationen punktuell oder in der Fläche die Straßen sicherer, leiser und anwohnerfreundlicher zu machen und die Aufenthaltsqualität spürbar zu erhöhen. Dabei soll ein guter Verkehrsfluss entstehen, womit auch die Luft sauberer wird.

Der Deutsche Bundestag hat bereits 2020 einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hat 2021 einstimmig die Umkehrung „Regel Tempo 50, Ausnahme Tempo 30“ zu „Regel Tempo 30, Ausnahme Tempo 50“ befürwortet. Und das Bundesverfassungsgericht hat den Bund aufgefordert, die Mobilitäts- und Verkehrswende zu beschleunigen. Dazu gehörten auch „niedrigere innerörtliche Höchstgeschwindigkeiten“ als „zentrales Element der Stadtverkehrspolitik“.

Bislang scheitert die Umsetzung am Widerstand der FDP. Sie versteht Freiheit im Straßenverkehr vor allem als „Freiheit von“ Regulierungen und Tempolimits und damit als „Freiheit zu“ unbeschränkter Geschwindigkeit auf Autobahnen und schnellem Vorankommen in Innenstädten. Die Partei begünstigt auf diese Weise Autofahrer und lässt alle anderen Verkehrsteilnehmer ebenso wie Anwohner und Innenstadtbesucher im Stich. Ihr einfacher Slogan lautet: „Mobilität ist Freiheit“.

Zu Mobilität gehört aber auch, sicher und schnell mit Rad und Bus zum Ziel zu kommen. Die FDP grenzt mit ihrem Freiheitsbegriff Teile der Gesellschaft aus. Sie will Wählern gefallen, denen der Gedanke fremd ist, eigene Grundrechte gegen die Grundrechte anderer abzuwägen und die eigene Freiheit nur insoweit auszuüben, wie sie die körperliche Unversehrtheit anderer nicht tangiert.

Viele Medien haben diese Haltung zurecht auf ein „verkürztes Freiheitsverständnis“, ein „Freiheits-Missverständnis“, einen „missbrauchten Freiheitsbegriff“ zurückgeführt. Wir schließen uns an: Die Knebelung der Kommunen, das Tempo von PKW und LKW im Gemeindegebiet nur in wenigen Fällen reduzieren zu dürfen, ist berechnend, weil wahltaktisch bedingt, und übergriffig, bevormundend, anti-kommunal. Sie macht aus Selbstverwaltung Fremdverwaltung. Sie entmündigt die Städte und Gemeinden.

Tempo 30 passt ohne Zweifel nicht überall. In einigen Fällen ist schnelle Fahrt besser, mit sicheren Radwegen in beide Richtungen. Aber in der Summe führt die Verwendung dieses Instruments zu weniger Lärm, weniger Pkw-Kilometern (wegen Umsteigern aufs Fahrrad), dadurch weniger Umweltbelastung und einem enormen Gewinn bei der Verkehrssicherheit. Bayern verzeichnet soeben die höchste Zahl an Fahrradunfällen seit 65 Jahren. Der Innenminister zeigt sich ratlos. Er weiß: Es wird uns nicht gelingen, innerhalb kurzer Zeit mehr und vor allem sichere Radwege zu schaffen. Was er nicht sagt: Dagegen ist Tempo 30 eine Soforthilfe. In Helsinki hat die Maßnahme zu einer Reduzierung der Verkehrstoten auf null geführt. Freiheit umfasst das Recht aller Verkehrsteilnehmer, lebend und gesund am Ziel anzukommen. Eine Autofahrer-Freiheit gibt es nicht. Wir können Freiheit nicht pachten, wir müssen sie teilen.


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Diese agilen Erpftinger

Podcast vom 22.02.2023

Kurzfassung:

Eine Firma aus dem hessischen Griesheim, die in Deutschland 79 Bestattungswälder betreibt, möchte auch in Erpfting im Wald des Grafen Maldeghem einen Friedwald einrichten. Dies erfordert Beschlüsse des Landsberger Stadtrats. Rechtzeitig zuvor haben sich die Erpftinger Bürger intensiv mit dem Vorhaben befasst – zunächst im regelmäßig tagenden „Arbeitskreis Erpfting“, dann in einer vom Arbeitskreis einberufenen Versammlung. Die brachte ein eindeutiges Ergebnis: Die Erpftinger lehnen das Vorhaben ab. Verortung, Topografie und Zuwegung seien an der in Aussicht genommenen Waldfläche absolut ungeeignet. Außerdem würden die Anwohner einem unerträglichen Verkehrsaufkommen ausgesetzt. Im Arbeitskreis Erpfting waren zuvor alternative Vorschläge für einen solchen Friedwald unterbreitet worden, unter anderem auf städtischer Fläche nördlich des Waldfriedhofs.

Man darf gespannt sein, ob der Waldbesitzer und der potentielle Betreiber die nächsten Schritte trotz dieses Votums noch angehen werden; dazu gehören ein Grundsatzbeschluss des Stadtrats, Vertragsverhandlungen, die Abstimmung über den Genehmigungsbescheid, der Erlass einer Friedwald-Satzung und die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Wichtig ist aber zunächst etwas anderes: Die Erpftinger haben mit ihrem Arbeitskreis ein permanentes offenes Gremium zur Mitwirkung an anstehenden politischen Entscheidungen eingerichtet, das die Interessen der Bürger in eigenen Angelegenheiten bündelt und über den Erpftinger Vertreter im Stadtrat, Markus Salzinger (UBV), ins Rathaus transportiert.

Das dürfte auch bei anderen Themen nützlich sein. Bei der Stadt liegt eine Anfrage vor, in Erpfting einen Supermarkt zu errichten. Das Thema „Ensembleschutz“ führt gerade zu einer Debatte über die Entwicklungsfähigkeit des Dorfes. Die Neuordnung des Nahverkehrs steht an. Die Raumplanung der Grundschule ist immer mal wieder Thema. Und die Reparatur von Straßen ist überfällig. Mit diesen Herausforderungen befasst sich der Arbeitskreis regelmäßig. Besonders fällt dabei auf, dass er das mit großer Sorgfalt macht. Im Januar debattierten die Teilnehmer über eigene Initiativen zur Sicherung der Nahversorgung aufgrund einer Bürgerumfrage. Ihr war eine detail-lierte Analyse von drei Betriebs-konzepten vorausgegangen. Die ausführlichen Protokolle der jeweiligen Beratungen sind von allen Bürgern auf der Website www.erpfting.de einsehbar. Auch die von Erpftinger Bürgern erstellten Mitschriften städtischer Bürgerversammlungen finden sich dort.

Was lernen wir daraus? Bürgerbeteiligung muss nicht immer städtisch eingeleitet sein; es ist durchaus möglich, eine permanente Mitwirkung einzurichten. Das könnte auch für Landsberger Quartiere ein Rezept sein, angefangen bei den neuen Arealen am Papierbach, der Pfettenstraße, dem Reischer Talweg und der Staufenstraße, aber auch für die Oberen Wiesen, die Katharinenvorstadt oder das Viertel rund um die Schanzwiese. Voraussetzung ist stets Substanz – der Erpftinger Arbeitskreis stellt Dokumente zur Verfügung, erarbeitet Präsentationen, initiiert Umfragen. Diese agilen Erpftinger argumentieren nicht aus dem Bauch; sie setzen auf eine fundierte Beratung mit vorhergehender Recherche und nachgelagertem Dialog mit den Stadträten. So kann das etwas werden. Ein Vorbild, bravo!


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Großprojekt Pfettenwiese

Podcast vom 15.02.2023

Kurzfassung:

Ausgehend vom Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung" geht zur Schaffung neuen Wohnraums kein Weg an der Nachverdichtung vorbei. Der Stadtrat hat in der vergangenen Woche einen Planungswettbewerb zur Bebauung des vier Hektar umfassenden Areals an der Pfettenstraße auf den Weg gebracht. Weitere innerstädtische Flächen sind für ähnliche Vorhaben reserviert.

Solch große Projekte stoßen immer wieder auf Skepsis. Allerdings sollte man sie gegen die schleichende Nachverdichtung in bestehenden Wohngebieten abwägen. Neubauten auf Stadt- oder Freistaat-Arealen sind meist nicht durch hohe Grunderwerbskosten belastet. Sie ermöglichen es, vielfältige Wohnformen zu verwirklichen und dabei eine Mischung von großen und kleinen sowie teureren und preisgünstigeren Wohnungen zu realisieren. Sie fördern die Interaktion der Bewohner durch gemeinschaftliche Flächen und Einrichtungen. Sie verwirklichen Innovationen etwa bei der Energetik oder der Anbindung an Netze. Mit ihnen geht meist eine spezielle Verkehrsplanung einher. Und die Bürger werden an der Projektentwicklung beteiligt.

Das alles gibt es nicht, wenn private Besitzer ihre Grundstücke für 800.000 Euro aufwärts an Bauträger verkaufen, die den knappen Raum anschließend mit Geschosswohnungen füllen, mindestens aber mit mehreren Reihenhäusern oder Doppelhaushälften. Durch die Ausrichtung der Neubauten in Längsrichtung (damit die Bebauung noch dem Einfügegebot des Baugesetzbuchs entspricht) entstehen zuweilen Steinwüsten mit langen Zufahrten. Für Gärten bleibt wenig Platz und die Versiegelung nimmt zu. Die Innenräume sind meist nach Schema F konstruiert und richten sich vor allem an junge Familien, die mit großen Wohnräumen, offenen Küchen, Treppen im Wohnraum und „Balkonen“ zum Hinauslehnen (noch) leben können. Die Preise für diese Wohnungen oder Häuser sind oft viel zu hoch. Für junge Landsberger, die zu Hause ausziehen wollen, sind sie nicht erschwinglich. Und Senioren würden mit dem Kauf ihre Rücklagen plündern, die sie noch benötigen.

Viele Bauträger bewerben ihre neuen Wohnungen daher gleich in München. Doch damit entsteht Bevölkerungswachstum ohne hiesige Produktivität. Man generiert öffentliche Kosten (zum Beispiel für Kitas) ohne nachhaltigen Nutzen. Man zieht, aus Landsberger Sicht, Fehlbeleger an. Deswegen ist es gut, wenn zumindest die Stadt, im Fall „Pfettenwiese“ mit großer Unterstützung des Freistaats, eine andere, preiswertere, variablere und vielfältigere Form des Wohnens vor Augen hat. Singles, die bei einem Landsberger Unternehmen anfangen, Familien mit mehr als zwei Kindern, Senioren mit Pflegebedarf – das sind drei Beispiele für Anforderungen, die beim Standard-Wohnungsbau selten abgedeckt werden.

Mal ganz abgesehen von Vorschlägen, die schon lange vorliegen. In jeder Firma gibt es Kaffeeküchen zur Kommunikation; wieso eigentlich nicht in einem Wohngebäude? Hotels haben oft Verbindungstüren zwischen Zimmern. Könnte man nicht Ähnliches für den Fall der häuslichen Pflege vorsehen? Solche Ideen werden beim Bauträger-Lückenschluss sicher nicht verwirklicht. Hierzu brauchen wir städtisch eingeleitete Wohnprojekte wie auf der Pfettenwiese.


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Landsberger Fingerzeig

Podcast vom 08.02.2023

Kurzfassung:

Die lange zurückliegenden Derivatgeschäfte der Stadt sind immer wieder Thema im Stadtrat und in den Medien. Aktuell geht es – am Ende einer langen Prozesskette - um die Aberkennung der Pension des früheren Kämmerers, Manfred Schilcher, sowie bald wohl auch um dessen Inanspruchnahme auf Schadenersatz.

Nochmal zur Erinnerung: Anfang der 2000er Jahre schlossen in Deutschland 1.500 Kommunen und 1.000 Kommunalunternehmen Rahmenverträge mit Banken über den Einsatz von Derivaten. Ziel war, das Risiko der Zinserhöhung bei laufenden Krediten zu minimieren. Doch in einigen Fällen ging das schief, weil die Banken das Spekulationsverbot missachteten und sich risikoreiche Verträge unterschreiben ließen.

Die Stadt Landsberg reagierte darauf nicht nur – wie viele andere Kommunen - mit einen Klage gegen die begünstigte Bank. Sie gab auch ihrem Kämmerer die Schuld und entfernte ihn umgehend aus seinem Amt. Das geschah, obwohl von vorneherein klar war, dass er persönlich keinen Vorteil von den Derivatabschlüssen hatte. Manfred Schilcher, mit jahrelanger kommunalpolitischer Erfahrung und einem enormen Engagement geradezu ein Koloss von Kämmerer, durfte sein Büro nicht mehr betreten und sich zum Sachverhalt nicht äußern. Die Verwaltung suchte hingegen detektivisch nach Belegen für Schilchers Schuld. Die Wiederwahl des damaligen OB Ingo Lehmann sollte nicht in Gefahr geraten. Außerdem machte man Schilcher zum Beteiligten am Bankenprozess, was für ihn zu hohen Anwaltskosten führte. Wann immer es ging, zeigte man mit dem Finger auf ihn und erklärte: Der war’s.

Allerdings hatte der Stadtrat zweifelhafte Strukturen geschaffen. Er beauftragte nicht wie üblich „die Verwaltung“ mit dem Erwerb der Derivate, sondern direkt den Kämmerer – mit einer von der Bank formulierten Vollmacht. Die wusste um Schilchers fehlende Erfahrung mit Finanzinstrumenten. In der schriftlichen Selbsteinschätzung hatte er sich sogar als risikoavers beschrieben. Hätte der Stadtrat die Verwaltung als Ganzes beauftragt, wären sowohl der Oberbürgermeister wie auch die Justitiarin mitzuständig gewesen, was zu einem Vier-Augen-Prinzip geführt hätte. Außerdem gab der Stadtrat dem Kämmerer eine Tochterfirma der Bank als Beraterin an die Hand. Damit machte man den Bock zum Gärtner. Später liquidierte die Bank diese Firma, um sich vor Klagen zu schützen. Da endlich merkten Viele, was da gespielt wurde.

Immer noch wird Manfred Schilcher mit schweren Konsequenzen bedroht. Im Hinblick auf die Landesanwaltschaft sprang die Stadt ihm zwar bei. Aber eigentlich hätte sie zugleich auch erklären müssen, auf Ansprüche gegen Schilcher zu verzichten. Soll jetzt wirklich elf Jahre nach Verfahrensbeginn noch einmal ein Prozess folgen? Da Schilcher bislang keinen Schuldspruch kassierte und fehlender Vorsatz in allen Instanzen unstreitig war, wäre das ein gewagtes und erneut belastendes Unterfangen.

Das alles haben sich die meisten der anderen geschädigten Kommunen und Kommunalunternehmen gespart. Sie haben sich auf diejenigen konzentriert, die das Dilemma durch risikobehaftete und hinterlistige Derivatangebote verursacht haben – die Banken und die von ihnen entsandten „Berater“.


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Vom Bauten-Areal zum Menschen-Quartier

Podcast vom 01.02.2023

Kurzfassung: Es gibt Bewegung beim Urbanen Leben am Papierbach. Die Freistaat-Tochter Bayernheim übernimmt ein ganzes Baufeld und vermietet dort Sozialwohnungen. Die Filetstücke des Areals werden aufgrund eines aktuellen Stadtratsbeschlusses zum zweiten Mal überplant. Außerdem hat Landsberg neue Ansprechpartner, weil Michael Ehret und Stefan Klein die operative Arbeit an vier Geschäftsführer übergeben haben. Dazu gibt es, zum Hören und Sehen, Einschätzungen im Podcast auf www.landsbergblog.info.

Kernthema hier wie dort ist aber eine konkrete Frage: Wie kommt Gemeinschaft ins Papierbach-Quartier? Ganz am Anfang waren dafür einmal die Räume vorgesehen, die im Kulturbau entstehen. Die Rede war von einem florierenden Ort der Begegnung, einem „Kreativ-Hub“, einem "multifunktionalen, lebendigen Treffpunkt für kulturellen Austausch und kreatives Miteinander". Wer den Begriff „Quartier“ ernst nahm und etwas anderes als eine Schlaf-Vorstadt errichten wollte, den erstaunte das nicht. Ein Quartier ist nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet, dass seine Bewohner eine hohe Interaktionsdichte verwirklichen. Sie treffen sich dazu nicht in ihren Wohnungen, sondern vor allem im öffentlichen Raum. Damit ist nicht nur Raum unter freiem Himmel gemeint. Zu öffentlichem Raum gehören auch öffentlich zugängliche Räume unter einem Dach.

Das Spektrum der Maßnahmen zur Bildung von Gemeinschaft ist breit. Dazu gehören Hausaufgabenhilfe, Chorproben, Reparaturwerkstatt, soziales Café, gemeinsames Kochen, 60plus-Gespräch. Wer wissen will, wie das Angebot anderswo aussieht, schaue sich die Gemeinschaftseinrichtungen im Bahnstadt-Quartier in Heidelberg, im Ludwigshöhviertel in Darmstadt und im Freiburger Vauban-Quartier an.

Aber das Projekt „Kulturbau“ weckte auch andere Begehrlichkeiten. Danach ist das Gebäude nicht in erster Linie Haus der Quartiersbewohner, sondern soll Räume schaffen, die in Landsberg fehlen. Schnell war von einem Konzertsaal die Rede. Aber auch „Räume für Dauerausstellungen, zehn Probenräume, Büro-, Lager- und Arbeitsräume sowie Ateliers für bildende Künstler“ standen auf den Wunschlisten. In einer von ehret + klein in Auftrag gegebenen Studie stellten Gutachter Vergleiche her zum Veranstaltungsforum Fürstenfeld, zum Kulturforum Offenburg und zum Künstlerhaus in Nürnberg.

Wessen Kultur hat im geplanten Kulturbau Priorität? Dazu muss man nun relativ rasch einen Kompromiss finden, denn die Frage beeinflusst die Bauplanung und Gebäudehöhe. Unsere Präferenz läge darin, zunächst die Raumnutzung einzuplanen, die erforderlich ist, um aus dem Areal der Bauten ein Quartier der Menschen zu machen. Es gilt, Quartiersleben originär zu generieren und auch dazu beizutragen, dass die angestrebte soziale Durchmischung gelingt. Aus Architektur muss Lebensqualität werden. Der Quartiersbegriff verlangt andererseits nicht, dass man nicht auch die Interessen der Gesamtstadt und ihrer Besucher im Blick haben darf; eine Papierbach-Diaspora ist auch kein Ziel. Aber wir dürfen der entstehenden Quartiersgemeinschaft nicht mit einem gigantischen Kulturhut die Luft zum Atmen nehmen. Das Thema erfordert kluge Vermittlung – und das Einbremsen von Akteuren, die nur eigene Interessen verfolgen.


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Was dürfen Bürgermeister?

Podcast vom 25.01.2023

Kurzfassung: Nicht immer gelingt die Abgrenzung der Zuständigkeit von Bürgermeistern (m/w/d) auf der einen und Ratsmitgliedern auf der anderen Seite. Was dürfen Bürgermeister allein tun und wann verstoßen sie gegen die Rechte der Räte und nehmen auch den Bürgern die Möglichkeit, die Meinungsbildung zu einem Thema zu beeinflussen? Die Sache ist eigentlich einfach: Die Regel ist, dass Bürgermeister mit Angelegenheiten erst in den Gemeinderat müssen, bevor sie eine Aktivität vornehmen können. In den alleinigen Kompetenzbereich der Bürgermeister fallen nämlich nur regelmäßig wiederkehrende Angelegenheiten der laufenden Verwaltung ohne grundsätzliche Bedeutung und ohne erhebliche Verpflichtungswirkung.

In Landsberg, aber auch in Landkreisgemeinden, waren jüngst vier Formen der Abweichung festzustellen. Abweichung 1 war die Alleinentscheidung. Ein Beispiel: Die Landsberger Oberbürgermeisterin entschied sich in Eigenregie für die inzwischen wieder ausgeschiedene Pächterin der Gaststätte im Sportzentrum. Die Fehlbesetzung sei, so hieß es auf Anfrage, in einer Runde entschieden worden, in der die Oberbürgermeistern, Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung und Mitglieder des Stadtrats „zugegen“ waren. Aber „zugegen sein“ ist der absolute Gegenentwurf zu „auf die Tagesordnung setzen, beraten und beschließen“. Zugegen sind Stadträte auch am Stammtisch bei Walter Harb und beim Weißwurstessen auf der Landsberger Wies’n. Das sind aber keine Beratungs- und Beschlussorte.

Abweichung 2 ist ein Landsberger Spezifikum: Anstelle des Stadtrats berät der Ältestenrat. Damit ist die Zahl der Teilnehmer enorm reduziert und die Sitzung ist nichtöffentlich. Er ist in der Gemeindeordnung aber gar nicht vorgesehen. Nach der Geschäftsordnung darf er allenfalls die Oberbürgermeisterin bei der Vorbereitung der Beratungsgegenstände des Stadtrats unterstützen und Absprachen über den Sitzungsverlauf treffen. Er kann aber nicht Ort der Information, Beratung, Meinungsbildung und Kompromissfindung sein. Dafür gibt es - lückenlos - den Stadtrat und die Ausschüsse.

Für Abweichung 3 gibt es auch ein Beispiel aus Landsberg. Die Frage der erneuten Zur-Verfügung-Stellung des Containerplatzes an der Iglinger Straße wurde „am Rande“ einer nichtöffentlichen Sitzung behandelt, ohne expliziten Tagesordnungspunkt. Dabei habe sich die Oberbürgermeisterin mit Stadträten "ausgetauscht" und "sich ein Meinungsbild eingeholt". Aber das ist keine Beratung, das ist rechtlich ein Nullum. Sich austauschen führt nicht zur Kompetenzerweiterung der Oberbürgermeisterin. Mal ganz abgesehen davon, dass die Sache keine nichtöffentliche Beratung rechtfertigte. Das kommt auch öfter vor und ist unsere Abweichung 4.

Übrigens: Mitarbeiter der Stadtverwaltung vertraten mal die Auffassung, für die Ausübung der Befugnisse der Stadt als "Untere Straßenverkehrsbehörde" seien sie, die hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeiter, zuständig - der Stadtrat sei doch keine "Behörde". Richtig war und ist: Die ganze Stadt ist "Untere Straßenverkehrsbehörde". Und wer für eine Entscheidung zuständig ist, bemisst sich nach der allgemeinen Aufteilung zwischen Stadtrat und OB. Damals ging es um einen Zebrastreifen auf dem Hauptplatz. War seine Anbringung eine regelmäßig wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung ohne grundsätzliche Bedeutung? Natürlich nicht.

UPDATE vom 19.01.2023 zu "Entwendet und entsorgt" Auf Initiative von CSU, Landsberger Mitte und ÖDP erwirkte der Stadtrat in seiner gestrigen Sitzung eine Änderung. "Landsberg 2035" ist nicht „abgeschlossen“, sondern "Grundlage" des fortgeschriebenen integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts ISEK. So ist es korrekt. Der 100seitige Werte- und Zielkatalog gilt also fort. "Der Stadtrat sollte die übergeordnete Zielsetzungen aus Landsberg 2035 heute quasi beerdigen", schrieb Stadtrat Chistian Hettmer (CSU) noch am Abend. "Das UBV-regierte Landsberg wollte die Ergebnisse offiziell ad acta legen". Das sei "mehr als erstaunlich" und "ein Affront gegenüber allen, die sich damals im Prozess eingebracht haben". "Mit einem Federstreich sollte der Stadtrat die größte Bürgerbeteiligung in unserer Stadt in die Geschichtsbücher verfrachten." Allerdings machte Hettmer den Landsbergern wenig Hoffnung, dass das Strategiekonzept wie geplant zentrales Instrument der Haushaltssteuerung wird. Das sei von der derzeitigen Verwaltungsspitze nicht umgesetzt worden. Jeder Versuch, in dieser Richtung wieder Schwung aufzunehmen, schlug bislang fehl, schrieb Hettmer. Wir meinen: Dennoch verhindert die gestrige Entscheidung des Stadtrats, dass sich Landsberg völlig losgelöst, ohne Ziele und Maßstäbe, ohne Werte und Vision durch die Herausforderungen laviert. Ein wichtiger Schritt.

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Entwendet und entsorgt

Podcast vom 18.01.2023

Kurzfassung: Viele Bürger und Verantwortliche von Institutionen, die in den Jahren 2016 bis 2018 an der Entwicklung der kommunalen Gesamtstrategie „Unser Landsberg 2035“ mitgewirkt haben, sind mit der Umsetzung der gemeinsamen Ergebnisse höchst unzufrieden: „Unsere Arbeit war offenbar sinnlos.“ Sie hätten an zahlreichen Workshops teilgenommen, an Dialoggesprächen, Projektsteuerungs-Sitzungen, Strategieklausuren, Bürgerdialogen, Dorfentwicklungs- und Bürgerkonferenzen. Sie hätten Vorschläge ausgearbeitet und an der über 100 Seiten langen zusammenfassenden Broschüre mitgewirkt. Aber der versprochene Steuerungskreislauf, der die jährlich wiederkehrende Verzahnung der strategischen Ziele mit Haushaltsplanung und Controlling vorsieht, sei nie zustande gekommen.

Schon die nächsten Schritte ab dem Jahr 2020 habe die Stadt nicht mehr vorgenommen. Die in Aussicht gestellte Zielvereinbarung 2020 bis 2025 gebe es nicht. Das Berichtswesen sei nicht entwickelt worden, die Software zur Projektsteuerung habe man gar nicht erst angeschafft. Damit sei auch die Absicht verfehlt, die Ziele von Landsberg 2035 Jahr für Jahr konkretisiert in jedem Teilhaushalt und in jeder Produktgruppe abzubilden und um Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung zu ergänzen. Die Vorgabe der Kommunalen Haushaltsverordnung Doppik, eine Erfolgskontrolle auf Basis dieser Parameter vorzunehmen, bleibe unerfüllt.

Tatsächlich gibt es offenbar eine erhebliche Unlust der jetzigen Stadtspitze, an Landsberg 2035 festzuhalten. Auch können wir in der Tat die eingerichtete Stabsstelle für Strategisches Controlling im Organigramm nicht mehr finden. Sollte es also wirklich stimmen, dass Stadtrat und Verwaltungsspitze eine fast dreijährige – extrem teure – Maßstabs-, Werte- und Zielfindung einfach beiseiteschieben und sich allenfalls ein paar genehme Ideen herauspicken? Es sieht leider so aus. Zur heutigen Stadtratssitzung legt die Stadtverwaltung eine fünfeinhalb Seiten umfassende Excel-Tabelle vor, die „städtebauliches Entwicklungskonzept“ überschrieben ist. Die Tabelle reduziert die Strategiebroschüre auf wenige Maßnahmen. Beispielsweise werden 13 Seiten zu „Bildung und Soziales“ auf 19 Einzelmaßnahmen eingedampft. Dabei wird jede Kita einzeln aufgeführt, wohl damit die Tabelle etwas üppiger daherkommt. Noch schlimmer: Unter den 19 Punkten sind auch solche, die gar nicht in der Strategiebroschüre stehen.

Diese Excel-Liste ohne jede inhaltliche Komponente soll das umfassende, begründete und ausgefeilte Konzept Landsberg 2035 ersetzen. Denn es heißt wörtlich: „Mit dem städtebaulichen Entwicklungskonzept wird die Gesamtstrategie Landsberg 2035 abgeschlossen.“ Ohne weitere Begründung zwölf Jahre vor der Zeit! Wir verwenden das Wort zum ersten Mal in diesem Blog, aber hier ist es berechtigt: Das ist ein Skandal.

Die Landsberger hätten gerne Vertrauen in die Politik. Dieses Vertrauen setzt die Orientierung der handelnden Personen an Werten, Maßstäben und Zielen voraus. Wertelosigkeit führt zur Wertlosigkeit. Mit der Reduzierung der Gesamtstrategie auf eine Maßnahmenliste ohne jede qualitative Präzisierung entwendet und entsorgt die Politik die gemeinsame Arbeit mit den Bürgern. Sie wirft ein Stück praktizierter Demokratie in die Restmülltonne. Darüber darf das letzte Wort nicht gesprochen sein.


UPDATE vom 19.01.2023 zu "Verflixtes Stromnetz" (1) Stadtrat Stefan Meiser (ÖDP) hat im Namen der Ausschussgemeinschaft ödp/Daschner beantragt, zur Stadtratssitzung am 8. Februar 2023 die Vorstände der Stadtwerke Landsberg zu einem Gespräch einzuladen. Sie sollen über die Entwicklung und die aktuelle Situation in den Geschäftsfeldern "Stromnetz", "Stromvertrieb" und "Gasvertrieb" seit deren Errichtung im Jahr 2010 berichten. Meisers beigefügte Verlustrechnung fällt übrigens noch etwas drastischer aus als die in unserem Beitrag enthaltene. (2a) Der Vorstand der Stadtwerke Landsberg weist uns zurecht darauf hin, dass die Stadt vor 2011 keine "Pachteinnahmen", sondern "Konzessionsabgaben" kassierte. Die würden auch heute noch entrichtet. Unsere Anmerkung: Dennoch war der Plan, dass das Stromnetz über die Konzessionsabgabe hinaus Gewinn erwirtschaften sollte und das ist, per Saldo, bis heute nicht der Fall. (2b) Die Stadtwerke weisen auch darauf hin, dass die Stadt nicht generell zum Ausgleich laufender Verluste verpflichtet sei. Das ist korrekt. Wir hatten einen späteren Zeitpunkt im Blick (von dem wir hoffen, dass er nicht eintritt). Art. 89 Absatz 4 der Gemeindeordnung legt fest: "Die Stadt haftet für die Verbindlichkeiten des Kommunalunternehmens unbeschränkt, soweit nicht Befriedigung aus dessen Vermögen zu erlangen ist (Gewährträgerschaft)." (2c) Zu den Verlusten teilen die Stadtwerke mit, es seien Sondereffekte im Spiel und das Geld sei nur teilweise verloren. Wir werden die Stadtwerke bitten, uns Nachricht zu geben, wenn es wieder da ist.

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Verflixtes Stromnetz

Audio-Podcast vom 11.01.2023

Kurzfassung: Kurz vor der Jahreswende haben die Stadtwerke Landsberg bekanntgegeben, dass sie im Geschäftsjahr 2021 ein sattes Minus in Höhe von 1,35 Millionen Euro verzeichnen. Wer wissen will, warum das so ist, wird in der Presseerklärung nicht fündig. Im Gegenteil: Dort wird ein Sammelsurium von Gründen genannt, unter anderem „Corona“ und der „Lockdown“. Unsere Recherche zeigt jedoch: Das wirkliche Problem der Stadtwerke ist das 370 Kilometer lange Stromnetz mit seinen 17.000 Stromentnahmestellen. Es ist im Jahr 2021 ihr Haupt-Verlustbringer. Die Planabweichung ist enorm: Zu Jahresbeginn wurden 155.000 Euro Verlust einkalkuliert; am Ende lag man bei einem Defizit von 1,27 Millionen. Für das gerade abgeschlossene Jahr 2022 rechnen die Stadtwerke erneut mit Stromnetz-Verlusten in Höhe von 600.000 Euro. Bezieht man diesen Wert mit ein, haben die Stadtwerke in den vergangenen zwölf Jahren mit dem Stromnetz 4,1 Millionen Euro Verlust gemacht. In einigen Jahren gab es zwar auch Gewinne. Aber der Saldo ist negativ; er beläuft sich auf minus 2,9 Millionen Euro.

Warum sind die Stadtwerke eigentlich seit 2011 Betreiber des Verteilnetzes?. Vorher hatte die Stadt das Netz gegen ein jährliches Entgelt gewinnbringend an die Lechwerke verpachtet. Wieso hat man diese komfortable Position aufgegeben? Ganz einfach: Man wollte mehr Gewinn erzielen als bisher. Man hoffte, dass die Stadt als Netzbetreiber mindestens ebenso viel Geld verdienen würde wie die Lechwerke und daher höhere Beträge bei der Stadt ankommen würden – nun nicht mehr als Konzessionsabgabe, sondern als unternehmerischer Gewinn. Von außen wurde ausdrücklich zugeraten, das Netz zu übernehmen. "Kommunen können mit Strom viel Geld verdienen", schrieb die Bayerische Staatszeitung im April 2011. "Ein gutes Geschäft" sei das, meinte das Blatt, wenn man denn das "interessante Zeitfenster" nutze, das sich durch auslaufende Konzessionen ergebe. Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) und der damalige Chef der Städtischen Werke, Norbert Köhler, griffen daher zu.

Heute muss man sagen: Das ist schiefgegangen. Die Stadt ist aus einer lukrativen Verpächter-Rolle herausgeschlüpft, bleibt nun aber im Dickicht der Netzregulierung hängen. Dieses verflixte Stromnetz war als Gewinnbringer gedacht und ist zum Verlustbringer geworden. Ob das den Handelnden in dieser Dramatik klar ist, kann man bezweifeln: In unserem heutigen Podcast wird jedenfalls erkennbar, dass die Erklärungen „weniger Durchleitungsmenge" und „Mehrkosten bei der vorgelagerten Netznutzung“ nicht stimmig sind. Es entsteht der Eindruck, dass sich die Stadtwerke Landsberg durch ein Geschäftsfeld "fremdeln", zumal sie auch im Nachbar-Geschäftsfeld „Stromvertrieb“ ungewöhnlich unerfolgreich sind.

Das Thema gehört nun dringend auf die Tagesordnung des Stadtrats. Es hätte dort schon lange hingehört. Die Stadt ist Gewährsträger der Stadtwerke. Sie muss sämtliche Verluste des Kommunalunternehmens ausgleichen. Da liegt die Frage doch nahe: Ist es noch sinnvoll, das Netz weiterhin zu betreiben oder wäre ein Verkauf anzuraten? Und noch etwas: Müssen immer erst die Medien solch fatale strukturellen Mängel aufdecken? Warum sagt niemand mal ehrlich: Landsberg, wir haben ein Problem?


landsbergblog zum Hören und Sehen

Explosive Hebelwirkung

Audio-Podcast vom 04.01.2023

Kurzfassung: „Haushaltsberatung“ - das klingt für viele Stadtrats- und Gemeinderatsmitglieder ähnlich uncharmant wie die Worte „Heizungswartung“, „Urlaubssperre“ oder „Abgassonderuntersuchung“. Dabei ist der Haushalt das wichtigste Steuerungsinstrument einer Kommune. Er legt fest, wohin die Reise geht. Er ist der Businessplan, die Agenda, die ToDo-Liste für das beginnende Jahr.

Der vor der Jahreswende verabschiedete Landsberger Haushalt für das Jahr 2023 ist aber unzulänglich. Er ist nicht solide, weil gleich mehrere Warnsignale aufleuchten. Die Liquidität soll von 35 auf 20 Millionen Euro abgeschmolzen werden, um das Defizit abzudecken, das trotz Sparmaßnahmen und zwei Millionen Euro Neuverschuldung entsteht. Von diesen 20 Millionen Euro brauchen wir zwölf, um Verzögerungen bei Einzahlungen zu überbrücken. Acht Millionen Euro „freie Liquidität“ ist nicht mehr komfortabel.

Hinzu kommt: Von der Stadt wird erwartet, dass sie einen Überschuss in Höhe der ordentlichen Tilgung von Krediten erzielt. Der Saldo aus der laufenden Verwaltungstätigkeit ist aber negativ. Besonders bedenklich ist, dass Landsberg 2023 Grundstücke im Wert von 12 Millionen Euro verkaufen will. Die Haushalte 2019 und 2020 enthielten Grundstücksverkäufe von 3,8 Millionen Euro, die Haushalte 2022 und 2023 von 28,4 Millionen Euro – das ist ein Plus von 750 Prozent. Die neue Stadtratsmehrheit geht mit dem Grundstücksbestand Landsbergs also freigiebiger um als die alte. Das Tafelsilber wird weiter veräußert.

Zusätzlich hat der Haushalt Sprengkraft. Mit ihm werden Planungen eingeleitet, die in den Folgejahren Kosten generieren, die jetzt noch nicht bezifferbar sind. Das ist so etwa wie ein Flug ohne Flugplan; wir wissen nicht, wo wir landen. Solche Planungen haben Hebelwirkung. Sie lösen ein Vielfaches ihrer Eigenkosten aus. Der Hebel wird immer größer, denn die Baukosten steigen immer mehr.

Gleichzeitig ist der Haushalt unvollständig. Einige absehbare Kosten sind noch nicht etatisiert. Die Baukostenzuschüsse zu den Kitas am Wiesengrund und an der Spöttinger Straße sind nicht im Haushalt enthalten, obwohl die Ausschreibung schon läuft. Für die Umbauten der Kreuzungsbereiche an der Schwaighofsiedlung, dem Hindenburgring und der Spöttinger Straße - Folgen des Baus des Papierbach-Viertels - sind noch nicht einmal Planungskosten eingestellt. Größere Zahlungen an den Zweckverband Penzing sind ebenso wenig eingepreist wie Ausgaben zur Verwirklichung des Verkehrsentwicklungsplans, der unter Verschluss gehalten wird; der Ausbau der Radwege und das neue verzahnte Bussystem kosten aber richtig Geld.

Das Fazit: Der Haushalt 2023 ist nicht wirklich solide, weil mehrere Indikatoren auf rot stehen, eine explosive Hebelwirkung hinzukommt und die kompletten Herausforderungen nur unvollständig abgebildet werden. Sind diese schlechten Zahlen der Grund dafür, dass die Öffentlichkeit im Vorfeld der Haushaltsberatung 2023 erstmals keine Unterlagen erhielt? Bis 2021 war über das Ratsinformationssystem der gesamte Haushaltsentwurf und der Stellenplan abrufbar. Das ist inzwischen auf Null reduziert. So konnte dem Stadtrat und der Verwaltung niemand reinreden; faktisch war die Haushaltsberatung damit ein nichtöffentliches In-Sich-Geschäft.


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Die Ausgliederungs-Falle

Audio-Podcast vom 28.12.2022

Kurzfassung: Das Thema „Ausgliederung“ hat die Stadt und den Kreis Landsberg im Jahr 2022 gleich fünfmal beschäftigt. Bei den Stadtwerken stritt man ums Inselbad. Beim Klinikum gab es Dissens über die Weiterbeschäftigung des Vorstands. Die Stadt hat beschlossen, ihre Immobilien auszugliedern. Der Landkreis will ein Kommunalunternehmen für den Bau des neuen Landratsamts gründen. Landsberg und Penzing legen die Entscheidungen über die Nachnutzung des Fliegerhorsts in die Hände eines Zweckverbands.

Ausgliederungen haben Vorteile. Zwei Beispiele: Man kann für das ausgegliederte Unternehmen professionelle externe Führungskräfte gewinnen. Außerdem werden Vorsteuerabzug und Verrechnungen möglich. Es gibt allerdings auch Nachteile: Drei Beispiele: Das ausgegliederte Unternehmen hat eine schwächere Position am Kapitalmarkt. Manchmal kommt es vor, dass das eigene Kommunalunternehmen nicht beauftragt werden kann, weil das europäische Beihilferecht Ausschreibungen und die Auswahl des günstigsten Anbieters verlangt. Und da das Tochterunternehmen ein eigenes Kontrollgremium hat, nimmt die Zahl der Kontrolleure ab; die Kontrolle wird zugleich nichtöffentlich.

Mitglieder von Gemeinde- und Stadträten sowie des Kreistags sollten zunächst prüfen, ob die Gründungs- und Overhead-Kosten zusammen möglicherweise höher als der Ertrag der Ausgliederung sind. Deswegen sollte man sich das geplante Geschäftsvolumen genau ansehen. Kommt hier ein stolzer Adler auf die Welt oder nur ein kleines Suppenhuhn? Zu fragen ist auch, ob die Ausgliederung möglicherweise zu einer Täuschung über die Finanzlage der Gebietskörperschaft führt. Wieviel Schulden hat sie denn nun wirklich? Außerdem: Ein Haushalt ist nur genehmigungsfähig, wenn Zinsen und Tilgung durch Überschüsse im laufenden Geschäftsjahr erwirtschaftet werden. Wenn man Darlehen auslagert, fallen weniger Zinsen und Tilgung an, aber die Verbindlichkeiten sind nach wie vor da. Ausgegliederte Unternehmen können auch zu Zeitbomben werden, wenn das Geld des Kommunalunternehmens aufgebraucht ist und die Kommune nachschusspflichtig wird.

Ein wichtiges Thema ist, wer das ausgegliederte Unternehmen kontrolliert. Beim Klinikum hat der Landrat soeben durchgesetzt, dass noch mehr Kreistagsmitglieder im Verwaltungsrat sitzen als bisher. Das ist der falsche Weg. Das Gesundheitswesen ist äußerst komplex und die Ausbaupläne des Klinikums sind betriebswirtschaftlich anspruchsvoll. Der Verwaltungsrat sollte daher um Experten aus dem Gesundheitswesen und dem Wirtschaftsbereich erweitert werden.

Die letzte Frage betrifft das Weisungsrecht der Gebietskörperschaften in wichtigen Angelegenheiten. Vorbild Stadtwerke: Der Stadtrat kann den Mitgliedern des Verwaltungsrats bei Entscheidungen zum Inselbad und den Parkgaragen Weisungen erteilen. Er ist zu informieren, bevor solche Entscheidungen anstehen. Die Satzung des Zweckverbands zum Fliegerhorst enthält solche Regelungen nicht. Damit können Stadt- und Gemeinderäte, die keinen Sitz in der Zweckverbandsversammlung haben, nur dann Einfluss nehmen, wenn man sie vorher wohlwollend einbezieht.

Generell gilt: Ausgliederungen, die überflüssig sind oder zu weit gehen, sperren immer auch die Bürger aus; die lokale Demokratie wird durch sie ein Stück weit reduziert.


Zeit für einen neuen landsbergblog

Künftig als Podcast, jeden Dienstag um 21 Uhr

Wir heben am 28. Dezember 2022 die dritte Darreichungsform des landsbergblog aus der Taufe. Der erste landsbergblog startete 2012 im Internet. Seit 2018 stellt der KREISBOTE dankenswerterweise eine Spalte auf Seite 2 zur Verfügung. Und nun, in der dritten Phase, wird der landsbergblog zusätzlich zum Podcast. Manchmal kurz, manchmal etwas länger. Manchmal tagesaktuell, manchmal grundsätzlich. Manchmal mit, manchmal ohne Bewegtbild. Aber immer authentisch und unzensiert.


Wie geht mitschwimmen?

Mittwoch, 14.12.2022

Es gibt Orte, da ist Mitschwimmen eine Attraktion. Man kann mit Schildkröten in Mexiko mitschwimmen, mit Delfinen in Ägypten und mit Kegelrobben in der Bretagne. Manchem mag das auch mit dem Biber im Lech, der Renke bei Lindau und dem Kaulbarsch im Ammersee gelingen. Eines aber gehört in das Reich der Fabel: Dass Radler in Landsberg künftig auf der Katharinenstraße im Autoverkehr mitschwimmen. Das ist reine Fantasie.

Genau das machte der Stadtrat aber zum Konzept, als er am vergangenen Mittwoch beschloss, den Radfahrschutzstreifen für die Fahrt in Richtung Altstadt zu entfernen, ohne zugleich Tempo 30 anzuordnen. Das sollte doch Allgemeingut sein: Im Verkehr „mitschwimmen“, das geht nur mit Tempo 30. Ohne diese Anordnung ist die Vokabel „mitschwimmen“ bei der wichtigsten Zufahrt zur Altstadt aus dem Süden und Südwesten Landsbergs in Richtung Karolinenbrücke, auf der pro Tag 17.000 Autos fahren, nur eine Fiktion.

Zufahrten zu Geschäften, Ärzten, Apotheken, einer Kfz-Werkstatt und Wohnhäusern, Ausfahrten aus Tiefgaragen, Parkstreifen in Längsrichtung, kreuzender Parksuchverkehr, häufiger Parkplatzwechsel – das alles rechtfertigt es, mit dem städtebaulichen Ziel „Förderung des Radverkehrs“ auch auf einer örtlichen Hauptverkehrsstraße eine derartige Beschränkung einzuführen, zumal die Stadt den Versuch „Schutzstreifen“ ja bereits mit begrenztem Erfolg und tragischen Folgen erprobt hat. Nur eine komplette „Tempo 30-Zone“ wäre nicht zulässig.

Viele Unfälle, die die Stadt identifiziert hat, können sich ohne den roten Radfahrschutzstreifen - der ja immerhin ein Permanenz-Signal „Achtung Radler“ darstellt – nur dann nicht so leicht wiederholen, wenn Zweiradfahrer nicht erneut in Autotür-Reichweite rechts an den Straßenrand auf eine „zweite Fahrbahn“ gedrängt werden, sondern deutlicher sichtbar vor oder hinter PKWs auf der einzigen Fahrbahn unterwegs sind. Nach Ansicht von Psychologen sind viele Autofahrer beim Abbiegen auf Hindernisse konditioniert – und die suchen sie zunächst auf „ihrer“ Fahrbahn. Ist auf keiner Spur ein Fahrbahn-Hindernis in Sicht, erfordert die Beachtung des quasi auf dem Nebengleis fahrenden Radlers noch einmal eine gesonderte Aufmerksamkeit, an der es oft fehlt.

Auch an der Augsburger Straße wäre eine ähnliche Regelung möglich. Die Stadt hat dort bislang ein anderes Konzept: Sie will eine zweite Autostraße hinter den Geschäften bauen, um das Kreuzen des stadtauswärtigen Radwegs zu verhindern. Aber bis diese sehr effektive Maßnahme greift, vergehen noch Jahre. Bis dahin könnte man auch dort den Verkehr beruhigen, denn „überörtlich“ wird die Augsburger Straße erst ab dem Bauhof. Aber vielleicht gilt da der Satz: Es ist ja noch nicht so viel passiert.

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88 Prozent Nicht-Retter

Mittwoch, 07.12.2022

Die Entscheidung ist gefallen: Die Landsberger haben die Beschlüsse des Stadtrats zum Nord-Anbau an die Schloßbergschule nicht aufgehoben; die Planung wird fortgesetzt. Die von Stadtrat Axel Flörke geleitete Bürgerinitiative „Rettet den Schloßberg“ hat 78 Prozent der Landsberger nicht mobilisiert und 88 Prozent der Landsberger nicht überzeugt. Schon die Beteiligung überschreitet das erforderliche Quorum kaum, und die 2.764 Nein-Stimmen bleiben weit hinter den Erwartungen der Nord-Anbau-Gegner zurück. 4.488 Nein-Stimmen wären erforderlich gewesen, um das Vorhaben zu stoppen.

Wer über diese Niederlage hinwegtäuschen will, hat die Wahl zwischen drei Behauptungen: Nummer 1: Es gab leider eine zu niedrige Wahlbeteiligung. Nummer 2: Es sind mehr Nein- als Ja-Stimmen; die Tendenz ist also klar. Nummer 3: Nein-Mehrheit und nicht erreichtes Quorum führen zu einem unklaren Resultat. All das ist falsch. Wenn Bürger dazu auffordern, ein Projekt zu kippen (hier: „Nein zum Nord-Anbau“), dann kann man dieses Kippen als Wähler mit zwei Mitteln verhindern, nämlich durch ein ausdrückliches (potentiell irrelevantes) „Ja zum Nord-Anbau“ oder dadurch, dass man an der Abstimmung nicht teilnimmt. Anders als bei einer Wahl entfaltet also auch die Nichtteilnahme Relevanz.

Das Ergebnis ist eindeutig: Es gab nur 12 Prozent, die dem Notruf „Rettet den Schloßberg“ gefolgt sind. Die anderen haben entweder von der Abstimmung nichts gewusst, die Sache war ihnen egal oder sie haben das Votum des Stadtrats akzeptiert. Bei wem welche Motive vorlagen, wissen wir nicht. 12 Prozent „Retter“, 88 Prozent „Nicht-Retter“, das ist das reale Resultat, weil das der Mechanismus von Bürger- und Ratsbegehren ist. Bei künftigen Bürger- oder Ratsbegehren ist dennoch zu empfehlen, auch als „Nicht-Retter“ zum Ort des Geschehens (sprich: zur Wahlurne) zu eilen. Denn für den Fall, dass 20 Prozent Retter zusammenkommen, ist das Stimmenverhältnis zwischen Ja und Nein plötzlich wieder wichtig.

In Sachen „Wahlkampf“ haben beide Seiten Schwachstellen. Die Bürgerinitiative zeigte Zeichnungen des Bauvorhabens, die der Planung nicht entsprachen. Obwohl es um Denkmalschutz und Sichtbeziehungen ging, wurden Baukosten thematisiert. Die Initiative stellte nach Beschluss des Ratsbegehrens ihre schleppend verlaufende Unterschriftensammlung ein, mit der Begründung, die brauche es jetzt nicht mehr; da hat sie es sich sehr bequem gemacht und vom Ratsbegehren profitiert. Aber auch die Stadt argumentierte nicht in erster Linie gegen die Argumente "Denkmalschutz“ und „Sichtbeziehung“, sondern pro „Schule“; die stand als solche jedoch gar nicht zur Debatte. Außerdem stellte sie früh Weichen, ohne an die Bürger zu denken. Die ganze Sache war also fruchtlos, aber nicht sinnlos; gelernt haben wir eine Menge daraus.

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Sieben simple Ermahnungen

Mittwoch, 30.11.2022

Der Landkreis beansprucht zur Deckung seiner Kosten im Jahr 2023 eine Erhöhung der Kreisumlage um sechs Prozentpunkte, von 51 auf 57 Prozent. Der größte Beitragszahler, die Stadt Landsberg, hat mit null Prozent kalkuliert und trotzdem noch keinen genehmigungsfähigen Haushaltsentwurf. Das läuft auf einen massiven Konflikt hinaus. Wie bereits im Vorjahr legt der Landkreis eine unerträgliche Selbstbedienungsmentalität an den Tag. Es ist offenbar erforderlich, Landrat Thomas Eichinger (CSU) einige simple Ermahnungen zu senden – in Anlehnung an die „Grundsätze kommunaler Haushaltsführung“ (Zitate) der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Erstens: Verlange kein Geld von anderen, bevor Du Dein eigenes aufgebraucht hast. Der Landkreis hat Liquidität in Form genehmigter, aber nicht in Anspruch genommener Aufwendungen von derzeit 36,5 Millionen Euro; in der Spitze waren es 59 Millionen. Das ist eine faktische Landkreisbank. Zitat: „Es ist verboten, stille Reserven einzuplanen.“

Zweitens: Verlange von Deinen Gemeinden keine Zahlungen, die sie erdrücken. Denn sie haben keine Möglichkeit, ihrerseits Umlagen zu erheben; die Letzten beißen die Hunde. Zitat: „Die Gemeinden müssen jederzeit in der Lage sein, ihren Ausgabeverpflichtungen nachzukommen.“

Drittens: Erkenne für Geldforderungen die richtige Zeit! Um die neue Kreisumlage zu finanzieren, müssten die Gemeinden Steuern und Gebühren drastisch erhöhen. Und das, obwohl die Inflation und die Energiekosten den Bürgern die Luft zum Atmen nehmen. Zitat: „Auch Gebietskörperschaften müssen sich konjunkturgerecht verhalten.“

Viertens: Treibe die Gemeinden nicht in die Not, sich - über die Beschaffung von Finanzmitteln für Investitionen hinaus - zur Deckung von Transferausgaben zusätzlich verschulden zu müssen. Das ist, als wenn ein Vermieter zum Mieter sagt: Wenn Du die Miete nicht bezahlen kannst, nimm halt einen Kredit auf! Reduziere alle Kosten, bevor Du nach mehr Unterstützung rufst. Zitat: „Die Haushaltsführung muss sparsam und wirtschaftlich sein.“

Fünftens: Behaupte nicht einfach, Büros zu mieten sei teurer als ein 80-Millionen-Neubau – belege, dass es auch heute, nach enormen Kostensteigerungen im Baubereich, noch so ist! Zitat: „Wahrheit und Klarheit sind unumstößliche Grundsätze des Haushaltsrechts“.

Sechstens: Lagere keinen Verwaltungsbau in ein Kommunalunternehmen aus! Selbst ein Luxus-Landratsamt entfaltet keine Produktivität. Zitat: „Einheit und Vollständigkeit des Haushalts sind unabdingbar.“

Und siebtens: Wenn Du im Glashaus sitzt, werfe nicht mit Steinen. Wenn Du Geldnöte hast, baue Dir kein Landratsamt. Dazu gibt es kein Zitat der Hanns-Seidel-Stiftung. Weil es eine Selbstverständlichkeit ist.

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Begrabenes Kriegsbeil

Mittwoch, 23.11.2022

Es ist ein Weihnachtsmärchen: In zehn Tagen, am 3. Dezember, führen Vertreter der Stadtverwaltung, der Stadtwerke und der „Interessensgemeinschaft Inselbad“ eine gemeinsame Informationsveranstaltung zur Umgestaltung des Inselbads durch. Alle Bürger sind eingeladen, daran teilzunehmen und mitzuwirken.

Diese Ankündigung ist eine kleine Sensation. Denn bislang gab es um die Zukunft des Inselbads einen kräftigen Kompetenzkonflikt. Es kamen viele strittige Themen zusammen: Wer haftet, wenn am Lechstrand etwas passiert? Warum wurde der Sprungturm ohne Vorankündigung abgebaut? Sollen Badende, die länger verweilen wollen, wirklich nur reduzierten Zugang zur Gastronomie haben? Eine gemeinsame Erörterung dieser Fragen fand nicht statt, jedenfalls keine, die Klarheit geschaffen hätte.

Dabei ist die Sache einfach: Die Stadt hat die Stadtwerke aus fiskalischen Gründen mit dem Betrieb des Inselbads betraut. Dieser Auftrag umfasst nicht auch die Planung der Bad-Zukunft; jedenfalls war das nie so gedacht. Theoretisch könnte der Stadtrat daher beschließen, das Inselbad für die Zeit der Planung zur Stadt zurückzuholen, die Neugestaltung vorzunehmen und den Betrieb des veränderten Bades wieder an die Stadtwerke zu delegieren. Deswegen konnte man eigentlich damit rechnen, dass die Stadtwerke von Anfang an im Konsens mit dem Stadtrat vorgehen würden. Auch hätte man einen sensiblen Umgang mit der Bürgerschaft und den Inselbad-Kunden erwartet. Aber das Kommunalunternehmen preschte vor und präsentierte bereits früh und ohne Vorankündigung einen ausgearbeiteten Entwurf.

In der Folgezeit trat ein Aspekt in den Mittelpunkt: die Ganzjahresnutzung des Hauptgebäudes. Betriebswirtschaftlich ist sie sinnvoll und es gibt manches, was man sich dort vorstellen kann. Aber die Idee verengte sich auf das Thema Gastronomie. Plötzlich stand eine Ganzjahres-Zweiklassengesellschaft bestehend aus Inselbad-Besuchern und Gastronomie-Gästen im Raum. Weder der Stadtrat noch die Oberbürgermeisterin, die auch dem Verwaltungsrat der Stadtwerke vorsteht, beendeten den Spuk beizeiten. Das tat erst die Bürgerversammlung; ihr Votum für einen offenen Zugang der Inselbad-Besucher zur Gastronomie wirkte nachhaltig; der Vorschlag ist endlich vom Tisch.

Um auch die anderen Entscheidungen – insbesondere zur Optik des neuen Hauptgebäudes und zur Verlegung des Baby- und Nichtschwimmerbeckens – auf eine breite Basis zu stellen, hat man sich nun offenbar verständigt, das Kompetenz-Kriegsbeil zu begraben und die Sache öffentlich zu erörtern. Das dürfte insbesondere die Stadträte freuen, die diese Veranstaltung als Pflichttermin ansehen sollten. Vielleicht sind da auch Lehren aus dem Thema „Nord- oder Süd-Anbau an die Schlossbergschule“ im Spiel; ein ähnlich transparentes Vorgehen schon in der Planungsphase hätte den Bürgerentscheid wohl überflüssig gemacht. Aber egal: Mit dem jetzigen Vorgehen geben alle Seiten ein Stück Souveränität auf, um sie gemeinsam umso effektiver auszuüben. Unterstellt man, dass der Stadtrat anschließend noch einmal ins Spiel kommt (wegen der Finanzierung des Vorhabens und der zu erwartenden Defizite ist das wohl zwingend), dann ist man auf gutem Weg. So löst man Konflikte, so gewinnt man Handlungsfähigkeit. Warum geht das nicht immer so?

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Letzte Instanz

Mittwoch, 16.11.2022

Die Planung zur Umgestaltung der Altstadt, insbesondere des Vorder- und Hinterangers, wird diese Woche fortgesetzt. Ein paritätisch besetzter Workshop soll „Leitplanken“ definieren, die in drei Planungsvarianten münden. Sie werden bis Herbst 2023 von einem externen Planungsbüro ausgearbeitet. Nach erneuter öffentlicher Diskussion entscheidet dann der Stadtrat, wie die nördliche Altstadt künftig aussehen soll.

Jetzt kommt die erste Merkwürdigkeit. Die Stadt gibt an, 20 „betroffene“ und per Los bestimmte Altstadtbewohner, Hauseigentümer und Gewerbetreibende träfen mit 20 „vom Stadtrat ausgewählten“ institutionellen Interessenvertretern zusammen (Quelle: www.altstadt-landsberg.de). Nun sind es wohl keine 20 Betroffene, denn der vorgesehene Losentscheid war nicht erforderlich, und die Interessenvertreter wurden auch nicht vom Stadtrat, der grundsätzlich öffentlich tagt, sondern hinter verschlossenen Türen vom Ältestenrat benannt. Das ist erstens nicht Aufgabe des Ältestenrats. Und zweitens: Was ist das für eine Bürgerbeteiligung, bei der die Teilnehmer nichtöffentlich in Kleingremien bestimmt werden?

Die zweite Merkwürdigkeit betrifft das Verfahren als Ganzes. Die Politik ist inhaltlich offenbar zunächst nicht involviert und kommt erst spät ins Spiel. Das ist anders als bei früheren Planungen, etwa zum Hauptplatz oder zum Papierbach. In Sachen Altstadt scheint es, als hätte der Stadtrat seine Aufgaben zunächst an Bürger und Interessengruppen delegiert. Er selbst wird zur letzten Instanz. Ein solches Vorgehen führt erfahrungsgemäß zu Enttäuschungen, etwa wenn Vorschläge nicht finanzierbar sind. Es gibt aber auch ein Legitimitätsproblem. Wenn Personen tätig werden, die aktuell bestimmte Rollen und Interessen wahrnehmen, bleiben die Belange Anderer, die nur die Politik einbringen und wahrnehmen kann, auf der Strecke. Es gibt Menschen mit und es gibt Menschen ohne Lobby.

Die späte Einbeziehung der Politik ist ein Fehler. Die Innenstadt von morgen muss anders aussehen als die von heute. Denn die von heute wurde gestern konzipiert. Notwendig sind eine stärkere Durchmischung der Funktionen Handel, Handwerk und Dienstleistung, Orte, wo man sich treffen kann, ohne Geld ausgeben zu müssen, Konzepte für Erholung, Luft und Kühle und die Übereinstimmung mit dem Ziel „Verkehrswende“. Deswegen können wir nicht monatelang Betroffene und ausgewählte Organisationen selbständig Planungsprozesse absolvieren lassen. Planung ist von Anfang an Aufgabe der Politik; Bürgerbeteiligung ist dabei die stetige Verzahnung politischer Ideen mit den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger. Vielerorts muss man die Politik zur Bürgerbeteiligung ermahnen. In Landsberg muss man sie zur Politikbeteiligung anhalten. Grotesk.

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Öffnet die Tür!

Mittwoch, 09.11.2022

Dank einem außergewöhnlichen bürgerschaftlichen Engagement, zuletzt der Europäischen Holocaust Gedenkstätte Stiftung, ist das Ziel zum Greifen nah. Die Tonröhrenbauten des Lagers Kaufering VII sind konserviert. Der Bund hat sie als „Denkmal von nationaler Bedeutung“ eingestuft. Er und der Freistaat stehen als Zuschussgeber bereit. Die Machbarkeit ist geprüft. Die wissenschaftliche Konzeption wurde erstellt. Der Stadtrat hat einer Ergänzung des Areals um ein festes Gebäude zugestimmt. Egal, wie man das Angestrebte nun nennt: Lernort, Gedenkort, Gedenkstätte oder Dokumentationszentrum - die beiden nächsten Schritte, die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Einbringung des städtischen Grundstücks zwischen dem Lager und der Erpftinger Straße, können nun erfolgen.

Zwar gibt es im Freistaat und der Stadt ein paar Skeptiker. Die einen wollen „die Schande nicht noch in Beton gießen“, die anderen fürchten um die Einzigartigkeit der Spezialetage im geplanten Stadtmuseum. Aber die jeweils große Mehrheit der Entscheider teilt derartige Bedenken nicht. Sie wollen die Tonröhrenbauten nun für Besucher und Hinterbliebene geregelt und betreut zugänglich machen sowie um Räume ergänzen, in denen man das Geschehen erklären und erörtern kann.

Doch nun hakt die Sache schon wieder. In der Stadtverwaltung wird die Auffassung vertreten, der Bebauungsplan müsse ein vorhabenbezogener B-Plan sein und dazu brauche man konkrete Vorgaben vom künftigen Betreiber des Gebäudes. Welche der in Frage kommenden bayerischen Institutionen die operative Verantwortung übernimmt und welchen Umfang das Gebäude haben soll, sei aber noch unklar. Aber der Freistaat geht ohne existierenden B-Plan keine Verpflichtung ein. Auch die Stiftung kann keinen Architekten mit den ersten Leistungsphasen beauftragen; sie müsste Schadenersatz leisten, wenn für das Vorhaben kein Baurecht erteilt wird.

Die Lösung kann nur darin bestehen, einen allgemeinen Bebauungsplan mit dem besonderen Nutzungszweck "Gedenk- und Dokumentationsstätte Tonröhrenbauten“ aufzustellen, als Sondergebiet mit enger Zweckbestimmung. Ähnlich wie in vielen anderen Fällen müsste man dabei die maximale Kubatur und die maximale Fläche für Parkplätze festlegen. Innerhalb dieser Grenzen kann dann die weitere Planung des Bauherrn erfolgen, die in einen Bauantrag mündet.

Die Stadt Landsberg will das Gebäude weder finanzieren noch betreiben. Das ist verständlich; das Gedenken an den Holocaust und die Verbrechen des Dritten Reichs ist eine nationale Aufgabe. Allerdings beschränkt sich die Rolle der Stadt dann auch auf das Baurecht. Sie ist nur Türöffner, mehr nicht. Spätestens jetzt ist die Zeit reif dafür. Öffnet die Tür – der Rest ist Sache von Land und Bund!

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Hellmair's Nachbarn

Mittwoch, 02.11.2022

Der Bauausschuss des Stadtrats hat in seiner letzten Sitzung in einem merkwürdigen Verfahren Befreiungen vom Bebauungsplan 1030 „Am Georg-Hellmair-Platz“ beschlossen. Die bereits durchgewunkenen Abweichungen sollen nämlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Nachbarn stehen. Genau betrachtet handelt es sich also um eine bauplanungsrechtliche Befreiung unter der auflösenden Bedingung nachbarschaftlicher Nichtzustimmung. Das haben Sie noch nie gehört? Wir auch nicht.

Es geht um den Plan des Hellmairs, eine Erweiterung des Gastraums und der Küche in den Innenhof hinein zu bauen. Ebenfalls im Innenhof sollen die Stellflächen für die Müllbehälter und ein zusätzliches Kühlhaus mit Sichtschutzwänden abgetrennt werden. In der Sache selbst sprechen Argumente dafür und dagegen. Einerseits: Die Räumlichkeiten der Gastronomie in der Altstadt sind begrenzt; jede Erweiterung, insbesondere der sehr kleinen Küche, erhöht die Qualität und verbessert die Arbeitsbedingungen. Andererseits: Direkt oberhalb der geplanten Erweiterungsfläche sind Balkone; auch sollte ein Innenhof, der bewusst nicht überplant wurde, auch ein Innenhof bleiben. Manchmal möchte man wirklich nicht im Stadtrat sein; Entscheidungen wie diese sind nicht leicht zu treffen.

Aber gerade dann gilt es, die für eine Beschlussfassung erforderlichen Fakten vorher einzuholen. Wie soll der Anbau konkret aussehen? Welche Lärmauswirkungen wird die Erweiterung haben? Was bedeutet er für diejenigen, die dort Fenster oder Balkone zum Hof haben? Erst auf dieser Informationsgrundlage kann man auch die Nachbarn befragen. Abschließend muss der Ausschuss alle Daten bewerten und seine Entscheidung treffen. Beispiele: Der Immissionsschutz ist gewährleistet, trotzdem wird es ganz schön laut. Drei Viertel der Nachbarn haben kein Problem damit, ein Viertel schon. Wie entscheiden wir nun?

Anders herum geht es nicht. Zumal nicht klar ist: Wer genau ist denn in diesem Fall „Nachbar“, nur solche mit Fenster zum Hof oder alle in Hörweite? Ist Einstimmigkeit erforderlich? Wie wertet man die Nichtbeantwortung? Wie genau diese Nachbarzustimmung ablaufen soll, ist also unklar. Wohlgemerkt: Es geht nicht um einen einfachen Bauantrag. Es geht auch nicht um eine Maßnahme im unbeplanten Innenbereich. Es geht um die Abweichung von einem beschlossenen Bebauungsplan. Bei seiner Aufstellung kamen erst die Bürger zu Wort, dann entschied der Stadtrat. Warum soll die Abfolge bei der Befreiung von diesem Plan umgekehrt sein? Bei allem Respekt vor Hellmairs Nachbarn: Das letzte Votum gebührt den Mandatsträgern. Sie müssen abwägen. Sie müssen entscheiden. Und sie tragen die Verantwortung.

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In eigener Sache

Mittwoch, 26.10.2022

Der landsbergblog hat in dieser Woche den vergünstigten Erwerb von Wohnungen im Schondorfer PRIX-Gelände durch zwei Kinder von Bürgermeister Alexander Herrmann (Grüne) kommentiert. Zugrunde lag eine Recherche des KREISBOTEN. Aufgrund einer drohenden rechtlichen Auseinandersetzung, die wir nicht noch auf das ehrenamtlich betriebene Online-Medium "landsbergblog" ausgedehnt wissen wollen, verzichten wir auf einen Abdruck an dieser Stelle. Wir verweisen stattdessen auf einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 28. Oktober 2022 - sie finden ihn (frei zugänglich), HIER sowie auf den Kommentar der Süddeutschen Zeitung zum gleichen Thema, den Sie HIER lesen können. Beide Beiträge entsprechen in etwa dem, was KREISBOTE und landsbergblog im Blatt zum Ausdruck gebracht haben. Wir hoffen, Sie haben für diese Maßnahme Verständnis.

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Der landsbergblog erscheint auch in der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN (zum E-Paper).


Uninteressierte Kenntnisnahme

Mittwoch, 19.10.2022

Der Großvater des Verfassers war Straßenbahnfahrer. Er fuhr fast sein ganzes Berufsleben lang die Elektrische. Jeden Tag freute er sich auf seinen Dienst. Fast jeder kannte und grüßte ihn. Am Tag seiner Pensionierung brachten Fahrgäste Geschenke mit in die Tram. Die Zeiten haben sich geändert. Der Beruf „Fahrdienst-Mitarbeiter im öffentlichen Bus- und Schienenverkehr“ hat an Attraktivität verloren. Von 87.000 Stelleninhabern (in Mitgliedsunternehmen des Verbandes VDV) müssen in den kommenden acht Jahren 40.000 ersetzt werden, der größte Teil wegen des Erreichens der Altersgrenze.

Doch das ist kein plötzlicher Schicksalsschlag, sondern war lange absehbar. Der demographische Wandel betrifft alle Branchen. Handwerksbetriebe investieren daher durch betriebliche und überbetriebliche Ausbildung in ihr künftiges Personal; sie binden gute Kräfte durch gute Konditionen. Die Busunternehmen hätten das genauso tun müssen. Berufskraftfahrer ist ein Ausbildungsberuf. Jetzt hören wir aber, dass offenbar kaum ein Betrieb in unserer Region ausbildet, sondern darauf hofft, dass junge Menschen von alleine kommen und den teuren Busführerschein bereits mitbringen. Niemand bildet sich auf eigene Kosten zum Schreiner oder Dachdecker aus. Warum sollen das Busfahrer tun?

Das führt zu der Frage, wie der Landkreis im Jahr 2016 den Stadtbusbetrieb qualitativ ausgeschrieben hat. Welches Gewicht legte er auf die Zuverlässigkeit der Bewerber? Erkundigte er sich nach der Personaldecke und -reserve? Fragte er nach der Zahl der neu ausgebildeten Busfahrer pro Jahr? Interessierte er sich dafür, ob das Unternehmen übertariflich zahlt oder nicht? Wappnete er sich gegen die Schlechterfüllung? Sah er Kündigungsmöglichkeiten und Vertragsstrafen vor? Vereinbarte er Gleitklauseln und Frühwarnsysteme? Wohlgemerkt: Der Landkreis hatte mit Eisele ja einen zuverlässigen Anbieter. Der wurde Opfer der Ausschreibung.

Der Landrat reagiert auf das Desaster so, als sei er der Pressesprecher der Busbranche. Er nimmt unwidersprochen Narrative entgegen: „Es gibt hier ja keine Wohnungen für Busfahrer“. Zur gleichen Stunde waren bei Immoscout 19 freie Wohnungen im Landkreis ausgewiesen, die auch für Busfahrer erschwinglich sind. Er deutet an, die Verkehrswende müsse man jetzt wohl verschieben. Sind Klimawandel, Staus und Luftverschmutzung plötzlich kein Thema mehr? Er gibt zu verstehen, dass es beim halben Takt bleibt und sich vielleicht die Schulen den Busunternehmen anpassen müssen. Aber Politiker sind doch keine Chronisten des Elends, sondern haben den Auftrag, alles Mögliche zu tun, um es zu beenden. Es ist, wie es ist – das ist keine Politik, sondern uninteressierte Kenntnisnahme.

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Noch nicht erbracht

Mittwoch, 12.10.2022

Der Vorstand des Landsberger Klinikums, Marco Woedl, testet gerade aus, wie man mit ein paar Pressegesprächen und ein paar Fotos von künftigen Stelleninhabern das Meinungsklima ändern kann. Trotz oberflächlicher Betrachtung und wohlwollender medialer Unterstützung kann das nur begrenzte Wirkung haben.

Zum einen: Es bleibt dabei, dass Woedl von Beginn seiner Tätigkeit an Defizite im Klinikum erkannte, aber nicht wirksam behob. Sein Schreiben an ein Mitglied des Verwaltungsrat, das inzwischen weithin bekannt ist, listete drastische Mängel auf, die sich über Jahre hinzogen. Auch jetzt ist die Besetzung von Vakanzen allein noch keine Lösung. Es bedarf auch künftig einer fordernden Führung und empathischen Förderung des gesamten Personals durch das Management. Und diese Bewährungsprobe ist noch nicht erbracht. Auch künftig ist die Tatsache, dass Woedl nicht nur das Klinikum leitet, sondern auch seine private Firma „Cupertino Consulting“, wenig hilfreich. Es verhindert logischerweise, dass der Alleinvorstand 100 Prozent seiner Zeit und Aufmerksamkeit dem Kommunalunternehmen widmet.

Zum anderen: Es bleibt ebenfalls dabei, dass Landrat Thomas Eichinger offenbar ein ganz anderes Verständnis von der Kontrolle des Vorstands des Klinikums durch den Verwaltungsrat hat als aus der Begrifflichkeit und der personellen Besetzung des Gremiums folgen. Da werden erfahrene Persönlichkeiten mit vielfältigem Engagement im Landkreis gebeten, ein Amt auszuüben, und dann sollen sie – so scheint es – nur als Hanseln (m/w/d) fungieren, ihre Informationen ausschließlich von dem zu Kontrollierenden beziehen und fragwürdige Sitzungsleitungen klaglos hinnehmen. Das letzte Wort des Landrats, das im Raum steht, ist immer noch der Angriff in Richtung Verwaltungsrat, die Ankündigung von zivil- und strafrechtlicher Verfolgung sowie die Andeutung, bessere Verwaltungsräte wählen zu lassen. Solange das nicht aus der Welt geschafft ist, kann man sich einen harmonischen und effizienten Neuanfang des Klinikums kaum vorstellen.

Wer jetzt schon den Aufbruch testiert, muss diese zwei Schwachstellen außer Acht lassen, weil die Story sonst nicht funktioniert. Hinzu kommt: Ganz viel Perspektive resultiert für die jetzt gewonnenen und noch zu gewinnenden Fach- und Führungskräfte aus den großen Ausbauplänen, die das Klinikum hat. Ob, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum sie in einer Zeit knapper Landkreisfinanzen verwirklicht werden können, ist aber noch nicht gesichert. Man könnte es so ausdrücken: Der Patient „Klinikum Landsberg“ hatte viele Symptome. Er ist auf dem Weg der Besserung. Aber gesund ist etwas anderes. Und Rückwirkung hat keine Therapie – sie schafft Versäumtes nicht aus der Welt.

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Richtige Richtung

Mittwoch, 05.10.2022

Nach vielen Gesprächen in einem Zeitraum von mehreren Jahren haben die Stadt Landsberg und Projektentwickler ehret+klein eine Einigung über die Reduzierung der Tiefgaragenstellplätze im Papierbach-Areal erzielt. Die Interessen waren sehr unterschiedlich. Ehret+klein hatte die Sorge, auf enormen Kosten für Stellplätze sitzen zu bleiben, die mittelfristig nicht benötigt werden. Das Wohngebiet liegt mitten in der Stadt, bietet eigene Einkaufsmöglichkeiten und hat eine nahezu perfekte Bahnanbindung. Es entsteht zeitlich gesehen an der Schwelle zu einer Verkehrswende, die zwar nicht unmittelbar bevorsteht, aber unausweichlich ist. Letztlich wird es in einigen Jahren vor allem in den Zentren deutlich mehr Bus- und Fahrradverkehr und damit weniger Zweitwagen geben als bisher. Die momentane Richtzahlenliste der Landsberger Stellplatzsatzung bildet all das nicht ab, auch nicht perspektivisch.

Die Stadt hatte aber ein grundsätzliches Problem mit dem Anliegen des Projektentwicklers. Einerseits lockte die Ablösesumme, die für 74 gestrichene Stellplätze nach einer etwas komplizierten Berechnung mindestens im hohen sechsstelligen Bereich liegt; das sind Einnahmen ohne vorherige Kosten, also ein glatter Gewinn. Andererseits durfte die Stadt nicht riskieren, dass sich andere Bauträger ebenfalls auf die genannten Faktoren berufen, ohne in gleichem Umfang an einer Reduzierung des Stellplatzbedarfs mitzuwirken. Das wusste der Projektentwickler und bot früh an, ein Car-Sharing einzurichten. Allerdings ist die Akzeptanz von Car-Sharing bislang eher gering. Es bedurfte daher weiterer Maßnahmen, die ehret+klein nun offenbar aufgesattelt hat. Jetzt sind „zahlreiche Fahrradabstellräume in allen Baufeldern“, hauptsächlich im Erdgeschoss, zugesagt. Und nun geht es, weit über die ursprünglichen Angebote hinaus, um „sechs Car-Sharing-Fahrzeuge, acht Roller, acht E-Lastenräder, zwölf E-Bikes und acht E-Scooter“. Das kann sich sehen lassen und legt die Messlatte für andere Bauträger auf eine beachtliche Höhe. Gleichzeitig weist die Vereinbarung in die richtige Richtung, insbesondere was sichere und gut erreichbare ebenerdige Fahrradabstellplätze betrifft.

Die Vereinbarung macht darüber hinaus insofern Mut, als es offenbar wieder eine Gesprächsschiene zwischen beiden Seiten gibt. Sie sollte nun genutzt werden, um gemeinsam all das zu präzisieren, was nach dem Augenschein am Papierbach noch im Wunsch- und Planungsstadium ist: gemeinsames soziales, kommunikatives und kulturelles Leben. Geplant war kein Wohnghetto, geplant war ein urbanes Quartier – es ist die Geschäftsgrundlage für alle Landsberger und besonders für alle, die dort Wohnraum kaufen oder mieten. Jetzt also bitte: ein nächster Schritt!

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Einer bei grün, einer bei rot

Mittwoch, 28.09.2022

„Radfahren soll sicherer werden“, heißt es in der geltenden kommunalen Gesamtstrategie Landsbergs. Dazu gehöre insbesondere die „Entschärfung von Unfallschwerpunkten“. Angesichts dieser Ziele wundert es, dass die Stadt das Thema „Katharinenstraße“ so unmotiviert angeht: Obwohl es, wie die Stadt einräumt, „im gesamten Streckenverlauf immer wieder zu Radfahrunfällen kommt“, neulich sogar zu einem Unfall mit tödlichem Ausgang, hat man das Nachdenken über die Problemlösung offenbar gleich eingestellt.

Wüssten wir – die mahnenden Kommentatoren und Berichterstatter – auf Anhieb die richtige Maßnahme? Sicher nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge zu reduzieren und die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer zu erhöhen. Wir würden kein Konzept ausschließen und jede Idee prüfen. Dazu gehören auch mögliche Ampelanlagen. Die Stadt will sie aber offenbar nicht. Sie meint, dass Radler bei der Abwärtsfahrt vom Rotlicht überrascht würden und dann stürzen. Und: Kraftfahrer, die aus einer der Nebenstraßen kommen, würden bei grün einfach losfahren und mit Radlern zusammenstoßen, die das Rotlicht missachten. Aber das erste Problem lässt sich durch lange Gelbphasen sowie Vorwarn-Signale reduzieren und das zweite Problem ist Ampelanlagen immanent: Fährt einer bei grün und einer bei rot, ist das in der Tat suboptimal. Und zwar immer und überall.

Noch mehr hat uns überrascht, dass die Stadtverwaltung suggeriert, sie habe ja bereits eine Lösung realisiert. Wegen der vielen Unfälle auf der Katharinenstraße „wurde für die Radfahrer eine Möglichkeit geschaffen, sowohl über die Graf-von-Stauffenberg-Straße und die Bahnüberführung, als auch über den Zehnerweg gefahrlos zum Englischen Garten und somit zur Innenstadt zu gelangen.“ Neun Minuten, drei Kilometer, statt drei Minuten, ein Kilometer? Will die Stadt die Radler also dauerhaft auf derartige Umwege verweisen und die Nutzung der Katharinenstraße nur noch mutigen Hasardeuren empfehlen? Ist das eine valide Verkehrspolitik? Trägt das zur Verkehrswende bei? Wer diese Antworten der Stadt genau liest, spürt nichts als Unlust, sich mit dem Thema zu befassen. Gleichzeitig verschärft die Stadt das Problem, indem sie weitere Zufahrten aus künftigen Tiefgaragen heraus genehmigt. So hatten wir die eingangs zitierten Zielsetzungen der kommunalen Gesamtstrategie nicht verstanden - und so waren sie auch nicht gemeint.

Ach übrigens: Ja, wer ein „Geisterfahrrad“ zur Erinnerung an einen Unfall aufstellt, verwirklicht eine Sondernutzung. Aber die Stadt sollte nicht vorspiegeln, damit sei die Sache rechtswidrig. Sie ist nur genehmigungsbedürftig. Und, zumal bei befristeter Nutzung, regelmäßig auch genehmigungsfähig.

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Du hast es versprochen

Mittwoch, 21.09.2022

Du hast es mir versprochen, ruft das Mädchen im Werbespot zweimal, als ihr Vater erkältungs-bedingt einen Ausflug ausfallen lassen will. Glücklicherweise gibt es schnell wirkende Medizin und das Vorhaben kann doch noch verwirklicht werden. So ähnlich ist es in Landsberg. Eigentlich müssten wir den Ausflug in Richtung Wohnungsbaugesellschaft vertagen, weil der finanzielle Gesundheitszustand der Stadt gerade nicht ausreicht. Wir brauchen das Geld für andere Vorhaben, darunter das Stadtmuseum, das Jugendzentrum und die Kita Spöttinger Straße. Auch dieses Jahr verkaufen wir Grundstücke an Bauträger, damit Geld in die Kasse kommt. Sie kostenlos abzugeben und dazu noch weiteres Kapital für den Bau einzuschießen, das geht im Moment nicht.

Aber Du hast es mir versprochen! Tatsächlich hat Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) vor ihrer Wahl die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft versprochen. Aber gemeint war eine Wohnungsbaugesellschaft, die „bezahlbaren Wohnraum schafft ... andere Städte haben uns vorge-macht, wie es geht“ (KREISBOTE vom 4. März 2020, Seite 7). Die Wohnungsbaugesellschaft, die Landsberg nun errichten will, soll aber in den nächsten zehn Jahren im Wesentlichen nur vorhan-dene Wohnungen verwalten. Bebaubarer Grund und Boden wird in nennenswertem Umfang gar nicht eingebracht. Zwar soll. nach einem ansonsten offenbar wenig fruchtbaren Gespräch mit den Kritikern Hettmer (CSU), Pioch (Landsberger Mitte) und Meiser (ödp) in der vergangenen Woche, die geringe Bautätigkeit schneller losgehen als ursprünglich geplant. Von den Investitionen kom-munaler Gesellschaften in anderen Städten sind wir aber weit entfernt.

Das ist nicht der Wohnungsbau, den Du mir versprochen hast! Richtig: Es entstehen vor allem hohe Kosten. Jede Wohnung muss von Gutachtern bewertet werden. Die Übertragung ins Eigentum der neuen GmbH & Co. KG ist grunderwerbssteuerpflichtig. Wir brauchen Manager mit hohen Gehältern. Und im Ergebnis kommt kaum mehr heraus, als die Stadt bereits macht. Die jetzige Gründung ist keine schnell wirkende Medizin, die der Realisierung des Versprechens dient, sondern ein Placebo-Präparat, das die Falscherfüllung des Wahlversprechens verschleiert.

Die Amtszeit der Oberbürgermeisterin ist noch lange nicht zu Ende. Die Stadt sollte die Gründung verschieben, bis sie unbebaute Grundstücke übertragen und Finanzmittel für die Baukosten einbringen kann. Einstweilen sollte sie Bauträger bei Grundstückskäufen wie bisher über die SoBoN-Verordnung verpflichten, Sozialwohnungen zu bauen. Eine städtische Wohnungs-Bau-Gesellschaft ist gut, eine städtische Wohnungs-Verwaltungs-Gesellschaft überflüssig. Man sollte den Mut haben, zu sagen: Es geht jetzt nicht - das Thema bleibt aber auf der Agenda.

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Rettet den Stadtbus!

Mittwoch, 14.09.2022

Das ist ein starkes Stück: Die Firma Waigel, die 2017 den Bieterwettbewerb für den Landsberger Stadtbus gewann, erklärt einseitig und ohne Abstimmung mit der Stadt, dem Landratsamt oder der Regierung von Oberbayern, dass sie die Zahl der örtlichen Busfahrten halbiert. Und zwar ab sofort. Und zwar auf Dauer.

Diese Entscheidung steht dem Unternehmen nicht zu. Es hat die Leistungen zu erbringen, die es angeboten hat. Es hat die Verträge zu erfüllen, die es unterschrieben hat. Oder es gibt den Auftrag zurück, muss aber dann den entstehenden Schaden durch die ersatzweise Durchführung des Stadtbusverkehrs durch Dritte tragen. Was soll eigentlich gerade die Familie Eisele denken, die den Auftrag seinerzeit verloren hat, weil Waibel günstiger war? Sie wird sich schwarz ärgern, dass Waibel versucht, jetzt so aus der Nummer herauszukommen.

Es geht nicht um aktuelle Erkrankungen der Busfahrer. Das Problem liegt erklärtermaßen an einem „langfristigen Personalmangel“. Die Bundeswehr bildet weniger Busfahrer aus, Berufsanfänger scheuen die Kosten der Ausbildung, die Gehälter sind zu niedrig, die Arbeitszeiten manchmal ungünstig. Aber, pardon: Wenn ich die Firma Waigel bin, das alles weiß und sogar zu einer großen Aktiengesellschaft gehöre, dann fange ich doch an, meine eigene Busfahrer-Ausbildung durchzuführen. Oder sie über ein Darlehen vorzufinanzieren, dessen Restschuld sich mit jedem Jahr der Berufsausübung abbaut. Wenn die Gehälter zu niedrig sind, sage ich doch in der Tarifverhandlung: Liebe Gewerkschaften, verlangt doch bitte nicht drei, sondern 20 Prozent mehr! Oder zahle außertariflich mehr Lohn als verlangt. Es kann nicht wahr sein, dass sich ein Busunternehmen wie Waigel wie ein Loser präsentiert, der am Geschehen nichts ändern kann, und den schwarzen Peter an die Kunden weitergibt.

Erstaunlich ist, dass das Landratsamt und die Stadt sich erst auf Nachfrage geäußert haben. Das verdeutlicht ein grundsätzliches Problem. Immer wenn wir bei den öffentlichen Auftraggebern über ausfallende Regionalzüge oder ungeleerte Glascontainer sprechen wollen, hören wir das Argument „Wir sind nicht zuständig, weil die Aufgabe delegiert ist.“ Selbst äußerst negative Bewertungen von Nutzern scheint man nicht zur Kenntnis zu nehmen. Aber bei jedem Delegieren gehört dazu, die Erbringung der jeweiligen Leistung zu kontrollieren. Wird sie nicht erbracht, muss man über die ersatzweise Vornahme durch Dritte sprechen. Die Letztverantwortung und die Gewährträgerschaft bleiben. Das gilt umso mehr, wenn es sich um elementare Leistungen der Daseinsvorsorge handelt. Auch jetzt sind der Landkreis und die Stadt in der Pflicht, eine Lösung herbeizuführen.

Können wir das Bürgerbegehrten „Rettet den Schlossberg“ bitte einstellen und „Rettet den Stadtbus“ daraus machen? Das wäre mal was.

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Die B-Seite der Politik

Mittwoch, 07.09.2022

Es spricht vieles dafür, dass Wolfgang Neumeier, Chef der UBV, durch den Aufkauf mehrerer Internet-Adressen (URLs) versucht hat, der Bürgerinitiative die Darlegung ihrer Argumente zum Schloßberg zu erschweren. Das gehört sich nicht. Demokratie ist offener Meinungsaustausch ohne Hindernisse. Wer Hürden aufbaut, spielt unfair.

Die Aktion wird von denen, die gegen den Schulanbau auf der Nordseite sind, in der langen Liste der Unzulänglichkeiten notiert, die das gesamte bisherige Verfahren kennzeichnen (siehe „Was nun Landsberg?“, KREISBOTE vom 17. August). Aber sind das alles zugleich Argumente pro Bürgerinitiative, sind das Punktgewinne für den Historischen Verein? Wohl nicht. Die Aufreger spielen sich im engen Kreis der Beteiligten ab. Viele Landsberger bekommen von dem holprigen Weg gar nichts mit; er wird sie auch im Nachhinein nicht interessieren. Den Protestierenden wird es nicht gelingen, ihre aktuelle Empörung mit Zeitverzug auf die Bürger zu transferieren. Eher geraten sie selbst in die Defensive, weil Rivalitäten, Empfindlichkeiten und Eitelkeiten der Handelnden spürbar werden, Sound aus der B-Seite der Politik.

Das, was bisher geschah, hat nichts mit der Diskussionslage zu tun, die unmittelbar vor dem Bürgerentscheid und einem Ratsbegehren entsteht. Die meisten Landsberger orientieren sich am Ziel der Angelegenheit. Sie finden es gut, dass in der Altstadt, nah am Landsberger Osten, eine einheitliche, geräumige und moderne Grundschule entsteht, die den Kindern von heute gerecht wird. Ihre Errichtung ist demokratisch beschlossen, der Stadtrat hat unisono zugestimmt, der Entwurf ist preisgekrönt, die Schule ist gut erreichbar, nach Bodendenkmälern wird gegraben, die Sicht aus der Altstadt ist nur an wenigen Stellen tangiert. Wo liegt das Problem? Warum sollen Bürger gegen ein Vorhaben stimmen, das ihnen Vorteile bringt?

Nach allen Meinungsäußerungen, die man jetzt sieht und hört, wird das Bürgerbegehren scheitern und das Ratsbegehren erfolgreich sein. Der Neubautrakt der Schloßbergschule wird daher im Norden entstehen, nur später als gedacht. Am Ende haben wir eine gespaltene Bürgerschaft, der Historische Verein ist nicht mehr das, was er vorher war und der Streit hat viel Zeit und Geld gekostet. Sollte man da nicht noch kurzfristig nach einem Ausweg suchen? Lesen Sie dazu das „Genau betrachtet“ mit dem Titel "Das wird nichts!" in der heutigen Ausgabe des KREISBOTEN.

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Erstmal Ordnung

Mittwoch, 31.08.2022

Was für die Stadt das Inselbad ist, das ist für den Landkreis das Klinikum. Beide sind herausragende, weithin bekannte und nicht wegzudenkende Institutionen, zu denen die Landsberger ein ganz besonderes Verhältnis haben. Umso mehr Schmerzen bereitet es, wenn diese festen Burgen von innen ausgehöhlt werden. Beim Inselbad durch die doppelte Trägerschaft (fiskalisch: die Stadtwerke, moralisch: die Stadt) und die exzessive Verfolgung des Sekundärziels „Ganzjahresnutzung“. Beim Klinikum durch übermäßiges Selbstbewusstsein des Vorstands, gepaart mit einem Defizit an Empathie gegenüber Mitarbeitern und Patienten, sowie einem Landrat, der konservierend agiert und Änderungen mit hauchdünner Mehrheit verhindert.

Besonders erschreckend ist der von Vorstand, Landrat und der Hälfte der Verwaltungsratsmitglieder gehegte Glaube, ein Klinikum, von dem sich Führungskräfte abwenden und in dem die Belegschaft zum wiederholten Mal Brandbriefe verfasst, sei ein attraktiver Arbeitgeber und könne das verlorene Personal mühelos ersetzen. Das wird ebenso wenig gelingen wie die Aufrechterhaltung des guten Rufs, den das Haus bisher hatte. Wer genau hinschaut und vom Fach ist, lässt sich nämlich durch Luxus-Stationen, Ausbau-Pläne und kurzfristige schwarze Zahlen nicht täuschen. Ganz im Gegenteil: Dass Klinik-Vorstand Marco Woedl sich für einen singulären Jahresüberschuss im Jahr 2020 feiern ließ und zu Protokoll gab, er habe das Klinikum aus der Verlustzone geführt, ist in der Branche nicht gut angekommen. 2020 erzielten alle Kliniken im Bundesdurchschnitt 14 Prozent Mehreinnahmen. Und 2021 war die Bilanz des Klinikums Landsberg schon wieder tiefrot.

Unverständlich ist auch, wenn der Vorstand des Klinikums wegen nicht näher bezeichneter hervorragender Leistungen gelobt wird; nur in Sachen Personalführung sei er kein Crack. Es ist die hervorragendste Aufgabe eines Klinikchefs, Talente zu finden, engagierte Mitarbeiter zu halten und Koryphäen die Basis bereitzustellen, die jeden Gedanken an eine Kündigung ad absurdum führen. Wer angesichts der Abwanderungstendenzen mit dem markigen Spruch agiert, Reisende solle man nicht aufhalten, hat die Lage im Gesundheitssystem nicht verstanden.

Was auch niemand versteht: Im Klinikum brennt die Hütte und Marco Woedl, zugleich nebenberuflich Geschäftsführer einer Consulting-Firma, wirbt, zuletzt am 7. August, für die Software Enovacom Patient Connect. Mit dem Einsatz des Programms, schreibt Woedl, gewinne man im Krankenhaus Pflegezeit für die Patienten. In Landsberg braucht man solche Optimierung nicht. Da hilft keine Schraubendrehung mehr. Da geht es ums Grundsätzliche. Da muss erst mal Ordnung rein.

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Vom Winde verweht

Mittwoch, 27.07.2022

Bürgermeister Felix Bredschneijder (SPD) hat die erneute Vertagung des Stadtratsbeschlusses zur geplanten städtischen Wohnungsbaugesellschaft etwa so kommentiert: Man könne eigentlich abstimmen, denn es gebe nach wie vor eine Mehrheit für das Vorhaben. Aber dann warte man halt, bis sich der Pulverdampf verzogen hat (siehe Bericht auf dieser Seite).

Diese trotzig klingende Äußerung trägt den fundierten Einwänden von Jonas Pioch (Landsberger Mitte), Stefan Meiser (ÖDP) und Christian Hettmer (CSU) nicht Rechnung. Die drei sind erfahrene Stadträte. Sie üben Ämter aus, die tangiert sind - Hettmer ist für den Haushalt zuständig, Meiser für die Rechnungsprüfung. Sie sind als diplomierter Betriebswirt (Meiser), Finanzwirt (Hettmer) und Jurist (Pioch) vom Fach. Keiner von ihnen schwingt den Colt, um Eindruck zu machen. Keiner schießt übermütig aus der Hüfte. Jeder erfüllt nur seine Pflicht, das, was er mit seinem Votum auf den Weg bringen soll, vorher genau zu prüfen und Einwände geltend zu machen. Wenn drei Stadtratsfraktionen nach genauem Studium des vorgelegten Zahlenwerks die gleichen Bedenken haben, kann man nicht einfach hoffen, dass der Wind sie verweht.

Die Vertagung hat nicht den Sinn, Pulverdampf abziehen zu lassen, sondern einen Konsens zu erreichen. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) räumte in der Sitzung selbst ein, dass der Wirtschaftsplan nur eine geringe Neubautätigkeit der Gesellschaft vorsieht; es stehe dem Stadtrat offen, zusätzlich tätig zu werden. Aber wenn die neue Kommanditgesellschaft (KG) nur ein Beiboot ist, durch das im Durchschnitt zwei Wohnungen pro Jahr entstehen, können wir auch darauf verzichten; dafür sind die Bewertungs- und Gründungskosten viel zu hoch. Viel effektiver wäre es, sozial geförderten Wohnungsbau auf zwei bestehende Säulen zu verteilen - die Stadt und private Unternehmen, die durch städtebauliche Verträge bei Grundstücksübertragungen an die Richtlinie zur sozialen Bodennutzung (SoBoN) gebunden sind.

Im Jahr 2020 hat die Kämmerei der Stadt Landsberg im Auftrag des Stadtrats geprüft, ob es günstiger wäre, den Bau der Sozialwohnungen am Wiesengrund selbst durchzuführen oder dafür eine Tochtergesellschaft zu gründen. Das Ergebnis: Auf die Laufzeit der Investition betrugen die Mehrkosten der Ausgründung rund neun Millionen Euro. Vor zwei Jahren hat man folgerichtig auf die Ausgliederung verzichtet.

Dass Felix Bredschneijder nach Vortrag aller Gegenargumente am Mittwoch verkündete, es gebe nach wie vor eine Mehrheit für die KG-Gründung, man verzichte nur darauf, sie auszuüben, ließ tief blicken. Wer am Ende einer Stadtrats-Debatte mitteilt, wie andere abstimmen werden, demonstriert zwar Führungsstärke, aber auch eine unangemessene Machtpolitik.

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Unterlaufene Beschlusslage

Mittwoch, 20.07.2022

Es ist Beschlusslage des Landsberger Stadtrats, dass die Bürger die Möglichkeit haben sollen, Unterlagen vor einer öffentlichen Stadtrats- oder Ausschuss-Sitzung abzurufen. Vorab gegebene Informationen müssen in der Sitzung dann nicht mehr vorgetragen werden. Komplizierte Sachverhalte können in Ruhe studiert werden. Und die Bürger haben die Chance, im Vorfeld auf ihre Stadträte zuzugehen, wenn sie sich betroffen fühlen.

Seitdem Doris Baumgartl Oberbürgermeisterin ist, kommt es mmer öfter vor, dass die Stadtverwaltung den Bürgern Einblick in nichtssagende Vorlagen gibt, die aussagekräftigen Anlagen aber komplett als „nichtöffentlich“ deklariert und nur den Stadträten zur Verfügung stellt. Damit wird der Punkt für die Bürger komplett unverständlich. So verfuhr sie beispielsweise beim Thema „Wohnungsbau“; die Stadträte erhielten 60 Seiten Unterlagen, die Bürger zwei. Sie durften noch nicht einmal erfahren, welche Mietobjekte der Stadt übertragen werden sollen.

Auch bei der heutigen Stadtratssitzung fehlen alle vier Anlagen zum Einzelhandelskonzept und beide Anlagen zum Thema Bodenrichtwert. Darin kann nichts stehen, was wegen des „Wohls der Allgemeinheit“ oder „berechtigter Ansprüche einzelner“ geheim zu halten ist. Und wenn es so wäre, müsste der ganze Punkt im nichtöffentlichen Teil behandelt werden, denn es gibt nur „öffentlich“ oder „nichtöffentlich“ und nicht die hier erfundene dritte Kategorie der öffentlichen Sitzung mit nichtöffentlichem Inhalt. Sollten ausnahmsweise einzelne Passagen einer Anlage gegen den Datenschutz, das Urheberrecht oder das Persönlichkeitsrecht verstoßen, ist Schwärzen angesagt. Hierfür hatte die Stadtverwaltung extra eine Stelle beantragt und auch erhalten. Was macht diese(r) Verwaltungsangestellte eigentlich jetzt?

Der Stadtrat muss sich fragen lassen: Ist er damit einverstanden, dass die geltende Beschlusslage auf diese Weise unterlaufen wird? Dabei kann er dann auch darüber befinden, ob es ihm recht ist, dass er selbst zu immer mehr Beratungspunkten Unterlagen erst als Tischvorlagen erhält (die dann übrigens nicht nachträglich ins Bürgerinformationssystem eingestellt werden) und damit gezwungen wird, zweikanalig zu arbeiten, nämlich gleichzeitig zu lesen und zuzuhören.

Wohlgemerkt: Sowohl die Oberbürgermeisterin wie auch die Stadträte dürfen ihr Wahlversprechen „Transparenz“ brechen und die Beschlüsse dazu (in öffentlicher Sitzung) wieder aufheben. Viele Landsberger Bürger, die sich für das kommunale Geschehen interessieren, wollen nun wissen: Gilt das Versprechen noch? Dann muss der Stadtrat es auch durchsetzen. Oder begräbt man den Anspruch „Transparenz“? Dann wissen wir, woran wir sind.

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Typisches Landsberger Ordnungsrecht *

Mittwoch, 13.07.2022

Die Stadt Landsberg beabsichtigt, die Erweiterung der Flächen für die Außengastronomie wieder zurückzunehmen. Nach Wegfall der 1,50-Meter-Abstandsregel "kann die Bestuhlung der Außengastro wieder wie vor der Pandemie angeordnet werden", teilte die Stadt auf Anfrage mit.

Kann ja, muss aber nicht und sollte auch nicht. Bliebe es bei den erweiterten Flächen, können mehr Sitzplätze angeboten werden. Das bringt eine Menge Vorteile. Zunächst für die Pächter der Restaurants, Cafés und Bars. Im ersten Quartal 2022 verzeichnete die Gastronomie bundesweit einen Umsatzrückgang um 25 Prozent gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019, bei Berücksichtigung der Preissteigerung sogar um 33 Prozent. Die Lockdown-Folgen sind also noch lange nicht überwunden; von einer Kompensation der schließungsbedingten Ausfälle (durch ein Plus gegenüber dem Vorkrisenniveau) sind wir weit entfernt. Außerdem gibt es Personalmangel, der zu einer Reduzierung der Öffnungszeiten führen kann. Lebensmittel werden teurer und die allgemeinen Betriebskosten steigen drastisch. Die Gastronomie braucht daher jetzt und künftig deutlich mehr Gäste pro Betriebsstunde als zuvor.

Mehr Plätze in der Außengastronomie bringen aber nicht nur mehr Umsatz pro Lokal, sondern auch mehr Besucher in die Stadt. "Dem Gastgewerbe kommt eine entscheidende Bedeutung für die Attraktivität der Innenstadt zu. Den Verbrauchern muss ein Anreiz geboten werden, um die Innenstadt zu besuchen. Durch mehr Passanten profitieren dann auch die Einzelhändler", schreibt das Institut der Deutschen Wirtschaft. "Allgemein ist der Trend zu beobachten, dass die Bevölkerung in Deutschland einen immer größeren Teil ihrer Freizeit unter freiem Himmel verbringen möchte. Public Viewing, Freiluftkinos, Außengastronomie und Stadtstrände sind Ausflüsse dieses als Mediterranisierung bezeichneten Phänomens", schrieb der Bayerischer Städtetag im vergangenen Jahr in seinem Leitpapier zur Modernisierung der Innenstädte - und empfahl, diesen Trend regulatorisch zu unterstützen.

Schließlich: Wer die Erweiterung der Außengastronomie jetzt wieder aufheben will, denkt nicht an diejenigen Besucher, die geschlossene Räume meiden, in denen nicht jeder Maske trägt. Sie sind für das künftig potentiell erweiterte Sitzplatz-Angebot dankbar. Die Pandemie ist nicht vorbei. Auch wer geimpft und/oder genesen ist, kann am Virus mit unliebsamen Wirkungen und möglichen Langzeitfolgen erkranken und andere Personen anstecken. Im Gastro-Außenbereich ist die Infektionsgefahr um einiges geringer als in geschlossenen Räumen.

Zwar können Gastronomen bei der Stadt künftig erweiterte Flächen beantragen; darüber entscheidet dann der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss. Aber das ist wieder typisch Landsberger Ordnungsrecht: Erst verbieten, dann vielleicht wieder erlauben. Umgekehrt wäre das Verfahren besser: Erst mal so lassen wie es ist, mit den gerade geschilderten positiven Folgen, und erst dann verbieten, wenn es einen triftigen Grund dafür gibt. Und den gibt es bislang nicht.

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* Aktualisierte Fassung des landsbergblog-Kommentars im KREISBOTEN. Der landsbergblog hatte die Stadtverwaltung am Freitag nach Details der geplanten Regelung gefragt und auf den Redaktionsschluss des KREISBOTEN am Dienstag Mittag hingewiesen. Die Stadt antwortete am Dienstag um 17:21 Uhr.

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Die Würfel sind gefallen

Mittwoch, 06.07.2022

Das hat es in Landsberg lange nicht gegeben: Die Bürgerversammlung beschließt einen politischen Richtungswechsel und der Stadtrat setzt dieses Votum einstimmig um.

Zunächst gilt es, die Bürger zu beglückwünschen, die ihre Interessen bei dem Zusammentreffen Ende Mai im Sportzentrum mit Erfolg vertreten haben. Sie haben zurecht widersprochen, als die Stadt das Inselbad geschossmäßig zerschneiden und die Terrasse zweckentfremden wollte. Wie kann man nur auf die Idee kommen, das großzügige Freibad in einzigartiger innerstädtischer Lage mit Strandzugang zum Lech in seiner Vielfalt und seinem Charme einzuschränken? Das Inselbad ist ein Gesamtkunstwerk; einzige Option ist seine Aufwertung, nicht seine Abwertung. Dass man für seine Zweckentfremdung hohe finanzielle Mittel einsetzen will, ist beim besten Willen nicht verständlich.

Unsere französische Partnerstadt Saint-Laurent-du-Var würde auch nicht anordnen, dass man an der "Plage Landsberg" unterhalb der "Promenade Landsberg" aufs Baden beschränkt und vom Besuch eines Cafés oder Restaurants ausgeschlossen ist. Bürgermeister Joseph Segura würde dort auch keine "Sonderzone Gastronomie" ausweisen, die vom Strand nicht zugänglich ist und sich vor allem für Firmenevents und Hochzeitsgesellschaften eignet. Das wäre ja ein Zwei-Klassen-Strand, würde Monsieur Le Maire wahrscheinlich sagen. Er hätte recht damit.

Liebe Stadträte: Lasst uns die fällige Renovierung des Bades nutzen, um die Verweildauer der Gäste im Bad und am Lechstrand zu erhöhen, ihnen mehr Service zu bieten und noch mehr Vergnügen und Erholung zu ermöglichen! Wer von Ihnen jetzt sagt: "Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für den Betrieb des Inselbades aber beim Kommunalunternehmen Stadtwerke Landsberg" (Sitzungsvorlage zur Stadtratssitzung) und "Wir können die Stadtwerke nur bitten, den Antrag aus der Bürgerversammlung in der weiteren Planung umzusetzen" (Beschluss des Stadtrats), der befindet sich auf einem Irrweg. Die Stadtwerke sind nur aus fiskalischen Gründen Betreiber des Inselbads. Sie können die Renovierung auch gar nicht aus eigener Kraft stemmen. Welchen Serviceumfang das Inselbad bietet, ist eine politische Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung. Dies gilt um so mehr, wenn es um eine abseitige Nutzung von Teilen des Bades geht.

Deswegen sollten wir das Votum der Bürgerversammlung und dessen einstimmige Unterstützung durch den Stadtrat nicht wieder ausfransen lassen. Ein Abrücken in Verwaltungsrats-Klausuren der Stadtwerke kann nicht mehr zur Debatte stehen. Die Würfel sind gefallen: Das neue Inselbad ist kein reduziertes, sondern ein erweitertes Inselbad. Mit mehr Komfort, mehr Service, mehr Aufenthaltsqualität. Das ist der Bürgerwille. Er steht nicht mehr zur Disposition.

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Falsches Verständnis

Mittwoch, 29.06.2022

Seit Oktober 2021 ist Privatdozent Dr. Stefan Paulus ehrenamtlicher Stadtheimatpfleger von Landsberg. Der gebürtige Landsberger ist am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg tätig. Seine Aufgabe ist es, Werte von landschaftsprägender, geschichtlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer, städtebaulicher und volkskundlicher Bedeutung zu bewahren, zu pflegen und weiterzuentwickeln. Der Stadtheimatpfleger soll sowohl zur Erhaltung und Vermittlung der historischen Dimension der Stadt beitragen wie auch aktuelle Veränderungsprozesse kritisch begleiten.

Allerdings beginnt die Amtszeit von Paulus mit einem Problem. Mehrere Beobachter berichten übereinstimmend, dass die Stadtspitze die Erwartung geäußert habe, dass Paulus die Meinung der Stadt vertritt und unterstützt. Dem liegt ein falsches Verständnis von Heimatpflege zugrunde. Ob Denkmalpflege, Erinnerungskultur, Stadtmuseum, Altstadt-Satzung oder Schlossberg-Neubau: Der Landsberger Stadtheimatpfleger unterliegt bei seinen fachlichen Äußerungen und Stellungnahmen keinen Weisungen. Er ist ausschließlich der sachgerechten Erfüllung des heimatpflegerischen Auftrags verpflichtet. Das geht nicht nur aus der Bayerischen Heimatpflegerichtlinie hervor. Die Stadt Landsberg selbst schreibt, Paulus solle mit den städtischen Behörden zwar eng zusammenarbeiten. "Er ist aber unabhängig und nicht Teil der Stadtverwaltung. Diese Neutralität erlaubt eine freie Ausübung des Ehrenamtes."

Amtliche Forderungen nach Wohlverhalten sind damit nicht zu vereinbaren. Bevor Paulus sein Amt antrat, hatte er sein Amtsverständnis doch klar zum Ausdruck gebracht. Er wollte die Stadtheimatpflege sichtbarer und greifbarer machen, etwa mit Sprechstunden, um direkt mit Bürgern in Dialog zu treten. Eine Homepage solle über Projekte informieren sowie Einschätzungen und Hintergründe vermitteln. Das sagte Paulus Anfang August 2021 der Presse in Anwesenheit der Oberbürgermeisterin. Offenbar war die Toleranzschwelle der Stadtspitze nach Amtsantritt des Heimatpflegers aber schnell erreicht. Eines der neuralgischen Themen ist das geplante Dokumentationszentrums im ehemaligen KZ-Außenlager VII, das Paulus in dem Pressegespräch als "überfällig" bezeichnete. Der KREISBOTE zitierte ihn so: "Die Geschichte Landsbergs soll nicht nur im Museum sichtbar werden." Genau das aber ist tendenziell gerade Stadtpolitik.

Wer hätte hören wollen, hätte also hören können. Stattdessen kommt alles wieder so, wie in letzter Zeit oft: Die Verwaltung bekennt sich wortreich und mit allerlei Verzierungen zu Werten, Grundsätzen und Zielen. In der Praxis bleibt aber nichts davon übrig, Dann geht es wieder ausschließlich um Macht.

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Irreführendes Schweigen

Mittwoch, 22.06.2022

Sie fragen Ihren Sohn, wie er den Mathe-Test am Vormittag bestanden hat. Er antwortet, er habe "nicht alle" Aufgaben lösen können; insofern sei der Test "nicht ganz" geglückt. Sie schlussfolgern: Immerhin konnte er viele Aufgaben lösen und der Test ist überwiegend geglückt. Wenn Sie später erfahren, dass Ihr Sohn keine einzige Aufgabe gelöst hat und der Test völlig daneben ging, sind Sie zurecht überrascht.

Das war natürlich eine Analogie; es geht heute um mehr als einen Test. In einem Presseartikel wurde kürzlich berichtet, die wegen eines städtischen Bauvorhabens erforderliche Umsiedlung der Maulwürfe vom Wiesengrund sei "nicht ganz" geglückt, denn "nicht alle" Tiere konnten gefangen werden. Daher habe die Stadt bei der Regierung von Oberbayern nun einen Antrag auf Befreiung gestellt.

Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Die Stadt hat - wie sie auf Vorhalt des landsbergblog bestätigte - am Wiesengrund keinen einzigen Maulwurf gefangen und umgesiedelt. Die Aktion ging komplett daneben. Die Stadt beantragt also keine Ausnahmegenehmigung für einen Restbestand an Maulwürfen (alle minus "nicht ganz alle"), sondern für die komplette Population.

Letzter Informationsstand der Medien und der Bürger dazu war eine Presseerklärung der Verwaltung vom 11. März, in der sie das "seit ein paar Wochen" praktizierte Verfahren minutiös schilderte und angab, die Umsiedlung würde "weitergeführt". Weiterführen kann man aber nur etwas, was bereits angefangen hat. Interessant: Bereits sechs Tage später ersetzte die Oberbürgermeisterin in einem Schreiben an einen Bürger bei ansonsten gleichem Text das Wort "weitergeführt" durch das Wort "durchgeführt"; das hat sicher einen Grund. Die Pressestelle der Stadt hat den von ihr selbst geschaffenen - im Ergebnis falschen - Eindruck, die Maulwürfe würden nach und nach umgesiedelt, hingegen einfach stehenlassen. Sie hat die Pressemitteilung ohne Ergänzung auf ihrer Website belassen. Sie hat den Medien die veränderte Sachlage am Ende der erfolglosen Aktion nicht mitgeteilt. Auch der anfragenden Zeitung gab sie dazu keinen Hinweis - diese habe ja nicht danach gefragt, heißt es. Das ist ein irreführendes Schweigen: Wenn sich ein in einer städtischen Pressemitteilung geschilderter Sachverhalt vollkommen geändert hat, ist eine neue Pressemitteilung mit dem neuen Sachstand erforderlich. Ohne Aufforderung, ohne Nachfrage, ohne detektivische Vorarbeit Dritter, proaktiv. Pressearbeit ist eine Bringschuld, keine Holschuld.

Dass das Thema virulent wird, wusste die Stadt schon geraume Zeit. "Es ist kein einziger Maulwurf umgesiedelt worden, weil keiner in eine Falle ging!" schrieb Tage zuvor ein irritierter Bürger an die Oberbürgermeisterin. Eine Antwort bekam er nicht.

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Kommt nicht, geht gleich

Mittwoch, 15.06.2022

30 Stadträte plus die Oberbürgermeisterin kommen in Landsberg 13 mal im Jahr zusammen, um stellvertretend für die Bürger wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Doch das entspricht nicht der Realität. Schon zu Beginn der Sitzung fehlt durchschnittlich ein Drittel der gewählten Mitglieder. Während der Sitzung verlassen dann weitere Stadträte den Saal, um früher nach Hause zu gehen. Manchmal steht sogar die Beschlussfähigkeit in Frage.

So werden dann große Themen oft im kleinen Kreis beraten. Dazu gehörten jüngst der Derivate-Prozess, der Zweckverband zum Fliegerhorst Penzing, die Kitas am Wiesengrund, an der Römerauterrasse und am Reischer Talweg, der Umbau des Stadtmuseums, die Neustrukturierung der Schlossbergschule, der Neubau des Jugendzentrums sowie die Gestaltung von Vorder- und Hinteranger. Das alles sind Herausforderungen, bei denen es um die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit der Stadt geht; jeder Aspekt, jede Stimme zählt.

Sind den Stadträten aus der Kategorie "Kommt nicht, geht gleich" diese Themen egal? Haben sie vergessen, dass sie einen öffentlichen Auftrag haben? Kennen sie Artikel 48 der Gemeindeordnung nicht - dort steht, bewehrt mit einem Ordnungsgeld: "Die Gemeinderatsmitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen". Man stelle sich einmal vor, ehrenamtliche Richter würden eine Verhandlung vorzeitig verlassen oder gar nicht erst erscheinen. Der Prozess wäre undurchführbar. Keine Lust auf Justiz - das ist undenkbar.

Um die drei Bürgermeister geht es nicht; sie sind fast immer präsent. Auch werden einige weitere Mitglieder des Stadtrats ihrer Verantwortung voll und ganz gerecht, unter anderem Ulrike Gömmer (Grüne) und Christian Hettmer (CSU). Aber bei einigen ist die Abwesenheit eklatant. Präzisieren wir es verklausuliert: Sein Mandat niederlegen sollte, wer glaubt, dass das Zur-Verfügung-Stellen seines bekannten Namens auf der Wahlliste seiner Partei Leistung genug war. Ebenso ausscheiden sollte, wer wegen seiner respektablen beruflichen, berufsvorbereitenden, sozialen, politischen oder kulturellen Inanspruchnahme immer wieder Entscheidungen gegen die Sitzungsteilnahme und für die Wahrnehmung anderer Termine trifft.

Wenn Mitglieder des Stadtrats nicht kommen oder früh gehen, geht die Kontinuität verloren. Es beraten dann, oft aus dem Bauch heraus, zufällige und unterschiedlich zusammengesetzte Grundgesamtheiten. Es entsteht ein Kompetenzgefälle und die Fleißigen unter den Stadträten erlangen Herrschaftswissen. Demokratie funktioniert nur, wenn gewählte Amtsträger ihr Amt auch wahrnehmen. Wer das nicht möchte, sollte für die vielen ebenfalls gewählten Bürgerinnen und Bürger Platz machen, die auf den Nachrückerlisten stehen.

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Geschäftsgrundage Durchhaltevermögen

Mittwoch, 08.06.2022

"Für die Kita am Wiesenring suchen wir (jeweils m/w/d) die Einrichtungsleitung (Vollzeit), die stellvertretende Einrichtungsleitung (Vollzeit), eine pädagogische Fachkraft (Vollzeit) und eine pädagogische Ergänzungskraft (Voll- oder Teilzeit)". Das stand noch am 18. Mai 2022 auf der Website der "Johanniter-Kindertagesstätte Landsberg am Lech, Wiesenring 25". Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits klar: Die Johanniter geben die im September 2021 eröffnete Kita für 24 Krippen- und 50 Kindergartenkinder komplett auf. Die Stadt Landsberg übernimmt sie interimistisch, offenbar mit dem Ziel, sie bis August 2023 an einen anderen Träger weiterzureichen. Zuvor hatten die Johanniter bereits kurzfristig zwei Gruppen geschlossen.

Bei allem Respekt vor den sozialen Trägern, die in unserem Staat eine wichtige Rolle spielen: Man kann von einer professionellen Hilfsorganisation schon verlangen, dass sie eine Kindertagesstätte nur dann errichtet, wenn sie bei schwierigen Umständen nicht gleich kapitulieren muss. Durchhaltevermögen ist Geschäftsgrundlage. Auch dass sieben Monate nach der Eröffnung noch das komplette Leitungs- und ein erheblicher Teil des pädagogischen Personals gesucht wird, ist ein Unding. Die Johanniter haben die Kita ja nicht spontan übernommen, sondern selbst gebaut. Es war genug Zeit, Personal langfristig anzuwerben und vorübergehend in anderen Einrichtungen einzuarbeiten. Mehr Krisenmanagement und Durchhaltevermögen hätte gut getan.

Dass die Stadt nun - zum dritten Mal - in Form einer "Interimslösung" tätig wird, damit nicht auch noch die beiden verbliebenen Gruppen wegfallen, ist zwar erfreulich. In Regensburg lief die Sache weniger gut, als die Johanniter ihre dortige Kita mit 14 Tagen Vorlauf schlossen und die Stadt nicht einsprang . Aber die Kommunen dürfen nicht zur Auffangstation sozialer Einrichtungen werden. Sie können nur begrenzt helfen und ebenfalls kein Personal aus dem Hut zaubern. Außerdem gilt hier in besonderem Maß das Subsidiaritätsprinzip: Staat, Landkreis und Gemeinde sollen nur nachrangig tätig werden.

Der dramatische Personalmangel lässt sich nachhaltig nur anders lösen. Die Städte und Landkreise - Adressaten etwaiger Elternklagen auf einen Kita-Platz - werden auf die Politik Einfluss nehmen müssen, um die Rahmenbedingungen zu verändern. Statt primär Kita-Immobilien zu fördern, gilt es, in Gehälter, Ausbildung und Wohnraum für das Kita-Personal zu investieren. Grundschulpädagogen kann man gleich einbeziehen, denn bald kommt der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung. Städtetag, Gemeindebund, Landkreistag und die freien Träger sollten nun gemeinsam laut und deutlich auftreten. Denn dieses Thema braucht höchste Aufmerksamkeit.

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Geheimsache Demokratie

Mittwoch, 01.06.2022

Landsberg und Denklingen werden sich immer ähnlicher. In der Lechraingemeinde ließ Bürgermeister Andreas Braunegger den Haushalt nichtöffentlich beraten; in der öffentlichen Sitzung gab es dann "keine Erklärung, keine Nachfrage, nur eine schnelle Abstimmung", wie Johannes Jais berichtete. Gemeinderäte, die einen derartigen Verstoß gegen die Gemeindeordnung mitmachen, können nicht ernsthaft wiedergewählt werden wollen.

Auch in Landsberg steht es um die Mitwirkungsmöglichkeiten der Stadträte und der Bürger schlecht. Ausgerechnet Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl, die wegen der Wahlversprechen Transparenz und Bürgernähe ins Amt kam, jongliert geradezu mit Kleingremien wie dem Ältestenrat, dem Verwaltungsrat der Stadtwerke, Kommissionen, Arbeitsgruppen und demnächst einer Zweckverbandsversammlung. Sie tagen nichtöffentlich. Nur wenige Auserwählte nehmen teil. Nicht zum inneren Kreis gehörende Stadträte können keinen Einfluss nehmen.

Doris Baumgartl macht mit der Atomisierung der Beratung in Form wechselnd zusammengesetzter Zirkel Demokratie zur Geheimsache. Am Beispiel des häufig tagenden Ältestenrats wird das besonders deutlich. Er ist in der Gemeindeordnung nicht vorgesehen. Es kann daher allenfalls dazu dienen, die Oberbürgermeisterin bei der Vorbereitung der Beratungsgegenstände zu unterstützen und Absprachen über den Sitzungsverlauf zu treffen. Er kann aber nicht Ort der Information, Beratung, Meinungsbildung und Kompromissfindung sein. Dafür gibt es - lückenlos - den Stadtrat und die Ausschüsse. Wenn sich ausgeschlossene Stadträte mit dem Hinweis abspeisen lassen, sie könnten ja als (stumme) Zuhörer kommen, sind sie selber schuld.

Die ganze Strategie dient zuweilen dazu, gar nichts zu tun. Man berät, aber ohne Fortschritt. Die Folge ist, dass bei wichtigen Themen das Momentum verloren geht. Beispiel Papierbach. Dort ist eine konstruktive Mitwirkung der Stadt nicht mehr erkennbar. Kulturbau, Gleisüberquerung, Tiefgaragenplätze, Mobilität, Bahnhofsparkhaus, Kitas, Gastronomie, Einzelhandel - hier bedürfte es klarer Konzepte und Akzente, auch im Interesse der Altstadt. Das Projekt steht auf zwei Säulen, gebildet durch die Stadt und den Projektentwickler. Wenn das Zaudern so weitergeht, verkümmert eine davon. Dann bleiben Aufenthalts- und Wohnqualität auf der Strecke, das Quartier wird auf Wohnblocks reduziert, der Brückenschlag nach Westen misslingt. Gestalten wir nun oder verwalten wir nur? Diese Frage muss man Stadtrat und Oberbürgermeisterin zwei Jahre nach Amtsantritt deutlich stellen. Wir brauchen eine strukturelle und inhaltliche Wende, und zwar sofort.

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Muss man nicht glauben

Mittwoch, 25.05.2022

Vor einem Monat gab der KREISBOTE die Eindrücke von Prozessbeobachtern wieder, die die beiden mündlichen Verhandlungen im "Betragsverfahren" beim Oberlandesgericht (OLG) München zwischen dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser und der Stadt Landsberg verfolgt hatten. Sie waren überzeugt, dass das Gericht gegen die Stadt und die Vorinstanz entscheiden werde, weil die Nichtgenehmigung der beiden verlustbringenden Derivat-Abschlüsse durch das Landratsamt Jahre zu spät erfolgte, nämlich erst nach Rechtskraft des für die Stadt negativ ausgegangenen "Grundverfahrens". Das OLG werde sich wohl an dieses Urteil gebunden sehen. Dieser Bericht hat der Stadtverwaltung offenbar nicht gepasst. Das sei vollkommen falsch, ja geradezu erfunden, lasen wir in unserem Mail-Postfach.

Aber die Eindrücke der Prozessbeobachter waren vollkommen korrekt. Vorgestern entschied das OLG genau so wie vorhergesagt. Auch die Stadtverwaltung stellt das nun fest: "Es ist davon auszugehen, dass sich das Oberlandesgericht München bei seiner erneuten Beurteilung der (Un-) Wirksamkeit der Swap-Geschäfte an das Urteil aus dem Jahr 2016 inhaltlich gebunden sah und insofern die späteren Entwicklungen, insbesondere die bestandskräftige Versagung der Genehmigung durch das Landratsamt und die daraus resultierende Unwirksamkeit der Swap-Geschäfte, inhaltlich nicht mehr berücksichtigt werden konnten." Das ist das Gleiche, was im KREISBOTEN stand, nur anders formuliert. Für die Watschn gab es keinen Grund.

Im Gegenzug erlauben wir uns erneut die Frage: Warum hat die Stadt Landsberg den Antrag auf Genehmigung der verlustbringenden Derivate (der natürlich ein Antrag auf Nichtgenehmigung war) erst 2018, zwei Jahre nach Abschluss des Grundverfahrens gestellt, so dass er zu spät kam? Die Frage stellt sich um so mehr, als die Justitziarin der Verwaltung, die damals schon im Amt war, eigener (Zeugen-) Aussage zufolge den damaligen Kämmerer der Stadt kurz nach der Entdeckung der Verluste gefragt hat: "Haben Sie eine Genehmigung des Landratsamts eingeholt?" Warum hat die Verwaltung diese Genehmigung (in der sicheren Erwartung einer Ablehnung) nicht unverzüglich beantragt? Wir haben diese Frage schon einmal gestellt und bekamen die Antwort, es habe "Signale" des Landratsamts gegeben, einen solchen Antrag nicht bescheiden zu wollen. Das kann man glauben, muss man aber nicht - zumal die Stadt gegen eine Bescheid-Verweigerung hätte vorgehen können, ja müssen.

Seit Montag ist nun klar: Das Versäumnis schlägt durch. Die Stadt war zu spät. Die erhoffte Rückabwicklung aller Leistungen kommt nicht mehr in Frage. Jetzt muss sie zahlen. Ein bitterer Tag.

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Labile Lehne

Mittwoch, 11.05.2022

Die Verkehrsentwicklung ist in Landsberg zur Geheimsache geworden. Gutachter haben Vorschläge unterbreitet, aber niemand bekommt sie zu sehen. Da sollte man sich eigentlich freuen, wenn wenigstens die oppositionelle CSU einen Antrag zur Vorbereitung der Einführung eines Ein-Euro-Tagestickets beim öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) stellt und ihn im Stadtrat auch noch einstimmig durchbringt. Die CSU verbuchte das unter "Es geschehen noch Zeichen und Wunder"; wir sind da weniger optimistisch. Viele Stadträte wissen, dass solche punktuellen Maßnahmen nichts bewirken und sogar kontraproduktiv sind, weil sie ähnlich wie das "Neun-Euro-Ticket" Mittel verschlingen, die eigentlich infrastrukturell investiert werden müssen. Insofern dürften die anderen Parteien dem Antrag zugestimmt haben, damit er schnell in der Verwaltung verschwindet und dort aktenkundig wird. Die Zustimmung war übrigens ungefährlich, denn die CSU hat die Klausel eingebaut, dass nach Vorbereitung eine erneute Beschlussfassung erfolgen muss.

Schaut man sich den Antrag (ein Satz) und die Begründung (sechs Sätze) näher an, fällt sofort auf, dass die CSU-Fraktion behauptet, die Stadt würde sich mit dem Ein-Euro-Tagesticket "an das Maßnahmenpaket des 10-Punkte-Plans der Bayerischen Klimaoffensive anlehnen". Die Lehne, an die sich die CSU da anschmiegt, ist aber labil und hält so viel Inanspruchnahme gar nicht aus. Zum einen sieht das Maßnahmenpaket geringere Fahrpreise nur für Schüler und Auszubildende vor; die CSU-Begründung übersteht den Blick in die Quelle nicht. Zum anderen handelt es sich dabei nur um eine von vielen Maßnahmen, die nach dem Plan parallel durchgeführt werden sollen. Dazu gehört in Sachen ÖPNV zunächst ein "flächendeckendes attraktives bedarfsorientiertes Fahrtangebot". In dem Plan fallen Stichworte wie Taktverdichtung, neue Linien, besser abgestimmte Verkehrsverbünde, Buslinien in und aus dem ländlichen Raum, Park&Ride- sowie Bike&Ride-Flächen, Fahrradmitnahme im Bus und der Ausbau des elektrifizierten Schienenverkehr. In einem ähnlichen Maßnahmenkatalog auf Bundesebene ist eine Fahrpreisreduzierung für alle zwar enthalten. Aber nur als eine von 17 Stellschrauben.

Wie grotesk es ist, sich aus dem Komplex ein einzelnes Thema durch "Anlehnen" herauszugreifen, zeigt die Bemerkung im letzten Satz des CSU-Antrags, ein 365-Euro-Ticket käme in Landsberg nicht in Betracht, weil der Bus bei uns ja sonntags nicht fährt. Glaubt die CSU ernsthaft an das Gelingen der Verkehrswende mit einem Fünfeinhalb-Tage-Bussystem? Nein, wir müssen zunächst einmal ein Angebot schaffen, das unseren "sozialen Bus" zu einem "Bus für alle" macht und das reale Leben abbildet. Wir brauchen einen Nahverkehr, in dem Bus fahren clever, bequem und zeitsparend ist. Wenn es dann noch billig ist: umso besser. Allein nutzt das aber nichts.

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Nimmt zur Kenntnis

Mittwoch, 04.05.2022

Vor über einem Jahr berieten die Vorstände und der Verwaltungsrat der Stadtwerke noch im Geheimen über die Renovierung und Neugestaltung des Inselbads. Nur das Thema "Ganzjahres-Gastronomie ja oder nein" stand im Stadtrat auf der Tagesordnung. Eine Beteiligung des Gremiums an der eigentlichen Bad-Planung war aber offenbar nicht geplant. Der landsbergblog nannte das im Mai 2021 "Munkeln im Dunkeln" und schrieb: "Die Stadt hat ihr 100prozentiges Tochterunternehmen Stadtwerke allein aus finanziellen Gründen mit der Leitung von Inselbad und Parkgaragen betraut. Sie hat beide öffentlichen Einrichtungen damit nicht in fremde Hände gegeben. Sie gehören vielmehr weiterhin zum Kerngeschäft der Stadt. ... Letztlich zahlt die Stadt die Ausgaben, entweder als Investitionszuschuss oder bei der Übernahme von Verlusten. Das ist mit einer Geheimhaltungskaskade nicht vereinbar. Was in Sachen Inselbad und Garagen passiert, darf nicht hinter verschlossenen Türen im Sitzungsraum in der Epfenhauser Straße beschlossen werden. Es sind öffentliche Themen zur öffentlichen Beratung im Stadtrat."

Ob das etwas bewirkt hat, bleibt offen. Jedenfalls verständigte sich die Oberbürgermeisterin, die beide Gremien leitet, im Juli 2021 mit dem Stadtrat und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke auf eine gemeinsame Beratung in Workshops. Vorausgegangen war ein sehr kritisch betrachteter erster Entwurf der Planer. Allerdings geht es damit immer noch im Verborgenen zu; die Treffen waren nichtöffentlich und die Vorlage für die öffentliche Stadtratssitzung vom vergangenen Mittwoch war vollkommen inhaltsleer: "Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass damit die Leistungsphase 2 abgeschlossen ist und die weitere Planung auf Basis dieses Vorentwurfs mit der Leistungsphase 3 (inkl. Kostenberechnung) durchgeführt wird."

Zwar ist die Vorstellung der Planung im Stadtrat unter Beteiligung eines Vertreters des Gestaltungsbeirats ein Fortschritt. Aber etwas fehlt. Die Nutzer des Inselbads durften sehr früh ein Votum zu unterschiedlichen Gestaltungsformen abgeben; sie beteiligten sich intensiv daran. Kein Wunder: Das Inselbad (samt Lechstrand) ist einer der Faktoren, die das Leben in dieser Stadt so lebenswert machen. Das war dann aber auch schon die ganze Bürgerbeteiligung, danach kam nichts mehr. Dieses Thema ist ohnehin mit dem Führungswechsel im Rathaus nahezu eingeschlafen. Was waren das für Zeiten, als die Bürger zu "Landsberg 2035", zum Hauptplatz und zum Papierbach intensiv befragt wurden und ihre Ideen und Vorstellungen einbringen konnten! In Sachen Inselbad könnte man nach vielen Schritten zurück wieder einen nach vorne machen, indem man die Planung veröffentlicht und die Bürger zu Wort kommen lässt. Selbst wenn sich funktional nicht so viel ändern wird, haben sie etwas zu sagen. Und zuhören schadet nicht.

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Leere Hände

Mittwoch, 27.04.2022

Der Stadtrat fasste 2016 einstimmig den Beschluss, sieben Grundstücke der Stadt und des Freistaats zur dezentralen, räumlich ausgewogenen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen im Stadtgebiet vorzuhalten. Der Standort Iglinger Straße sollte nach Ende der Laufzeit im Jahr 2019 zunächst abgelöst werden. Der Freistaat und das Landratsamt stimmten zu.

Als Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl dem Landrat vor wenigen Tagen grünes Licht dafür gab, von dieser Festlegung (zum zweiten Mal) abzuweichen und Container erneut an der Iglinger Straße aufzustellen, glaubten wir zunächst an Vergesslichkeit oder Bequemlichkeit. Und wunderten uns, dass die Entscheidung nicht in einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats beschlossen wurde, was notwendig ist, denn hier geht es nicht lediglich um eine "wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung", die die Oberbürgermeisterin allein entscheiden kann.

Keine Öffentlichkeit, kein Beschluss. Stattdessen, so teilte uns die Stadt mit, habe sich die Oberbürgermeisterin mit Stadträten in nichtöffentlichen Sitzungen "ausgetauscht" und "sich ein Meinungsbild eingeholt". Dann habe sie "über 300 Anwohner informiert". Das sei alles. Die Oberbürgermeisterin von Augsburg hat gerade dafür plädiert, auch bei Katastrophen die vorgesehenen Beschlusswege einzuhalten. Ihre Kollegin aus Landsberg sieht das offenbar anders.

Was in Sachen Iglinger Straße jetzt gilt? Wir wissen es nicht. Dass es um die "vorübergehende Unterbringung von Frauen und Kindern" geht, ist wahrscheinlich weder wahr noch realistisch. Putins Terror hört morgen nicht auf. Mariupol ist nicht in Wochen wieder aufgebaut. Und von den 33 Millionen Menschen, die derzeit Schutz außerhalb des eigenen Landes suchen, kommen bestimmt welche zu uns.

Nun erfahren wir, dass die Stadt noch ein viel größeres Problem hat; es wurde erst bei der zweiten offiziellen Nachfrage eingeräumt. Stadtrat und Stadtverwaltung haben zugelassen, dass der Beschluss von 2016 nach und nach immer inhaltsleerer wurde, weil kein einziges der aufgelisteten Grundstücke noch zur Verfügung steht (siehe nebenstehender Bericht). Anders ausgedrückt: Die Verantwortlichen haben den politischen Willen zu einer dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen immer mehr erodieren lassen und in Kauf genommen, nun mit leereen Händen dazustehen. Das ist nicht nur Wortbruch, das ist programmierter Wortbruch.

Die Ankündigung von Bürgermeister Felix Bredschneijder, dass die Stadt nun "langfristig durchführbare Pläne" entwickeln wird, ist zwar erfreulich. Aber das hätte man - sukzessive, nach Ausfall jedes einzelnen Areals - längst machen können. In einem geordneten Verfahren nach der Bayerischen Gemeindeordnung. Mit Beschlüssen des Stadtrats. Ohne Alleingang, ohne Not.

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Ein Stück Klimawandel

Mittwoch, 20.04.2022

Die Recherche des KREISBOTEN über den "Rohstoff Wasser", den die Redaktion in der vergangenen Woche veröffentlichte, hat viel Aufmerksamkeit erregt. Bayernweit gilt: Die Lufttemperatur steigt, es gibt mehr Sommer- und Hitzetage. Dadurch nimmt die Verdunstungsmenge zu, die Böden werden trockener, der Direktabfluss des oft sturzflutartigen Niederschlags in Gewässer verstärkt sich – und das Grundwasser geht weiter zurück. Das ist ein messbares Stück Klimawandel. Auch bei uns im Landkreis gibt es Probleme, etwa in Hurlach.

Theoretisch wissen fast alle, was man tun kann. Duschen statt baden, Durchflussbegrenzer in Bad und Küche installieren, Sparspültaste nach dem Toilettengang drücken, Lebensmittel in einer Schüssel waschen, kein manueller Abwasch, Waschmaschinen nicht vorzeitig anschalten, Regenwasser auffangen und den Rasen nicht zu sehr kürzen - das sind die wichtigsten Tipps der Fachleute. Vielleicht machen das viele, wenn man oft genug daran erinnert.

Aber letztlich werden wir unser Klima nur dann ins Gleichgewicht bringen können, wenn wir die ganze Palette der Maßnahmen einleiten. Mobilität und Verkehr, Wohnen und Wärme, Ernährung und Landwirtschaft, Energieerzeugung und Energieverbrauch - in diesen Bereichen liegen noch wichtigere Stellschrauben. Und die verlangen von den Bürgern eine Menge ab. Noch gibt es einen Aufschub, weil die Staaten mit Corona- und Kriegsfolgen zu kämpfen haben; sie sind in einem permanenten Alarmzustand. Deswegen fällt es auch noch keinem so richtig auf, dass die Stadt das Verkehrskonzept zurückhält und der Landkreis sich vertragstechnisch an der Reform des Nahverkehrs gehindert sieht. Fragt man Landsberger, was sich im Straßenverkehr ändern soll, hört man meist: Bitte mehr Straßen und weniger Staus.

Die gesellschaftliche Katastrophe kommt dann, wenn die Maßnahmen in kurzen Abständen auf uns einprasseln und sich dann drei Kategorien von Bürgern addieren: diejenigen, die den Klimawandel leugnen - das ist nach Corona für viele "the next big thing", da freut man sich drauf -, jene, die Wetter mit Klima verwechseln ("es regnet doch!") und ganz viele, die sich vor persönlichen Lasten fürchten, weil die Grenze bereits erreicht ist - durch übermäßige Geldentwertung bei Null-Zins-Politik, horrend steigende Energiekosten, teures Wohnen sowie anziehende Lebensmittelpreise.

Sollten sich am Ende die immer lauter werdenden Kriegsverzichtsbefürworter in Sachen Gas und Öl durchsetzen, stehen die industrielle Produktion vor dem Zusammenbruch und die Zahl der Arbeitslosen vor einer Explosion. Reserven für Klimamaßnahmen sind dann eine Illusion. Das fällt uns auf die Füße. Wir müssen das ganze Bild vor Augen haben. Deswegen sind Beiträge wie der des KREISBOTEN zum Grundwasser so wichtig. Wir sind dankbar dafür.

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Das Maß ist voll

Mittwoch, 13.04.2022

Das Landratsamt will sein Wort brechen - in gleicher Sache zum dritten Mal. Es geht um die Unterbringung von Flüchtlingen an der Iglinger Straße. Ursprünglich sollten dort 24 Monate lang Container für 60 Personen stehen; danach würden, so versprachen Landratsamt und Stadtverwaltung, ähnlich wie bei der Münchener Straße andere Standorte genutzt werden. Dem stimmten der Stadtrat und auch die Anwohner zu; viele von ihnen engagierten sich in Helferkreisen. Als die Baugenehmigung nach zwei Jahren auslief, rief das Landratsamt aber "April, April". Die Stadt könne sich nicht auf die 24-monatige Befristung berufen, denn das sei ein "irrelevanter abstrakter Grundsatzbeschluss"; das Baurecht gehe vor. Die Stadt fühlte sich gelinkt und protestierte; das Landratsamt erwirkte dennoch die Verlängerung der Genehmigung auf 57 Monate bis Ende 2019.

Im Januar 2016 gab es einen weiteren Versuch, die ursprünglichen Beschränkungen auszuhebeln. Das Landratsamt kündigte an, die Anlage aufzustocken, damit dort 120 Personen leben können. Der Beauftragte der Stadt für Asyl und Flüchtlinge, Jost Handtrack (Grüne), widersprach deutlich; damit würde bereits zum zweiten Mal ein Versprechen nicht eingehalten. Freilich räumte Landrat Thomas Eichinger (CSU) der Stadt die Möglichkeit ein, "Alternativen zu benennen". Sie legte daraufhin sechs neue Standorte fest und ordnete sie nach Priorität. Sie stimmte die Liste mit dem Landratsamt ab, das seine Zustimmung erteilte. Drei Wochen lang arbeitete die Stadt unter Federführung Handtracks an der Aufstellung, die der Stadtrat am 24. Februar 2016 einstimmig verabschiedete. Sie ist noch heute gültig. Die Weiternutzung des Standorts Iglinger Straße steht dort an siebter und damit letzter Stelle.

Tatsächlich sind die Container inzwischen entfernt worden; sie wurden allerdings zwei Jahre über die vereinbarte Frist "31. Dezember 2019" hinaus genutzt, was auch keine Kleinigkeit ist. Nun aber wird es ganz absurd: Jetzt will der Landkreis wiederum sein Wort brechen und erneut Container an gleicher Stelle an der Iglinger Straße aufstellen.

Offenbar spekuliert man darauf, dass die Stadt sich nicht mehr an die Beschlüsse von 2016 erinnert oder - weil doch jetzt "gute" Flüchtlinge kommen - keinen Widerspruch wagt. Das Motiv des Landrats für eine solche Strategie bleibt unklar. Ist man zu bequem, einen neuen Standort zu erschließen? Oder soll da bewusst Stärke demonstriert werden?

Dieses Thema hat überhaupt nichts mit der Hilfsbereitschaft der Stadt und ihrer Bürger zu tun. Wir helfen den Ukraine-Flüchtlingen, wo wir können. Aber Vereinbarungen sind einzuhalten. Es ist nicht hinnehmbar, dass hier erneut bevormundet wird. So kann ein Landkreis nicht mit seinen Gemeinden umgehen. Und so kann der Staat nicht mit den Bürgern verfahren. Das Maß ist voll.

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Masken ab, Freiheit her!

Mittwoch, 06.04.2022

Gerade heraus: Die auf Druck der FDP erfolgte Aufhebung des Basisschutzes gegen Corona durch Wegfall der Maskenpflicht in Innenräumen war eine dumme und falsche Entscheidung. Man kann das Ende der Pandemie nicht durch Augenschließen herbeiführen, ganz im Gegenteil; die Infektionen könnten - von einem Höchststand ausgehend - weiter zunehmen. Es macht Angst, dass die FDP ihre Koalitionspartner zwingen konnte, das Gesetz im Parlament gegen das eindeutige Votum aller Sachverständigen bei der Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages und gegen den Corona-Expertenrat der Bundesregierung zu beschließen. Hier ging es nicht mehr um die Sache, sondern um das Ego einiger Parteivorstände, die ein abenteuerliches Verständnis von Freiheit haben und demonstrieren wollten, dass sie die Macht haben, es durchzusetzen.

Die eigene Klientel aus der Wirtschaft war den liberalen Freiheits-Verfechtern dabei offenbar egal. Insbesondere der Einzelhandel, der bereits erheblich gelitten hat, ist nun in einer prekären Situation. Die Maskenpflicht haben fast alle Kunden akzeptiert. Es war - mindestens für Geimpfte - völlig ungefährlich, Einkäufe vor Ort zu tätigen, wenn alle Maske trugen; Maske plus Maske war sicher. Trägt einer Maske, der andere aber nicht, sieht die Sache anders aus. Nun werden viele Kunden, die Angst vor Ansteckung haben, alternative Einkaufsmöglichkeiten nutzen; die brauchen wir hier gar nicht aufzuzählen, die kennt jeder. Im Einzelhandel reichen bereits ein paar wegbleibende Kunden aus, um existentielle Probleme zu erzeugen. Geradezu grotesk ist es, dass der gleich zu Beginn seiner Amtszeit als "lame duck" vorgeführte Bundesgesundheitsminister jetzt vom Handel erbittet, die Maskenpflicht qua Hausrecht wieder einzuführen und damit das Problem stellvertretend für die Bundespolitik zu lösen. Das ist wie eine Feuerwehr, die beim Brand nicht ausrückt, sondern gute Ratschläge gibt. So eine Feuerwehr braucht man nicht.

Was ist Freiheit? Freiheit ist, wenn alle Mitglieder der Gesellschaft leben und arbeiten können, ohne Bindungen oder Verpflichtungen zu unterliegen, die als Zwang oder Last empfunden werden. In der heutigen Zeit ist es Aufgabe der Politik, die Pandemie zu beenden, nicht sie zu verlängern. Es ist ihre Aufgabe, unerschwinglich werdende Energiekosten zu senken, statt auf den freien Markt zu verweisen. Sie hat den Auftrag, den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, nicht ihn zu vertagen. Dazu passt kein urwüchsiges Freiheitsverständnis, das die Freiheit "von" etwas propagiert, so wie die Befreiung von Masken oder Tempolimits. Wir brauchen Politiker, die die Freiheit "zu" etwas auf die Fahnen schreiben - zu einem gerechten und aktiven Leben ohne überflüssiges Sterben, ohne Geldentwertung, ohne Wohnungsnot, ohne Klimakatastrophe. So eine FDP würden wir uns wünschen. Aber die ist leider nicht in Sicht.

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Bei Regen bitte waten

Mittwoch, 30.03.2022

Der Markt Dießen bekommt demnächst einen großen Parkplatz am Ortseingang. Er ist einladend gestaltet und bei jeder Witterung nutzbar. Die Sehenswürdigkeit Nummer 1 - das Marienmünster - ist direkt nebenan. Bis zu den ersten Geschäften sind es fünf Minuten zu Fuß. Bei Veranstaltungen fährt sogar ein Shuttlebus, um den Besuchern den zehnminütigen Gang ins Zentrum zu ersparen. Der Parkplatz liegt verkehrstechnisch günstig, quasi auf dem Weg; man kommt von Westen automatisch an ihm vorbei. Besucher brauchen nicht mehr in die Innenstadt zu fahren; der Parksuchverkehr entfällt. Die Lärm- und Abgasbelastung im Zentrum nimmt ein Stück weit ab. Der Verkehr wird sich weniger stauen.

Der neue Parkplatz ist damit ein wesentlicher Beitrag zur Verkehrswende. Wenn es schon in absehbarer Zeit nicht möglich ist, ein überörtliches Bussystem zu schaffen, das den Verzicht aufs eigene Auto ermöglicht, sind "Park and Ride" sowie "Park and Walk" die besten Alternativen. Allerdings müssen wir dann auch echte Parkmöglichkeiten schaffen, die jeder nutzen mag. Wiesen und Kiesplätze ohne Fahrwege und Markierungen reichen nicht aus und müssen umgestaltet werden. Das gilt besonders, wenn der Platz aufgrund seiner Oberfläche aus aufgeschüttetem Kies und wildem Bewuchs häufig durchnässt wird und dann nicht nutzbar ist. "Bei Regen bitte waten" ist keine Option - egal ob man waten in diesem Fall mit oder ohne r schreibt.

Genau für diese Maßnahme - die Umwandlung des unbefestigten und regentechnisch unzulänglichen Abstellplatzes in der Rotter Straße in einen uneingeschränkt nutzbaren Ganzjahres-Parkplatz - bekommt die Mehrheit im Marktgemeinderat aber gerade heftigen Gegenwind. Es gab bereits eine erste Demonstration, über die der KREISBOTE in dieser Ausgabe berichtet. Interessanterweise standen dabei die Träger der Schilder "für die Verkehrswende" und "gegen den Parkplatzbau" fast nebeneinander. Das passt aber nicht zusammen. In einem Landkreis ohne hinreichenden überörtlichen öffentlichen Nahverkehr kann die Lösung nur darin bestehen, Parkplätze an den Ortsrändern anzubieten, um die Autos aus den eng bebauten und stark belasteten Innenstädten herauszuhalten. Von Ort zu Ort mit dem Auto, im Ort aber zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Bus. Genau dieses Konzept der peripheren zentrumsnahen Parkmöglichkeiten ist auch Bestandteil der künftigen Verkehrsplanung der Stadt Landsberg.

Natürlich ist der Aspekt der Flächenversiegelung dabei zu beachten. Aber das macht die Gemeinde ja. Zum einen bleibt ein Teil der Fläche sickeroffen; versiegelt werden nur die Fahrwege und Stellplätze. Daher hat man die Zahl der Parkplätze auch von 150 auf 86 reduziert. Zum anderen führt die Maßnahme dazu, dass das Oberflächenwasser nun geordnet abfließt, und zwar dahin, wo es nützlich ist. Es reicht nicht aus, das Schlagwort "Flächenversiegelung" wie eine Monstranz vor sich her zu tragen; man muss sich die Sache schon im Detail und im Einzelfall ansehen. Darüber hinaus wird es Zeit, dass Naturschützer und Grüne ein Gesamtkonzept im Dreieck Arbeit - Wohnen - Mobilität anbieten, das Lebensqualität wahrt. Nur Nein-Sagen nutzt nichts.

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Hilfe für das Ehrenamt

Mittwoch, 23.03.2022

Derzeit kommen viele Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns an. Zwar sagen die Länder und Landkreise, sie seien organisatorisch besser als früher aufgestellt. Auch lassen sie nun eine Grund-Empathie gegenüber den Schutzsuchenden erkennen. Dennoch ist schon jetzt klar: Es kommt wieder auf das Ehrenamt an. Und das braucht dringend Hilfe.

Es wird Zeit, drei Vorschläge zu verwirklichen, die der landsbergblog im Jahr 2015 unterbreitet hat, die aber bei zuständigen Behörden auf Skepsis stießen. Thema Nummer 1 lautet "persönliche Unterstützung". Viele Bürger sind bereit, mit Schutzsuchenden Gespräche zu führen, bei Fragen und Problemen zu helfen und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen. Hierzu bedarf es aber einer Vermittlung unter Abgleich der Sprachkenntnisse, Berufe, des Alters der Kinder sowie der Hobbys und Interessen. Landratsamt und soziale Organisationen richten dazu eine Stelle ein, an die man sich wenden kann. Sie bringt Menschen zusammen, bei denen Gemeinsamkeiten vorliegen.

Thema Nummer 2 beruht auf der Erkenntnis, dass Geflüchtete viele Themen ansprechen, in denen Ehrenamtler nicht umfassend kompetent sind. Wo kann man sein Auto reparieren lassen? Wo findet man einen Job? Wie kommt das Kind in die Kinderkrippe? Welche Versicherungen braucht man? Gilt die ausländische Fahrerlaubnis? Hierzu bietet es sich an, dass sich einige Ehrenamtler spezialisieren, mit den entsprechenden Ämtern im Dialog stehen und von den Unterstützern kontaktiert werden können, um Fragen zu beantworten. In der Wirtschaft nennt man das eine Matrixorganisation. Das können das Landratsamt und die Ehrenamtler gemeinsam auf die Beine stellen.

Thema Nummer 3: Die App (oder Smartphone-taugliche Website) "Landsberg s'ohodni" (Landberg heute). Sie erklärt in ukrainisch und englisch aktuelle Themen wie: "Warum ist es gefährlich, im Lech zu baden?" über "In welchen Sportvereinen kann man auch ohne Mitgliedschaft aktiv werden?" bis "Warum haben unsere Mülltonnen Schlösser?". Auch das ist kein Hexenwerk, sondern lässt sich schnell realisieren. Auf Bundesebene und in anderen Ländern gibt es das bereits, aber die meisten Fragen entstehen lokal. Auch hier könnten die Städte und Gemeinden, das Landratsamt und Ehrenamtler schnell und effektiv tätig werden.

Die Gegenargumente bei syrischen Schutzsuchenden lauteten: Persönliche Beziehungen? Dann solidarisieren sich Familien mit den Geflüchteten. Fachliche Spezialisierung? Dann stehen in den Ämtern dauernd Vermittler auf der Matte. "Landsberg heute"? Zu viel Aufwand. Das überzeugte schon damals nicht. Heute sollten wir diese Haltung noch einmal überdenken.

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Kein Druck aus der Region

Mittwoch, 16.03.2022

Die multinationale Lufttransporteinheit mit 13 Flugzeugen des Typs A400M auf dem NATO-Flugplatz Lechfeld kommt nicht zustande. Die Idee ist zwar genial: Deutschland bietet anderen Staaten zu viel bestellte A400M zur Nutzung an und übernimmt federführend Wartung und Schulung. Aber außer Ungarn interessierte sich wohl niemand für dieses Modell nach dem Vorbild eines Handwerkerhofs, bei dem Kosten gespart werden, Ausbildung vor die Klammer gezogen wird und jeder seine Aufgaben administrationsfrei erfüllen kann.

Eine Woche nachdem das Bundesministerium der Verteidigung entschieden hatte, keine A400M auf dem Lechfeld zu stationieren - weder international noch national -, geschah etwas Merkwürdiges. Ein Bundestagsabgeordneter aus Neusäß verbreitete via Tageszeitung und Rundfunk, seine Gespräche mit der Luftwaffe hätten ergeben, dass die Bundeswehr nun allein vorgehen wolle. Man werde zwar weniger Flugzeuge auf dem Lechfeld stationieren, aber dennoch die volle Zahl von 500 bis 600 Dienstposten schaffen.

Mehrere Medien haben das ohne Gegencheck übernommen, obwohl der Ausweichstandort Lechfeld immer nur ein zusätzliches Argument für das multinationale Projekt war. Auch hätte auffallen müssen, dass aus einem Betrieb mit Kosten und Erlösen nun eine reine Kostenstelle geworden war. Außerdem passten die Zahlen "weniger Flugzeuge, gleiche Mitarbeiterzahl" nicht zusammen. Als dann bekannt wurde, dass eine ersatzweise Nutzung gar nicht geplant ist, wechselten die Beteiligten in den Empörungsmodus. Das sei eine "Lachnummer", kommentierte die örtliche Tageszeitung und warf der Bundeswehr vor, "ein schlechtes Zeichen für die Region" zu setzen. Auch leide die Glaubwürdigkeit, denn jetzt seien doch 100 Milliarden Euro zugesagt.

Zwar wünschen auch wir uns wieder Transportflugzeuge in der Nähe, wodurch - ein Nebeneffekt - viele Penzinger aus Wunstorf zurückkommen könnten. Generell aber ist es an der Zeit, ein Stoppschild aufzustellen. Es geht nicht an, dass wir die Bundeswehr immer noch wie einen Wanderzirkus behandeln, dem wir mal diesen und mal jenen Festplatz andienen, weil er gerade nicht bespielt wird. Nachdem der Kreml vor unserer Haustür einen ungeahnten Angriffskrieg begonnen hat, ist es möglich und notwendig, dass das Verteidigungsministerium in Absprache mit den europäischen Nachbarstaaten und der NATO selbst entscheidet, wie Einsatzbereitschaft und Bündnisfähigkeit am besten hergestellt werden.

Die Bundeswehr muss zunächst dafür sorgen, dass ihre Ausrüstung und ihre Waffen wieder komplett genutzt werden können. Der lang dauernde Aufbau eines weiteren Fliegerhorsts dürfte daher nicht erste Priorität haben. Braucht die Luftwaffe das Lechfeld für den A400M, ist sie mehr als willkommen. Aber es darf keinen Druck aus Regionalinteresse geben. Es gilt, alte Muster abzulegen und stattdessen gemeinsam an einem anderen Ziel zu arbeiten: an größtmöglicher Gefechtsbereitschaft. Nur sie schreckt ab. Nur sie schafft Frieden.

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Zehn Jahre landsbergblog

Mittwoch, 02.02.2022

Vor zehn Jahren, im Februar 2012, erschien der landsbergblog zum ersten Mal. Autor Werner Lauff startete ihn, weil ihm der politische Diskurs in der Lechstadt zu langsam, zu oberflächlich und zu bürgerfern erschien. Schon bald fokussierte der Kommentar-Dienst auf das politische Geschehen, insbesondere in den Stadtrats- und Ausschuss-Sitzungen. Manchmal folgten auf eine solche Beratung noch am gleichen Abend ein halbes Dutzend Artikel.

Ein typisches Beispiel aus der Anfangszeit war der Beitrag "Wer ist Behörde?". Er widerlegte, dass die Hauptamtlichen in der Verwaltung allein entscheiden können, wenn die Stadt als "untere Straßenverkehrsbehörde" handelt; alles über Routine hinaus gehört in den Stadtrat. "Erkenne die Möglichkeiten" war eine Glosse, in der ein schwedisches Möbelhaus dem Oberbürgermeister ("Hej Mathias!") in einem fiktiven Brief schrieb, dass seine neuen Büromöbel nicht so teuer sein müssen wie in der Haushaltsberatung beantragt. Auch die Recherchen zum angestrebten abrupten Ende des Blumenladens im Klostereck sind manchem noch im Gedächtnis.

Der landsbergblog erzielte vor allem dann Wirkung, wenn er komplizierte Sachverhalte einfach erklärte. Das Geheimnis seiner Beurteilungskompetenz waren die kontinuierliche Teilnahme an allen Sitzungen, die Überprüfung merkwürdig klingender Behauptungen, das vertrauliche Gespräch mit Insidern und die Durchdringung komplexer Themen wie Derivate, Pflugfabrik, Verkehrsplanung, Stadtwerke, Sparkasse und Fliegerhorst.

Während die Tageszeitung zum Blog auf Distanz ging, steuerte der KREISBOTE schnell auf eine Kooperation zu. Sie begann mit der "Initiative Guter Rat" und der losen Artikelfolge "Genau betrachtet", ging in intensive redaktionelle Arbeit über und besteht nun in Form der wöchentlichen Kolumne auf Seite 2 plus weiterer Beiträge. Grundlage war ein nahezu identisches Verständnis beider Seiten von professioneller Berufsausübung. Die tägliche Zusammenarbeit war von Anfang an Freude pur; das ist bis heute so.

Im Laufe der Zeit gab es Veränderungen. Die Datenschutz-Grundverordnung legte nahe, die Plattform Wordpress zu verlassen. Fremdenfeindliche Zuschriften erforderten, die Kommentarfunktion abzuschalten. Die tagesaktuelle Erscheinungsweise ging in eine wöchentliche über. Das Kernkonzept aber ist geblieben: Der landsbergblog beobachtet Politik und Verwaltung von Stadt und Landkreis und meldet sich zu Wort, wenn es aus seiner Sicht etwas anzumerken gibt. Manche Leser haben uns gesagt: Es beruhigt sie, dass da jemand ist, der draufschaut. Ja, so einfach kann man das wohl definieren. Wir werden das auch künftig tun. Damit ist alles gesagt.

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Echtes Plus

Mittwoch, 26.01.2022

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten, auch im Stadtrat. Zunächst geht das Rechtsamt der Stadt bei der Nachbesetzung von Ausschüssen aufgrund des Austritts von Franz Daschner aus der Fraktion der UBV von der irrigen Auffassung aus, dass die Verlosung verbleibender Rest-Sitze nur zwischen den Fraktionen stattfindet und Vertreter der Parteien ohne Fraktionsstatus sowie Einzelpersonen dabei unberücksichtigt bleiben; die CSU gewinnt dabei drei Verlosungen nacheinander und freut sich. Dann weist der übergangene Stadtrat Stefan Meiser mit Hilfe der kommunalen Rechtsaufsicht nach, dass es nach der Gemeindeordnung nicht auf die Fraktionen, sondern die Parteien und Einzelpersonen ankommt, folglich deren Vertreter Daschner (fraktionslos), Schäfer (FDP) und Meiser (ÖDP) in den Lostopf gehören - nicht etwa auch, sondern sogar allein. Bei der wiederholten Auslosung hat Franz Daschner Glück und gewinnt alle drei Ausschuss-Sitze. Ihm ist zu raten, umgehend die Bezirksstelle Vivell aufzusuchen und auch in einer finanziell gewinnträchtigeren Lotterie Geld zu investieren.

Aber die Geschichte geht noch weiter. Da dem glücklichen Gewinner Daschner drei Sitze auf einmal zu viel sind, macht er noch am Abend seines Mega-Erfolgs von der Möglichkeit Gebrauch, einen Sitz weiterzureichen und benennt dazu Stefan Meiser. Der ist nun seinerseits in drei Ausschüssen präsent. Er verfügt über einen Sitz im Rechnungsprüfungsausschuss, den ihm die Grünen vermacht haben, über einen Sitz im Verwaltungs- und Finanzausschuss, den ihm (aufgrund Fraktions-Zusammenarbeit) die UBV überlassen hat und über einen Sitz im Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss, den Daschner an ihn weitergegeben hat. Das kann man das Glück des Tüchtigen nennen. Für den Stadtrat, dessen Mitglieder Meisers Expertise sehr schätzen, ist diese Lösung ein echtes Plus.

Nur die CSU grantelte nach der Verlosung, man behalte sich eine rechtliche Überprüfung vor. So etwas wird in Zeitungen gerne abgedruckt; es suggeriert, etwas sei möglicherweise nicht ordnungsgemäß gelaufen. Aber die Formulierung ist eine Nullnummer. Rechtliche Überprüfungen muss man sich nicht vorbehalten; die sind sowieso möglich. Und im vorliegenden Fall hat die Rechtsaufsicht des Landratsamts sogar vorsorglich die Bezirksregierung eingeschaltet. Der Bescheid ist im Übrigen so eindeutig und überzeugend, dass man sich fragen muss, warum die vom Gesetz abweichenden Regelungen der Landsberger Geschäftsordnung nicht längst aufgefallen sind. Auch in anderen Städten sollte man da mal genau hinschauen, zum Beispiel in München. Vielleicht haben die dann auch so viel Spaß wie wir in Landsberg.

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Wie das Amt lernt

Mittwoch, 19.01.2022

Es ist interessant zu beobachten, welche Lernkurve das Landratsamt gerade durchläuft. Es begann damit, dass es den dritten regelmäßigen, angekündigten und geplanten "Spaziergang" gegen die Corona-Maßnahmen komplett falsch einstufte, nämlich als sich spontan aus einem unmittelbaren Anlass entwickelnde Versammlung ohne Veranstalter, die das Privileg der Anmeldefreiheit genießt. Dadurch blieb die Demo komplett ungeregelt und wurde von der Polizei freundlich eskortiert, während das Amt eine angemeldete Demo der Maßnahmen-Befürworter durch Restriktionen (Ortsvorgabe, Beschränkung der Teilnehmerzahl, Absperrung, Maskenpflicht, polizeiliche Kontrolle) einseitig beschränkte und damit benachteiligte. Das war in der Tat "absolut entsetzlich" (Felix Bredschneijder) und "völlig inakzeptabel" (Ludwig Hartmann).

Danach fiel das Landratsamt ins andere Extrem. Es verbot Versammlungen, statt sie durch die Auflagen "Maske", "Abstand", "abgegrenzter Ort" und "keine Fortbewegung" zu beschränken. In Starnberg hat das nicht gehalten. Das Landsberger Landratsamt hat Glück gehabt, dass seine ähnliche Allgemeinverfügung nicht ebenfalls gerichtlich angefochten wurde. Außerdem beging das Amt einen weiteren Fehler. Während es in der vergangenen Woche Gleiches ungleich behandelte, regelte es am Montag Ungleiches gleich. Es untersagte nicht nur die unangemeldete Spaziergang-Demo gegen, sondern auch zwei andere angemeldete Demos für die Corona-Politik, die man sehr wohl hätte beschränken können. Man kann nicht den Exzess der einen Demo zum Verbot der anderen nutzen.

Für die nächste Woche ist daher kein Verbot zu empfehlen, sondern eine Beschränkung aller Demos in gleichem Maß. Es handelt sich bei geplanten "Spaziergängen" um "Versammlungen"; das ist inzwischen unstreitig. Da sie nicht spontan sind, müssen sie angemeldet werden. Da sie nicht angemeldet werden, sind sie rechtswidrig. Da sie rechtswidrig sind, kann man sie auflösen. Handelt es sich dabei nur um ein paar wenige Personen, wäre das unangemessen. Keine Wahl aber besteht, wenn sich durch die Demonstration die Gefahr entwickelt, die das Landratsamt zuvor als Verbotsgrund definiert hat, nämlich "dass sich Menschen für eine gewisse Zeit dicht zusammen aufhalten", wodurch "eine schnelle Übertragung des Virus somit bei Anwesenheit infektiöser Personen wahrscheinlich" ist.

Außerdem darf eines nicht passieren: Dass man durch Gesetzesverstoß einfacher demonstrieren kann als durch Gesetzestreue. Dann stünde das Vertrauen in den Rechtsstaat auf dem Spiel.

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Das Demo-Monopol

Mittwoch, 12.01.2022

Gestern erzählte uns jemand einen Traum; wir geben ihn als Satire an Sie weiter. Die Vegetarierin V möchte für Donnerstag um 18 Uhr eine Versammlung in der Landsberger Altstadt anzeigen: für gesunde Ernäherung ohne Fleisch. Das geht nicht, sagt ihr der Beamte B, zu dieser Stunde seien schon die Metzger da. Haben die Metzger ihre Versammlung denn vor uns angezeigt? fragt V. Nein, antwortet B, da sich die Versammlung der Metzger "aus einem unmittelbaren Anlass ungeplant und ohne Veranstalter entwickelt", sei sie gar nicht anzeigepflichtig.

Aber woher wissen Sie denn, dass sich in vier Tagen etwas entwickelt, und zwar ungeplant, aus einem unmittelbaren Anlass heraus und quasi von selbst? fragt V. Zum einen stehe es im Internet, antwortet B und zitiert: Kommt alle nach Landsberg, Donnerstag, 18 Uhr. Außerdem gebe es jetzt jede Woche eine solche Demo. V schüttelt sich. Aber das geht doch gar nicht, wiederholt und zu einer festen Zeit, das ist nicht "ungeplant", das ist nicht spontan. Viele Metzger schickten sich Telegramme, um an den Termin zu erinnern. Sie kämen in Fahrgemeinschaften von überall her. Die Demo der Metzger beruhe auch nicht "auf einem unmittelbaren Anlass", sondern auf den Regelungen von Bund und Freistaat zu Gesundheit und Ernährung. V schließt: Sie wenden die falsche Vorschrift an. Leidtragende sind die Vegetarier und die Landsberger - die haben genug von den Kotelett-Pilgern.

Die Metzger führen aber keine Plakate mit, sagt B, Plakate sprechen für vorher geplant. Aber alles andere doch auch, antwortet V. Sie können doch nicht nur auf das Wort "Bummeln" und die fehlenden Transparente abstellen; Sie lassen sich an der Nase herumführen! stößt V aus und wird unruhig. B bleibt gelassen: Vom Bummeln geht aber keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. V antwortet: Das ist Voraussetzung für alle Demos, macht die der Metzger aber nicht zu einer spontanen, ungeplanten, sich aus einem unmittelbaren Anlass entwickelnden, nicht anzeigepflichtigen und folglich nicht im Detail regelbaren Demo, so dass eine zweite Meinung wegen der Gefahr des Aufeinandertreffens beider Seiten kein Gehör mehr bekommt.

Den Satz habe ich gut hingekriegt, lobt sich V. in ihrem Traum. Ab jetzt machen wir jeden Tag eine ungeplante vegetarische Demo. Wir nennen das "Spontan frische Luft schnappen". Eine Spontan-Demo ist ja keine Demo zweiter Klasse. Man kann spontan stehen bleiben und spontan etwas singen, man kann spontan Sprechchöre machen und spontan Zwiebelkuchen verteilen. Andere Meinungen kommen dann nicht mehr zum Tragen. Die duftenden Metzger verbannen wir für immer aus der Stadt. Und haben zu unserem Thema ein Demo-Monopol!

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Gutes Neues

Mittwoch, 05.01.2022

Sicher hat man Ihnen schon ein gutes neues Jahr gewünscht. Und Sie haben den Wunsch für sich gedanklich konkretisiert. Gesund bleiben und bei Krankheit schnell genesen. In Gesellschaft sein und echte Freundschaft pflegen. Tolle Urlaube machen und sich gut erholen. Dass Sie selbst dazu beitragen müssen, wissen Sie.

Aber es gibt auch objektive und politische Bedingungen, von denen die Erfüllung Ihrer Wünsche abhängt. Ohne Risiko und Quarantäne klappt das mit dem Reisen nur, wenn wir die Corona-Infektionen in ganz Europa auf ein - wohl bleibendes - Normalmaß reduzieren; deswegen ist es egal, ob ein fremder Staat bei Impfungen versagt oder die eigene Gesellschaft - beides darf nicht sein. Gesundheit und Genesung setzen voraus, dass unsere Ärzte und Pfleger (m/w/d) nicht erschöpft, unsere Kliniken nicht überfüllt und unsere Pflegeheime nicht ausgebucht sind. "In Gesellschaft sein" funktioniert für viele Menschen nur, wenn wir mit Kultur und Institutionen wie Begegnungszentren, Tagespflege und Mehrgenerationen-Wohnen nachhelfen.

Für mich soll's rote Rosen regnen, mir sollen sämtliche Wunder begegnen, die Welt, die soll sich umgestalten und ihre Sorgen für sich behalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel wählte diesen Song für ihren Abschieds-Zapfenstreich. Vielleicht wollte sie uns ein letztes Mal sagen: Wir können keine Ich-Gesellschaft sein. Wir müssen eine Wir-Gesellschaft werden. Erst recht in diesem Jahr, in dem die Politik die Ziele "weniger CO2-Ausstoß", "weniger Staus und Lärm", "weniger Verbrauch fossiler Brennstoffe" sowie "geringere Immobilienpreise" konsequent angehen will.

Wenn das gelingen soll, müssen wir zunächst aufhören, bei diesen Themen fundamental zu opponieren und zu hoffen, dass der Kelch an uns vorbei geht. Wer keine Windräder in der Nähe, keine Einschränkung beim Individualverkehr und kein Baugebiet um die Ecke zulassen will, der trägt dazu bei, dass der Staat elementare Grundbedürfnisse der Bürger bald nicht mehr erfüllen kann.

Der zweite Schritt muss ein persönlicher sein. Ebenso wie wir geplante Dienstreisen oder Schulungen in Präsenz auf den Prüfstand stellen sollten, müssen wir das Fernweh ökologisch vertretbar machen, wozu auch gehört, private Kurzreisen mit dem Billigflieger aufzugeben. Jeder von uns sollte 2022 sein Verhalten überprüfen, um das Leben auf hohem Niveau zu halten. Und es wäre es eine gute Idee, dass Sie in dem Gebiet, in dem Sie sich kompetent fühlen, politisch und gestalterisch an den Veränderungen mitwirken, soweit die Kommunen das ermöglichen (und das sollten sie tun). Nur dann wird dieses Jahr ein gutes Jahr. Für Sie und für uns alle.

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Schiefe Töne, falscher Text

Mittwoch, 29.12.2021

Dass der landsbergblog innerhalb kurzer Zeit dreimal das gleiche Thema behandelt, ist selten. Die jüngste Stellungnahme von Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) zu Intel macht das aber notwendig. Nach Landrat Thomas Eichinger (sinngemäß: "Die Bürger sollten dem Geschehen getrost entgegenblicken") sowie den Abgeordneten Michael Kießling und Alex Dorow (sinngemäß: "Eine Ansiedlung ist nicht Sache der Bürger, sondern der Politik") äußert nämlich nun auch die Landsberger Verwaltungschefin in einer Presseerklärung die Absicht, nach Bekanntgabe der konkreten Pläne von Intel in Kürze "in den politischen Gremien" eine "seriöse Standortentscheidung" herbeizuführen; man brauche nur noch "etwas Geduld".

Das klingt, als solle der Stadtrat demnächst über ein Ja oder Nein zur Ansiedlung von Intel abstimmen. Aber das wäre gegen das Gesetz. Zwar hätte niemand etwas dagegen, wenn das Gremium Intel eine Absage erteilt, falls es wirklich um die Mega-Lösung geht, die Pat Gelsinger geschildert hat. Aber es ist aus eigener Kraft nicht in der Lage, ein positives Votum abzugeben, weder im Sinne eines Vorbescheids noch einer Zusage - und zwar auch nicht, wenn es nur um die auf den Fliegerhorst begrenzte Variante gehen sollte. Schon der Versuch des Stadtrats, Fakten zu schaffen, würde das wirksamste Bürgerbegehren auslösen, das Landsberg je erlebt hat.

Das Maximum ist, einen nächsten Schritt zu gehen und die Einzelheiten der geplanten Ansiedlung und ihre Auswirkungen auf Natur und Umwelt, Wasserhaushalt und Verkehr sowie auf den Wohnungsmarkt, Kitas und Schulen zu ergründen. Das alles muss dann in die Bauleitplanung samt Umweltbericht einfließen und den Bürgern sowie den Trägern öffentlicher Belange vorgelegt werden. Erst danach ist die von Baumgartl genannte "Standortentscheidung" möglich. Alles andere ist unseriös.

Früher trat Baumgartl für die Einbeziehung der Bürger ein, etwa bei "Landsberg 2035". Nun bleibt sie sogar noch hinter ihrem Bürgermeister-Kollegen aus Penzing zurück, der in der gleichen Presseerklärung ankündigte, dass die Gemeinde unmittelbar nach dem Votum von Intel in eine "neue Beratung" eintreten wird, "Bürgereinbindung inklusive". Peter Hammer hat also aus der Diskussion der vergangenen Wochen gelernt; bei Doris Baumgartl ist das noch nicht erkennbar. Sie singt erneut das Lied "Einmal werden wir noch wach, dann kommt der Entscheidungstag". Aber die Töne sind schief, der Text ist falsch und das "Kleine Liederbuch des politischen Alleingangs" ist nicht gesetzeskonform.

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Bürger-Bashing

Mittwoch, 22.12.2021

Die beiden CSU-Politiker Alex Dorow und Michael Kießling haben den Verzicht von STEICO auf eine Ansiedlung in Stillern bedauert. Sie beklagen die "erzeugte öffentliche Stimmung", konstatieren eine "Weigerung, sich mit Zukunftsprojekten zu befassen" und sprechen von einer "vorzeitig ablehnenden Haltung". Sie wünschen sich, dass künftig "die gewählten Gremien" entscheiden und zwar "wirklich erst am Schluss".

Da ist etwas Nachhilfe nötig. Die Errichtung nicht-privilegierter Werke im Außenbereich ist nach dem Baugesetzbuch nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt sind. Maßstäbe sind unter anderem die Kriterien Lärm, Naturschutz, Landschaftspflege, Wasserwirtschaft und Agrarstruktur. Dass anliegende Gemeinden, Bürger aus der Nachbarschaft, Landwirte, Förster oder Naturschutzverbände Beeinträchtigungen dieser Art geltend machen, ist denklogischer Bestandteil des Gesetzes. Liegt auch nur eine einzige derartige Beeinträchtigung vor, ist nämlich jede weitere Abwägung ausgeschlossen. Das Baugesetzbuch verhindert also absichtlich, dass der Gemeinderat am Ende frei entscheidet. Das darf er nur, wenn er gerichtsfest darlegt, dass es die geltend gemachten Beeinträchtigungen gar nicht gibt.

Dabei gibt es kein "zu früh". Das Gesetz verlangt eine Geltendmachung vor der Entscheidung, nicht erst danach. Dorow und Kießling hätten argumentieren können, die in Sachen Steico vorgebrachten Einwände seien unberechtigt. Sie haben aber die "vorzeitig ablehnende Haltung" kritisiert und verfehlen damit ihr Ziel komplett. Das Gesetz geht von Vorzeitigkeit geradezu aus. Denken wir einen Moment an den Fliegerhorst, wo eine Bauleitplanung ansteht. Auch da gilt nach dem Gesetz: "Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über ... die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben."

Dass bei dieser frühzeitigen Beteiligung eine ablehnende "öffentliche Stimmung" entstehen kann, folgt aus der Natur der Sache. Dann sind sowohl das Unternehmen, das sich ansiedeln will, wie auch die Politik gefragt, den Diskurs zu moderieren. Dazu gehört auch, andere Standorte zu erwägen oder etwa Vorhaben zu verkleinern. Ohne eine solche Moderation provoziert die Politik geradezu den Rückzug von Unternehmen. Bürgern anschließend vorzuwerfen, sie verweigerten sich Zukunftsprojekten, ist dreist. Die Verweigerer, das sind Politiker, die Einwände ignorieren und sich tadelnd zu Wort melden, wenn die Sache schief gegangen ist. Sie sollten nicht Bürger bashen, sondern ihre Arbeit tun.

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SPD im Aufwind

Mittwoch, 15.12.2021

Wer hätte das gedacht? Noch vor Monaten sah es so aus, als verlöre die SPD überall an Bedeutung und Einfluss, auf Bundesebene, im Freistaat und im Landkreis. Nun stellt sie den Bundeskanzler. Sie verdoppelt den Stimmanteil beim BayernTrend. Und auch im Landkreis Landsberg tut sich Entscheidendes: Die SPD hat die Haushaltsberatung geradezu gerockt und dadurch die Erhöhung der Kreisumlage um zwei Punkte verhindert. Die Stadt Landsberg, die beiden Märkte Dießen und Kaufering sowie die Gemeinden sind richtig dankbar dafür.

Manche sagen, die SPD habe sich damit ein Stück weit aus der Koalition mit der CSU herausgewagt, die dem SPD-Kreisvorsitzenden Markus Wasserle das Amt eines Stellvertreters des Landrats bescherte. Richtig ist wohl, dass die SPD "Koalition" genau so versteht wie jetzt. Dazu gehört auch, früh Alarm zu schlagen, wenn der Landrat und sein Amt einen problematischen Weg einschlagen. Geradezu vorbildlich ist dabei die Fleißarbeit, die die Vertreter der SPD vor dem ersten Gespräch in dieser Sache leisteten. Sie zeigten die steigende Liquidität des Landkreises auf, glichen die beantragten Investitionen mit der Agenda der Stadt ab und legten überzeugend dar, dass es der Erhöhung der Kreisumlage gar nicht bedurfte. Für diese detaillierte inhaltliche Befassung hat die SPD von anderen Fraktionen Lob erhalten, wenn auch teils hinter vorgehaltener Hand.

Wenn der Landkreis nun darauf hinweist, in den Folgejahren stünden hohe Investitionen an, deswegen wäre es besser gewesen, jetzt schon mehr Geld einzusammeln, dann ist das ein problematisches Verständnis vom Haushaltsrecht. Der Landkreis kann nur Kosten ansetzen, die im Haushaltsjahr wirklich entstehen; alles andere ist Gegenstand der Finanzplanung, die noch keinen Einfluss auf die aktuelle Kreisumlage haben kann. Der Landkreis darf sich aber nicht vorsorglich einen finanziellen Winterspeck anlegen, um später bessere Chancen auf einen genehmigungsfähigen Haushalt oder eine Zustimmung des Kreistags zu haben. Eine Landkreisbank darf es nicht geben.

Etwas irritiert nach wie vor: Die Kreisverwaltung betont den hohen aktuellen und künftigen Finanzbedarf, hält aber am Neubau eines Landratsamts fest. Zwar sind Mieten langfristig teurer als ein Neubau, keine Frage. Aber sie belasten den Kreis nicht auf einen Schlag, sondern nach und nach. Wir laufen wegen eines Prestigeobjekts in eine enorme Verschuldung des Landkreises hinein, aus der wir so schnell nicht herauskommen. Das mündet in viele magere Jahre. Vielleicht denken die Parteien nochmal darüber nach. Unter anderem die SPD.

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Live aus der Vergangenheit

Mittwoch, 08.12.2021

Wenn Landrat Thomas Eichinger (CSU) unter dem Titel "Landrat live" ein Video aufnimmt, sollte man meinen, dass er die aktuelle Diskussion zu einem Thema aktuell kommentiert. In seinen Anmerkungen zur Intel-Ansiedlung hat er aber den Sachstand vom Juni unterstellt, um den Widerstand vom Dezember zu entkräften. Das mutet irreführend an und kann nicht überzeugen.

Live aus der Vergangenheit argumentiert Eichinger zum Beispiel, auf dem Fliegerhorst hätten doch früher schon mal "zwei bis dreitausend Menschen" gearbeitet. 2.350 waren es nach Angaben der Bundeswehr exakt, aber egal: Der Stadtrat und der Gemeinderat haben bereits 50 Prozent mehr Intel-Beschäftigte, nämlich 3.500 Personen, akzeptiert. Inzwischen geht es aber um 12.000 Angestellte. Das ist eine ganz andere Dimension. Auch optisch lässt Eichinger in das Video immer nur den Fliegerhorst einblenden. Inzwischen geht es aber um 230 Hektar mehr, um 500 Hektar insgesamt, ein Areal das doppelt so groß ist wie der Fliegerhorst.

Die Stadt und die Gemeinde könnten doch später noch über das Ausmaß der Ansiedlung entscheiden, verkündet der Landrat. Man könne dem Geschehen "getrost" entgegenblicken. Es gebe keinen Grund, "in Panik zu verfallen". Herr Eichinger: "Getrost entgegenblicken" ist geradezu der Gegenentwurf von Demokratie. Und Kritik ist keine Panik, sondern Bürgerrecht. Die Argumentation verdeutlicht im Übrigen die fehlende Erfahrung des Landrats: Wenn die Verhandler aus Brüssel, Berlin und München erst einmal den "Letter of Intent" mit Intel unterzeichnen, haben Landsberg und Penzing faktisch keinen Einfluss mehr. Sie werden von Euphorie geradezu überrollt. Wenn die Politiker vor Ort erst dann Grenzen ziehen, werden sie zurecht hören: Wieso habt Ihr das nicht früher gesagt? Wer jetzt zur Strategie des Schweigens rät, fordert die überbaute und überhitzte Region geradezu heraus.

Man solle sich nicht davon irritieren lassen, was "irgendwelche Zeitungsmeldungen suggerieren", die "allgemeine Verunsicherung" bewirkten, sagt Eichinger in seinem Video. Aber die von Intel als gültig bekräftigten Angaben ihres Chefs Pat Gelsinger stammen aus einem autorisierten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; authentischer können Medien nicht sein. Wenn Eichinger sagt: "Genaue Informationen konnte der Presse niemand geben", dann stimmt das nicht; Gelsinger war mehr als exakt. 12.000 Mitarbeiter und 500 Hektar sind doch wohl konkret genug. Und sie waren laut Mitteldeutscher Rundfunk auch Anfang November, beim Besuch von Intel in Magdeburg, wieder Gesprächsgrundlage.

Keine Panik! Nicht verunsichern lassen! Getrost entgegenblicken! Wer diese Sätze eines amtierenden Landrats hört, der fragt sich, aus welchem Jahrhundert sein Politikverständnis entspringt. Ähnlich hat sich inzwischen auch der Landsberger CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Kießling geäußert. Für uns bleibt es dabei: Politik umfasst, Interessen früh zu formulieren. Intel in Normalgröße ist herausfordernd, aber der Nutzen überwiegt. Intel als "Mega-Fab" nach US-Vorbild sprengt unsere Systeme und schwächt die Region. Das ist eigentlich einfach zu verstehen. Wenn man es verstehen will.

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Kaschierte Schlechtleistung

Mittwoch, 01.12.2021

Zu den Aufgaben der Landkreise gehört, rechtzeitig und dauerhaft die Einrichtungen zu unterhalten, die Bürger und Gemeinden für ihr tägliches Leben benötigen. Dazu gehören Gymnasien, Berufsschulen, Schwimmbäder, Straßen und Altenheime. Seit fast zwei Jahren brauchen die Landkreisbürger aber auch genauso nötig Impfzentren und Teststationen, für eine Erst- oder Zweitimpfung, für die Auffrischung ihres Schutzes oder weil man von ihnen einen aktuellen Corona-Test verlangt.

Der Landkreis Landsberg und andere Kreise in der Umgebung (siehe Bericht auf Seite x), haben diese Aufgabe nicht ausreichend adaptiert. Ihre Impf- und Testzentren sind mal hier und mal dort Mieter, sie sind mal geöffnet und mal nicht, manchmal haben sie genug Personal, manchmal gibt es lange Wartezeiten, mal ist Impfstoff im Überfluss vorhanden, mal ist er Mangelware, mal genehmigt man die Mitarbeit sozialer Träger, mal lehnt man sie ab. Das ganze chaotisch zu nennen, ist eine Untertreibung. Der Gipfel ist ein Sonderimpftag, bei dem es keinen Impfstoff gibt.

Dass Landkreise ausgerechnet vor einer lange absehbaren Verschärfung der Krise Personal abgebaut haben, ist besonders unverständlich. "Wir konnten die eingesetzten medizinischen Fachkräfte doch nicht Däumchen drehen lassen", hält man uns entgegen. Jetzt dauere es halt, bis sie wieder da sind. Nein, Däumchen drehen war keine Option, aber man hätte die Expertinnen und Experten zwischenzeitlich durchaus als Botschafter in weiterführende Schulen und Vereine, auf Marktplätze und in Supermärkte, in Altenheime und Unternehmen schicken können, damit sie fürs Impfen werben und vielleicht sogar mobil gleich tätig werden. Wer ungeimpft ist, muss ja nicht unbedingt Impfgegner sein. Viele Ärzte erleben beispielsweise gerade, dass Menschen bei ihnen auftauchen, die klassischer Haus- und Facharztmedizin gegenüber unaufgeschlossen sind. Sie sind schwer erreichbar und kommen oft erst, wenn es schon zu spät ist.

Erstaunlich ist, mit welchem Selbstbewusstsein der Landkreis Landsberg die Mindererfüllung drängender Aufgaben kaschiert: durch eine vollgepackte Investitions-Agenda samt horrender Neuverschuldung. Obwohl die Stadt, die Märkte und die Gemeinden wegen der Pandemie deutlich geringere Steuereinnahmen haben, will Landrat Thomas Eichinger (CSU) die Kreisumlage um zwei Punkte erhöhen. Gleichzeitig verlangt er von den Kommunen genehmigungsfähige Haushalte. Das geht nur durch Kürzungen vor Ort oder über-optimistische Einnahmeprognosen, die sich am Jahresende rächen. Aber das Ziel ist schon erreicht: Über die Schlechtleistung bei Corona sprechen nur noch die Bürger; die Gremien sind schon wieder beim ewigen Thema Geld.

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Weniger Aura, mehr Agilität

Mittwoch, 24.11.2021

Moderatoren lernen: Wenn sie in ein Thema einführen, sollten sie sich nicht inhaltlich äußern. Für diese Fälle gibt es die Formel "wichtig, spannend, interessant". Man verdeutlicht die Bedeutung der Sache, sagt aber nichts Konkretes. Es scheint, als ob unsere Oberbürgermeisterin auch mal so einen Kurs besucht hat. Die Antworten der Stadt auf Anfragen bleiben oft in einem unverbindlichen Duktus und sind zuweilen so verquirlt, dass man alles und nichts daraus lesen kann; sie wörtlich abzudrucken, scheidet meist aus. Das liegt nicht an der Pressestelle; die kennen wir anders. Es scheint vielmehr, als hätten die Verwaltungschefin und ihr Führungsteam Angst davor, auch nur eine grobe Richtung ihres Handelns und ihrer Absichten erkennen zu lassen. Die Devise lautet wohl: Besser nichts sagen als etwas Falsches sagen.

Auch zu Intel hören wir gerade so etwas wie: Es ist wichtig, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist spannend, was die Verhandlungen des Freistaats ergeben. Wir werden anschließend schauen, wie wir das umsetzen. Vorausgeschickt wird immer ein: "Wir wissen von nichts". Das ist schon Moderatoren nicht zu empfehlen, bei verantwortlichen Bürgermeistern (m/w/d) ist das unerträglich. Es ist geradezu ihre Pflicht, auf dem neuesten Informationsstand zu sein und wenn erforderlich frühzeitig und diplomatisch zu reagieren. Auf Anträge zu warten, ist lange passé, weil heute bereits früh Fakten geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmenschef in einem weltweit zur Kenntnis genommenen Interview etwas sagt, was die Stadt oder die Gemeinde vor Ort betrifft, das Rathaus aber Nichtwissen geltend macht, weil die Aussagen ja nicht gegenüber ihm erfolgt sind.

Bei eher unbedeutenden Themen verzeichnen wir übrigens das Gegenteil. Wen die Oberbürgermeisterin vermählt, wem sie gratuliert, was sie besichtigt und wem sie dankt, erfahren wir durchaus konkret und in textlicher sowie fotografischer Ausführlichkeit. In der Verwaltung gefällt manchen die verständnisvolle und sympathische Oberbürgermeisterin, der zumindest öffentlich nie ein falsches Wort entfährt. Andere aber vermissen bei ihr Mut und Entscheidungsfreude. Sie sagen: Eine Aura allein reicht nicht; wir erwarten mehr Agilität. Eine Stadt, mit der die Bürger im Einklang sind, ist eine offene, transparente Stadt, in der auch laufende Themen nicht tabu sind. Es reicht nicht, zu betonen, der Dialog mit den Bürgern sei wichtig, spannend und interessant. Denn die Stadtspitze ist nicht zum Moderieren gewählt; Handeln ist ihr Job.

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Die Befristung muss bleiben

Mittwoch, 17.11.2021

Es ist wie oft in Landsberg: Kaum ist der Wunsch nach einem bestimmten städtischen Handeln formuliert, wird zeitgleich Empörung gestreut. Wieso haben der Stadtrat und die Verwaltung die begehrte Maßnahme nicht längst von sich aus getroffen? Wieso müssen sich erst "die Betroffenen" zu Wort melden? Gerne werden Medien zum Transport derartiger Vorwürfe genutzt. So verhält es sich auch in Sachen Außengastronomie. Gastwirte dürfen Tische, Stühle und Sonnenschirme auf öffentlichen Grund stellen, aber nur vom 1. April bis 31. Oktober. Das hat der Stadtrat schon vor elf Jahren in der Sondernutzungssatzung normiert. Hauptgrund dafür ist, dass die Stadt auf den genutzten Plätzen und Wegen die Räum- und Streupflicht hat. Daher haftet sie, wenn jemand ausrutscht und stürzt. Sie kann diese maschinell erledigte Pflicht zwar an die Besitzer der Lokale delegieren. Aber dann müssen die Gastwirte die Flächen in manueller Feinarbeit rund um Tische und Stühle von Schnee und Eis befreien, notfalls mehrfach am Tag. Das ist mit dem normalen Personal wohl nicht zu schaffen. Außerdem müsste die Stadt regelmäßig kontrollieren, ob die übernommene Aufgabe auch zuverlässig ausgeführt wird. Da ist der nächste Aufreger gleich vorprogrammiert.

Da es hier um die Übertragung von Pflichten geht, kann die Stadt die Verlängerung der Außengastronomie nicht einseitig festlegen; es bedarf einer Absprache beider Seiten und zwar aufgrund einer Interessenbekundung der Gastronomen. Für Empörung ist also überhaupt kein Anlass. Für die heutige Sitzung liegt dem Stadtrat ein Antrag vor, die Außenbewirtung bis Ende November zu erlauben; dem kann man zustimmen. Einzelne Stehtische draußen werden darüber hinaus sicher toleriert.

Inzwischen wird allerdings propagiert, die Befristung der Außengastronomie ganz abzuschaffen. Wer diese Forderung stellt, geht möglicherweise davon aus, dass die Gastwirte im Winter Heizgeräte betreiben. Hochalpiner Sonnenschein ist am Lech ja eher selten. Solche Geräte sind an einigen Lokalen tatsächlich installiert. Ihre Nutzung hat die Stadt in Form einer Nebenbestimmung zur jeweiligen Erlaubnis aber bereits bisher abgelehnt. Und zwar zurecht. Wir können in Zeiten des Klimawandels nicht zulassen, dass wir zum Zweck des Vergnügens Wärme in die Außenluft pusten. Egal mit welcher Technik: Infrarot-Geräte sind laut Umweltbundesamt in der Summe genauso schädlich wie Gas-Heizpilze. Wir alle müssen dazu beitragen, CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Gastwirte auch.

Nun fehlt für ein entsprechendes Verbot aber noch eine landesrechtliche Bestimmung. Das bedeutet, dass der Stadtrat gar keine Wahl hat. Hebt er die Befristung für die Gastronomie komplett auf, dann hat er nicht nur ein Haftungsproblem, sondern trägt mangels eigener Rechtsetzungsbefugnis auch noch zum Einsatz von Heizstrahlern bei. In Frage kommt daher nur, bei der Befristung zu bleiben: Wenn die Außenbewirtung in kalten Monaten gar nicht stattfinden kann, dann gibt es auch keinen Grund, eine Heizung anzuwerfen. Das Heizproblem ist so - zumindest für den öffentlichen Grund - automatisch mitgelöst. Kommunalpolitik ist eben die Kunst, alle Aspekte zu berücksichtigen und einen gangbaren Weg in der Normenwelt von Bund und Land zu finden. Anders geht es nicht.

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Zur Außenbewirtung im November

Podcast "landsbergblog aktuell" vom 12.11.2021


Es muss passen

Mittwoch, 10.11.2021

In Sachen Intel gibt es viele Aspekte. Es geht zunächst um eine Kompetenzabgrenzung. Im Juni haben der Landsberger Stadtrat und der Penzinger Gemeinderat Entscheidungen auf der Basis "270 Hektar Fliegerhorst, 3.500 Mitarbeiter" getroffen. Seit Anfang September stehen "500 Hektar Fläche, 12.000 Mitarbeiter" im Raum. Die Oberbürgermeisterin und der Penzinger Bürgermeister hätten spätestens nach sich häufenden Berichten darüber - ab da kann man Kenntnis unterstellen - den Stadtrat einberufen und ein neues Votum einholen müssen. Sie können die Sache nicht einfach weiterlaufen lassen. Neue Lage, neuer Beschluss.

Zwar sind die Stadt und die Gemeinde im Moment nicht im Spiel; die Verhandlungen führt das Bayerische Wirtschaftsministerium. Aber mindestens ihm gegenüber kann man ein "Bis hierher und nicht weiter" erklären. Deswegen überzeugt das Argument nicht, die Entscheidung von Intel sei ja noch gar nicht gefallen. Ist sie einmal getroffen, wird in halb Europa Jubel ausbrechen. Endlich eine Chip-Produktion vor Ort! Endlich weniger Abhängigkeit von Taiwan! Endlich wieder ein gemeinsames USA-Europa-Projekt! Die Stadt und die Gemeinde würden dann mit ihrer Skepsis gegenüber doppelt so viel Fläche und dreimal so viel Arbeitsplätzen sehr kleinteilig wirken.

Was dann geschieht? Nun, zwischen Landsberg und Penzing entsteht eine riesige Traglufthalle. Hunderte von englischsprachigen Experten aus den Bereichen Bauleitplanung, Wohnungsbau, Straßenbau, Nahverkehr, Naturschutz, Landwirtschaft, Schulwesen, Kindertagesstätten, Stromversorgung, Wasserwirtschaft und vielen anderen Fachgebieten wie Ausschreibungs- und Vergaberecht erarbeiten dort in enger Abstimmung mit Intel-Planern ein zehntausend Seiten umfassendes Pflichtenheft und stoßen zahlreiche Projekte im Milliardenumfang an, die die Gemeinde, die Stadt, der Landkreis, der Freistaat und der Bund parallel zum Aufbau der Chipfabrik vorantreiben, um just in time die Infrastruktur zu schaffen, die Intel und seine Mitarbeiter brauchen. So etwas kennen wir zwar, aber bislang nur aus Science Fiction Filmen, in denen es darum geht, Meteore umzuleiten.

Die organisatorische Herausforderung ist immens und die möglichen Rückschläge sind schon jetzt absehbar. In Taiwan zeigt sich der enorme Wasserverbrauch von Chipfabriken. Auch hat man dort erfahren, dass Erschütterungen durch U-Bahnen die Produktion beeinträchtigen. Errechnet den Wasserbedarf, fliegt Seismologen ein! Und befasst Euch schon mal mit Lurchen, die Lebensraum beanspruchen, Eigenheimbesitzern, die sich gegen eine Nachverdichtung stemmen, Bürgerinitiativen, die Umgehungsstraßen fordern und Landwirten, die dagegen sind, besten Ackerboden für Microchips zu opfern!

Landsberg und Penzing halten sich an das, was sie versprochen haben. Das sollte man jetzt im Stadtrat und im Gemeinderat bekräftigen. Es mag ja sein, dass sich die erforderliche Grenzziehung bei 270 Hektar und 3.500 Mitarbeitern, vielleicht mit ein wenig Spielraum nach oben, wie eine Bombe darstellt, die Intel vergrault. Aber eine Zeitbombe ist viel gefährlicher. Intel und die Region, das muss passen. Exzessiv passt es nicht.

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Spinnennetz definieren

Mittwoch, 03.11.2021

Ab Montag gibt es zwei neue Buslinien, die das Industriegebiet im Frauenwald mit mehreren Haltestellen an das Stadtbusnetz und an den Bahnhof Kaufering anschließen. Den offiziellen Startschuss dafür gaben Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl und Landrat Thomas Eichinger schon heute. Das schreibt der KREISBOTE am 27. November 2020. Der Landkreis habe diese Linien schon 2011 gewollt, sagt ein Vertreter des Landratsamts bei einem Pressetermin. Bisher seien sie jedoch an der Zustimmung des Stadtrates gescheitert. Das Edeka Logistikzentrum nehme 125 Jahrestickets ab, die das Unternehmen seinen Mitarbeitern zur Verfügung stelle.

Am 25. Oktober 2021 teilt der Landkreis mit, auf der Linie 302 habe es in der gesamten Laufzeit nur Einnahmen von 334,60 Euro gegeben. Und bei der Linie 6 seien es glatte 0 Euro – kein einziger Fahrgast wurde transportiert. Die Kosten für die beiden Linien hätten allerdings 177.524 Euro betragen, jeweils 89.000 für Stadt und Landkreis. Von den 125 Jahrestickets seien nur vier an Angestellte weitergegeben worden. Die Maßnahme werde eingestellt.

Daraus lernen wir zweierlei. Zum einen muss man offenbar noch spitzfindiger sein, was Angaben von Stadt und Landkreis betrifft. Das Edeka Logistikzentrum hat die Jahrestickets offenbar nicht "abgenommen", sondern nur in Kommission genommen, sonst wären die Einnahmen ja höher. Man hätte also nachfragen müssen: "Sind das bereits Einnahmen oder es ist es nur die Hofnung darauf?"

Zum anderen: Wie kann man denn ein Busunternehmen beauftragen und bezahlen, ohne zuvor die Bereitschaft zur Nutzung der beiden neuen Linien verlässlich erkundet zu haben? Es gibt jede Menge Mittel, die Wege abzufragen. Wenn Sie den Bus nehmen, welche Verkehrsmittel benutzen Sie dann nicht mehr? Wie kommen Sie von zu Hause zu einer der Bushaltestellen? Wird Ihr Weg zur Arbeit durch die neuen Buslinien kostengünstiger / bequemer / einfacher? Man hätte schnell gemerkt: Das wird nichts. Zumal die ArbeitnehmerInnen ja vor Ort kostenlos parken. Das Fiasko war vermeidbar, die 177.524 Euro Steuergelder (minus 334,60 Euro Einnahmen) hätte man sich sparen können.

Nicht lernen können wir allerdings, dass ein Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel generell undurchführbar ist. Er muss nur den gesamten Weg berücksichtigen, den Takt, die Umstiegsstellen vom Auto oder vom Fahrrad auf den Bus und natürlich auch den Zeitaufwand. Man kann nicht einfach eine Maßnahme punktuell vornehmen und glauben, das sei bereits attraktiv. Das erfordert, ein komplettes Spinnennetz der Mobilität zu definieren. Nur wenn die Komponenten ineinander greifen, klappt die Sache. Da haben Landkreis und Stadt wieder was gelernt.

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Nicht Ihr für uns

Mittwoch, 27.10.2021

KREISBOTE und landsbergblog haben das Bauvorhaben Urbanes Leben am Papierbach (ULP) von Anfang an mit großer Genauigkeit beobachtet. Dadurch wurden wir Zeugen, wie Oberbürgermeister und Stadträte den amerikanischen Investor der Pflugfabrik erst beim Spatenstich in der Baugrube kennenlernten. Wir konnten im Detail über die Verwerfungen zwischen dem Stadtbauamt und der österreichischen Baufirma beim Lechsteg-Bau berichten. Und wir hatten schon früh Kenntnis davon, dass Projektentwickler ehret+klein die Stadt bitten wollte, im Hinblick auf die zu erwartende Verkehrswende die erforderliche Zahl der Tiefgaragenplätze im ULP-Areal zu reduzieren. Jemand von ehret+klein fragte uns damals, ob wir eine Chance für diese Idee sähen; wir verneinten.

Stadtrat und Stadtverwaltung sehen das ähnlich. Ihnen ist klar, dass wir in Sachen Verkehrswende nicht am, sondern noch vor dem Anfang stehen. Bislang gibt es kein Indiz dafür, dass die Bewohner am Papierbach weniger Autos besitzen werden als die - knapp bemessene - Stellplatzsatzung annimmt. Denn die "modale Verlagerung" des Verkehrs auf Bus, Bahn und Fahrrad ist noch nicht mal eingeleitet, geschweige denn, dass wir wissen, ob, wie und wann sie Wirkung zeigt. Ja, klar: In der Zukunft werden wir tatsächlich alle weniger Autos besitzen und sie auch weniger oft benutzen. Das verlangt der Klimaschutz, das erfordert der Verkehrsfluss. Aber wann ist Zukunft? Jetzt noch nicht. Offenbar traut sich drei Jahre nach dem Vorschlag immer noch niemand, das ehret+klein ehrlich zu sagen.

Das Schweigen der Stadt ist leider symptomatisch. Wie die Verlagerung schrittweise in Angriff genommen werden kann, zeigt der Verkehrsentwicklungsplan, den der Stadtrat - nach öffentlicher Beschlussfassung - beim Planungsbüro Brenner Bernard in Auftrag gegeben hat. Doch weder Bürger noch Unternehmen dürfen Einblick in den derzeitigen Stand nehmen. Beide Gruppen sind doch intelligent genug, einen Entwurf von einem Beschluss zu unterscheiden; man sollte sie nicht für unmündig erklären. Und beide haben ein erhebliches Interesse daran, früh in die Diskussion einbezogen zu werden; ob Schulweg, Warentransport oder Berufsverkehr, niemand kennt die zurückzulegenden Wege so gut wie sie.

Die Stadtverwaltung räumt offiziell ein, dass ein kleiner Kreis aus Politik und Verwaltung einzelne Bereiche wie ÖPNV und Radverkehr zunächst intern berät, um diese und andere Themen anschließend mit dem Entwurf "abzugleichen". Genau diese Betrachtung war aber doch Auftrag von Brenner Bernard! Die Planer haben ja kein Teil-, sondern ein Gesamtkonzept erarbeitet. Sie wissen genau, dass nur "kommunizierende Röhren" Aussicht auf Erfolg haben: Mehr vom einen Verkehrsstrom erlaubt weniger vom anderen Verkehrsstrom. Die städtische Begründung klingt danach, als würde man in Landsberg gerade versuchen, das Rezept der Planer in seine Bestandteile zu zerlegen und die Zutaten neu zu mischen. Das kann man so machen, birgt aber die Gefahr der Parallelwertung in der Laiensphäre. Die Diskussion muss daher jetzt aus den Hinterzimmern heraus kommen. Lasst uns das gemeinsam machen. Wir für uns alle. Nicht Ihr für uns.

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Leid zählt nichts mehr

Mittwoch, 20.10.2021

Nach wie vor gibt es viele Deutsche, die eine Impfung gegen Coronaviren ablehnen. Sie riskieren ihr Leben. Sie gefährden andere, auch Geimpfte - denn keine Immunisierung bietet totalen Schutz. Sie nehmen in Kauf, als Ernährer oder Bezugsperson für immer auszufallen. Als wie unbedeutend stufen sie sich ein, um so leichtfertig zu handeln? Wie kommt es, dass sie über so wenig Selbstwertgefühl und Gemeinschaftssinn verfügen? Wer oder was hat sie so abgestumpft?

Ein Kernproblem ist: Ein großer Teil der Bürger zweifelt bis zur Selbstaufgabe. Bereits die Forderung, dass Ungeimpfte nicht mehr im Krankenhaus oder im Pflegeheim arbeiten dürfen, wird in Frage gestellt. Da werden Grundrechte der Ungeimpften beschworen, die Grundrechte der Patienten aber außer Acht gelassen. Niemand wird in Deutschland daran gehindert, todesverachtend zu leben. Aber genauso wenig hat jemand das Recht, Todesengel zu sein. Ganz undenkbar ist bei uns offenbar, Personen ohne Immunisierung nicht mehr in unsere Fabriken und Büros zu lassen. Da nimmt man dann lieber in Kauf, dass Kollegen angesteckt werden. Quarantäne für alle, Schließung des Betriebs, Schwächung des Unternehmens, Verlust des Arbeitsplatzes - das alles scheint hinnehmbarer zu sein als die Regel: Impfen lassen!

95.000 Menschen sind in Deutschland bislang an oder mit Corona verstorben. Manche davon waren "betagt" und hatten "Vorerkrankungen", wie unser Landratsamt gerne herausstellt. Ja, aber sie wären ohne Corona noch am Leben. Sie wären nicht so elendig gestorben wie jetzt. Und sie hätten nicht so plötzlich Lücken gerissen. Die Attribute, die das Amt so gerne nennt, sind Teil einer Selbstschutzstrategie vieler Bürger. Von Trauer, Innehalten oder Mitgefühl ist wenig zu spüren. Man geht zur Tagesordnung über und legt sich sogar Legenden zurecht. Eine Familie in der Nähe erlitt zwei Corona-Erkrankungen mit künstlicher Beatmung, eine Corona-Infektion mit Todesfolge und einen Langzeit-Covid-Fall. Die Anteilnahme der Mitbürger war auf den Beerdigungstag begrenzt, die Langzeit-Erkrankte wird der Simulation bezichtigt und im Dorf gibt es immer noch Menschen, die sagen, Corona sei doch nicht so schlimm. Leid zählt nichts mehr.

Anders sieht es bei den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aus, die sich mit weiteren Einflüssen paaren; die beklagt man aufs Höchste. Jedem muss klar sein: Niemand wird ab 2022 noch so leben wie einige Jahre zuvor. Steigende Preise und Steuern, eine schmerzhafte Inflation, verteuertes Wohnen durch Heizkosten-Sprung und Modernisierungs-Druck - das und vieles mehr kommt nun gleichzeitig auf uns zu. Jetzt käme es darauf an, gemeinsam und entschlossen in die Zeit nach der Pandemie aufzubrechen. Aber vielen Deutschen ist dieser Gedanke abhanden gekommen. Ihnen ist ganz vieles egal und offenbar zählen sie sogar sich selbst dazu.

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Zielkollision und Latenz

Mittwoch, 13.10.2021

Woran liegt es eigentlich, dass wir bei einigen Themen so schleppend vorankommen? Das liegt wohl vor allem an zwei Phänomenen. Das eine könnte man als Zielkollision bezeichnen. Für 2022 ist in den privaten Haushalten wegen der explodierenden (Industrie-) Nachfrage nach Öl und Gas mit einer Heizkostensteigerung um 35 Prozent zu rechnen. Also müsste der Staat die Haushalte entlasten. Was aber macht er? Er setzt mit der CO2-Steuer noch Kosten obendrauf. Die öffentliche Hand fördert den Erwerb von Elektroautos. Parallel müsste sie alles tun, um eine flächendeckende kostengünstige Ladeinfrastruktur zu schaffen. Aber sie verteuert den Strom durch einen abrupten Wechsel zu kostspieliger Energiegewinnung. Der Staat möchte, dass wir neue Heizungen einbauen. Das fördert er aber ausgerechnet in einer Zeit ausgebuchter Handwerksbetriebe, fehlender Chips, notleidender Lieferketten und anziehender Preise für Baumaterial. Der Staat erkennt, dass die Mieten unvernünftig steigen. Genau zu dieser Zeit berechnet er die Grundsteuer neu und bewirkt eine Erhöhung der Mietnebenkosten. Das alles ist jeweils Ausdruck legitimer Ziele, die aber miteinander kollidieren. Heraus kommt eine groteske Widersprüchlichkeit.

Das andere Problem ist politische Latenz, also die Verzögerung zwischen dem Entstehen und der Lösung eines Problems. Vor allem Landkreise und Kommunen gehen die Herausforderungen Wohnen und Verkehr viel zu langsam an. In Landsberg wäre es erforderlich, mit allen Projektentwicklern und Bauträgern aus der Region ein teilnehmeroffenes und Vergaberecht-konformes Schnellbauprogramm aufzulegen, durch das städtische und Freistaats-Grundstücke mobilisiert und überplant werden. Stattdessen legt der Stadtrat eine Prüfungspause ein, weil er die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft erwägt. Im Verkehrsbereich ist es ähnlich. Zwar gibt es lang laufende Überlegungen zur Fuchstalbahn und zur MVV-Tarifeinheit; beides wäre für manche Pendler ein Vorteil. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Maßnahmen und reicht nicht aus. Wer den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn will, muss Verknüpfungspunkte schaffen. Dazu gehören ausreichend Parkplätze an den Bahnhöfen Landsberg, Kaufering und Geltendorf sowie an den Ortsrändern von Landsberg, verbunden mit einem leistungsfähigen innerstädtischen Bussystem. Schneller, bequemer, kostengünstiger - nur dann funktioniert die Verkehrsreduzierung im erhofften Ausmaß. Aber wir hören Sätze wie "Der Verkehrsentwicklungsplan ist noch in Arbeit" und "An das Bussystem können wir gar nicht ran, die Verträge laufen noch".

Probleme erkannt, Probleme gebannt? Leider wohl nicht. Vielleicht schafft die neue Koalition in Berlin eine bessere Abschätzung der Politikfolgen. Und vielleicht gibt man sich auf kommunaler Ebene doch noch einen Ruck, die Herausforderungen zielgerichteter anzugehen. Zu wünschen wäre das.

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Unbebaut? Bepreisen!

Mittwoch, 06.10.2021

Es ist schon erstaunlich: Da möchte die CSU in Berlin zusammen mit ihrer Schwesterpartei CDU führender Teil einer "Zukunftskoalition" werden. Dazu verspricht sie, in Sachen Klima, Umwelt, Verkehr und Wohnungsbau jetzt aber mal richtig große Reformen einzuleiten. Gleichzeitig macht sie in Bayern eine andere Politik. Im aktuellen Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung zur Neuregelung der Grundsteuer ist kein Tarif für Investoren vorgesehen, die Grundstücke brach liegen lassen ("Grundsteuer C"). Bauträger und Projektentwickler können also nach wie vor Grund und Boden kaufen, gelegentlich roden, auf einen Wertzuwachs warten, mit ihm ihre Bilanzen aufhübschen und dann wieder mit Gewinn abstoßen, egal welche Baumaßnahme - meist geht es um Wohnungen - sie vorher versprochen haben. Manchmal erstellen oder verändern Kommunen für sie sogar Bebauungspläne. Oft erteilen sie Befreiungen von den Planfestsetzungen. In vielen Fällen hat die Verwaltung schon Bauanträge genehmigt. Jeder dieser Schritte macht das überplante Areal noch ein Stück wertvoller. Trotzdem zahlen die Spekulanten weder Grundsteuer A (Agrar) noch Grundsteuer B (Wohnen).

Es gibt zwar Instrumente, das spekulative Verhalten zu sanktionieren. Dazu kommen vor allem städtebauliche Verträge in Frage. Aber sie zu verhandeln bedarf intensiver rechtlicher Beratung, ist dementsprechend teuer und kostet viel Zeit. Außerdem weiß man von vorneherein nur selten, welche Unternehmen spekulativ unterwegs sind. Deswegen wäre eine Grundsteuer C viel einfacher. Am Freitag hat sich der Bayerische Städtetag dazu noch einmal zu Wort gemeldet. "Vielfach berichten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von Grundeigentümern, die trotz bestehendem Baurecht ungenutzte Baugrundstücke in Ortszentren bevorraten, ohne konkret eine Bebauung zu planen. Eine Grundsteuer C kann als Steuerungsinstrument gegen Bodenspekulation wirken, damit Eigentümer motiviert werden, ungenutzte Grundstücke mit Wohnungen zu bebauen oder an Bauinteressenten zu verkaufen. Mit diesem Instrument lässt sich zudem die Ausweisung von Bauland an Ortsrändern eindämmen und kann ein Beitrag zum Flächensparen geleistet werden.“

Formulieren wir das mal aus Sicht der Bürger. Sie müssen, ob Eigentümer oder Mieter, direkt oder über ihre Mietnebenkosten pünktlich Grundsteuerzahlungen leisten, in Bayern insgesamt 1,83 Milliarden Euro pro Jahr (2020). Gleichzeitig zahlen sie höhere Kaufpreise oder Mieten, weil das Angebot an Wohnungen die Nachfrage nicht abdeckt. Der Staat verzichtet aber darauf, diejenigen zur Kasse zu bitten, die diesen Mangel zielgerichtet aufrecht erhalten. Was bitte motiviert die Staatsregierung zu einem solchen Vorgehen? Wieso erlaubt sie, dass mitten in unseren Städten rechtlich geschützte Spekulationsreservate entstehen? Wieso hilft sie den Eigentümern, Mietern und Wohnungssuchenden nicht? Das Bepreisen unbebauter Grundstücke wäre eine einfache, verfassungsrechtlich unstreitig zulässige und von der Verwaltung gut handhabbare Lösung. Sie verhindert ja noch nicht einmal die Spekulation, sondern macht sie nur ein Stück unattraktiver. Wenn noch nicht einmal das, was gehört denn dann zu einer "Zukunftskoalition"?

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Aufbruch auch hier

Montag, 27.09.2021

Die Bundestagswahl hat bestätigt: Die Wähler wollen den Aufbruch in eine neue Zeit. Sie wünschen sich eine klimaorientierte Wirtschaftspolitik, das Ende von Wohnungsknappheit und Mietsteigerungen, die Sicherstellung der persönlichen Altersversorgung, die Reduzierung eklatanter Einkommensunterschiede, das Aus für europäische Steueroasen, eine effektive Verwaltung bis in den letzten Winkel und mehr Erfolg bei der Einführung neuer Technologien. In welcher Konstellation der Wählerwille erfüllt wird, mag unklar sein; vorbeigehen kann an ihm aber niemand.

Auch bei uns wird dieser Aufbruch spürbar sein. Wenn man die Parteien an ihren Programmen misst, werden die Kommunen verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien erfüllen müssen. Sie werden bei der Verkehrswende in die Pflicht genommen, insbesondere in Sachen Öffentlicher Nahverkehr und Radwege. Es wird erwartet, dass sie Freiräume durch eine geänderte Straßenverkehrsordnung nutzen. Der Bund wird verbindliche Vorgaben für die digitale Verwaltung geben. Er wird darauf drängen, dass die Städte den kommunalen Wohnungsbau drastisch verstärken.

Nur Programmatik? Sicher nicht. Die Lage nach der Bundestagswahl vom Sonntag ist anders als früher. Jede der beiden nun greifbaren Dreier-Koalitionen erlaubt entscheidende Punktgewinne in Deutschlands Abstiegskampf. Wenn wir die Mittelmäßigkeit bei der Zielerreichung, die fast zur Verzweiflung führende Ineffektivität von Politik und Verwaltung, die dazu in einem völligen Missverhältnis stehende Selbstzufriedenheit von Amts- und Mandatsträgern und das föderale Regelungschaos jetzt nicht in den Griff bekommen, was soll dann aus diesem Land werden? Es ist die letzte Chance.

Nun wird über Koalitionen und über einen Koalitionsvertrag verhandelt und sowohl Bürger wie Unternehmen tun gut daran, sich einzumischen. Danach ist es erfahrungsgemäß zu spät. Beispiel "Übernahme des CO2-Anteils an den Heizkosten durch Vermieter" (Grüne). Schon jetzt sagen Wohnungsexperten voraus, dass dies zur Benachteiligung von Senioren führt, die nicht morgens zur Arbeit fahren - sie haben höhere Heizkosten als andere und wären nach dem neuen Modell als Mieter zu vermeiden. Beispiel "Streichung der Steuerfreiheit beim Verkauf einer Wohnung nach zehn Besitzjahren" (SPD). Das wäre ein Rückschlag für alle, die selbst für ihre Altersversorgung gesorgt haben und den Verkaufserlös im Alter ohne Minderung benötigen. Wer nicht verkaufen muss, dürfte sich im Übrigen zweimal überlegen, ob er ungenutztes Eigentum auf den Markt zurückführt.

Die inhaltlichen Gespräche sind daher entscheidend. Nun muss es gelingen, das Momentum der Wahl über Verwaltungsgrenzen hinweg in überzeugendes effektives Handeln umzusetzen. Jetzt muss der Ruck durch Deutschland gehen, von dem schon vor Jahren die Rede war. Dabei kommt es allerdings darauf an, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Das ist den potentiellen Koalitionären von Berlin zu wünschen: dass sie mit Mut, Geduld, Verstand und Geschick agieren und die Folgen sorgfältig bedenken. Gelingt dies, sind wir überall, auch in der Region Landsberg, am Sonntag ein Stück weiter gekommen.

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Das unzulässige Verdichtungsgebot

Mittwoch, 22.09.2021

Der Bauwerber für das geplante dreigeschossige Mehrfamilienhaus in der Altöttinger Straße 13, das an Stelle eines Einfamilienhauses entstehen sollte, hat seinen Antrag zurückgezogen. Dies wird allseits begrüßt. Nun wird aber gefordert, die Stadt Landsberg müsse für solche Fälle "maßvolle Verdichtungsregeln" entwickeln. Das ist, mit Verlaub, ein Denkfehler.

Gedacht ist ja offenbar an eine Regel wie diese: "Wir wollen im bebauten, aber unbeplanten Innenbereich beim Ersatz eines Bestandsgebäudes darauf achten, dass an gleicher Stelle mehr Wohneinheiten entstehen als bisher." Eine solche Regelung könnte die Stadt aber gar nicht treffen. Einziger Maßstab des Baugesetzbuchs ist nämlich das Einfügegebot. Ein neues Gebäude muss sich in die bestehende Siedlung einfügen. Das ist auch gegeben, wenn man an die Stelle eines alten Einfamilienhauses ein neues Einfamilienhaus baut. Dieses einst wohlklingende, nun aber verpönte E-Wort darf man ja fast nicht mehr aussprechen. Wenn aber bis auf eine Ausnahme in der ganzen Stadt nirgendwo mehr Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen, dann sollte wenigstens nicht in Frage gestellt werden, ein Einfamilienhaus zu bauen, wo bereits ein Einfamilienhaus steht. Aber wie auch immer man das politisch sieht, rechtlich ist die Sache klar: Das Einfügegebot ist eine abschließende Regelung. Für ein Verdichtungsgebot, das sich allzu oft als Siedlungszerstörungsgebot auswirken würde, ist keinerlei Raum.

Daran ändert sich auch nichts durch die Vorschrift, dass die Innenentwicklung der Außenentwicklung vorzuziehen ist. Diese Bestimmung besagt, dass freie Baugebiete im Inneren einer Stadt genutzt werden sollen, bevor man die Bebauungs-Außengrenze erweitert. Anstatt sich maliziös auf in Siedlungen eingepasste Einzelobjekte im unbeplanten Innenbereich zu kaprizieren, sollte der Stadtrat daher das Tempo bei der Erschließung verfügbarer Gebiete erhöhen, in denen es noch keine Bebauung gibt. Am Wiesengrund geht es zwar endlich weiter; die Planungen für den Reischer Talweg, die Staufenstraße und das ein oder andere Areal des Freistaats könnten aber deutlich schneller ablaufen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele bislang unbebaute Grundstücke schon lange verkauft und mit Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser aufgewertet sind, sich dort aber nichts tut. Manchmal erneuert der Bauausschuss sogar die Baugenehmigungen und gibt dem Bauwerber damit nochmal ein paar Jahre Zeit. Man erkennt solche Grundstücke daran, dass sie zuwachsen und wieder gerodet werden und wieder zuwachsen und wieder gerodet werden. Hier sollte die Stadt ihre Waffen schärfen, insbesondere wenn sie eigene Grundstücke verkauft, Befreiungen erteilt und städtebauliche Verträge schließt.

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Fahrverbot ist keine Lösung

Mittwoch, 15.09.2021

Stadtrat Tom Bohn (FDP) hat beantragt, das Radfahren auf der Alten Bergstraße bergab in Richtung Hauptplatz zu untersagen. Anlass dazu sind "Mutproben": Jugendliche und Erwachsene rasen mit zum Teil "wahnwitziger Geschwindigkeit" nach unten. Manchmal queren sie mit hohem Tempo die Schlossergasse und setzen ihre halsbrecherische Fahrt durch das Schmalztor über den Hauptplatz bis zum Lechwehr fort.

Zunächst muss man fragen: Muss die Stadt wegen dieser Vorkommnisse das Bergab-Fahren auf der Alten Bergstraße bußgeldbewehrt verbieten? Das wäre aus der Verkehrssicherungspflicht heraus zu bejahen, wenn man die Alte Bergstraße in Richtung Lech per Fahrrad nicht ohne erhebliches Risiko benutzen kann. Das war früher vielleicht der Fall. Viele Jahre lang wurden Fahrräder primär durch Rücktrittsbremsen verlangsamt, die bei übermäßiger Beanspruchung versagen konnten. Heute, im Zeitalter robuster Felgen- und Scheibenbremsen sowie verteilter Bremswirkung ist die Lage aber anders. Ein Verbot des Bergab-Fahrens ist daher nicht mehr erforderlich. Dass es Leute gibt, die die Strecke absichtlich so nutzen, dass eine Gefahr entsteht, ändert nichts. Exzesse können nicht der Maßstab für Allgemeinverfügungen sein, zumal die ja auch viele Anwohner, Pendler und Freizeit-Radler treffen.

Fraglich ist, ob der Stadtrat am Mittwoch trotzdem im Sinne von Bohns Antrag entscheiden kann. Die Verwaltung würde sich das wünschen; das wird aus der Sitzungsvorlage klar. Aber früher - bei der zwangsweisen Aufhebung des LKW-Fahrverbots in der Iglinger Straße - hat sie doch behauptet, dass die Stadt derartige Gestaltungsrechte nur im Rahmen einer qualifizierten Verkehrsplanung hat. Und die ist im jetzigen Fall erst noch in Arbeit. Außerdem ist absehbar, dass diese Planung den Radverkehr glücklicherweise eher fördern als einschränken will. Zu befürchten ist auch, dass ein Verbot zwar von vielen eingehalten würde; wer die Alte Bergstraße missbräuchlich als Beschleunigungsspur nutzt, um Nervenkitzel zu generieren, dürfte aber nicht dazu gehören und sich eher über die freie und noch schnellere Fahrt freuen. Unfallforscher sprechen von der "zunehmenden Verrohung" im Straßenverkehr und die hört nicht durch ein Verkehrsschild auf. Das Verbot müsste daher auch kontrolliert werden. Es ist aber kaum anzunehmen, dass unsere Polizei ab nächster Woche Kräfte abstellt, die sich am Spitalplatz auf die Lauer legen und dann per Rennrad die Verfolgung aufnehmen.

Wer ein Fahrverbot ablehnt, weil es keine Lösung ist, will Fahridiotie nicht unterstützen. Personen, die die Alte Bergstraße herunterrasen und dabei einen Unfall verursachen, machen sich strafbar. Bei Todesfolge kann das Strafmaß "lebenslänglich" lauten, ähnlich wie bei Autorennen in Innenstädten. Lebenslänglich kann auch Schadenersatz zu zahlen sein, wenn Betroffene bleibende gesundheitliche Schäden davontragen. Schon der Schock eines Passanten kann Schmerzensgeld kosten. Das sollte in den Schulen sowie den Medien kommuniziert werden. Und für uns alle gilt: Der Zwilling der Verrohung heißt "Das geht mich nichts an". Wer Gelegenheit hat, mit den Handelnden zu sprechen, sollte das auch tun.

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Anleihe beim Zirkus

Mittwoch, 08.09.2021

Freitag morgen fiel im Landsberger Westen die Wasserversorgung aus, unter anderem in einer Straße, in der die Stadtwerke tags zuvor Tiefbauarbeiten vorgenommen hatten. Anwohner vermuteten einen Zusammenhang und versuchten, dem Kommunalunternehmen das Problem zu melden. Wer um 06:30 Uhr die für diese Fälle vorgesehene 24-Stunden-Notfallnummer wählte, bekam aber nur ein Freizeichen; niemand ging ran. Auch das Bemühen, über die reguläre Festnetznummer Kontakt mit dem Kommunalunternehmen aufzunehmen, schlug fehl. Obwohl das Problem schon mitten in der Nacht durch einen Rohrbruch entstanden war, gab es nur die Standardansage, man rufe außerhalb der Bürozeiten an.

Nächster Versuch: die Website. Sie enthielt unter "Aktuelles" aber nur eine veraltete Meldung aus dem Juni. Auch der Facebook-Auftritt der Stadtwerke mit dem Slogan "Wir sind ein modernes Kommunalunternehmen" wurde seit Anfang Juni nicht mehr angefasst. Obwohl viele betroffene Kunden E-Mail-Adressen und Rufnummern hinterlegt haben, kam auch auf diesem Weg keine Nachricht. Eine Pressemitteilung wurde zu diesem Thema ebenfalls nicht versandt. Dass der KREISBOTE den Ausfall der Wasserversorgung schon frühmorgens auf seiner Facebook-Seite meldete, war auf den Hinweis eines Anwohners zurückzuführen.

Der digitale Informationsfluss der Stadtwerke war also null komma null. Aber es gibt ja auch noch die analoge Welt. Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, ein Auto in die betroffenen Straßen zu schicken, in dem jemand sitzt, der Auskunft geben kann; die Fahrzeuge des Kommunalunternehmens sind ja leicht zu erkennen. Man könnte eine Person von Haus zu Haus schicken, die Bescheid gibt oder einen Zettel an den Briefkasten heftet. Vielleicht könnte man auch eine Anleihe beim Zirkus machen und per Megafon durchsagen: "Achtung Achtung, hier sprechen die Stadtwerke. Aufgrund eines Rohrbruchs ist die Wasserversorgung in Ihrer Straße unterbrochen. Die Reparatur wird möglicherweise noch bis zum Mittag dauern." Das alles ist besser als nichts. Verwirklicht wurde: nichts.

Zwei Tage zuvor fiel in Landsberg (wie später klar wurde, sogar weit darüber hinaus) Internet und Telefonie von Kabel Deutschland (gleich Vodafone) aus. Wer daraufhin per mobiler Datenverbindung den vorgesehenen Check auf der Vodafone-Website machte, erhielt die Mitteilung, dass für den Anschluss kein Problem bekannt sei; man solle doch bitte ein Ticket ausfüllen. Zu diesem Zeitpunkt wies der private Internetdienst allestörungen.de bereits 17.000 Meldungen aus. Das Problem war also hinlänglich bekannt; noch ein Ticket brauchte es sicherlich nicht.

Beides ist kein Drama, aber symptomatisch: Die Versorger haben offenbar kein niederschwelliges Mitteilungssystem unterhalb der Kategorie "Katastrophe"; auf Ausfall-Kommunikation wird zu wenig Wert gelegt. Dabei müssten doch alle von der Deutschen Bahn gelernt haben - nicht die Störung ist das Problem, sondern die fehlende Information über ihr Ausmaß und ihre Wirkung. Dabei weiß die Bahn nur zum Teil, wer alles betroffen ist. Das ist bei Strom, Wasser, Internet und Telefon anders. Es gibt daher keinen Grund, Kunden im Ungewissen zu lassen. Außer Nachlässigkeit.

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Altöttinger Dammbruch

Mittwoch, 01.09.2021

In der Altöttinger Straße 13 soll anstelle eines Einfamilienhauses ein dreigeschossiges Gebäude mit elf Wohnungen errichtet werden. Das stößt bei Nachbarn auf Unverständnis; sie beklagen einen "massiven Einschnitt in den Charakter der Schwaighofsiedlung". Nach § 34 des Baugesetzbuchs ist der Antrag, wenn keine sonstigen Hindernisse bestehen, aber zu genehmigen, denn für das Einfügegebot reicht bereits ein gleich großer Bezugsfall in der näheren Umgebung aus und der ist nur wenige Grundstücke entfernt mit der Altöttinger Straße 7a und 7b gegeben.

Dieser Bezugsbau - ein senkrecht ins Grundstück eingezwängter Komplex - entstand in der Amtszeit von Oberbürgermeister Mathias Neuner auf Betreiben des Bauamts. Die Beteiligten wussten: Die Entscheidung kann in der Altöttinger Straße zu einer Inflation großer Baukörper führen. Zumal sich ein Bauträger dabei auf seine eigenen Bauwerke berufen kann; das ist wie eine Ein-Personen-Staffel, bei der sich der Läufer den Stab Runde für Runde selbst übergibt und der Sieger von Anfang an feststeht. Der Stadtrat konnte die merkwürdige Entscheidung der Verwaltung nicht korrigieren. Ihm blieb 2017 nur eine Änderung der Geschäftsordnung; im unbeplanten Innenbereich sowie im Geltungsbereich von einfachen Bebauungsplänen können Gebäude, die geeignet sind, als künftige Bezugsfälle zu gelten, nun nicht mehr vom Oberbürgermeister (m/w/d), sondern nur noch vom Bauausschuss des Stadtrats genehmigt werden.

Eigenheimbesitzer, die befürchten, dass auch ihre Siedlung oder ihr Ortsteil eine ähnliche Entwicklung nimmt, tun gut daran, die Tagesordnung des Ausschusses zu studieren und zu prüfen, ob jemand eine ausufernde Bebauung in der Nachbarschaft beantragt hat. Dann gilt es, schon diesen ersten Fall zu verhindern. Denn letztlich ist das Kriterium "Einfügen" allein vom Bezugsfall abhängig - alle anderen Bremsen greifen nur selten. Das Ortsbild ist nur dann beeinträchtigt, wenn es "eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit, einen besonderen Charakter oder eine gewisse Eigenart aufweist, die ihm eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht"; das hat die Rechtsprechung fast immer verneint. Das Gebot der "Rücksichtnahme" setzt "nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen" im Sinne "unzumutbarer Belästigungen oder Benachteiligungen" voraus; auch das sah kaum ein Gericht als gegeben an. Und das oft zitierte Gebot, keine bodenrechtliche Spannungen zu generieren, gilt nur für den Fall, dass kein Bezugsfall existiert, das Vorhaben aber dennoch verwirklicht werden soll.

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen: Vergesst doch einfach das Vorhandene; die Nachfrage nach Wohnungen und die Preisentwicklung sind Gründe genug, überall große Mehrfamilienhäuser zu bauen. Aber das sieht der Gesetzgeber anders: Er hat im 2021er Baulandmobilisierungsgesetz zwar Ausnahmen vom Einfügegebot normiert, aber nur für den Umbau oder die Umwidmung zulässigerweise errichteter Bestandsbauten. Der Wohnungsbau macht den Städtebau also auch künftig nicht obsolet. Und er stellt Anwohner auch künftig nicht rechtlos. Das passiert tatsächlich nur dann, wenn man zulässt, dass Gewinnstreben von Bauträgern, so wie hier, die Dämme brechen lässt.

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Maxime: Innenstadt

Mittwoch, 25.08.2021

Wer die Vorschläge des Bayerischen Städtetags [zum Artikel Printversion] aus Landsberger Sicht studiert, kommt zunächst zu einer positiven Bilanz. Die Stadt hat im Vergleich zu anderen Orten bereits eine Menge zur Stärkung der Innenstadt getan. Die Umgestaltung des Hauptplatzes führte zu mehr Außengastronomie, Raum für Fußgänger, Platz für Stadtmobiliar und einer verringerten Geschwindigkeit der Autos. Die Umwidmung der Industriebrache Pflugfabrik in ein zentrumsnahes Wohngebiet erhöht die Zahl der Innenstadtbewohner deutlich. Umgekehrt schafft das Papierbach-Projekt eine attraktive, fußläufig und mit dem Fahrrad erreichbare Nahversorgung für Altstadtbewohner.

Das sind vielleicht die größten Errungenschaften in Sachen "Belebung des Zentrums", aber es gibt noch viel mehr. Der Lechsteg macht die Innenstadt mit dem Fahrrad leichter erreichbar. Unsere Denkmäler werden inzwischen wieder erhalten und aufgewertet. Wir haben ein breites kulturelles Angebot im Zentrum und es wird durch zeitweise stattfindende Aktionen immer wieder ergänzt. Wir haben gute Wochenmärkte. Wir haben eine funktionierende Wirtschaftsförderung, die von allen Seiten gelobt wird. Wir haben eine Satzung, die die Händler vor allzu viel Konkurrenz aus der Peripherie schützt. Wir haben ausreichend Parkmöglichkeiten in der Innenstadt und erweitern sie sogar noch. Wir haben mitten im Zentrum ein Inselbad samt Lechstrand und machen beides gerade noch attraktiver. Wir errichten unser neues Jugendzentrum nicht am Stadtrand, sondern mittendrin. Wir haben in der Altstadt sogar wieder Manufakturen. Eigentlich gibt es nur eine einzige gegenläufige Entwicklung, das ist die Verlagerung des Landratsamts und / oder seiner Außenstellen an den Rand der Stadt; die ist in Sachen Innenstadtförderung kontraproduktiv.

Die Vorschläge des Städtetages zeigen aber auch auf, welche Notwendigkeiten noch bestehen, insbesondere im Hinblick auf den Verkehr. Wir brauchen eine rasche Neudefinition unseres Bussystems und können dazu nicht warten, bis aktuelle Verträge auslaufen. Wir sollten uns alsbald über die künftige Rolle des Vorderen und Hinteren Angers verständigen; der Städtetag hat uns hierzu vielleicht wertvolle Anregungen gegeben. Wir sollten uns auch, trotz der unzureichenden Selbstorganisation des Landsberger Einzelhandels, um Hilfen in Sachen Digitalisierung und Warenlieferung bemühen.

"Die Menschen wohnten inmitten von Handel, Gewerbe, Handwerk, Bildung und Vergnügen" - so beschreibt der Städtetag den historischen Zustand. Wir sind in Landsberg gar nicht so weit von diesem Ideal entfernt. Wir müssen uns nur darum bemühen, die Herausforderungen in Sachen Verkehr, Klima und digitaler Wandel gezielt im Sinne des Zentrums zu lösen. Unsere Maxime muss eine prosperierende Innenstadt sein. Schon jetzt hätte Landsberg bei der Konferenz des Bayerischen Städtetages einiges zu berichten gehabt. In ein paar Jahren pilgern die Delegierten vielleicht zu uns. Besuch im Papierbach-Areal, Mittagessen im Inselbad-Restaurant, Führung durch die E-Mobilitätszone Vorder- und Hinteranger, Besuch am Lastenrad-Terminal, Besichtigung der Altstadt-Werkstätten. Erreichbar ist das; es liegt an uns.

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Eine ganze Generation

Mittwoch, 18.08.2021

Eigenen Angaben zufolge weiß die Bundeswehr seit 2012, dass aus dem Einsatz des PFC-haltigen Löschschaums im Umfeld des Fliegerhorsts Penzing eine Kontamination entstanden ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe man begonnen, Probenahmen, Laboranalysen, geologische und hydrogeologische Untersuchungen sowie Modellrechnungen durchzuführen, heißt es seitens des Bundesministeriums der Verteidigung. Man sollte glauben, neun Jahre Prüfungszeit seien ausreichend, um vom Offenbar-Werden zur Behebung des Problems übergehen zu können. Doch selbst jetzt, nach der Bekanntgabe der "ersten Gutachtenergebnisse" (siehe Bericht in dieser Ausgabe) sind immer noch viele Fragen offen. Die Untersuchungen gehen weiter; das Thema soll erst 2031 erledigt sein.

Dann sind seit dem 2008 erfolgten Verbot des Einsatzes des PFC-haltigen Löschschaums sage und schreibe 23 Jahre vergangen. Die Geduld einer ganzen Generation von Landwirten, Fischern und Grundeigentümern wird damit auf eine harte Probe gestellt. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass der Staat klare Aussagen zu ihrer Entschädigung macht und durch eine allgemeinverbindliche Erklärung auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Immerhin ist er für die derzeitige Eigentümerin, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, voll verantwortlich. Offenbar kann man sich zu einem solchen Schritt aber nicht durchringen.

Das passt ins Bild. Noch vor zwei Jahren räumte das Ministerium ein, dass man nur in zwei von 23 kontaminierten Standorten abschließende Gefährdungsabschätzungen vorgenommen habe. In allen weiteren 97 Verdachtsfällen hätten Untersuchungen im Gelände noch nicht einmal begonnen. Eine gezielte Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Suche nach Kontaminationen auf Bundeswehrliegenschaften sei nicht erfolgt. Das Problem wird erkennbar nicht mit dem Nachdruck behandelt, der bei einer Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung dieses Ausmaßes notwendig wäre.

Allerdings gibt es auch positive Erkenntnisse. Die entscheidenden Eintragsstellen sind auf dem Penzinger Fliegerhorst lokal begrenzt. Die baldige Nutzung des Areals für zivile Zwecke ist damit nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt dass Interessenten wie Intel damit leben können, dass die Teile rund um die Feuerwache und das Feuerlöschbecken zunächst nicht nutzbar sind. Übrigens: Dass der Landkreis Landsberg schon seit zwei Jahren vor dem Verzehr von Fischen aus dem Verlorenen Bach warnt, die Belastung weiter nördlich im Landkreis Donau-Ries aber erst im Februar 2021 erkannt wurde, ist eines jener Vorkommnisse, die an der Weitsicht und Koordination unserer Landkreisbehörden zweifeln lassen; wieder mal.

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Zwei Schritte nach vorn

Mittwoch, 11.08.2021

"Der eingetragene Verein Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung hat das Ziel, bei den Tonröhrenbauten an der Erpftinger Straße, die Teil des KZ-Außenlagers Kaufering sind, ein Dokumentationszentrum entstehen zu lassen. Es bedarf vieler paralleler Schritte, um dieses Vorhaben zu verwirklichen - und eine Menge Fingerspitzengefühl." So lauteten die ersten Sätze eines KREISBOTEN-Berichts vom 2. Dezember 2015. Nun, fünfeinhalb Jahre später, hat der Stadtrat einen einstimmigen Grundsatzbeschluss gefasst, der dieses Vorhaben einen entscheidenden Schritt nach vorne bringt. Mit der Zusage, im Flächennutzungs- und im Bebauungsplan Baurecht für einen "angemessenen Erinnerungs-, Lern- und Gedenkort" zu schaffen und darin "ausreichend große Erschließungs-, Nutzungs- und Parkplatzflächen" einzubeziehen, hat die Stadt nicht nur ihren Teil des Vorhabens in Angriff genommen, sondern auch ein klares Signal an Freistaat, Bund und Europa gesendet: Wir wollen das. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass jetzt echoartige Reaktionen kommen. Wir doch auch. Wir ziehen mit. Wir wollten doch schon immer. Damit ist die Sache auf gutem Weg. Manfred Deilers geduldige Beharrlichkeit, sie zahlt sich aus.

Die jetzige Entscheidung des Stadtrats ist ein Verdienst der Oberbürgermeisterin. Ihr Vorgänger unterstützte die Arbeit der Stiftung zwar: "Es gibt Dinge, über die darf kein Gras wachsen", sagte er in Anspielung an die erfolgreiche Konservierung der Tonröhrenbauten durch die Stiftung, für die es mehrere bedeutende Auszeichnungen gab. Aber zu seiner Prognose, damit werde "die Gedenkarbeit auf neue Beine gestellt", trug er nicht viel bei. Obwohl schon lange klar ist: Die vom Bund als "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung" eingestuften Bauwerke besichtigen sich nicht einfach so. Es braucht eine inhaltliche Begleitung über Schautafeln hinaus. Es braucht Infrastruktur in Form von Gruppenräumen, Parkplätzen und WCs. Und es braucht auch eine Aufsicht und Bewachung der Einrichtung. Dass die Stadt jetzt diesen großen Schritt macht, hängt auch damit zusammen, dass sie die Gedenkarbeit insgesamt reformiert; die ist nämlich durch disperse Orte, eine wenig ertragreiche Goppel-Kommission und viele sich berufen fühlende Akteure etwas ausgefranst.

In der gleichen Stadtratssitzung, diesmal (zurecht) im nichtöffentlichen Teil, machte der Stadtrat einen weiteren Schritt. Er ernannte mit Dr. Stefan Paulus einen neuen ehrenamtlichen Stadtheimatpfleger. Auch damit setzt die Stadt Impulse; auch hier verspürte man Bedarf. Paulus Absicht ist es, die Stadtheimatpflege präsenter und greifbarer zu machen. Während sein Vorgänger Dr. Werner Fees-Buchecker im landsbergblog einmal der "schweigenden Mehrheit" dafür dankte, sich nicht überall einzumischen, versteht sich Paulus eher als Kommunikator und Moderator. Insbesondere bei den Themen Denkmalschutz und Denkmalpflege, die definitionsgemäß im Fokus der Tätigkeit eines Stadtheimatpflegers liegen, schlägt das Pendel auf der Skala von übertriebener Historisierung bis zur Vernachlässigung gerne heftig aus. Paulus Bemühen wird sein, dass es sich durch Konsens einpendelt. Das waren zwei gute Entscheidungen an einem Tag - aus Stillstand wird Zukunftsfähigkeit. Was will man mehr?

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Zweifache Unsicherheit

Mittwoch, 04.08.2021

Was muss der Stadtrat behandeln? Und was davon öffentlich, was nichtöffentlich? Bei beiden Fragen scheint es in Landsberg noch Unsicherheit zu geben. Zwei aktuelle Fälle - beide aus dem Bereich der Auftragserteilung an Gastronomen - unterstreichen das.

In der vergangenen Woche stand die Vergabe der Mittagsverpflegung an den städtischen Schulen auf der Tagesordnung des nichtöffentlichen Teils der Stadtratssitzung. Einen Anlass für die Beratung ohne Zuhörer und Presse gab es offenbar nicht; der zu Sitzungsbeginn gestellte Antrag der CSU-Fraktion zur öffentlichen Behandlung wurde jedenfalls angenommen. Es kann Konstellationen geben, bei denen eine nichtöffentliche Beratung angezeigt ist, etwa wenn es um die Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Erfahrung von Bietern geht. Wenn aber wie am Mittwoch nur noch die Beauftragung des günstigsten (unstreitig zuverlässigen) Bieters ansteht, gibt es keinen Grund zur Geheimhaltung. Spätestens wenn "Albrechthof"-Lieferwagen vor den Schulen parken, weiß man eh, wer den Zuschlag erhielt. Auch war die Angebotssumme keine Überraschung; sie entsprach trotz Erhöhung des Bio-Anteils fast genau den Haushaltsmitteln.

Der Ad-hoc-Thementransfer in den öffentlichen Teil führt dazu, dass interessierte Bürger über die anstehende Beratung nicht informiert sind, weil das Thema nicht auf der ihnen zugänglichen Tagesordnung steht. Außerdem finden sich die Unterlagen nicht im Ratsinformationssystem; auch nachträglich wurden sie bis zum Redaktionsschluss dort nicht eingestellt. Besser wäre daher, dass die Entscheidung öffentlich / nichtöffentlich von der Oberbürgermeisterin so zuverlässig getroffen wird, dass Korrekturen überflüssig sind.

In einem zweiten Verfahren spielt die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen der Oberbürgermeisterin und dem Stadtrat eine Rolle. Die Verwaltungschefin darf nur Entscheidungen treffen, wenn es um regelmäßig wiederkehrende Angelegenheiten der laufenden Verwaltung geht. Die Frage, an wen die Stadt die Gaststätte im stadteigenen Sportzentrum verpachtet, fällt sicher nicht in diese Kategorie. Der Stadtrat war zwar eingeschaltet; er hat nach Auskunft der Verwaltung vor geraumer Zeit nichtöffentlich über "die Nachbesetzung der Pacht" beraten. Mit der Auswahl zwischen den fünf Bewerbern (siehe Bericht auf dieser Seite) war er aber nicht befasst. Wer den Zuschlag bekam, das wurde vielmehr in einer Runde entschieden, bei der "Mitarbeiter(innen) der Stadtverwaltung wie auch Mitglieder des Stadtrats zugegen waren".

Zum einen: Entweder das Thema ist OB-Sache oder es muss in den Stadtrat. Dort gehört es dann wegen der Prüfung der Kompetenz und Geeignetheit der Bewerber in den nichtöffentlichen Teil. Eine Mischform in Form des "Zugegen-Seins" einiger Stadträte sieht die Gemeindeordnung nicht vor; damit kann man die Beratung im Stadtrat vorbereiten, aber nicht ersetzen. Der zweite Punkt: Die Frage, ob und wann die Pacht wieder ausgeschrieben wird, hätte in den öffentlichen Teil gehört; für verschlossene Türen gab es bei diesem Thema soweit ersichtlich keinen Grund. Man sieht: Nicht immer gelingt den Handelnden die konkrete Umsetzung der Gemeindeordnung. Auch der Stadtrat braucht in dieser Hinsicht mehr Problembewusstsein.

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Echte Leistung

Mittwoch, 28.07.2021

Seit die Stadtwerke ihre lokalen Pressemitteilungen von einer PR-Agentur aus dem württembergischen Engstingen anfertigen lassen, schauen wir genauer hin. Das "Nun ist er weg"-Frohlocken zum Sprungturm im Inselbad hat uns gereicht. Vergangene Woche kam die Presseerklärung zum Jahresabschluss 2020. Und wieder trauten wir unseren Augen nicht: Im ganzen Text zur Bilanz steht nur ein einziger Betrag, nämlich der Jahresverlust von 350.000 Euro. Der Rest ist Glaube, Hoffnung, Zuversicht - und jede Menge Zeilenschinderei.

Wir finden beispielsweise nichts über die Aufteilung der Verluste. Nichts über die Entwicklung im Jahresvergleich. Da steht noch nicht einmal, dass die Stadtwerke nur die Hälfte dessen investiert haben, was sie eigentlich investieren wollten. Es kann doch nicht angehen, dass das kritiklos als Bericht über den Jahresabschluss durchgeht; demnächst nehmen wir dann hin, dass gar keine Zahl mehr drinsteht und uns der wirtschaftliche Erfolg des Kommunalunternehmens vom Vorstand per Daumenstellung signalisiert wird.

Manche Angaben sind sogar irreführend. Da steht, die Stadtwerke hätten ein "Plus beim Wasser verbucht" und seien bei der Entwässerung "im Plus geblieben". Zweimal Plus, das hört sich gut an. Nun dürfen die Stadtwerke am Wasser aber gar nichts verdienen. Gewinne führen nach Abzug erforderlicher Investitionen zur Reduzierung künftiger Zahlungen; das Geld ist nur geliehen. Das wird mit dem Hinweis "Hier gilt das Prinzip der Kostendeckung" in einem Halbsatz auch eingeräumt. Was soll dann das "Plus"-Selbstlob? Vermieter rühmen sich ja auch nicht damit, sie hätten bei den Nebenkostenvorauszahlungen ihrer Mieter einen erfreulichen Überschuss erzielt. Scheingewinne bucht man nicht. Eigentlich dürfte, bei primär wirtschaftlicher und nicht buchhalterischer Betrachtung, Gewinne beim Wasser gar nicht in die Jahresrechnung einfließen. Aber dann wären wir bei einem Verlust der Stadtwerke im Jahr 2020 von anderthalb Million Euro.

Und noch etwas erschreckt uns. Die Stadtwerke haben dem Anspruch nach nur zwei Verlustbringer, das Inselbad und die Parkgaragen. Das Stromgeschäft sollte eigentlich die dort erzielten Defizite ausgleichen. In Wirklichkeit ist die Stromversorgung die wahre Ursache für das schlechte Jahresergebnis 2020. Das Stromgeschäft belastet das Unternehmen, anstatt es zu entlasten. Die Stadtwerke schleppen eine "Nullnummer" mit. Und das obwohl die Entwicklung der Kundenzahlen im Jahr 2020 der Erklärung zufolge "mehr als positiv" gewesen ist; sie stieg um fünf Prozent. Aber die Handelnden wissen selbst: Diese fünf Prozent haben sie sich durch enorme Stromvertriebskosten teuer erkauft. Dennoch steht in der Erklärung, das Unternehmen sei "auf dem richtigen Weg". So etwas schreibt meist, wer sich an das Ziel nicht mehr erinnern kann. Das wird nämlich nicht erreichbar sein. Ein positiver Deckungsbeitrag in Millionenhöhe für Inselbad und Parkgaragen? Ausgeschlossen.

Trügerisches Wasser-Plus, Millionen-Ersparnis durch verschobene Investitionen, kaum Perspektive in Sachen Strom - das alles umschifft die Presseerklärung der Stadtwerke mit Akribie. 4.200 Zeichen ohne Substanz, das ist eine echte Leistung. Eines ist allerdings erfreulich: Der Jahresabschluss 2020, nun ist er weg.

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Grundlose Empörung

Mittwoch, 21.07.2021

Der Gastronom Claus Moritz stellt an die Stadt Landsberg die Anfrage, ob sie einen Glasanbau an sein Gasthaus an der Waitzinger Wiese genehmigen würde, um einen vorhandenen alten Biergarten ganzjährig nutzen zu können. Der zuständige Bau-, Planungs- und Umweltausschuss des Stadtrats ist mehrheitlich der Auffassung, dass man das trotz der Denkmal-Eigenschaft des Gebäudes grundsätzlich akzeptieren könne, auch wenn eine erste Einschätzung des Landesamts für Denkmalpflege eine negative Stellungnahme erwarten lasse. Das hat heftige mediale Kritik verursacht: Claus Moritz sei Mitglied des Stadtrats. Er gehöre der UBV an. Und die UBV-Fraktion habe dem Anliegen zugestimmt. So etwas sei doch nicht hinnehmbar!

Aber worüber regt man sich da auf? Problematisch wäre allenfalls, wenn Moritz in eigener Sache mitgestimmt hätte; er gehört dem Ausschuss aber nicht an. Ähnlich bedenklich wäre es, wenn er oder die UBV das Thema zur "Koalitionsfrage" gemacht und Druck ausgeübt hätten, was aber Beteiligte glaubhaft verneinen. Ebenfalls nicht hinnehmbar wäre eine nichtöffentliche Beratung dieses Themas hinter verschlossenen Türen oder gar die komplette Umgehung des Beschlussgremiums. Damit haben wir dann aber auch alle denkbaren Entrüstungsszenarien abgearbeitet. Ansonsten darf sich ein Gastronom als Stadtrat engagieren und ein Stadtrat als Gastronom tätig sein. Wie absurd die Kritik ist, zeigt der Umkehrschluss. Denkt man die Auffassung der Kritiker weiter, müsste man alle Anträge von Personen, die auch Stadträte sind, unverzüglich ablehnen. Logischerweise würde dann niemand mehr in den Stadtrat gehen, der irgendwann mal für irgendetwas eine Genehmigung braucht. Wer die Antragstellung mit offenem Visier kritisiert, darf sich im Übrigen nicht wundern, wenn künftig Anträge von Strohmännern (m/w/d) eingehen, die aus Jersey oder Guernsey grüßen.

Über mehr als die Kernfrage konnte der Bauausschuss übrigens gar nicht beraten; die konkrete Bauform, der Lärmschutz und die Parkplatz-Schaffung (oder Ablöse) sind zu prüfen, wenn der Bauantrag gestellt wird. Die Kernfrage lautet: Darf man ein denkmalgeschütztes Brauereigasthaus um einen Glasanbau erweitern? Die Antwort lautet: Ja, das darf man. Ziel des Denkmalschutzes ist es, Baudenkmäler zu erhalten. Man muss sie aber nicht exakt so erhalten und betreiben wie im vergangenen Jahrhundert. Das geht nicht; eine Wirtschaft zu führen ist heute viel aufwändiger als damals. Es muss mehr Umsatz gemacht werden, folglich braucht man mehr Raum. Wer historisiert, der generiert keine Baudenkmäler, in denen Leben ist, sondern solche, die verrotten. Mit "erhalten" ist nicht gemeint, die Käseglocke darüber zu stülpen und Nutzungen oder Weiterentwicklungen zu verhindern. Wir sollten das Brauereigasthaus als Gasthaus erhalten und nicht als Gebäude, das mal Gasthaus war.

Das Fazit: Der Bauausschuss des Stadtrats hat vertretbar grünes Licht gegeben, um die nächsten Schritte anzugehen; Moritz darf trotz Denkmalschutz unternehmerisch planen. Und die grundlose Empörung über Anträge stellende Stadträte hat er zurecht ignoriert. Da sieht man's mal wieder: An der Reihenfolge analysieren - differenzieren - kommentieren geht kein Weg vorbei.

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Mehr als Du denkst

Mittwoch, 14.07.2021

„Denklingen – mehr als Du denkst“, heißt der Slogan einer Gemeinde im südlichen Landkreis Landsberg, deren Besuch sich lohnt. Wenn Sie da sind, schauen Sie sich mal das neue Rathaus an – eine Augenweide. Die Maßnahme mit Platzgestaltung kostet allerdings fast acht Millionen Euro, eine Million pro Arbeitsplatz, dreimal so viel wie geplant. Und das neue Bürger- und Vereinszentrum wird ebenfalls komfortabel. Das schlägt mit mindestens zehn Millionen zu Buche. Die neue Wasserversorgung verschlingt neun Millionen, die Kindertagesstätte acht Millionen. Wow! Das ist tatsächlich mehr als Du denkst, denken Sie vielleicht, wie kann sich die Gemeinde das leisten? Aber so ist das mit dem Denken nicht gemeint.

Das hat KREISBOTE-Autor Johannes Jais, ein langjähriger und erfahrener Kollege, gerade zu spüren bekommen. Er berichtete, dass die Gemeinde 2021 fast zehn Millionen Euro und nächstes Jahr nochmal sieben Millionen Kredite aufnehmen will, was den Schuldenstand bis Dezember 2022 auf rund 28 Millionen Euro erhöht. "Das sind gut 9.000 Euro pro Kopf in der 2.900 Einwohner zählenden Lechraingemeinde. Nicht nur im Landkreis Landsberg, sondern in ganz Bayern wird Denklingen damit in knapp zwei Jahren zu den höchstverschuldeten Kommunen gehören."

Dagegen schießt Bürgermeister Andreas Braunegger im aktuellen Mitteilungsblatt der Gemeinde. "Ich weiß nicht, woher Herr Jais seine Informationen bezieht", schreibt er. Noch sei die Gemeinde doch gar nicht hochverschuldet, noch habe man nur eine "umlagenbezogene Verschuldung". Braunegger kann geholfen werden. Erstens bezieht Herr Jais seine Informationen aus dem Haushalt, Abschnitt "Vorbericht", Seite 1. Zweitens hat er die vom Gemeinderat abgenickte Kreditaufnahme bis Ende nächsten Jahres aufgezeigt, nicht den momentanen Stand. Und drittens: Was ist eine "umlagenbezogene Verschuldung"? Diese Wortkombination kennt noch nicht mal Google. Da wird der Bürgermeister nicht wert-, sondern wortschöpfend tätig.

Aber Braunegger geht noch weiter: Johannes Jais gehe seiner "Vorliebe" nach, "ohne Rücksprache mit mir" über unsere Gemeinde zu berichten, schreibt er im Mitteilungsblatt. Da nimmt der Herr Bürgermeister kurz die Maske ab. Ja, wir vom KREISBOTEN haben die Vorliebe, ohne Rücksprache mit "ihm", dem jeweiligen Verwaltungschef, an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen, Dokumente zu studieren, Informationen zu sammeln, Meinungen einzuholen und dann ohne Vorzensur zu schreiben, was Sache ist. Das ist Pressefreiheit, das ist Teil der Demokratie.

Denklingen - mehr als Du denkst. Mehr Ausgaben als Du denkst. Mehr Schulden als Du denkst. Und mehr altes Denken als Du denkst. Das hätte man jetzt so eigentlich nicht gedacht.

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Einfache Parolen

Mittwoch, 07.07.2021

Über die mögliche Ansiedlung des Steico-Werks zur Herstellung natürlicher Dämmstoffe ganz im Süden des Penzinger Gemeindegebiets lässt sich trefflich diskutieren; keine Frage. Die Grünen sind dazu in Form einer Demonstration in Vorlage gegangen und haben klare Statements abgegeben: Keine Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen! Gewerbe nur ins Gewerbegebiet! Steico muss auf den Fliegerhorst! Zwar betonen die Grünen, dass das "Naturbausystem" des Feldkirchener Unternehmens ganz nach ihrem Geschmack ist. Auch sind die entstehenden Arbeitsplätze in der Region willkommen. Aber die Politik soll dafür sorgen, dass das Werk an anderer Stelle entsteht.

Nun leben wir gottlob nicht in einem Staat, in dem man einem Unternehmen einfach irgendwelche Flächen zuweisen kann. Man kann sie ihm allenfalls vorschlagen. Diese Vorschläge sollten dann auch funktionieren. Steico den Standort Fliegerhorst anzutragen, ist sicher keine Option. Noch ist der Fliegerhorst überhaupt kein Gewerbegebiet. Noch gehört er vollständig dem Bund und ist weder an die Gemeinden noch Projektentwickler verkauft. Noch ist die verkehrsmäßige Erschließung in weiter Ferne. Noch sind die Altlasten nicht beseitigt. Noch ist die Konvergenzfläche unparzelliert. Noch ist die Beschlusslage des Gemeinderats und des Stadtrats eine ganz andere. "Steico muss auf den Fliegerhorst", das ist, mit Verlaub, eine so verkürzte und verfrühte Forderung, dass es nur eine Erklärung dafür gibt: Mehr Text gab das Pappschild nicht her.

Ähnliche Platzprobleme muss es bei der zweiten Forderung gegeben haben: "Gewerbe nur ins Gewerbegebiet". Das Areal wird ja bereits gewerblich genutzt; das Nasslager Stillern lagert und bewässert direkt nebenan seit 2017 bis zu 100.000 Festmeter Rundholz. Zur Eröffnung schrieb der KREISBOTE: "Im laufenden Betrieb werden künftig mit Bäumen beladene 40-Tonner von und nach Stillern rollen. Der Standort dafür scheint ideal: Obwohl die schweren Lkw durch Penzinger Gemeindegebiet rauschen, müssen sie nie direkt an Wohngebieten vorbei. Die Anbindung über die A96 ist gut – parallel zur Autobahn und fernab jeglicher Anwohner führt der Fahrtweg in die abgelegene Einöde." Dem ist auch in Sachen Steico nichts hinzuzufügen: Die Verkehrswege sind vorhanden. Platz ist genug da. Wohngebiete werden nicht tangiert. Das ist doch eigentlich der Idealfall für ein neues Werk.

Außerdem: Kann man wirklich apodiktisch fordern, dass kein Feld in dieser Republik mehr in Wohn- oder Gewerbeflächen umgewandelt wird? Klar, Erholungsgebiete müssen erhalten bleiben. Aber Stillern ist kein solches Gebiet; der Autobahnlärm ist dort fast unerträglich. Und Wald wollen wir auch nicht gerne opfern; aber das ist in Stillern auch nicht nötig. Wer nur in bestehenden Gewerbegebieten Neu-Ansiedlungen akzeptieren möchte, der wird einen Rückgang an Arbeitsplätzen bekommen, denn bis ein stillgelegtes Werk rückgebaut ist und Platz für ein Neues machen kann, können Jahre oder Jahrzehnte vergehen.

Dies ist kein Plädoyer für die Ansiedlung von Steico in Stillern; dafür sind viel zu viele Fragen offen. Aber es ist ein Plädoyer dafür, die Diskussion im Detail zu führen und sie nicht durch Parolen einzudämmen, die arg einfach sind.

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Die Haltung zur Misere

Mittwoch, 30.06.2021

Am heutigen Mittwoch verlassen die letzten Soldaten aus den Standorten Füssen und Mittenwald das "Contact Tracing Team" am Pandemiezentrum im Landkreis Landsberg. Im Rahmen "technischer Amtshilfe" haben sie Kontakte nachverfolgt, Befunde übermittelt, Kontrollanrufe getätigt, Außentests vorgenommen, an Testungen auf dem Fliegerhorst mitgewirkt und zuletzt vor allem Reiserückkehrer betreut und kontrolliert. Großartig, außergewöhnlich, unkompliziert und partnerschaftlich sei die Zusammenarbeit gewesen, hieß es zum Abschied. Für Landrat Thomas Eichinger und Amtsarzt Dr. Manuel Müller-Hahl, der das Contact Tracing Team mit großer Umsicht leitete und dafür das "Ehrenedelweiß" des Bataillons bekam, war der Einsatz essentiell. Ohne die Soldaten hätte die Corona-Bilanz im Landkreis "ganz anders ausgesehen", sagte Eichinger. Wir haben Glück gehabt.

Das war nicht überall so. Mancherorts scheute man bürokratische Folgeprobleme bezüglich Unterbringung, Verpflegung und Haftung. Und auch die nächstgelegene Bundeswehreinheit war nicht immer über Anfragen erfreut. Viele Angehörige des Gebirgsversorgungsbataillons aus Füssen sind beispielsweise in Mali im Einsatz; da wird das Personal am Heimatstandort knapp. Künftig brauchen wir eine andere Lösung; Soldaten sind keine Hilfsbeamte der Kommunalverwaltung. Darauf hat am Wochenende auch der Nationale Normenkontrollrat hingewiesen, der im Auftrag der Bundesregierung tätig ist. Um Lastspitzen schnell auffangen zu können, sei eine zivile Personalreserve sinnvoll - ein Personalpool, bestehend aus Verwaltungsangehörigen aller Ebenen, die bei Bedarf und ohne Kompromittierung der abgebenden Stelle kurzfristig für andere Aufgaben eingesetzt werden können.

Das ist nur eine von vielen Empfehlungen des Normenkontrollrats. Eine weitere ist ein Baukastensystem, an das die Landkreise gebunden sein sollen. "Die ortsnahe Problemkenntnis und Entscheidungsgewalt soll erhalten bleiben, bei der Auswahl der Lösungen und Produktionsmittel sollen Politik und Verwaltung aber aus einem überregionalen Lösungsraum auswählen können." Ja, das ist eine gute Idee. Die Ansätze der Landkreise waren viel zu unterschiedlich, sowohl während der Flüchtlingskrise als auch in der Corona-Zeit. Man erinnere sich nur an die einsame Definition des Landkreises Landsberg, Flüchtlinge seien Obdachlose und daher Sache der Kommunen. An die sinnlose Schließung der Betriebshöfe zu Beginn des Lockdowns. An das Lamentieren, Ärzte würden doch nur ihre Freunde und Nachbarn impfen. An die vagen Pressemitteilungen zu Corona-Fällen, in denen das einzig Konkrete der übergriffige Hinweis war, die Verstorbenen seien betagt und vorerkrankt gewesen.

Der Normenkontrollrat hat richtigerweise auch gefordert, jetzt mit Audits und Stresstests die Leistungsfähigkeit von Behörden im Normalbetrieb und im Krisenfall zu ermitteln. Lange Wartezeiten bei der An- oder Abmeldung eines Kraftfahrzeugs, zeitraubende Prozessführungen des Jugendamts, monatelange Vakanzen bei Amtsleitungen, das sind drei Beispiele aus dem hiesigen Landkreis, die zeigen, mit welcher Unbekümmertheit die Misere als normal deklariert wird. Beides müssen wir beenden: die Misere selbst, aber auch die Haltung dazu.

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Die Lupe in der Hand

Mittwoch, 23.06.2021

Viele überrascht es, wenn sie erfahren, dass es in einer Stadt wie Landsberg keine Gewaltenteilung gibt. Die Aufteilung in Exekutive (Ausführung) und Legislative (Gesetzgebung) endet auf Landesebene. Alles darunter gehört zur Exekutive und nennt sich "Verwaltung". Auch der Stadtrat ist Teil der Verwaltung. Er ist kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz, kein Aufsichtsrat. Die Oberbürgermeisterin und der Stadtrat teilen sich vielmehr die Verwaltungsaufgaben. Für laufende gleich wiederkehrende Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung und ohne erhebliche Verpflichtungswirkung ist die Oberbürgermeisterin zuständig, für alles andere der Stadtrat. Die Mitarbeiter der Verwaltung arbeiten beiden zu und führen ihre jeweiligen Anordnungen oder Beschlüsse aus.

Manche erinnern sich noch an einen Beitrag des landsbergblog vom 7. Dezember 2012 mit dem Titel "Wer ist Behörde?" Damals vertraten Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Auffassung, für die Ausübung der Befugnisse der Stadt als "Untere Straßenverkehrsbehörde" seien sie, die hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeiter, zuständig - der Stadtrat sei doch nie und nimmer "Behörde". Richtig war und ist: Die ganze Stadt ist "Untere Straßenverkehrsbehörde". Wer im Einzelfall für eine Entscheidung zuständig ist, bemisst sich nach der allgemeinen Aufteilung zwischen Stadtrat und OB.

In diesem Licht muss man auch die in der vergangenen Woche diskutierte Frage sehen, welche Stellung ein Stadtratsmitglied hat, das mit einem Aufgabengebiet (einem Referat) betraut wurde. Durch diese Betrauung ändert sich nichts an der grundsätzlichen Aufgabenteilung; der Stadtrat gibt seinem (Fach-) Kollegen lediglich so etwas wie eine Lupe in die Hand. In der Geschäftsordnung steht, dass Referenten "Entscheidungen des Stadtrats vorbereiten" sollen. "Insoweit" sind sie sowohl mit der "Bearbeitung der Aufgabengebiete" wie auch mit der "Überwachung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit" betraut.

Referenten sollen also beispielsweise vor Sitzungen der Ausschüsse Themen aus ihrem Fachgebiet mit der Lupe betrachten und dann ihre Bewertung dazu abgeben. Das setzt natürlich voraus, dass der jeweilige Referent (m/w/d) sich in den jeweiligen Ausschuss hat wählen lassen, also beispielsweise ein Energiereferent in den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss. Referenten sollen aber auch die "gemeindliche Verwaltungstätigkeit" überwachen. Stellt ein Kulturreferent beispielsweise fest, dass eine Fördersatzung nicht in Anspruch genommen wird, sollte er das bemerken und eine Änderung "vorbereiten".

Durch den Status "Referent" entsteht aber kein Durchgriffsrecht in den Bereich, dessen Bearbeitung dem Stadtrat gar nicht obliegt. Ein Referent wird auch nicht zum Fachvorgesetzten von Verwaltungsmitarbeitern und diese werden ihm gegenüber nicht berichterstattungspflichtig. Wenn der ganze Stadtrat kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz und kein Aufsichtsrat ist, dann wird auch ein Referent nicht dazu. Folglich gibt es im Verhältnis der Beteiligten auch keine Hol- und Bringschuld, sondern, innerhalb der umfassenden Kommunalverwaltung, nur den Anspruch auf Kollegialität.

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Ein Anfang, ein Sinnbild

Mittwoch, 16.06.2021

Viele überrascht es, wenn sie erfahren, dass es in einer Stadt wie Landsberg keine Gewaltenteilung gibt. Die Aufteilung in Exekutive (Ausführung) und Legislative (Gesetzgebung) endet auf Landesebene. Alles darunter gehört zur Exekutive und nennt sich "Verwaltung". Auch der Stadtrat ist Teil der Verwaltung. Er ist kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz, kein Aufsichtsrat. Die Oberbürgermeisterin und der Stadtrat teilen sich vielmehr die Verwaltungsaufgaben. Für laufende gleich wiederkehrende Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung und ohne erhebliche Verpflichtungswirkung ist die Oberbürgermeisterin zuständig, für alles andere der Stadtrat. Die Mitarbeiter der Verwaltung arbeiten beiden zu und führen ihre jeweiligen Anordnungen oder Beschlüsse aus.

Manche erinnern sich noch an einen Beitrag des landsbergblog vom 7. Dezember 2012 mit dem Titel "Wer ist Behörde?" Damals vertraten Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Auffassung, für die Ausübung der Befugnisse der Stadt als "Untere Straßenverkehrsbehörde" seien sie, die hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeiter, zuständig - der Stadtrat sei doch nie und nimmer "Behörde". Richtig war und ist: Die ganze Stadt ist "Untere Straßenverkehrsbehörde". Wer im Einzelfall für eine Entscheidung zuständig ist, bemisst sich nach der allgemeinen Aufteilung zwischen Stadtrat und OB.

In diesem Licht muss man auch die in der vergangenen Woche diskutierte Frage sehen, welche Stellung ein Stadtratsmitglied hat, das mit einem Aufgabengebiet (einem Referat) betraut wurde. Durch diese Betrauung ändert sich nichts an der grundsätzlichen Aufgabenteilung; der Stadtrat gibt seinem (Fach-) Kollegen lediglich so etwas wie eine Lupe in die Hand. In der Geschäftsordnung steht, dass Referenten "Entscheidungen des Stadtrats vorbereiten" sollen. "Insoweit" sind sie sowohl mit der "Bearbeitung der Aufgabengebiete" wie auch mit der "Überwachung der gemeindlichen

Verwaltungstätigkeit" betraut. Referenten sollen also beispielsweise vor Sitzungen der Ausschüsse Themen aus ihrem Fachgebiet mit der Lupe betrachten und dann ihre Bewertung dazu abgeben. Das setzt natürlich voraus, dass der jeweilige Referent (m/w/d) sich in den jeweiligen Ausschuss hat wählen lassen, also beispielsweise ein Energiereferent in den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss. Referenten sollen aber auch die "gemeindliche Verwaltungstätigkeit" überwachen. Stellt ein Kulturreferent beispielsweise fest, dass eine Fördersatzung nicht in Anspruch genommen wird, sollte er das bemerken und eine Änderung "vorbereiten".

Durch den Status "Referent" entsteht aber kein Durchgriffsrecht in den Bereich, dessen Bearbeitung dem Stadtrat gar nicht obliegt. Ein Referent wird auch nicht zum Fachvorgesetzten von Verwaltungsmitarbeitern und diese werden ihm gegenüber nicht berichterstattungspflichtig. Wenn der ganze Stadtrat kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz und kein Aufsichtsrat ist, dann wird auch ein Referent nicht dazu. Folglich gibt es im Verhältnis der Beteiligten auch keine Hol- und Bringschuld, sondern, innerhalb der umfassenden Kommunalverwaltung, nur den Anspruch auf Kollegialität.

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Der Mythos Home Office

Mittwoch, 09.06.2021

Gewerkschaften und Arbeitgeber streiten darum, ob das Modell "Home Office" auch künftig, zumindest an einigen Wochentagen, aufrecht erhalten werden soll. Das scheint auf den ersten Blick eine bundesweite wirtschaftspolitische Angelegenheit zu sein. Es ist aber mindestens auch ein kommunales Thema. Denn jeder überfüllte Regionalexpress, jeder zugeparkte Bahnhofsparkplatz und jede stauträchtige Autobahn bringen Probleme mit sich. In den Jahren vor der Corona-Pandemie sind wir immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen.

Deswegen ist es gut, dass wir uns noch einmal verdeutlichen: Pendeln hat keinen Wert an sich. Pendeln ist Zeitverschwendung. Pendeln belastet die Umwelt. Pendeln kostet unnötiges Geld. Es gibt Tage, da sitzt ein Arbeitnehmer stundenlang in seinem Büro in der Firmenzentrale vor einem Monitor, ohne einen Besucher zu empfangen oder mit Kollegen zu konferieren. Wo ist da, von Kontrolle abgesehen, der tiefe Sinn? Ähnlich absurd ist oft die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen. Müssen wir wirklich zu Konferenzen und Tagungen, Seminaren und Schulungen umständlich anreisen? Ist es tatsächlich erforderlich, halbe Tage im Flieger oder der Bahn zu sitzen und die Nacht mehr schlecht als recht fernab der Familie im Holiday Inn Express zu verbringen?

Einerseits. Andererseits ist das "Home Office" auch ein Mythos. Der Begriff unterstellt etwas, was es meist gar nicht gibt. Dass Deutschlands Arbeitnehmer über abgegrenzte Arbeitszimmer mit Gigabit-Internetanbindung verfügen. Dass Kleinkinder verstehen, dass Papa oder Mama gerade nicht aus Spaß lustige Videos von sich machen. Und dass die Betriebskantine mühelos durch "Home Cooking" der vom Samstag verbliebenen Rest-Vorräte ersetzt werden kann. Wer das Home Office ohne Differenzierung rühmt, verkennt die Belastungen, die es für die Berufstätigen mit sich bringt.

Aus unserer Sicht braucht es einen Kompromiss. Der könnte darin liegen, dass wir dezentrale Bürozentren errichten, in denen Arbeitsräume, Schreibtische, Telefone, PCs, Drucker, Webcams und breitbandige Internetanschlüsse zur Verfügung stehen und geteilt werden. Solche "Co-Working Spaces" gibt es in Zentren schon lange. Letztlich macht es aber keinen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer nach München fährt, um dort einen festen oder einen temporären Arbeitsplatz aufzusuchen. Der Mehrwert liegt darin, die Notwendigkeit des Pendelns zu reduzieren, ihn also gar nicht erst nach München fahren zu lassen.

Treiber dazu sind, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab, vor allem die Wirtschaftsförderer der Städte und Landkreise. Bisherige Versuche scheiterten oft daran, dass Co-Working Spaces auf die falsche Zielgruppe setzten. Es sind nicht die bislang zumeist angesprochenen Freiberufler, die Bedarf haben. Es sind die Unternehmen, die durch die Dezentralisierung von Arbeitsplätzen im Wettbewerb um Talente attraktivere Arbeitgeber werden. Und die erkennen, dass sie eine bessere Work-Life-Balance herbeiführen können, ohne qualitative Abstriche hinnehmen zu müssen. Der richtige Ansatz ist daher, mit den Personalabteilungen der großen Münchner Unternehmen zu sprechen. Erst der Vertrag, dann die Location. Das könnte eine Erfolgsformel sein.

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Gefühlt: Stillstand

Mittwoch, 02.06.2021

Manche betrachten es bereits als Fortschritt, wenn die Verwaltungsspitze Krisen löst, an deren Entstehung sie selbst beteiligt war. Zuletzt bei der Haftungsfrage für den Lechstrand, die man längst hätte regeln können. Wenn demnächst die Nachricht über einen Ersatz-Sprungturm im Inselbad hereinkommt, wird es erneut Lob geben. Letztlich sind das aber nur Fehlerkorrekturen; wir stellen den status quo wieder her. Die Presseerklärungen der Verwaltung machen den Eindruck, als wäre die Stadt ein applausheischender Reparaturbetrieb. Biberschäden, Flutlichtmängel, matschiger Spielplatz, verblasste Schilder? Wir bringen das in Ordnung. Wir machen's wieder gut.

Welche Fortschritte erzielen wir aber wirklich? Welche Herausforderungen gehen wir an, welche nicht? Das fragt der KREISBOTE in seiner vierteiligen Serie, die heute beginnt. Es geht darin um den digitalen Wandel, adäquates Wohnen, klimaneutrale Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe. Diese vier Themen standen weit oben auf der Agenda der Stadträte und Bürger, die in den Jahren 2016 bis 2018 an der Entwicklung der Strategie "Landsberg 2035" mitgewirkt haben.

Wir wissen: Mancher Stadtrat würde die Zielsetzungen, die daraus entstanden sind, gerne ad acta legen. Auch die Verwaltung hat offenbar die Lust verloren; die Website zur Strategie hat man schon lange nicht mehr angefasst. Aber es handelt sich um globale Themen, bei denen die Kommunen eine besondere Verantwortung tragen. Beispiel Mobilität und Umwelt: In den Ballungsräumen steht jeder Autofahrer pro Jahr 40 Stunden in einem innerstädtischen Stau. In Landsberg sind 45 Prozent aller Autofahrten kürzer als drei Kilometer. Große wie kleine Städte haben daher nicht nur die Pflicht, sondern auch eine gute Chance, einen Teil des Autoverkehrs auf Bahn, Bus und Rad zu verlagern. Die Politik muss dazu jetzt die Bedingungen schaffen, denn die Umsetzung dauert noch lange genug.

Aber gefühlt haben wir bei großen Themen wie diesen Stillstand. In der April-Sitzung des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses des Stadtrats ließ Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) nur Allgemeinplätze zur Geh- und Radwegplanung vortragen. Anstatt den Hamburger Beratern Gelegenheit zu geben, Details aus ihrem immerhin 80.000 Euro teuren Gutachten vorzutragen, befasste man sich zum wiederholten Mal mit Grundsätzlichem. Das löste zurecht Unmut aus. Wie bereits des Öfteren sollen nun erst einmal neue Gremien hinter verschlossenen Türen beraten. Das ist weder mutig noch transparent. Die frühere Offenheit und Bürgernähe schlägt ins Gegenteil um. Auch deswegen bedarf es der öffentlichen Erinnerung an die langfristige Agenda der Stadt, ohne deren Erledigung sie keine gute Zukunft hat.

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Wehrhafte Demokratie

Mittwoch, 26.05.2021

Im Oktober 2020 kritisierte der landsbergblog, dass das Landratsamt zum wiederholten Mal stundenlange Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen genehmigt hatte, die das Leben in der Innenstadt praktisch zum Erliegen brachten. Da viele Teilnehmer keine Maske trugen, waren Einkäufe und Lokalbesuche in dieser Zeit faktisch nicht möglich. Besonders grotesk erschien uns, dass die Behörden vorgezeigte Atteste, von der Maskenpflicht befreit zu sein, als rechtlich relevant betrachteten und akzeptierten.

Hinsichtlich der Atteste wiesen wir darauf hin, dass sie nicht das Recht vermitteln, an Demonstrationen teilzunehmen, bei denen die Auflagen "Maske und Abstand" gelten. Das Attest schütze, sofern nicht missbräuchlich ausgestellt, allenfalls vor Bestrafung, sei aber kein Freibrief zur Teilhabe, zumal immer gegen die Rechte von Gastronomen, Einzelhändlern und Passanten auf körperliche Unversehrtheit abzuwägen sei. Und hinsichtlich der Genehmigung der Kundgebungen schrieben wir: "Es ist naiv, die Einhaltung der Auflagen zu unterstellen, obwohl man weiß, dass ihre Nichteinhaltung integraler Bestandteil der Demo ist." Das Landratsamt solle sich "wehrhaft" zeigen und auch mal ein Gerichtsverfahren riskieren.

Beiden Ansichten ist das Amt soweit ersichtlich nicht gefolgt. Zwar kann man unterstellen, dass die Behörden in Sachen "Atteste" heute anders denken, zumal inzwischen mehr über die Art und Weise der Ausstellung, die Zahl der Bescheinigungen und die handelnden Personen bekannt ist. Es ist aber nach wie vor zu befürchten, dass erneute Anträge auf Demos auf dem Hauptplatz oder dem Hellmair-Platz nicht abgelehnt würden. Deswegen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Sache anderswo ganz anders gehandhabt wurde. Immer mehr Landkreise und kreisfreie Städte untersagten Demonstrationen von "Querdenkern" und anderen, weil der Verstoß gegen Hygienemaßnahmen geradezu vorgezeichnet war.

Das aktuellste Urteil dazu stammt aus der vergangenen Woche. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin entschied, eine Demonstration müsse nicht genehmigt werden, wenn "an den prominenten Orten der Stadt" die notwendigen Hygienemaßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten würden. "Mit der beabsichtigten Durchführung der Versammlungen gehen unmittelbare Gefahren für die Grundrechte Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit einher. Diese Rechtsgüter sind gefährdet, weil die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer nach der plausiblen Gefahrenprognose die zur Vermeidung von Infektionen auch im Freien einzuhaltenden Mindestabstände voraussichtlich nicht beachten werden", heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts, das das OVG in vollem Umfang und bestandskräftig bestätigte. Ausschlaggebend für diese Annahme seien die negativen Erfahrungen mit zahlreichen Versammlungen der Vergangenheit.

Der erneute Hinweis auf die Optionen des Landratsamts im Sinne einer wehrhaften Demokratie scheint uns besonders deswegen angebracht, weil die Corona-Gefahr inzwischen zwar reduziert ist, aber nur wenn und soweit die Schutzmaßnahmen von der Impfung bis zum Abstand auch konsequent weitergeführt werden. Zu vorzeitigen Jubelrufen besteht kein Anlass. Eine neue Verwaltungspraxis ist daher nach wie vor erforderlich.

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Munkeln im Dunkeln

Mittwoch, 19.05.2021

Machen wir es uns doch bitte noch einmal klar: Die Stadt Landsberg hat ihr 100prozentiges Tochterunternehmen "Stadtwerke" allein aus finanziellen Gründen mit der Leitung von Inselbad und Parkgaragen betraut. Sie hat beide öffentlichen Einrichtungen damit nicht in fremde Hände gegeben. Sie gehören vielmehr weiterhin zum Kerngeschäft der Stadt. Die politische Verantwortung wurde weder delegiert noch mediatisiert. Wir bewegen uns hier auch nicht in einem Wettbewerbsverhältnis. Es gibt kein konkurrierendes zweites Bad und keine konkurrierenden Tiefgaragen. Der Vorstand der Stadtwerke könnte also eine ganz offene Informationspolitik betreiben: in Sitzungen Auskunft geben, mit den Bürger über ihre Ideen sprechen und alle Stadträte mit Unterlagen versorgen. Fürs Munklen im Dunkeln gibt es keinen Bedarf.

Aber die beiden Vorstände der Stadtwerke legen offenbar auch in Sachen Inselbad und Tiefgaragen Wert auf Abgrenzung. Wir sind der Vorstand. Wir berichten dem Verwaltungsrat, der sich zur Geheimhaltung verpflichtet fühlt. Und der soll selbst sehen, wie er gegenüber dem Stadtrat mit dieser Rolle klarkommt. Damit überträgt er eine bei den Themen Strom, Gas und Wärme sicher sinnvolle Grenzziehung unnötigerweise auf politische kommunale Themen, die Geheimniskrämerei weder erfordern noch vertragen. Außerhalb des Energiegeschäfts braucht es auch keine spezialisierte württembergische PR-Agentur; in Sachen Inselbad und Parkgaragen können wir getrost direkt miteinander reden, ohne Dreiecksverhältnis mit Kommunikationsexperten, die Rolle und Bedeutung der Einrichtungen vor Ort gar nicht kennen.

Der aktuelle Streit hat aber noch eine zweite Dimension. Die an Christi Himmelfahrt - einen Tag nach der Stadtratssitzung - verbreitete Presserklärung der Stadtwerke hat für erfahrene Beobachter erkennbar im Sinn, noch einmal zu betonen, dass der Vorstand der Stadtwerke den Verwaltungsrat samt Oberbürgermeisterin doch so früh und so komplett informiert habe, dass der zunächst ersatzlose Abriss des Sprungturms "klar" gewesen sei. Hier kommuniziert der Vorstand gegen seinen Alleingesellschafter; das ist die Nutzung des Instruments Öffentlichkeitsarbeit zum Ausfechten unternehmensinterner Streitigkeiten. Damit bringen sich die Stadtwerke unnötig ins Gerede. "Wer schreibt, der bleibt", sagt ein Sprichwort, und im Zeitalter der Internet-Archive ist das durchaus riskant. Warum Gerald Nübel und Christof Lange nicht der Einladung in den Pandemieausschuss gefolgt sind und dort persönlich Stellung genommen haben, bleibt ein Rätsel. Vertrauensbildend war das nicht.

Die Stadtwerke sollten sich bei der Verwaltung von Inselbad und Parkgaragen nicht so verhalten, als stünden sie dabei ähnlich wie in ihrer Rolle als Energieversorger im Wettbewerb mit Großkonzernen. Zumal bei beiden Einrichtungen gilt: Letztlich zahlt die Stadt die Ausgaben, entweder als Investitionszuschuss oder bei der Übernahme von Verlusten. Das ist mit einer Geheimhaltungskaskade nicht vereinbar. Was in Sachen Inselbad und Garagen passiert, darf nicht hinter verschlossenen Türen im Sitzungsraum in der Epfenhausener Straße beschlossen werden. Es sind öffentliche Themen zur öffentlichen Beratung im Stadtrat.

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Einfach mal behauptet

Mittwoch, 12.05.2021

Heute geht es im landsbergblog um ein Dilemma, das Politik und Medien betrifft. Es besteht darin, dass Politiker des Öfteren etwas behaupten, ohne es zu belegen. Gerne geschieht dies, um eigene Leistungen zu loben und die Anderer zu relativieren. Wenn Zweifel bestehen, dass die Aussage auf verlässlichen Tatsachen beruht - und wenn kein Anwesender nachgefragt hat - stellt sich die Frage: Wie geht man als Presse damit um? Gibt man die Behauptung einfach wieder, nach dem Motto "es ist ja ein Zitat"? Oder merkt man im Artikel an, dass die Angabe zu Zweifeln Anlass gibt? Beide Lösungen sind problematisch. Die erste ist zu wenig Leserservice, die zweite zu viel Generalverdacht.

Ein aktuelles Beispiel: Oberbürgermeistern Doris Baumgartl hat im Finanzausschuss des Stadtrats behauptet, die Stadt Landsberg sei "viel besser durch die Krise gekommen als viele andere Kommunen“. Belegt hat sie diese Aussage nicht; auch hat sie keine Beispiele genannt. Zwei oder drei Kommunen aus dem Kreis der "Vielen" hätte sie doch wenigstens nennen können. Deswegen ist es erlaubt, die Frage zu stellen, woher sie das wissen will. Die Jahresabschlüsse für 2020 sind meist noch nicht erstellt, geschweige denn beschlossen und veröffentlicht. Ihre Analyse würde Zeit und Ortskenntnis erfordern. "Gut" oder "schlecht" ist dabei meist nur im Jahresvergleich ablesbar.

Unklar bleibt daher, an welchem Parameter sich das Landsberger Eigenlob "viel besser als viele andere" orientiert. Geht es um Einnahmen? Das ist eher unwahrscheinlich. Der Bund und der Freistaat haben für das vergangene Haushaltsjahr die Verluste aus der Gewerbesteuer erstattet. Und für 2021 gibt es noch einmal massive Zahlungen aus dem kommunalen Finanzausgleich.

Bezieht sich das "viel besser als andere" vielleicht auf die Kostenseite? Dann müssten viele andere Kommunen ungerechtfertigt viele Ausgaben getätigt oder Landsberg erstaunlich viele Einsparungen erzielt haben. Für das erste gibt es keine Indizien - da hätten die jeweiligen Stadträte und Aufsichtsbehörden den Bürgern ja übel mitgespielt. Und das zweite ist bei uns nicht der Fall. Wir decken Mehrausgaben, zum Beispiel beim Lechsteg oder der Grundschule Erpfting, indem wir auf andere Maßnahmen verzichten. Das ist kein Erfolg, sondern eine Notlösung. Und das Landratsamt hat uns bei der Genehmigung des Haushalts ja nicht freundlich zugenickt, sondern darauf hingewiesen, dass die praktisch schon eingepreiste Kreditaufnahme der Stadt Landsberg im Jahr 2022 nicht genehmigungsfähig sein könnte. Wenn das "viel besser als viele andere" ist, dann müssten die vielen anderen längst den Staatskommissar an Bord haben.

Wie also geht man mit Aussagen um, die unbelegt sind und bei denen Zweifel naheliegen, dass die Aussage auf verlässlichen Tatsachen beruht? Kommentare schreiben ist eine Möglichkeit; auf Dauer wird das aber langweilig. Passender wäre, dass diejenigen, die Adressaten der Aussage sind, nachfragen. "Besser als viele andere Kommunen? Welche sind das? Und woran liegt das?", hätten beispielsweise die Landsberger Stadträte fragen können, statt den Satz nur entgegenzunehmen. Gegen "einfach mal behauptet" gibt es nämlich zwei gute Gegenmittel. Man nennt sie demokratische Kontrolle und politischer Diskurs.

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Teil des Kerngeschäfts

Mittwoch, 05.05.2021

So etwas kann man sich gar nicht ausdenken. Punkt 1. Die Stadtwerke reißen den Sprungturm des Inselbads ab, ohne Ersatz zu bestellen. Punkt 2. Die Oberbürgermeisterin weiß davon seit Februar und hat das nicht verhindert. Punkt 3. Über den Vorgang werden die Bürger und Nutzer erst nachträglich informiert. Punkt 4. Unter Verwendung der dümmlichen Überschrift einer PR-Agentur: "Kleinere Sprünge machen auch Spaß".

Oh je, da kommt viel zusammen. Und dann schickt Doris Baumgartl, die ja unverdächtig ist, den Landsbergern keinen Badespaß zu gönnen, auch noch einen offenen Brief hinterher, der nicht überzeugt. Die im Februar erhaltene Information über den Abbruch des Sprungturms habe sie nicht weitergeben "können"; Öffentlichkeitsarbeit sei ja Aufgabe der Stadtwerke. Aber doch nicht exklusiv! Jeder Chef einer Unternehmensgruppe berichtet selbstverständlich auch über die Unternehmen innerhalb der Gruppe. Und in diesem Fall ist die Nähe sogar noch größer. Wir haben das Inselbad nur aus finanziellen Gründen an die Stadtwerke ausgelagert. Es bleibt Teil des Kerngeschäfts der Stadt Landsberg. Die Stadtwerke sind zu 100 Prozent in städtischem Eigentum und Baumgartl vertritt als Vorsitzende des Verwaltungsrats die Interessen der Stadt und ihrer Bürger. Sonst könnten wir ja auch einen Wirtschaftsprüfer an ihre Stelle setzen. Übrigens ist gerade die Oberbürgermeisterin hier zur Problemlösung berufen: Pro Jahr werden in Deutschland 80 kommunale Bäder geschlossen. Da gibt es wahrscheinlich Sprungtürme zuhauf. Man muss nur die Kollegen fragen.

Wenn die Oberbürgermeisterin jetzt mitteilt, sie habe den Vorstand der Stadtwerke "um ein zeitnahes Gespräch gebeten, um gemeinsam zu einer schnellen und guten Lösung für uns alle zu kommen", dann ist das kaum erträglicher Politiker-Sprech. Die Bürgermeisterin ist ja nicht erst jetzt zum Handeln befugt. Richtig ist: Sie hätte seit Februar mit den Stadtwerken und ihren Mitarbeitern in Permanenz über Lösungen beraten können. Was jetzt, "zeitnah" und "schnell", wahrscheinlich viel schwerer ist.

3.900 Nutzer des Bades haben 2017 mit Drei-Viertel-Mehrheit dafür plädiert, dass Sprungturm, Rutsche und 50-Meter-Bahnen auf jeden Fall erhalten bleiben. An diesem Votum kann man nicht einfach vorbei gehen. Für den neuen technischen Vorstand der Stadtwerke, der aus Dachau kommt, mag die fast innige Beziehung der Landsberger zu ihrem Inselbad ja neu sein; dann muss man aber erst recht behutsam vorgehen. Dass die Stadtwerke zur Kommunikation eine Agentur aus dem württembergischen Engstingen beschäftigen, trägt auch nicht zur Bürgernähe bei. "Seit Dienstag ist er weg" ist nun wirklich keine angemessene Art, den Verlust des Sprungturms zu vermitteln. Bei den Stadtwerken ist offenbar noch viel zu tun.

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Stümperhafter Softwarekauf

Mittwoch, 28.04.2021

Der Landkreis Landsberg hat erfreut bekannt gegeben, dass nun auch hier die Luca-App eingesetzt werden kann. Die Technik stehe, die letzten Tests im Gesundheitsamt seien erfolgreich gelaufen. Landrat Thomas Eichinger gebe daher "offiziell den Startschuss" für den Einsatz im Landkreis Landsberg. "Wir hoffen nun, dass möglichst viele Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Veranstalter, Vereine, Betriebe, Bildungseinrichtungen, Behörden und natürlich unsere Bürgerinnen und Bürger im Landkreis die Luca-App nutzen. Damit hätte die Zettelwirtschaft weitgehend ein Ende und die Kontaktnachverfolgung bei Bedarf wäre wesentlich einfacher und schneller abzuarbeiten", so der Landrat.

Das ist eine gute Absicht, wenn die App denn funktionieren würde. Drei Tage lang haben wir versucht, sie unter Android 10 und 11 zum Laufen zu bringen. Man soll eine Festnetz- oder eine Mobiltelefonnummer eingeben. Damit man nicht irgendeine Nummer nennt, erhält man einen Anruf (Festnetz) oder eine SMS (Mobilfunknetz) mit einem Code. Wir gaben zunächst unsere Festnetznummer ein, aber schon das Abschicken dieser Nummer scheiterte an einem wiederholten "Error 400 Bad Request". Anschließend versuchten wir es mit einer Mobilfunknummer, doch die versprochene SMS mit der angekündigten "TAN" blieb aus. Auch die erneute Eingabe der Telefonnummer mit vorgeschaltetem +49 und der Vorwahl ohne 0 führte nicht weiter. Damit war die App nicht einsetzbar. Andere Registrierungswillige erhielten die Fehlermeldung "Anfragelimit erreicht" sowie den "Error 403 Forbidden". Die Reaktionen sind folglich überwiegend negativ. Über die Hälfte der Nutzer, die eine Rezension verfassten, gaben eine Ein-Stern-Bewertung ab: Funktioniert nicht. Auch das Ein- und Auschecken in Geschäften bereitet Probleme; einige Anwender wurden nach vier Stunden aufgefordert, sich endlich aus dem Geschäft auszuloggen. "Pfusch am Bau", schrieb ein Nutzer im Android App Store, "solange die sich nicht helfen lassen, klare Warnung vor der App!" Ein anderer forderte: "Die öffentliche Hand sollte die Lizenzgebühren für diese App zurückverlangen".

"Dank kräftiger Werbung durch den prominenten Investor Smudo konnte das frisch gegründete Start-up culture4life binnen wenigen Monaten über 20 Millionen Euro an Steuergeldern von unterschiedlichen Bundesländern einsammeln", berichtete netzpolitik.org am Wochenende. Warum die Länder vorab Jahreslizenzen erworben und pauschal bezahlt hätten, sei unerfindlich. In der Software-Industrie setzten sich immer mehr nutzungsabhängige Preismodelle durch. Damit werde das Risiko gleichmäßig auf Anbieter und Käufer verteilt. Außerdem fehle es im vorliegenden Fall an Referenzkunden. Die Länder hätten "die Katze im Sack" gekauft. Und die nachgeordneten Behörden preisen sie trotz aller Probleme an. netzpolitik.org schreibt: "Von Luca selbst ist bekannt, dass Vorleistungen in elastischen Preismodellen eingekauft werden. Dank des stümperhaften IT-Einkaufs durch einige Bundesländer wird das Geschäft für Luca also genau dann besonders profitabel, wenn es tatsächlich kaum jemand nutzt. In zahlreichen Bundesländern ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Kaufen weitere Bundesländer Luca nutzungsunabhängig ein, darf man das durchaus als fahrlässig bezeichnen."

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Städtischer Gemeingebrauch

Mittwoch, 21.04.2021

Es gibt noch Zeichen und Wunder: Der Stadtrat hat am vergangenen Mittwoch einstimmig beschlossen, eine städtische Fläche an der B17, zwischen Friedheim und der ehemaligen Lechrainkaserne, für eine große Photovoltaikanlage zu nutzen. Betreiber sollen die Stadtwerke Landsberg sein. Dieser Beschluss ist lange überfällig. Im Klimaschutzkonzept 2013 war der Balken, der die Energieerzeugung durch Freiflächenanlagen in der Stadt Landsberg symbolisierte, fast nur mit einer Lupe erkennbar; landkreisweit war 91 Prozent des Potentials ungenutzt. In ihrer Strategieplanung nahm sich die Stadt aber vor, "bis 2035 den größten Teil und bis 2050 vollständig alle Haushalte und Unternehmen mit Strom und Wärme aus regenerativen und regionalen Energiequellen" zu versorgen.

Eigentlich hätte man damit schon 2014 beginnen können. Doch es gab eine Kollision mit dem Wunsch von 3C Carbon, in der Nähe des Firmengeländes einen Campus mit Werkswohnungen zu errichten. Unmittelbar nördlich, auf der gleichen Seite der B17, war das nicht mehr möglich; das Gelände war inzwischen "Nationales Naturerbe" geworden. Also untersuchte man im Rahmen des "Europan"-Wettbewerbs, ob man die Idee nicht auf der anderen Seite der B17, südöstlich von Friedheim, verwirklichen könnte. Wettbewerbssieger wurde aber das italienische Team "Living with(in) Nature", das dem Campus-Gedanken eine Absage erteilte und neue verteilte Wohnquartiere im Landsberger Süden vorsah. Da schrieb man das Jahr 2016. Offenbar hat aber niemand einen Strich darunter gemacht. Im ersten Entwurf des neuen Flächennutzungsplans aus dem Jahr 2018 taucht der Campus jedenfalls unter "laufende Verfahren" wieder auf: "Technologiepark Lechrain, Wohnnutzungen, geplante Wohneinheiten: keine Angabe".

Seitdem gab es wieder Funkstille. Das wurde dann selbst der nicht gerade als unternehmensfeindlich bekannten CSU-Fraktion im Landsberger Stadtrat zu viel. Im Januar 2020 beantragte sie, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine "Photovoltaik-Freiflächenanlage Friedheim" zu schaffen und rechnete vor: 5,5 Millionen Kilowattstunden Kapazität, Strom für 1.900 Haushalte, wir sparen 2.750 Tonnen CO2. Doch im Februar 2020 vertagte eine Stadtratsmehrheit den Vorschlag ohne nennenswerte Begründung.

Dann tat sich ein Jahr lang wieder nichts. Keine Beratung, keine Beschlussfassung. Immerhin nutzte man die Zeit, das Thema bei den Stadtwerken und dem Netzbetreiber, den Augsburger Lechelektrititätswerken (LEW), zu erörtern. Aber immer noch hörte man hinter vorgehaltener Hand: "Aber da will doch 3C Carbon Wohnungen bauen". Möglicherweise gab es von dort dann doch grünes Licht. Denn plötzlich ging es nicht nur schnell; auf einmal waren auch alle Stadträte für die Idee und akzeptierten: "Mit der Baurechtsschaffung für eine Photovoltaik-Freiflächenanlage kann eine Umsetzung der (Wohnbau-) Entwürfe für diesen Teilbereich nicht weiterverfolgt werden."

Also: Städtischer Gemeingebrauch statt Campus für Werkswohnungen. Herrschaften, das hätte man aber auch früher haben können, zumal wir bereits genug Baugebiete in Aussicht haben und wir uns insulare Wohnsiedlungen im Außenbereich doch gar nicht wünschen. Geht so etwas wirklich nicht schneller und mit etwas mehr Mut?

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Wir fordern Staatspräsenz

Mittwoch, 14.04.2021

Das Landratsamt beschwert sich über derb und beleidigend auftretende Bürger, die Bürger beschweren sich über eine sprunghaft und intransparent agierende Verwaltung. Die Nerven liegen auf beiden Seiten blank. Man könnte den einen zurufen, sie mögen doch bitte Anstand bewahren. Und man könnte den anderen erklären, dass eine lamentierende Verwaltung kontraproduktiv ist. Beides bringt nichts. Wir müssen aufhören, Probleme zu schildern, und anfangen, Lösungen zu entwickeln. Wir brauchen in Sachen Corona im Landkreis Landsberg einen sichtbaren, ansprechbaren, intensiv kommunizierenden und permanent präsenten Krisenstab, der zwei Aufgaben erfüllt.

Erstens hält er Kontakt zu jedem einzelnen Landkreisbürger. Der wichtigste Schritt dazu ist eine direkte Ansprache aller Betroffenen. Allgemeinverfügungen und Presseerklärungen allein bringen uns nicht weiter. Wir brauchen eine aktuelle Information an jeden Haushalt und jedes Unternehmen. Alle Fragen zu Impfterminen, Masken, Tests und derzeitigen Einschränkungen müssen Woche für Woche mitgeteilt werden. Es gibt genug Verteilmöglichkeiten, ein Informationsblatt auszutragen, gerne auch geheftet und ohne Foto des Landrats. Für persönliche Nachfragen erreichen die Bürger den Krisenstab per Telefon und E-Mail. Aber wir sollten noch einen Schritt weiter gehen. Das Landratsamt versorgt Bürgermeister, Kreisräte und Gemeinderäte, die Verwaltungsgemeinschaften und die örtlichen Verwaltungen mit umfassenden Informationen und aktiviert sie als Multiplikatoren. Jeder, der ein Amt hat, ist damit automatisch Ansprechpartner für die Bürger.

Zweitens kommuniziert der Krisenstab direkt mit Schulen, Kitas, Heimen, Ärzten, Apotheken, Händlern und allen anderen, auch Lehrern und Eltern. Er vernetzt die politischen Ebenen miteinander. Unser Bundestagsabgeordneter und unsere Landtagsabgeordneten sind Gäste im Krisenstab. Sie berichten den Ministerien im Bund und den Ländern über die Probleme vor Ort, stellen Anfragen in ihren Parlamenten und vermitteln persönlich zwischen dem Landkreis und den Regierungen. Ansprechpartner des Krisenstabs sind auch die Geschäftsführer der sozialen Hilfsorganisationen, die Verantwortlichen für Kliniken und Pflegedienste sowie alle anderen, die in dieser Pandemie Verantwortung tragen sollen.

Das Virus tötet Menschen und schädigt viele dauerhaft. Wir brauchen jetzt ein effektives Handeln der Behörden. Nur so gibt es wieder einen Konsens zwischen der Verwaltung und den Bürgern und nur so können wir das Virus besiegen. Wir fordern massive Änderungen. Wir fordern Staatspräsenz.

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Gestern Laie, heute Landrat

Mittwoch, 07.04.2021

In der vergangenen Woche forderte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, eine Jahrhundertreform der Verwaltung unter Einschluss der Landkreise, Städte und Gemeinden. In der Krise habe man wie unter einem Brennglas gesehen, was nicht richtig funktioniert. Der landsbergblog stimmt in vollem Umfang zu.

Eine der dringend zu reformierenden Merkwürdigkeiten unserer Kommunalverfassung ist es, dass Deutschland ausgerechnet die unterste, operativste und bürgernächste Ebene der Verwaltung durch Wahlbeamte - nämlich Landräte - leiten lässt, die dafür in der Regel keine ausreichende Qualifikation besitzen. In allen Angelegenheiten des staatlichen Landratsamts waren sie soeben noch unbedarft. Von einem Tag auf den anderen sollen sie nun nicht nur exzellente Verwaltungskenner, sondern auch sachkundige Fachleute und anerkannte Vorgesetzte sein. Das kann nicht funktionieren.

Wohlgemerkt: Zur Leitung des Kommunalen Landratsamts sind Landräte (m/w/d) sehr wohl geeignet. Sie kommen meist aus der Region, sind gesellschaftlich und parteipolitisch verankert und unterliegen insoweit der Beschlussfassung und Kontrolle der Kreistage und Kreisausschüsse. Aber was qualifiziert sie, in Sachen Gesundheit, Immission, Naturschutz, Waffen, Asyl sowie vielen anderen Themen - dort ohne Gremienkontrolle - gute Verwaltungsarbeit zu leisten? Woher sollen sie das Wissen und die Erfahrung nehmen, um die Landkreisbürger erfolgreich durch eine Pandemie zu führen? Welche Expertise haben sie im Katastrophenschutz? Welche Kompetenz haben sie in der Koordination von Ehrenamtlern und Einsatzkräften? Was verstehen sie von Krisenkommunikation? Dennoch wird erwartet, dass Landräte alle Entscheidungen treffen. "Nach Rücksprache mit Herrn Landrat", "Auf Weisung des Herrn Landrats", "Nach Anordnung von Herrn Landrat", lesen wir fast jeden Tag.

Es ist als wenn wir jeden Landkreis als eine Insel betrachten. Ob und wie schnell Entscheidungen des Bundes oder der Länder dort umgesetzt werden, hängt davon ab, ob die Zugbrücke unten ist oder nicht. Manche Landräte lassen die Brücke gerne oben und agieren als selbstbewusste Verwaltungschefs. Andere betonen ebenfalls ihre bedeutende Rolle und nehmen den Mund voll, sind aber eher ängstlich und baden gerne lau. Das kann man nur durch eine Maßnahme ändern: Ab der nächsten Amtszeit sollte die Zuständigkeit der gewählten Landräte auf den kommunalen Bereich beschränkt werden. Für alles andere brauchen wir, wie früher in der norddeutschen Ratsverfassung, gut ausgebildete und handlungsfähige Verwaltungsleiter in Form von Laufbahnbeamten.

Ist das undemokratisch? Nein, denn die Regierung und die Spitzen der Ministerien sind bereits demokratisch legitimiert. Niemand käme auf die Idee, die Chefs anderer örtlicher Verwaltungsorganisationen wie Polizei, Finanzamt, Wasserwirtschaftsamt oder Vermessungsamt wählen zu lassen. Die dortigen Beamten und Angestellten sind unmittelbar in der jeweils fachlichen Schiene verankert; das wäre auch kommunal der nächste anzustrebende Schritt. Es ist aber undenkbar, sie bei einer Verwaltungsreform weiterhin jemanden zu unterstellen, der gestern Laie war und heute Landrat ist. Lieber Herr Brinkhaus, fangen Sie am besten ganz unten an. Denn hier vor Ort, hier sitzt das größte Problem.

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Das sparen wir uns

Mittwoch, 31.03.2021

Ein gewaltiges Bauwerk mit hohem Störpotential. Ein raumgreifendes Treppenkonstrukt mit unvertretbarer Kosten-Nutzen-Relation. Eine gestalterische Katastrophe. So ähnlich äußert sich im April 2018 der aus hochrangigen Stadtplanern und Architekten gebildete Gestaltungsbeirat der Stadt Landsberg zur geplanten Fußgängerbrücke am südlichen Ende des Papierbach-Areals. Doch der Stadtrat zieht weder damals noch heute die Reißleine. Das nun vorliegende konkrete Angebot von Projektentwickler ehret + klein, auf das Monument zu verzichten, hat der als Pandemieausschuss tagende Stadtrat in seiner letzten nichtöffentlichen Sitzung mehrheitlich abgelehnt. Versteht man das? Nein, das versteht man nicht.

Wie gewaltig und raumgreifend Bahnüberführungen wirken können, ist doch in der eigenen Stadt ablesbar. Man muss nur mal zur Valentin-Kindlin-Straße spazieren und dann nach oben schauen. Aber offenbar muss ein neuer Stadtrat zum Klüger-Werden die Fehler alter Stadträte wiederholen. Das ist umso bedauerlicher als es diesmal um viel eigenes Geld geht. Nach dem städtebaulichen Vertrag ist die Stadt in der Verpflichtung, die Baukosten zu tragen. Es wäre ein Segen, sie gerade jetzt einsparen zu können, zumal es um die Finanzen ja nicht gut steht und das Landratsamt schon warnende Hinweise ins Rathaus geschickt hat.

"Das sparen wir uns" ist aber nicht nur finanziell die richtige Empfehlung. Die Erhöhung der Anforderungen der Bahn - nun sollen sechs Meter überwunden werden - führt noch einmal zu einer Vergrößerung des Bauwerks. Man kann die Treppenstufen ja nicht einfach 20 Prozent höher bauen. Für die an dieser Stelle besonders schützenswerte Natur ist das schlecht. Eigentlich bevorzugt man Brücken gegenüber Unterführungen, um so wenig Eingriffe in vorhandene Biotope wie möglich vorzunehmen. Hier aber erschlägt man die Natur mit einem Koloss. Wenn selbst der Projektentwickler der Meinung ist, dass man das nicht tun sollte - was bewegt dann die Stadt dazu, das Gegenteil zu fordern?

Wegen der Beratung hinter verschlossenen Türen ist auch unklar, ob in die Entscheidung wenigstens ein Hauch Perspektive eingeflossen ist. Die Spatzen pfeifen es doch von den Dächern: Der Projektentwickler bemüht sich mit allerlei Studien und Expertisen zum Carsharing darum, die Stadt zur Ablöse von Parkplätzen zu bewegen. Demnächst würden die meisten Haushalte keine zwei eigenen Autos mehr haben, macht er geltend. Das mag auf Dauer stimmen, nur bedarf es dazu einer städtischen Vorleistung in Form öffentlicher Mobilitätsangebote; von heute auf morgen geht das nicht. Deswegen ist das Thema "Parkhaus" durchaus aktuell. An der Spöttinger Straße ist es auch verhältnismäßig kostengünstig realisierbar.

Möglicherweise ist hier aber nicht nur Stadtplanung im Spiel. Das Verhältnis der Oberbürgermeisterin zu ehret + klein sei nicht das beste, heißt es. Das Problem an der Win-Win-Situation sei, dass auch der Bauträger von der Entscheidung profitiert. Er hat nach Wegfall der Brücke, die diesmal kein "Brückerl" ist, ein weniger zugebautes Baugebiet bei gleichzeitig nur unwesentlich reduzierter Erschließung. Vielleicht will die Stadtratsmehrheit einfach nur unterstreichen, nicht willfährig zu sein. Der Preis für so eine Demonstration der Stärke ist aber eindeutig zu hoch.

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Noch ein Brückerl, sagt die Stadt

Obwohl Gestaltungsbeirat und Investor abraten, soll am Papierbach eine Bahnüberführung entstehen

Landsberg - Das ist allgemein bekannt: Im Papierbach-Areal wird es eine breite barrierefreie Bahnunterführung geben, die Fußgänger und Radler aus dem Westen schnell über den Lady-Herkomer-Steg in die Altstadt bringt. Fast kaum jemand weiß: In den Plänen ist in geringer Entfernung eine zweite Bahnquerung vorgesehen, diesmal in Form einer nur für Fußgänger geeigneten Brücke mit vielen Treppenstufen. Nach der Meinung von Projektentwickler ehret + klein kann man darauf verzichten; auch der Gestaltungsbeirat riet von einer Verwirklichung ab. Doch eine Mehrheit im Stadtrat hält an dem Vorhaben fest.

Auf dem Plan sieht sie schlank und filigran aus, aber in Wirklichkeit wäre sie "ein gewaltiges Bauwerk" mit "raumgreifenden Treppen" und "hohem Störpotential". Das hat der Gestaltungsbeirat der Stadt im April 2018 formuliert und eine "klar ablehnende Haltung" zum Ausdruck gebracht. Eine fünf Meter hohe Brücke sei an dieser Stelle keine "gestalterisch befriedigende Lösung", außerdem sei die Kosten-Nutzen-Relation nicht gegeben. Dass der Stadtrat die Pläne trotzdem nicht geändert hat, ist wohl darauf zurückzuführen, dass er damit in den bereits ausgehandelten und ausbalancierten städtebaulichen Vertrag eingegriffen hätte. Dort ist festgelegt, dass die Stadt die Baukosten der Brücke trägt.

Als nun, drei Jahre später, Projektentwickler ehret + klein den Verzicht auf die Maßnahme vorschlug, hätten bei der Stadt eigentlich die Sektkorken knallen müssen. Zumal sich die Umstände inzwischen verschlechtert haben. Die Bahn fordert nun eine Höhe von sechs Metern. Das Landratsamt macht eine weitere Kreditaufnahme von Konsolidierungen abhängig. Und es gibt eine neue parallele Entwicklung, die es nahelegt, die Wegführung zwischen Kopfbau und ehemaligem Verwaltungsgebäude der Pflugfabrik noch einmal zu überdenken. Dass der Stadtrat in Form des Pandemieausschusses in seiner letzten Sitzung mit großer Mehrheit (nur die CSU stimmte dagegen) beschließen würde, die Verzichtsempfehlung lediglich zur Kenntnis zu nehmen, aber nicht zu verfolgen, ist daher kaum zu verstehen. Zumal hinreichend bekannt ist: Wer eine Bahnüberquerung vermeiden kann, wird das ohne Zögern tun, weil laufende Untersuchungen durch von der Bahn anerkannte Ingenieurbüros und Wartungen jahrzehntelang erheblich ins Geld gehen.

Die neue Entwicklung besteht darin, dass die Mehrheit des Stadtrats offenbar geneigt ist, den Wunsch von ehret + klein zu akzeptieren, die Zahl der unterirdischen Parkplätze im Papierbach-Areal zu reduzieren. Der Projektentwickler spart dadurch geschätzt sieben Millionen Euro Baukosten; die Stadt würde davon mehr als zwei Millionen Euro als "Ablöse" erhalten. Diese Mittel könnte sie für den Bau eines oberirdischen kommunalen Parkhauses an der Spöttinger Straße einsetzen. Solange eine Reduzierung des Autoverkehrs und damit die Abschaffung von Zweitwagen keinen nennenswerten Umfang hat, könnte sie einen Teil der neuen Parkplätze an Papierbach-Bewohner vermieten, die keinen zweiten Tiefgaragenplatz ergattert haben. In diesem Zusammanhang wäre eine Bahnquerung, dann barrierefrei und auch für Radler geeignet, auf Höhe des jetzigen Landratsamts wohl sinnvoller. Von dort könnte es auch, so ehret + klein, direkte Fußweg-Anbindungen ins Papierbach-Gebiet geben.

Warum die Stadt freiwillig Geld ausgeben und die Eigentümer und Mieter am Papierbach zwangsweise mit einer Monumentalbrücke beglücken will, ist von außen nicht ersichtlich. Die Beratung fand im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Pandemieausschusses statt. Auch im Nachhinein war Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) nicht bereit, die Öffentlichkeit über den Vorschlag und die Ablehnung zu unterrichten. An Bauträger ehret + klein kann das nicht gelegen haben, denn dessen Gesamtprojektleiter Benjamin Johansson sprach wenige Tage später bei einem Videochat öffentlich über das Thema. Generell gilt, dass die Abweichung von einem Bebauungsplan in den öffentlichen Teil einer Sitzung gehört; so wurde dies bisher auch gehandhabt. ehret + klein begründet den Vorschlag, auf die Brücke zu verzichten, mit einer zweifachen Beeinträchtigung. Zum einen käme es zu einer Kollision mit dem Spielplatz der Kindertagesstätte. Zum anderen entstünde neben dem bereits realisierten Kopfbau ein unverhältnismäßig ins Gewicht fallendes Bauwerk. Dass viele Bürger die treppenreiche Bahnquerung nutzen, sieht man dort nicht; bis zur bequemen Unterführung sei es ja nur ein kurzer Weg. Werner Lauff

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Das Wirken der Souffleure

Mittwoch, 24.03.2021

Immer öfter geht aus Sitzungsunterlagen der Stadtverwaltung hervor, dass Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl den Ältestenrat des Stadtrats einberuft und dort Themen inhaltlich vorberaten lässt, die in die Beratungs- und Beschlussgremien gehören. Ein Bauträger schlägt eine Planänderung vor; der Ältestenrat lehnt sie mehrheitlich ab. Die SoBoN-Richtlinie soll fortgeschrieben werden; der Ältestenrat befasst sich zweimal damit. Der Landkreis schlägt einen Verband zur Landschaftspflege vor. "Der Ältestenrat wollte noch keine Empfehlung an den Stadtrat aussprechen, dem Verband beizutreten."

Das ist in dieser Ausprägung nicht mit der Geschäftsordnung des Stadtrats in Einklang zu bringen. Dort heißt es: "Der Ältestenrat ist weder ein beschließender noch ein beratender Ausschuss im Sinne der Gemeindeordnung." Ihm obliegt es nur "grundlegende Beratungsgegenstände" zu erörtern. Besonders geht es um "eine Abstimmung zwischen den Fraktionen und Ausschussgemeinschaften über Art und Zeit der Behandlung wichtiger Angelegenheiten herbeizuführen". Werden in diesem Jahr Haushaltsreden gehalten oder im Sinne einer Verkürzung der Sitzung lieber nicht? Soll der Ferienausschuss mitten im Sommer einberufen werden oder hat die Beratung noch Zeit? Wie kann man die Dauer von Sitzungen grundsätzlich begrenzen? Fragen wie diese kann man im Ältestenrat erörtern.

Die Betonung liegt auf "kann man". Ein Muss ist das nicht, denn die Bayerische Gemeindeordnung sieht einen Ältestenrat überhaupt nicht vor. Er ist ein gesetzliches Nullum. Es gibt ihn nur kraft Geschäftsordnung. Und wenn da steht, dass der Ältestenrat weder ein beschließender noch ein beratender Ausschuss (also überhaupt kein Ausschuss) ist, ein Thema aber in den Bereich eines bestehenden Ausschusses fällt, dann gibt es keinen Grund, die Beratung dort zu verzögern und erst noch exklusiv die Fraktionsvorsitzenden oder andere weise Menschen damit zu befassen. Das ist auch gegenüber den Stadträten, die nach dem Gesetz alle gleich sind, ein unfreundlicher Akt: Eigentlich seid Ihr zuständig, aber ich schalte erst Eure Chefs ein, damit sie das Thema vorberaten und Euch sagen, was sie für richtig halten. Davon werdet Ihr dann doch sicher nicht mehr abweichen.

Das Wirken der Souffleure ist umso problematischer, als über die Einschaltung des Ältestenrats allein die Oberbürgermeisterin entscheidet und der Ältestenrat nach der Geschäftsordnung nichtöffentlich tagt. Die stattgefundenen Beratungen und Beschlussfassungen, jedenfalls die, von denen wir wissen, gehörten aber sämtlich in den öffentlichen Teil der späteren Sitzungen. Auch die vorgeschlagene Planänderung des Bauträgers hätte dort erfolgen müssen - wenn der Plan öffentlich beraten wird, gilt das für eine Planänderung ebenfalls.

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Schaffen wir nicht

Mittwoch, 17.03.2021

In Sachen Corona vergeht kaum eine Woche, in der uns nicht die mangelnde Leistungsfähigkeit unseres Staates und seiner örtlichen Vertretung "staatliches Landratsamt" vor Augen geführt wird. Das Ganze nimmt immer groteskere Ausmaße an. In unseren Briefkästen landete am 11. März eine zeitungsähnliche Designerschrift des Landkreises zur Corona-Pandemie mit dem ausgewiesenen Sachstand vom 11. Februar. Offenbar hat man für Korrektur-Lesen, Layout und Druck einen ganzen Monat gebraucht.

Nein, schneller ging das nicht, wird man uns wieder sagen, schneller schaffen wir das nicht. Genauso wenig wie wir es in unserem Landkreis schaffen, alle Anrufe zu Tests und Impfungen anzunehmen, wegen der "Überlastung und platztechnische Begrenzung der Telefonanlage". Genauso wenig wie wir es schaffen, Wartende, die eigentlich längst geimpft sein sollten, zu informieren, wenn Impfstoff übrig bleibt; wir laden dann lieber Institutionen ein, die besser organisiert sind als wir. Genauso wenig wie wir es schaffen, an den Feiertagen die für Heimbesuche notwendigen Tests durchzuführen; es sind, Herrschaftszeiten, schließlich Feiertage. Nach "zahlreichen Beschwerden aus der Bevölkerung" springen dann oft andere ein, zu Weihnachten das BRK, jetzt ein Telefon-Dienstleister in Magdeburg, demnächst die Ärzteschaft. In der größten Pandemie seit 100 Jahren nimmt man hin, dass sich die Exekutive ungeniert als überfordert deklariert und mit dem Narrativ "Schaffen wir nicht" den Rückzug antritt.

Auch das passierte vergangene Woche bei uns: Der Landrat verteidigte "selbstbewusst" seine einsame Entscheidung, über die Orte von Corona-Ausbrüchen zu schweigen. Dann würde man sich ja aus dem Weg gehen, war einer der genannten Gründe. Aber genau das - sich aus dem Weg gehen - ist doch unsere wirksamste Gegenstrategie gegen Corona! Die Kernfrage ist simpel: Nützt das Schweigen den Menschen oder erleichtert es die Ausbreitung der Pandemie? Der Landrat ist hier, vielleicht aus Liebe zur Normalität, auf einem völlig falschen Weg.

In München sieht es in der gleichen Woche nicht viel besser aus. Die Staatsregierung ordnet eine Erweiterung der Impfzentren an; zwei Tage später heißt es "Kommando zurück". Sie lockert bei Unterricht und Einkaufen; zeitgleich erwartet sie eine hohe Inzidenz. Apotheken sollen in ihren Räumen Corona-Schnelltests durchführen; die Probleme der Umsetzung überlässt man ihnen. Ob die Ärzte noch eingeschaltet werden oder es bei der "Impfbürokratie" (Markus Söder) bleibt, ist nach dem AstraZeneca-Stop ungewiss. Bayern, Deutschland und die EU, einst respektierte Partner auf internationaler Ebene, müssen im Übrigen gerade tatenlos zusehen, wie andere Länder Impfstoffe quasi beschlagnahmen. Für viele Bürger ist der leistungsfähige Staat nach Finanz- und Flüchtlingskrise nun bereits zum dritten Mal eine Fiktion. Und das ist bitter.

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Talent für Konzeption

Mittwoch, 10.03.2021

Sonia Fischer, die Leiterin der Museen der Stadt Landsberg, hat ein Talent für die wissenschaftliche Konzeption von Ausstellungen. Das zeigte sich bereits beim Herkomer-Museum und wird bei der Neugestaltung der Dauerausstellung des Neuen Stadtmuseums erneut deutlich. Fischers Vorgaben und deren visuelle Umsetzung durch das Büro "facts and fiction" stießen bei der dafür eingesetzten Jury sowie dem Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss des Stadtrats in der vergangenen Woche auf einhellige Zustimmung.

Das Konzept widmet der Geschichte der Stadt in den 20er bis 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, also der Zeit von Aufstieg, Schrecken, Fall und (zögerlicher) Aufarbeitung des Nationalsozialismus, breiten Raum. Zurecht - eine einheitliche, museumspädagogisch begleitete und alle Aspekte des Themas berücksichtigende Darstellung fehlte bisher. Beobachter wie der Jewish Chronicle interpretierten das zu Unrecht als "73 Jahre langes Ignorieren der Vergangenheit". In Wahrheit gab es intensive Gedenkarbeit, aber sie blieb punktuell und erreichte selten jüngere Adressaten, deren Aufgabe und Chance es ist, die Zukunft werteorientiert zu gestalten. Deswegen ist es eine brillante Idee, die Besucher plakativ und emotional mit der Verengung des Denkens zu konfrontieren, die im vergangenen Jahrhundert zum Totalverlust von Humanität führte, und die auch heute wieder spürbar ist.

Diese Museumsetage sollte erste Anlaufstelle für alle werden, die sich für die vielen Facetten des Dritten Reichs interessieren und ihr Wissen, ihre Eindrücke oder ihr persönliches Gedenken vertiefen wollen. Deswegen sollte der Stadtrat noch einmal überlegen, ob der von der Goppel-Kommission angeregte Raum im Rathaus sinnvoll ist. Zumal: Eine Website, die alle relevanten Orte zeigt, ist in Arbeit. Der Raum wäre für Gruppen nicht geeignet, sondern nur für versprengte unvorbereitete Einzelreisende von Interesse. Ansprechpartner vor Ort sind nicht vorgesehen. Einige Stätten, auf die hingewiesen werden soll, kann man gar nicht besuchen. Bei anderen fehlen noch erforderliche Einrichtungen.

Bund, Freistaat, Landkreis und Stadt tragen aber Mitverantwortung dafür, dass die konservierten Tonröhrenbauten der Holocaust-Gedenkstätte Stiftung an der Erpftinger Straße, "Bauwerke von nationaler Bedeutung", künftig mit didaktischer Begleitung zugänglich sind. Das Stadtmuseum kann Wegweiser dorthin sein, das persönliche Erleben vor Ort aber nicht ersetzen. Insofern brauchen wir noch einen zweiten Schritt, den alle Beteiligten in einer gemeinsamen Anstrengung einleiten können. Da sich das Thema "Stadtmuseum" gerade zum Guten wendet, sollten wir die frei werdende Energie zur Lösung der offenen Frage "Lager Kaufering VII" einsetzen.

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Reserveplanung? Bei uns nicht.

Mittwoch, 03.03.2021

Flughafen München. Ihr Flieger in die USA ist leider ausgebucht. Es gibt eine Warteliste. Da stornieren einige Passagiere ihre Reservierung; es werden Plätze frei. Die Fluggesellschaft ruft daraufhin die Wartenden an. Erst Platz 1 der Liste, dann Platz 2, dann Platz 3 - solange bis die Maschine wieder voll ist. Die weiter hinten Notierten rücken auf. Das ist normal, finden Sie. Was aber hielten Sie davon, wenn die Fluggesellschaft die Telefonanrufe mit der Begründung ablehnt, das überfordere sie? Wenn sie die Wartenden ignoriert und die freien Plätze in den eigenen Reihen verteilt? Was würden Sie als Betroffene dazu sagen?

Fliegerhorst Penzing. Weit über 100.000 Menschen hoffen darauf, hier bald geimpft zu werden. Wer wann dran ist, das ist vom Staat "priorisiert". Wenn Plätze frei werden, gilt das gleiche Prinzip wie bei dem USA-Flug: Dann ist eine andere Person "aus der am höchsten priorisierten Gruppe“ an der Reihe. Und „wenn das nicht möglich ist“, Personen aus der nächsthöheren Priorisierungsgruppe. Was bei der Fluggesellschaft die Warteliste ist, das ist beim Impfzentrum die "Reserveplanung". Die Impfzentren "wurden dazu aufgefordert, eine Reserveplanung vorzunehmen". Alle Zitate stammen vom Gesundheitsministerium des Freistaats Bayern. Doch das Landratsamt lässt erkennen, dass sich das Landsberger Impfzentrum nicht in der Lage sieht, im Fall freier Slots die nächsten zur Impfung berechtigten Personen anzurufen. "Eine Nachrückerliste können wir aufgrund der hohen Anfrage leider nicht koordinieren." Stattdessen impfe man dann Mitwirkende aus Verwaltung und Organisationen, egal ob sie jung oder alt sind und unabhängig davon, wie dringend die Einzelnen die Impfung brauchen (Bericht im heutigen KREISBOTEN auf Seite 3).

Das ist in dieser Systematik - nicht als Ausnahme, sondern als Regel - nicht nur unzulässig; es ist dazu noch ein Armutszeugnis. Wenn man nicht genug Mitarbeiter zum Telefonieren hat, dann muss man sich eben Hilfe holen. Es steht nicht in der Macht der Behörde, die vorgesehene Priorisierung zu ändern und leichter kontaktierbare Personen (auch aus dem eigenen Amt) zu bevorzugen. Die Behauptung, anders sei das nicht möglich, ist der Versuch, sich der Priorisierungs-Thematik mit einer einzigen Mitteilung zu entledigen. So eine Erklärung ist inakzeptabel, zumal sie Intransparenz zur Methode macht und Begünstigung nicht ausschließt.

Deswegen gilt es auch, bei der "Impfquote" im Landkreis genau hinzuschauen. Natürlich interessiert uns, wie viele Personen insgesamt geimpft wurden. Uns interessiert aber noch mehr, wieviele Personen entsprechend ihrer Priorisierung zum richtigen Zeitpunkt geimpft wurden. Das Windhundprinzip macht die Statistik schön, aber die Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Das Landratsamt verspielt damit erneut die Chance, in der Corona-Krise Leistungsfähigkeit zu beweisen, über sich hinaus zu wachsen und eigene Interessen hintanzustellen. Die äußerst ungenügende Informationspolitik macht das Ganze noch schlimmer. In anderen Landkreisen unterrichten die Kreisbehörden zuverlässig und regelmäßig. Sie engagieren sich, um Schutz zu gewährleisten. Sie werben dafür, sich impfen zu lassen. Unser Landratsamt ist derzeit dagegen wie ein Jagdhund, den man zur Jagd tragen muss: nicht agil und nur begrenzt nützlich.

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Wir von Lech und Ammersee

Mittwoch, 24.02.2021

Vor einigen Tagen haben drei Oberbürgermeister aus Baden-Württemberg eine stark erhöhte Mehrwertsteuer für den Onlinehandel gefordert. Zuvor kamen vergleichbare Vorschläge aus den Rathäusern in Bremen und Mainz.

Diese Idee ist nicht durchdacht. Auf der Liste der 100 größten Onlinehändler Deutschlands stehen überwiegend Mittelständler aus dem klassischen lokalen und regionalen Einzelhandel. Das sind Unternehmen, die sich für ein weiteres Standbein entschieden haben, um einer veränderten Nachfrage Rechnung zu tragen. Es ist grotesk, aktive Händler zu bestrafen und passive zu begünstigen, nur weil einem Amazon ein Dorn im Auge ist.

Letztlich geht es um die Folgen der Digitalisierung. Zeitungen waren mit der Umstellung von Blei- auf Fotosatz wohl die ersten, die davon betroffen waren. Aber auch der Wandel vom Farbfilm zur Bilddatei, von der CD zu Spotify, von der Videothek zu Netflix und von der Telefonzelle zum Smartphone ist allen noch präsent. Viele Firmen haben auf die Digitalisierung reagiert. Zum Beispiel Otto, die Metro Group, IKEA und auch das vorwiegend in Baden-Württemberg präsente Mode-Kaufhaus Breuninger, seinem Slogan nach "neu seit 1881"; es hat sich permanent modernisiert und ist auch online mit großem Erfolg tätig.

Lokale Einzelhändler argumentieren, sie seien viel zu klein, um E-Commerce zu machen. Auch in Landsberg hört man das oft. Aber es geht nicht um den Aufbau eines bundesweiten Online-Dienstes mit ausgefeilter Logistik, sondern darum, regional vielfältig - im Fachvokabular diversifiziert - Kunden zu gewinnen und zu behalten. Beispiele gibt es bereits: Ein Getränkehändler ermöglicht es, über E-Mail zu bestellen; er liefert die Ware aus und bucht die Zahlung vom Konto ab. Die Besitzerin einer Boutique bietet ihren Kundinnen nach Ladenschluss eine Beratung per Skype an; sie schickt die ausgesuchte Bekleidung mit DHL oder stellt das Paket auf dem Heimweg vor die Tür. Ein Anbieter von Kaffeemaschinen hat im Hinteranger aus einem Ladengeschäft heraus mit Zubehörbestellungen angefangen; heute versendet er weltweit.

Ein gutes Beispiel dafür, was Einzelhändler gemeinsam leisten können, ist die Plattform "Wir Winzer". Dort haben auch kleine Weingüter und Jungwinzer die Möglichkeit, ihre Weine zu verkaufen, ohne sich um Shopsysteme, Versand, Marketing und Abrechnung kümmern zu müssen. Natürlich ist ein Winzer aus der Pfalz mit dem Institut "Genossenschaft" vertrauter als ein Ladenbesitzer in der Landsberger Altstadt. Aber Stadtrat und Stadtverwaltung könnten durchaus ein vergleichbares Modell auf den Weg bringen. So wie die 41.000 Einwohner-Stadt Monheim, wo viele Händler gemeinsam einen digitalen Marktplatz bilden. Kunden finden dort Waren von 322 regionalen Anbietern. Es gibt einen Lieferdienst und ein zentrales Inkasso.

"Wir Winzer", "Wir Monheimer", das können "Wir von Lech und Ammersee" doch auch. Die c't schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe: "Es reicht einfach nicht aus, wenn Städte für die Digitalisierung lediglich einen Kümmerer engagieren. Digitale Marktplätze sind mittlerweile genauso wichtig für die Infrastruktur einer Stadt wie Nahverkehr und Fußgängerzonen". Nicht Verbote und Steuern sind die Lösung des Problems; wir brauchen schnelle aktive Hilfe zur Digitalisierung. Das ist die einzige Option.

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Wie in Zeitlupe

Mittwoch, 17.02.2021

Es wird in der Krise deutlicher als je zuvor: Die öffentliche Hand führt Bewegungen nur noch in Zeitlupe aus. Unterstützungsgelder kommen erst nach Monaten an. In Sozialeinrichtungen fehlt es immer noch an Ausrüstung. Und die schnelle Umsetzung von Verordnungen scheitert an Öffnungszeiten des Landratsamts. Das sind nur drei von vielen Beispielen, die fast täglich auf den Schreibtischen in den Redaktionen landen. Seit einem Jahr wachsen unsere Zweifel an der Leistungsfähigkeit dieses Staates erheblich. Nicht auszudenken, wie hilflos wir sein werden, wenn Schlimmeres passiert.

Auch in Landsberg hat man offenbar die Zeitlupe eingeschaltet. Das neue Bussystem, das der Stadtrat (als Pandemieausschuss) erstmals am vergangenen Mittwoch beriet, entspricht in etwa einem Vorschlag des KREISBOTEN aus dem Jahr 2017. Seitdem sind 42 Monate vergangen, in denen man die Idee anscheinend ausführlich gedreht und gewendet hat. Bis zur Verwirklichung sollen nun noch einmal sieben Jahre verstreichen, weil man die derzeit laufenden Verträge mit den Busunternehmen offenbar nicht nachverhandeln will. Vom Konzept bis zur Umsetzung dauert es also eine Dekade, eine halbe Generation.

Seit vielen Jahren hinkt Deutschland bei der Ausstattung der Schulen mit Computern hinterher. 2010 waren wir im OECD-Vergleich Letzter, 2018 gehörten wir immer noch zu den Schlechtesten. 2021 hat die Stadt Landsberg nun "sämtliche infrage kommenden Ausbau- und Fördermöglichkeiten überprüft und schnellstmöglich in die Wege geleitet". Jetzt ist aber wirklich der große Wurf gelungen: 184 Tablets sind eingetroffen. Wow: Damit lassen sich sage und schreibe zwölf Prozent unserer Grund- und Mittelschüler ausstatten! Die anderen 88 Prozent werden wohl von den Eltern versorgt werden müssen. Ob da der Maßstab iPad richtig war, darf man zurecht infrage stellen. Das Gerät aus der Luxusklasse ist im Handel dreimal teurer als ein Mittelklasse-Tablet unter Android.

Aber vielleicht hat man bei der Stadt ohnehin das Gefühl für Zahlen verloren. "Damit die Hardware (Tablets, digitale Tafeln) an den Grundschulen zukunftsfähig funktioniert, muss die (Inhouse-) Verkabelung ausgebaut werden", steht in einem Stadtratsbeschluss. Das soll für fünf Schulen eine Million Euro verschlingen. Wie bitte? Ein Kilometer (1.000 Meter) hochwertiges Ethernet-Kabel kostet im Fachhandel 700 Euro, ein moderner WLAN-Router für das Klassenzimmer 70 Euro. Wie kommen im Durchschnitt 200.000 Euro pro Schule zustande? Und wie lange dauern jetzt Ausschreibung, Angebotsprüfung, Auftragserteilung, Materialbestellung und Umsetzung?

Vor drei Jahren hat die Stadt einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Realisierungswettbewerb zur Entwicklung des Wohnquartiers "Staufenstraße" abgeschlossen. Wo bitte ist der Bebauungsplan? Den Auftrag zur Erstellung des Flächennutzungsplans hat der Stadtrat am 19. Juli 2017 erteilt. Hat schon jemand das Ergebnis gesehen? Die Dauerausstellung des Stadtmuseums ist seit exakt sieben Jahren geschlossen. Ist auch hier die Dekade das Ziel? Beim Museum wirkt jetzt ein Zuschuss des Bundes beschleunigend. Auch bei den anderen Themen sind Zuwendungen im Spiel. Damit sind wir wieder am Anfang. Bund, Freistaat, Kreis und Stadt haben das gleiche Problem: Sie sind einfach zu langsam.

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Was geschah im Impfzentrum?

Mittwoch, 10.02.2021

Es ist in Ordnung, wenn das Impfzentrum des Landratsamts Landsberg übrig gebliebene Impfdosen am Ende des Tages nicht wegwirft, sondern verwertet. Davon profitieren zwar Personen, die eigentlich noch nicht an der Reihe sind. Solange dabei das Zufallsprinzip herrscht und keine gezielte Begünstigung stattfindet, ist das aber hinnehmbar. Wer das neidisch kritisiert, ist aufgefordert, eine andere Lösung zu präsentieren, die zum gleichen Ergebnis führt.

Ein solcher Fall der Verwertung nicht in Anspruch genommener Dosen soll sich in der vergangenen Woche zugetragen haben. Das sagt jedenfalls Franz L. (Name auf Wunsch geändert). Der Mittfünfziger, der neben seinem Hauptberuf häufig karitativ tätig ist, war wegen einer ehrenamtlichen Initiative zu einem Pressetermin ins Impfzentrum gekommen. Dabei gab er an, nicht abgeneigt zu sein, wenn man ihn tatsächlich impfen würde, berichtete er später. Daran habe man sich offensichtlich erinnert, denn gegen Ende des Termins, quasi im Gehen, habe man ihm die Impfung überraschend angeboten, weil wegen einer kurzfristigen Absage eine Dosis übrig gewesen sei.

Das Landratsamt präsentierte auf Nachfrage des KREISBOTEN aber eine ganz andere Geschichte. Nach der Version von Peter Rasch, dem Leiter des Impfzentrums und Chef des Landkreis-Jugendamts, sei die Impfung während und nicht nach dem Pressetermin erfolgt. Eine medizinische Assistentin der Johanniter beging nach seiner Schilderung zwei Verstöße. Sie zog bei der Simulation einer Impfung von Franz L. entgegen der Absprache echten Impfstoff auf. Und sie setzte beim Fotoshooting die Spritze nicht nur an, sondern führte den Impfvorgang durch. Rasch erklärte in seiner Stellungnahme, das seien einzigartige Fehler. Er habe das Personal nun noch einmal belehrt, wer geimpft werden dürfe und wer nicht. Außerdem sei klargestellt, dass notwendige Schriftstücke vor der Impfung von einem Arzt zu unterzeichnen seien. Auch der Sprecher des Landratsamts sagte: "Wir bedauern den Vorfall sehr".

"Geben Sie Organisationsverschulden sofort zu. Erklären Sie, welche Veränderungen Sie vornehmen. Bedauern Sie den Vorfall." So steht es in den Lehrbüchern zur Krisenkommunikation. Das weiß man auch im Landratsamt - und war offenbar schnell bereit, der Mitarbeiterin der Johanniter den schwarzen Peter zuzuschieben. Welche Vorkehrungen das Amt zuvor getroffen hat, um eine ordnungsgemäße Durchführung der Impfungen zu gewährleisten, wird nicht dargelegt. Dass es über das Normale hinausgeht, das Impfzentrum zum Filmset zu machen, in dem man für die Medien Impfungen simulieren kann, wird ebenfalls nicht reflektiert.

Über allem aber thront die Frage, welche der beiden Versionen denn nun stimmt. War es Unglück oder Glück? Fand die Impfung während der Aufnahme statt oder nicht? Geschah sie versehentlich oder auf Einladung? Oder kommt sogar noch eine dritte Variante in Frage, die verschwiegen werden soll? Uns jedenfalls macht die Sache ratlos. Beide Handelnden sind glaubwürdig. Der eine ist Beamter, der andere leitender Mitarbeiter eines Unternehmens der öffentlichen Hand. Beide haben einen Ruf zu verlieren. Wir können uns heute für keine Version entscheiden. Und sind gespannt, wie die Sache weitergeht.

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Wir hätten uns bedankt

Mittwoch, 03.02.2021

Vielleicht kennen Sie das auch: Sie rufen den Mitarbeiter einer Firma an, mit dem Sie schon lange in Kontakt sind. Da meldet sich die Telefonzentrale und sagt: "Herr Schneider arbeitet nicht mehr für uns." Sie schlendern durch die Altstadt und steuern "Johannas Mode" an, wo Sie immer etwas Nettes fanden. Doch das Schaufenster ist verklebt und ein Maklerschild hängt an der Tür: "Zu verpachten". Sie kontaktieren die Filiale der regionalen Bank, in der Sie oft in Anlagefragen beraten wurden. Doch die Nachricht "Mailbox unavailable" lässt Sie ahnen, dass es diese Filiale wohl nicht mehr gibt.

In solchen Fällen kommen ungute Gefühle auf. Wir haben natürlich keinen Anspruch darauf, zu erfahren, warum Herr Schneider ausgeschieden ist. Bekam er ein besseres Angebot? Ging er wegen seiner Gesundheit? Hat die Firma ihn entlassen? Trotzdem hätten wir es gerne gewusst. Dann wären wir wenigstens Zeuge des Wandels geworden. Außerdem hätten wir ihm dann noch Lebewohl sagen können. Ähnlich ergeht es uns in Sachen "Boutique". Ist Johanna in eine andere Stadt gezogen? Musste sie wegen des Lockdowns aufhören? Oder entwirft sie jetzt ihre eigene Kollektion? Das schnöde "Pächter gesucht" verstärkt unser Unbehagen. Wir wären gerne noch ein letztes Mal zum Einkaufen gekommen und hätten dadurch Abschied genommen. Was die Bankfiliale betrifft, ergeht es uns ähnlich. Zugegeben: Alles fließt. Nichts bleibt, wie es ist. Das einzig stetige im Leben ist die Veränderung. Aber wir haben doch über Jahre Empathie aufgebaut. Wir haben uns an Orte und Menschen gewöhnt. Da wäre doch ein gemeinsames Adieu angebracht.

Wer in der vergangenen Woche den KREISBOTEN gelesen hat, ahnt vielleicht, worum es uns geht. Zum Ausscheiden von Christian Karlstetter, dem langjährigen Rektor der Mittelschule Landsberg, gab es weder vom Schulamt noch von der Stadt Landsberg eine Mitteilung. Keine Verabschiedung, keine Würdigung, kein Bedauern, kein Adieu. Hätte der KREISBOTE nicht recherchiert, wüssten es die Öffentlichkeit, ehemalige Schüler und so mancher gelegentliche Weggefährte heute noch nicht.

Dabei ist Christian Karlstetter ein Mann mit vielen Verdiensten. Er hat die Fusion der beiden Mittelschulen mit Nachdruck betrieben. Er hat den Umbau der Fritz-Beck-Schule mit äußerstem Engagement zum Erfolg geführt. Und er hat die Schulform Mittelschule praxisnah interpretiert und dadurch sehr viele Schüler motiviert. Immer wieder startete er Aktionen, vor allem aus den Bereichen Kunst und Kultur, die zu konkreten Ergebnissen führten. Immer wieder vermittelte er den Heranwachsenden Erfolgserlebnisse, ließ sie den Wert von Engagement und Fleiß spüren und zeigte ihnen am konkreten Beispiel, wie spannend das Leben sein kann.

Es scheint der Stadt Landsberg geradezu anzuheften, verdiente Mitstreiter am letzten Tag durch die Hintertür hinauszugeleiten. Die frühere Stadtbaumeisterin Annegret Michler und der ehemalige Kämmerer Peter Jung sind Beispiele dafür. Auch Christian Karlstetter hat nun einen Platz in dieser Reihe. Das ist schade. Wenn es denn schon keine Feier sein sollte - ein offizielles Ausscheiden lässt sich auf manche Weise verwirklichen. Wir hätten uns darüber gefreut. Wir hätten ihm Lebewohl gesagt. Wir hätten von ihm Abschied genommen. Wir hätten uns bei ihm bedankt.

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Kräftiger Rückenwind

Mittwoch, 27.01.2021

Die schönsten Geschichten schreibt das Leben selbst; auch das politische Leben ist davon nicht ausgenommen. Gerade eben denkt die CSU-Fraktion im Landsberger Stadtrat noch laut darüber nach, die Stadt zu einer "Konzentration auf die gesetzlich vorgegebenen Pflichtaufgaben" zu verdonnern, da erscheint der Landsberger Bundestagsabgeordnete Michael Kießling (CSU) und überbringt einen Förderbescheid des Bundes für das Neue Stadtmuseum in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Die Summe fließt, wenn die Gesamtfinanzierung des Projekts "Museumssanierung" steht und das eingereichte Konzept von Museumsleiterin Sonia Fischer verwirklicht wird.

Dies ist ein beachtlicher Erfolg für Fischer und ihr Team. Bei Staatsministerin Monika Grütters, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, gingen Hunderte von Anträgen ein. Unter den Zuwendungsempfängern sind Institutionen wie die Alte Pinakothek in München und das Residenzschloss in Dresden. Insgesamt fördert der Bund 73 Objekte; die durchschnittliche Fördersumme liegt unter 500.000 Euro. Dass Landsberg mit einem dreimal so hohen Betrag zur Spitzengruppe der Begünstigten gehört, ist eine wirklich gute Nachricht - und eine eindrucksvolle Bestätigung der Beschlüsse des bis 2020 amtierenden Stadtrats, der mehrfach für den Wiederaufbau des Museums eintrat und die inhaltlichen Vorschläge dazu unterstützte.

Die Förderung des Bundes bringt dem Museum kräftigen Rückenwind. Es darf nun für sich in Anspruch nehmen, ein "kultureller Leuchtturm" zu sein, dem "eine erhebliche Relevanz für Erhalt und Transformation der regionalen kulturellen Infrastruktur zukommt". Eine "nationale Bedeutung" wie bei der Denkmalpflege wird bewusst nicht vorausgesetzt. Hintergrund der Zuwendung ist vielmehr die Absicht des Bundes, die "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" in ganz Deutschland sicherzustellen; bis 2019 war die Förderung noch auf die ostdeutschen Bundesländer beschränkt. Das Programm sieht vor, dass eine "Kofinanzierung ... vorzugsweise durch die Länder erfolgt", in diesem Fall also durch den Freistaat Bayern.

Die Zielrichtung des Stadtmuseums ist seit dem Jahr 2009 prinzipiell vorgezeichnet und seit 2019 auch offiziell definiert. Die Einrichtung, die 100 Jahre lang vom Historischen Verein geleitet wurde, soll vor allem die Geschichte Landsbergs vermitteln. Dabei geht es aber um weit mehr als die Aufzählung von Namen, Daten und Ereignissen. Besonders die Etage zur Zeitgeschichte wird Schülern, Studenten, Bürgern und Besuchern ermöglichen, das Geschehene zu durchdenken und Schlüsse daraus zu ziehen. Das Museum ist Bestandteil politischer Bildung. Es ist Ort des Diskurses. Es ist die Adresse, um Maßstäbe zu bilden. Ohne das Museum fehlt der Stadt ein Stück Gesprächs-, Erinnerungs- und Reflektionskultur. Nichts kann den gemeinsamen Gang durch das 330 Jahre alte Haus ersetzen, auch kein Internet-Angebot.

Die Förderung des Bundes ist nicht nur ein Geldtransfer. In ihr liegt auch eine Forderung, eine Ermutigung, ein Ansporn, eine Bestärkung. Nachdem der Motor "Landesausstellung" weggefallen ist, weil die Mechaniker die Teile nicht zusammenbrachten, entsteht nun ein neuer Grund zur Anstrengung. Wir werden für den Impuls aus Berlin daher noch einmal sehr dankbar sein: Er kam zur rechten Zeit und hat etwas bewirkt.

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Wenn es so weit ist

Mittwoch, 20.01.2021

So viel ist bei der Beratung eines Haushalts der Stadt Landsberg selten schief gelaufen. Es begann damit, dass Mitglieder des Finanzausschusses die Auffassung vertraten, alle geplanten Investitionsvorhaben der nächsten Jahre müssten in den 2021er Finanzplan aufgenommen werden. Das Gegenteil war richtig: Nur Vorhaben mit abgeschlossener Kostenberechnung gehören da hinein. Trotzdem verlor die Verwaltungsspitze ab diesem Moment die Kontrolle über den Beratungsgegenstand. Die Kämmerei fertigte eine riesige Excel-Tabelle an, die alle möglichen Ausgaben der nächsten Jahre enthielt und eine erhebliche Unterdeckung auswies. Sie wurde auf die Leinwand projiziert und gilt inzwischen als Verschluss-Sache.

Dann monierten Ausschussmitglieder, dass im Finanzplan 2021 bis 2024 auch erste Ausgaben für die Sanierung des Stadtmuseums und den Bau der Tiefgarage unter dem Jugendzentrum enthalten sind, obwohl die Kostenberechnung in beiden Fällen noch nicht erfolgt ist. Das Landratsamt bestätigte diesen Fehler, erklärte aber, "aus praktischen Gründen" nicht einschreiten zu wollen; die durchaus noch mögliche Korrektur durch die Stadt unterblieb.

Nun stimmte die CSU gegen die Finanzplanung und meldete Protest an. Es sei ein "kräftiger Anstieg der Schulden" zu befürchten, denn es gebe "erhebliche absehbare Finanzierungslücken", die uns "düstere Aussichten" bescherten. Die CSU räumt selbst ein, dass sich das im jetzt verabschiedeten Haushalt und auch im Finanzplan noch nicht wiederspiegelt. Sie unterstellt lediglich, dass die Stadtspitze in den kommenden Jahren quasi "durchmarschieren" will. Sie hätte gerne hier und jetzt eine Verzichtserklärung.

Zwingend ist eine solche Blut-, Schweiß- und Tränen-Deklaration von Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl aber nicht. 2021 sollen zwar 20 Millionen Euro Schulden aufgenommen werden. Aber dem stehen allein bei Grundstücken und Bauten wertschöpfende Investitionen in Höhe von 27 Millionen Euro gegenüber. Die Liquidität soll am Jahresende mit 14 Millionen Euro auch noch ausreichend hoch sein; wahrscheinlich gibt es sogar wieder Haushaltsreste (also freie Finanzmittel), weil gar nicht alles geschafft wird, was beschlossen ist. Außerdem sollen sogar alte Kredite getilgt werden.

Soll die Stadt also, wie die CSU vorschlägt, schon jetzt eine "Konzentration auf die gesetzlich vorgegebenen Pflichtaufgaben" ankündigen, mit dem Schwerpunkt "Kinderbetreuung und Schule sowie öffentliche Sicherheit und Ordnung"? Das Stadtmuseum fiele bei diesem Maßstab wohl als erstes aus der Liste der geplanten Investitionen heraus. Auch ein städtischer sozialer Wohnungsbau wäre dann zu den Akten gelegt. Die Stadtratsmehrheit verfolgt eine andere Linie und will zunächst keine Vorhaben aufgeben.

Man habe in der CSU "sehr kontrovers über das Für und Wider" der jetzt formulierten Haltung gerungen, steht in der Presseerklärung. Das signalisiert: Man kann die Sache auch anders sehen. Es gibt wohl ein finanzielles und wirtschaftliches Für, aber auch ein soziales und kulturelles Wider. Die Mehrheitsfraktionen und die CSU-Opposition haben unterschiedliche Abwägungen vorgenommen. Das ist kein Drama und wir sollten auch keines daraus machen. Ob und in welcher Höhe wir uns zusätzlich verschulden, das ist nicht am vergangenen Mittwoch entschieden worden. Das entscheidet sich, wenn es so weit ist.

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Aktiv werden und Farbe bekennen!

Mittwoch, 13.01.2021

Der Fall Trump zeigt, welche Fehler man machen kann, wenn man es in Politik, Wirtschaft oder Kultur mit Egomanen, Lügnern, Wichtigtuern und Spaltern zu tun bekommt. Es ist falsch, ihnen nicht zu widersprechen. Es rächt sich, ihre Narrative nur zu belächeln. Es ist unprofessionell, ihnen Raum für absurde Thesen zu geben. Das gilt auf jeder Ebene, auch der kommunalen.

In Amerika gab es auch zu wenig Gegengewicht gegen die Filterblasen, in denen sich Trump-Anhänger suhlten und radikalisierten. Nun begingen sie, vereint mit Rechtsaußen-Aktivisten im Kampfanzug, ein geplantes Attentat gegen die Demokratie. 43 Prozent der Wähler der Republikaner lehnten das Vorgehen zwar ab. Aber weder sie noch die Wähler der Demokraten waren vor dem Kapitol präsent. Die Vernünftigen blieben stumm und überließen dem Mob das Feld.

Was in den USA stattfand, ist nicht weit weg, sagte Ministerpräsident Markus Söder am Wochenende. In Berlin standen Demonstranten ebenfalls auf den Stufen zum Parlament. Es gab Brandanschläge auf das Robert-Koch-Institut und die aus 96 Forschungseinrichtungen bestehende Leibniz-Gemeinschaft. Erst vergangene Woche fanden Cyberangriffe gegen Impfportale der Gesundheitsämter statt. Und vor wenigen Tagen blockierten Impfgegner eine Autobahn. Bei Demonstrationen werden nicht nur Masken und Abstand verachtet; es gibt auch eine zunehmende Aggressivität gegenüber Vertretern der Polizei und der Medien.

Zwölf Millionen Deutsche zählt man inzwischen zu den Corona-Protestlern oder zu Anhängern von Parteien wie AfD und FDP, in denen die Corona-Politik kritisiert wird. Das ist in der Relation zur Einwohnerzahl sogar mehr als in den USA. Ihr Wirken bleibt nicht ohne Eindruck. Dass auch hierzulande junge Kranken- und Altenpfleger unter den Skeptikern sind und Impfungen ablehnen, alarmiert in besonderem Maße. Offenbar sind sie in schlechte Gesellschaft geraten, offenbar hören sie die falschen Stimmen. Wir laufen damit in eine zusätzliche Krise hinein, die unsere Gesundheits- und Sozialsysteme auf eine noch härtere Probe stellt. Denn ungeimpft können diese jungen Menschen nicht mehr Kranken- und Altenpfleger sein. Der SPIEGEL wurde diese Woche überdeutlich: "Sie sind skrupellose Zocker, die das Leben von Schutzbefohlenen aufs Spiel setzen. Solche Leute haben im Operationssaal oder am Pflegebett nichts zu suchen".

Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus und alle Meinungsbildung auch. Diejenigen, die die Corona-Maßnahmen für notwendig halten und die auch Impfungen gegen das Virus befürworten, und das sind immerhin 69 Prozent der Deutschen, müssen sich stärker zu Wort melden. In den Familien, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis. Bei Telefonaten, bei Videochats und beim Plausch über den Gartenzaun. Es darf nicht, wie in den USA, eine schweigende Mehrheit geben, die gleichgültig ist und mit den Schultern zuckt. Es gilt, aktiv zu werden und Farbe zu bekennen. Ducken Sie sich nicht weg! Melden Sie sich zu Wort! Und sprechen Sie besonders mit der jungen Generation!

Der Teil-Lockdown in Verbindung mit den Impfungen ist das derzeitige mildeste Mittel gegen die Pandemie. Wenn es verpufft, droht der komplette, vielleicht monatelange Shutdown. Er macht aus der Krise eine Katastrophe. Alles, auf das man sich zuvor verlassen konnte, ist dann in Gefahr. Wir sollten das nicht riskieren.

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Einsilbig und zweideutig

Mittwoch, 06.01.2021

Am Anfang sah alles noch ganz gut aus: Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl machte ihre Gegenkandidaten von den Grünen und der SPD zu Bürgermeistern. Sie bildete damit erstmals ein Führungsteam und zugleich so etwas wie eine Stadtrats-Koalition. Aus ihren Aussagen vor der Wahl konnte man zudem schließen, dass sie sich in besonderem Maß um Kommunikation und Konsens bemühen würde. Die 100-Tage-Bilanz fiel daher positiv aus. Neun Monate nach Baumgartls Amtsantritt (sie übernahm die Geschäfte Anfang April 2020) ist aus Zuversicht aber Irritation geworden. Die Haushaltsberatung im Verwaltungs- und Finanzausschuss verlief chaotisch. Stadträte mussten Unterlagen nachfordern. Die Kämmerei und die Chefetage verfolgten unterschiedliche Ansätze. Die Finanzplanung lässt befürchten, dass die Stadtführung in die Schuldenfalle tappt, aus der man nur wieder herauskommt, indem man Gebühren erhöht und Leistungen kürzt. In ihrem jüngsten Bürgerbrief vom Januar 2021 schreibt Baumgartl nebulös, es werde "massive Einschnitte" geben. Welche? Und für wen?

Das ist nicht der einzige Fall, in dem man klare Aussagen der Oberbürgermeisterin vermisst. Ihre Haltung zum Papierbach-Projekt ist undurchschaubar. Den Wortbruch in Sachen "Jahnstraße" ließ sie kommentarlos geschehen. Zur Haushaltspolitik des Landkreises hört man kein Wort. Die Pressearbeit ist weitgehend auf organisatorische Mitteilungen reduziert, die auch noch Fehler enthalten - ein "Bürgermeister Hatzmann" darf eigentlich nicht passieren. Baumgartl hat die Pressestelle um eine Mitarbeiterin von außen erweitert, die zuvor Immobilienmaklerin war. Und sie hat die Verwaltung, in der sich viele Beamte und Angestellte mehr Klarheit über den Kurs der Oberbürgermeisterin wünschen, Insider-Informationen zufolge zur Einsilbigkeit ermahnt. Aus dem Stadtrat gibt es ebenfalls Kritik: Baumgartl sei zwar oft auf Fotos zu sehen, politisch aber eher abgetaucht.

Irritierend wirken auch Baumgartls Aussagen im jüngsten Bürgerbrief zu Gastronomie und Einzelhandel. "Inwieweit sie fortbestehen, in welcher Form sie umstrukturiert werden, das wird sich sicherlich erst in den kommenden Monaten zeigen. Ohne Umbrüche wird es vermutlich kaum gehen. Ein Nachholbedarf, wie im Bereich der Digitalisierung, ist offen zutage getreten." Die Stadt sei dabei gefordert. Beide Bereiche über einen Kamm zu scheren, ist gewagt. Aber der entscheidende Punkt ist ein anderer: Die Stadt hätte doch längst eine "Task Force Innenstadt" bilden können, so wie es anderswo geschah. Eine gemeinsame Online-Plattform, Beratung und Verkauf per Video sowie die Organisation von Bring-Diensten, all das wäre dann wohl bereits eingeführt. Politik erschöpft sich doch nicht in der Analyse; sie wird am Handeln gemessen! Und was meint Baumgartl damit, es werde "sich zeigen, inwieweit Gastronomie und Einzelhandel fortbestehen". Das ist ja fast schon ein Abgesang.

Viele der personalisierten Weihnachtskarten unterschrieb die Oberbürgermeisterin im Dezember nicht wie früher mit "Ihre Doris Baumgartl". Diesmal stand da nur noch "Baumgartl". Wieder keine Kommunikation, wieder kein Zeichen der Verbundenheit. Das ist sicher nur Zufall. Man kann es aber auch als Sinnbild sehen: Die Stadt ist unter der neuen Oberbürgermeisterin einsilbig und zweideutig geworden. Und das ist kein guter Start ins neue Jahr.

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Fahren Sie rechts ran

Mittwoch, 23.12.2020

Schadenfreude ist die schönste Freude, sagt der Volksmund. So eine Freude genießt gerade der halbe Landkreis und Medien füllen Zeitungsseiten damit. Natürlich ist es unintelligent und unkoordiniert, wenn die Grünen für eine Verschiebung der Kreistagssitzung plädieren und einige von ihnen kurz zuvor - nach einer Sitzung des Marktgemeinderats in Dießen - noch am Buffet zugreifen. Sie hätten protestieren und nach Hause gehen sollen. Die Nicht-Abstinenz belegt ein weiteres Mal, dass wir immer noch nicht verinnerlicht haben, in der Corona-Krise auf bestimmte Annehmlichkeiten und Formen des Zusammenseins zu verzichten. Wir sind insofern Grenzgänger im Wunderland.

Allerdings war der Vertagungsgedanke nicht abwegig - in Landsberg hat man die letzte Sitzung, bei der es auch um die Verabschiedung des Haushalts ging, ebenfalls in den Januar verschoben. Außerdem hat die Initiative der Grünen zu einer kurzfristigen Verlegung und Absicherung der Kreistagssitzung sowie zu einer Verkürzung der Sitzungsdauer geführt - dort kommen samt Hauptamtlichen immerhin mehr als 70 Personen zusammen, in Dießen sind es weniger als halb so viel. Und, nicht zu vergessen: Nicht die Grünen haben das Buffet bestellt, sondern die neue Bürgermeisterin, die beim Ausschenken von Wein und Bier wohl ziemlich gedankenlos an die Tradition angeknüpft hat.

Insgesamt ist die politische Stimmung im Landkreis nicht gut. Landrat Thomas Eichinger hat mit dem Haushaltsbeschluss zwar grünes Licht für erste Aufwendungen in Sachen "Neues Landratsamt" bekommen. Doch ist vielen Kreisräten und der Öffentlichkeit nicht entgangen, dass aus der Zusammenlegung der Außenstellen des Amtes, die vor allem mit der Einsparung von Kosten begründet wurde, der Bau einer repräsentativen Zentrale mit Landratsbüro und Sitzungssaal geworden ist. Das ist eine umgekehrte Erosion: Hier blättert nichts ab, hier kommt immer noch etwas scheibchenweise dazu. Die Freigiebigkeit des Bundes und der Länder in Sachen Corona-Ausgleich scheint negativ abzufärben. Nur kommt das Geld bei Bund und Land den Unternehmen und Freiberuflern zugute - hier geht es um Schuldenmachen in eigener Sache. Bei der Erweiterung des Klinikums steuert man ein wenig in die gleiche Richtung. Hier sollte man genau hinschauen, was notwendig und was wünschbar ist, was Erweiterung und was Diversifikation.

Die Zeit vor den Feiertagen war insgesamt durch Hektik geprägt. Das haben Angehörige von Verwandten, die in Heimen leben, hautnah gespürt. Nachdem die Staatsregierung die Fristen für den obligaten Corona-Test bekanntgegeben hatte, blieb das Landratsamt zunächst stumm. Glücklicherweise gelang dann noch die Einbeziehung der Ehrenamtlichen. Die Politik sollte, anstatt Tagesordnungen abzuarbeiten, die jetzt entstehenden Pause, die für eine Reihe von Bürgermeistern sogar eine Zwangspause ist, zur Entschleunigung nutzen. Fahren Sie mal rechts ran, steigen Sie bitte aus, holen Sie tief Luft. Überlegen Sie, was im Januar Vorrang hat und welche Beschlüsse Sie vielleicht erst einmal nicht in die Wege leiten sollten. Erkennen Sie die Chance der Krise! Wir werden 2021 nicht alles so weitermachen können wie bisher. Nachdenken, neu gewichten, neue Schwerpunkte - und bitte nicht an sich, sondern an die Bürger denken.

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Das Land, wo die Gewinne blühn

Mittwoch, 16.12.2020

Die Freien Wähler berichten stolz, dass sie den Kommunen in Bayern die Möglichkeit genommen haben, eine "Grundsteuer C" einzuführen. Das sei eine "Strafsteuer für unbebaute, baureife Grundstücke" empörte sich Hubert Aiwanger: "Ich bin dagegen, Grundbesitzer in ein schiefes Licht zu rücken."

Der Mann hat natürlich recht. Die Grundsteuer C ist in der Tat eine Strafsteuer für unbebaute, baureife Grundstücke. Sie soll es nach dem Wunsch von Bundestag und Bundesrat auch sein. Es gibt viele Horter und Spekulanten, die für ihre Grundstücke Befreiungen vom Bebauungsplan erwirken, ja sogar Baugenehmigungen beantragen und erhalten, aber gar nicht daran denken, das Bauvorhaben alsbald in Angriff zu nehmen. Manche wiederholen dieses Vorgehen mehrmals. Auch in Landsberg gibt es eine ganze Reihe solcher Fälle. Den jeweiligen Grundstückseigentümern, oft Baufirmen und Grundstücksverwaltern, geht es nicht darum, Wohnraum zu schaffen - das geben sie nur vor. Es geht ihnen vor allem darum, den Wert ihrer Grundstücke zu steigern. Dass sie dabei auch noch von der Grundsteuer befreit sind, ist nicht nachvollziehbar.

Derartige Grundbesitzer stehen in schlechtem Licht, beschreibt Aiwanger zutreffend. Dass der Gesetzgeber sie dorthin rückt, ist aber Unsinn. Die Bürger haben ein hohes Interesse an einem ausreichenden Wohnraumangebot in den unterschiedlichen Lagen und Preisklassen; sie halten überhaupt nichts von einer künstlichen Verknappung und damit Verteuerung. Keiner von ihnen käme auf die Idee, Grundbesitzer, die trotz Baureife nicht bauen, sondern auf Spekulationsgewinne setzen, in einem guten Licht zu sehen.

Für die Hauseigentümer und Mieter ist die von den Freien Wählern erwirkte Schonung der Spekulanten, genauer: die Fortsetzung ihrer Begünstigung, eine schlechte Nachricht. Selbstverständlich muss dann die klassische Grundsteuer A und B die Fehlbeträge erwirtschaften. Und da kommt ohnehin einiges auf Eigentümer und Mieter zu, denn der Gesetzgeber wurde vom Bundesverfassungsgericht zu einer Neuregelung verpflichtet.

Warum die Freien Wähler das Thema nicht den Kommunen überlassen wollen, so wie andere Bundesländer auch, bleibt unklar. Ausgerechnet eine Partei, die sich als "Graswurzelbewegung aus Bayerns Städten und Gemeinden" bezeichnet, verbietet den Gebietskörperschaften die Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten. Keine Gemeinde wäre gezwungen, die Steuer anzuwenden. Jetzt ist jede Gemeinde gezwungen, die Steuer nicht anzuwenden. Das ist, mit Verlaub, übergriffig. Eine Bevormundung. Die ist zudem noch kontraproduktiv: Grundstücks-Spekulanten aus aller Welt, schaut auf den Freistaat Bayern! Hier ist das Land, wo die Gewinne blühn und keine Steuer droht.

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Eklatanter Wortbruch

Mittwoch, 09.12.2020

Man versteht, dass die Fischergilde Barbara ein größeres Gebäude will. Und man erkennt, dass der Standort an der Jahnstraße dafür geeignet ist. Trotzdem hätte der Bauausschuss unter Vorsitz von Bürgermeister Moritz Hartmann (Grüne) das Vorhaben nicht durchwinken dürfen. Er hat dadurch bewirkt, dass die Stadt nicht mehr glaubwürdig ist.

2013 hatte sie im Bebauungsplan "Jahnstraße" den Käufern der entstehenden Reihenhäuser "hohen Freizeitwert der näheren Umgebung und des Altöttinger Weihers" versprochen, eine "direkte Nachbarschaft zu angrenzenden Grünflächen", eine besondere "Nähe zur Natur". Ein Spielplatz sei entbehrlich, weil sich die Häuser ja "in nächstliegender Umgebung zu Grünflächen" befänden. Zwar stünden dort noch alte Gebäude für Obdachlose. Aber seit 2003 sei deren Abriss beschlossen, um ein komplettes "wertvolles landschaftliches Strukturelement von hoher Erlebnisqualität" zu schaffen.

Die Käufer verließen sich darauf. Sie freuten sich aufs "Wohnen am Altöttinger Weiher", investierten ihre Ersparnisse und nahmen meist zusätzlich Kredite auf. Billig waren die Häuser nicht. Aber bei dieser 1A-Lage schien der Werterhalt doch sicher. Umso entsetzter waren sie, als die Stadt plötzlich erklärte, auf der anderen Straßenseite eine große Obdachlosenunterkunft errichten zu wollen. Nicht nur dass von "öffentlicher Grünfläche" plötzlich keine Rede mehr war: Nun sollten auch noch die Belastungen hingenommen werden, die aus einer solchen Einrichtung resultieren.

Dass die Betroffenen nicht auf die Barrikaden gegangen sind, sondern auf einen Kompromiss zusteuerten, ehrt sie. Der sah vor, die Unterkunft zu verkleinern, die Belegung zu reduzieren, eine soziale Betreuung in Form eines "Kümmerers" einzurichten und - natürlich - die verbliebene Baracke abzureißen, um wenigstens die anderen Versprechen in Sachen Renaturierung einzuhalten. Oberbürgermeister Mathias Neuner dankte im Februar 2017 für die „ruhigen, sachlichen Gespräche“ - „ein Stück Diskussionskultur“. Wenig später bestätigte er den Abbruch der Baracke bis Mitte 2018. Sie steht aber heute noch.

Daher geht Hartmanns Formel "Hier gab es Widerspruch der Anlieger, dort gab es Widerspruch der Anlieger" völlig an der Realität vorbei. Ja, an keiner Seite wollte man den neuen Zweckbau der Gilde haben: überall war "weniger Natur" nicht willkommen. Aber mit der Entscheidung für die Jahnstraße war zusätzlich ein eklatanter Wortbruch verbunden.

Antragsteller in Sachen Bauplanung sind nun gewarnt. Wer ein Grundstück bebauen oder ein Haus kaufen möchte, sollte sich in Landsberg nicht auf die Angaben in Bebauungsplänen verlassen. Auch Zusagen der Stadtführung sowie einstimmige Stadtratsbeschlüsse schaffen keine Verlässlichkeit. Man muss wohl mit Anwälten erscheinen, einklagbare Vorbescheide beantragen und Verträge schließen, die Schadensersatzklauseln enthalten.

So wie Projektentwickler ehret + klein das getan hat. Deswegen käme die Stadt auch nicht auf die Idee, ihre Verpflichtungen aus dem städtebaulichen Vertrag zum Papierbach zu ignorieren; der Groß-Investor der Pflugfabrik bleibt ungefährdet. Die Einzel-Häuslebauer an der Jahnstraße aber kann man offenbar beliebig oft düpieren. Es ist bitter: Manchmal handelt die Politik, als gäbe es kein "morgen" mehr. In Landsberg hat sie nun auch "gestern" vergessen.

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Die Waffen schärfen

Mittwoch, 02.12.2020

Wer sich fürs Lokale engagiert, verfolgt die Themen Innenstadt und Einzelhandel mit besonderer Aufmerksamkeit. Der tägliche Newsletter von locationinsider.de ist dazu eine unverzichtbare Quelle. Er enthält Informationen und Ideen, wie Stadtplaner und Händler auf die Digitalisierung reagieren können. Das ist dringender als je zuvor. Zwei Drittel der Verbraucher besuchen die Innenstädte wegen Corona seltener. Jeder zweite Kunde hält sich kürzer in Geschäften auf. 26 Prozent der Verbraucher machen Einkäufe, die sie sonst im Geschäft erledigen, zurzeit online.

Wir gehören nicht zu denen, die den Online-Handel verdammen. Er ermöglicht zigtausenden von kleinen und mittelständischen Produktherstellern, Kunden zu erreichen, und bietet viele Waren, die vor Ort noch nie erhältlich waren oder längst nicht mehr erhältlich sind. Dass das USA-basierte Amazon in Deutschland so viel Umsatz erzielt wie alle inländischen Anbieter zusammen, macht uns allerdings Sorge. Quelle und Neckermann waren einmal weltweite Spitzenreiter im Versandhandel mit Milliarden-Umsatz. Sie druckten zehn Millionen Exemplare von 1.000 Seiten starken Katalogen. Jeder Dritte kaufte dort. Wir haben uns abhängen lassen.

Die zweite Sorge ist, dass der Einzelhandel nicht genug macht, um sich gegenüber der neuen Konkurrenz zu behaupten. Es waren lokale Händler, die für den Niedergang von Quelle und Co. sorgten, vor allem Discounter und Filialisten. Jeder kann heute ein aktuelles Online-Angebot erstellen und pflegen, E-Mail-Marketing machen und Beratung über Video anbieten. Jeder kann auch Waren versenden - Zusteller holen sie im Laden ab, Dienstleister sorgen für den Geldeingang. Wir jedenfalls haben in den vergangenen Wochen oft online bestellt, aber wann immer möglich bei Anbietern, die vor Ort vertreten sind.

Irgendein "Black Friday"-Angebot bekamen wir vergangene Woche aber nicht. Warum diese Zurückhaltung? Warum überlässt man das Auf-die-Pauke-Hauen anderen? So richtig die politischen Appelle sind, lokal zu kaufen: Es muss auch deutliche Schritte in Sachen Online-Präsenz und Online-Marketing geben. Der Handel sitzt immer noch wie das Kaninchen vor der Schlange, statt lokale Präsenz zu nutzen und Beweglichkeit zu zeigen. Er sollte seine Waffen schärfen, bevor es zu spät ist.

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25, 24, 7, 3
20, 10, 0, 0

Mittwoch, 25.11.2020

Acht Zahlen reichen, um die Finanzplanung der Stadt Landsberg zu verdeutlichen. 25, 24, 7, 3 - das sind die Investitionen. Im nächsten Jahr wollen wir 25 Millionen Euro investieren. Danach nochmal 24 Millionen. Anschließend fahren wir die Ausgaben auf sieben und drei Millionen herunter. 20, 10, 0, 0 - das sind die zusätzlichen Schulden. Nächstes Jahr holen wir uns einen Kredit von 20 Millionen Euro, danach nochmal einen von 10 Millionen. In den Folgejahren nehmen wir dann kein Geld mehr auf.

Auf Privathaushalte übersetzt heißt das: 2021 kaufen wir uns ein Haus mit Garten. 2022 erwerben wir dazu noch eine Ferienwohnung. Danach leisten wir uns jahrelang nichts mehr, weil uns Tilgung und Zinsen voll in Anspruch nehmen. Das kann man so machen. Junge Leute machen das sogar immer häufiger so. Vernünftige Väter warnen dann meist. Was ist, wenn später doch noch Finanzbedarf auftritt? Was passiert, wenn die Gehälter ausbleiben? Und ist unvorhergesehener Nachwuchs dann noch im Budget?

Die Vaterrolle über Landsbergs Finanzen haben zurzeit Christian Hettmer (CSU) und Stefan Meiser (ÖDP) übernommen. Der eine ist Haushaltsreferent des Stadtrats, der andere leitet den Rechnungsprüfungsausschuss. Beide zitieren sinngemäß einen Satz, der seit vielen Jahren Bestandteil der Richtlinien des Freistaats zum "Kreditwesen in den Kommunen" ist: "Bei Kreditaufnahmeentscheidungen ist neben dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen, dass trotz der entstehenden Zinsbelastungen die dauernde Leistungsfähigkeit bestehen bleibt und die künftigen Investitionsmöglichkeiten nicht unnötig eingeschränkt werden".

Andere Mitglieder des Finanzausschusses haben auf die Bedenken von Hettmer und Meiser offenbar mit dem Vorwurf reagiert, sie hätten ja keine Einsparvorschläge unterbreitet. Das ist als ob man dem Bundesfinanzminister bei einem Veto gegen den nicht finanzierbaren Ausgabenwunsch eines Ministeriums gleich das ganze Ressort überträgt: Dann mach' Du doch den Innenminister! Dann kümmer' Du Dich doch um Ernährung und Landwirtschaft! Das würde auf Bundesebene keiner tun. Und in Landsberg sollte man es auch so halten und dankbar dafür sein, wenn jemand bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben seine Arbeit macht.

Sind alle Investitionen der Jahre 2021 und 2022 alternativlos? Die meisten, die geltend machen, etwas sei alternativlos, haben Alternativen nie wirklich geprüft. Vielleicht sollte man ihnen in Erinnerung rufen, dass wir über Investitionen und Kreditaufnahme überhaupt nur deswegen noch nachdenken können, weil Bund und Freistaat Wort gehalten und die 2020er Verluste der Kommunen aus der Gewerbesteuer ausgeglichen haben. Ähnliches ist für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die staatlich bedingten Ausgaben der Kommunen nehmen zu. Und die finanziellen Langzeitfolgen von Corona werden hart, weil zurückgehaltene Investitionen in den Unternehmen zur Gewinn- und damit zur Gewerbesteuer-Reduzierung führen.

Der neue Stadtrat nimmt seine Arbeit am Beginn magerer Jahre auf. Er kann sich dieser Erkenntnis nicht verschließen. Eine "schwarze Null" geht in der Krise zwar nicht. Aber eine Politik, die uns "null Potential" lässt, die geht auch nicht. Die kluge Politik liegt in der Mitte: So viel Ausgaben wie nötig. Und so viel Reserve wie möglich.

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Attitüde der Selbstbedienung

Mittwoch, 18.11.2020

Der Landkreis plant nicht nur ein großes Verwaltungsgebäude auf Ackerflächen im Landsberger Osten, sondern hat sich mit der Erweiterung des Klinikum-Komplexes im Landsberger Westen ein weiteres Großprojekt vorgenommen. Erneut geht er davon aus, dass die Stadt dafür den Flächennutzungsplan ändert und einen Bebauungsplan erlässt - obwohl es um ein nicht-privilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich geht, das zu einer weiteren Flächenversiegelung führt und für die Stadt erhebliche Folgekosten verursacht.

Wieder ist da die Attitüde der Selbstbedienung spürbar. Der Kreis hat ein Anliegen und die Stadt soll für die unveränderte Umsetzung sorgen. Normal ist das nicht. Auf dem bisherigen Grundstück des Landkreises fällt das weniger ins Gewicht. Es ist sicher sinnvoll, einen Funktionsbau mit größerer Operations- und Intensivstation zu errichten. Und wenn der Landkreis das Medizinische Versorgungszentrum im bisherigen Areal verlegen und erweitern will, soll das die Stadt nicht stören.

Der neue Campus auf bisheriger landwirtschaftlicher Fläche aber führt zu einer Ausdehnung der Bebauung der Stadt ins Grüne hinein. Diesen Preis soll der Stadtrat zahlen, damit der Kreis Geld spart - denn die Planung sieht vor, dass der große Parkplatz zu drei Vierteln erhalten werden soll. Lediglich auf einem Viertel soll ein zusätzliches Parkhaus entstehen. Ursprünglich war daran gedacht, das unstreitig wünschenswerte Wohnheim für angehende Krankenpfleger/innen über einem größeren Parkhaus zu bauen und keine neuen Flächen in Anspruch zu nehmen.

Es ist zumindest legitim, über den Campus, der auch einen Neubau des Gesundheitsamts und ein Pflegeheim umfassen soll, zu diskutieren. Letztlich ist das Vorhaben nämlich nicht allein durch steigende Nutzerzahlen des Klinikums begründet, sondern zum Teil auch durch den Wunsch nach Diversifizierung. Die Notwendigkeit zum Gespräch ergibt sich zudem aus dem Erfordernis, dass beide Seiten einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen müssen, um die Aufgabenverteilung zu regeln.

Stadträte kritisieren daher zurecht, welchen Zeitplan der Landkreis der Stadt für die Erstellung und Erörterung der neuen Pläne gesetzt hat. Es gelte, Bauplanung des Kreises und Bauleitplanung der Stadt in Einklang zu bringen. Und das gehe nicht im "Schweinsgalopp".

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Warnsignal für Eichinger

Mittwoch, 11.11.2020

Der Kreisverband Landsberg der ÖDP möchte einen Bürgerentscheid herbeiführen. Die Landkreisbürger sollen zunächst mit ihrer Unterschrift und danach durch Stimmabgabe erwirken, dass der Landkreis "auf einen Neubau des Landratsamts verzichtet“.

Das Begehren ist rechtlich problematisch. Bürgerentscheide sind nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises des Landkreises zulässig. Viele Ämter, die ins Penzinger Feld umziehen sollen, gehören aber zum staatlichen Landratsamt oder nehmen Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wahr. Dabei ist selbst dem Kreistag eine Mitwirkung versagt. Zwar darf er Entscheidungen zum Gebäude treffen; er wird dabei für den Kreis als Sachaufwandsträger tätig. Das macht Beschlüsse des Gremiums zu Um- oder Neubauten des Amtsgebäudes aber noch lange nicht zu Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises. Außerdem können Fragen der "inneren Organisation der Kreisverwaltung" in Bürgerentscheiden nicht zur Abstimmung gestellt werden. Zwei weitere Gründe ergeben sich aus der geplanten Fragestellung. Es geht zunächst nicht um einen "Neubau des Landratsamts", sondern eine Außenstelle, die bisher verstreute Büros zusammenfasst. Außerdem bleibt unklar, wie lange der Kreistag an der Baumaßnahme gehindert sein soll.

Trotzdem ist das Vorhaben ein Warnsignal, das Landrat Thomas Eichinger (CSU) nicht überhören sollte. Gegen eine kostensparende Zusammenlegung der heute verstreut agierenden Ämter ist zwar ebenso wenig etwas einzuwenden wie gegen die Verlagerung der Kfz-Zulassungsstelle aus der Innenstadt heraus - im Gegenteil: Beides korrespondiert mit der Intention der Stadt, weniger Individualverkehr zu erreichen. Aber es wird nicht bei der Außenstellenbündelung bleiben. Eichinger hat mehr im Sinn. Das wurde kürzlich noch klarer, als er auf Nachfrage mitteilte, er selbst wolle mit seinem Büro in den Osten der Stadt umsiedeln.

Deswegen sollte der Kreistag von der Verwaltung nun zunächst einen realistischen Finanzplan einfordern. Der Wunschzettel des Landkreises hat eine beachtliche Länge. Darauf stehen auch große Brocken wie Warmbäder, Schulen und Förderzentren. Die Bürger wollen wissen, wieviel Geld der Landkreis wann wofür ausgibt. Schon in ihrem eigenen Interesse: Der Kreis bezieht seine Einnahmen zu einem großen Teil von der Stadt, den Märkten und den Gemeinden. Und die brauchen gerade jetzt jeden Euro selbst. Mehr Kredite und höhere Steuern sind sonst unumgänglich. Das Motto sollte lauten: Verwaltungsvereinfachung unterstützen wir. Luxus aber erstmal nicht.

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Nicht zur Disposition

Mittwoch, 04.11.2020

Die vier Dörfer, die zu Landsberg gehören, liegen uns am Herzen. Das ist unstreitig. "Landsberg 2035" und dem Wahlprogramm von Doris Baumgartl zufolge steht obenan auf der Agenda, in Ellighofen den Radrundweg zu entwickeln (trotz Bahn und B17), in Erpfting die Grundschule und die Alte Schule zu sanieren, in Reisch ein neues Feuerwehrhaus zu bauen und in Pitzling die Alte Schule zu einem Dorfzentrum zu machen. Hinzu kommen überall die Optimierung des Nahverkehrs und die Ausweisung von Bauland für einheimische Familien. Pro Ortsteil und Jahr sollen ein bis zwei Projekte umgesetzt werden, beschloss der Stadtrat im Jahr 2018. Das ist doch ein Wort.

Die Stadt muss auch sicherstellen, dass im Brandfall in den Ortsteilen schnell geholfen werden kann. Das ist bislang nicht gegeben, jedenfalls nicht tagsüber. Es gibt vor Ort zwar Feuerwehrhäuser; die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren sind aber meist beruflich ganz woanders tätig. Das führt dazu, dass nicht gewähreistet ist, dass Löschfahrzeuge innerhalb der vorgesehenen achteinhalb Minuten ab Alarmierung eintreffen. Es ist daher gut, dass der Stadtrat nun über dezentrale Feuerwachen berät, mit deren Hilfe man das Problem lösen kann.

Dabei kommt es darauf an, die Feuerwehren der Ortsteile so einzubeziehen, dass das Engagement ihrer Mitglieder unvermindert aufrecht erhalten bleibt. Deswegen sollte niemand auf die Idee kommen, den bislang breit akzeptierten Neubau des Feuerwehrhauses in Reisch im Hinblick auf eine Feuerwache Landsberg-Ost zur Disposition zu stellen.

Seit 1875 ist die Feuerwehr in Reisch eine im Dorf fest verankerte Institution. Sie trägt zur Identifikation der Bürger mit ihrem Ortsteil bei. Sie ist ein Angebot für junge Menschen, sich in den Dienst der guten Sache zu stellen. Sie vermittelt, zumindest abends und am Wochenende, Sicherheit. Obwohl sie nie besonders gut ausgestattet war. Die Feuerwehrleute mussten das ausgemusterte Tragspritzenfahrzeug, das sie jahrelang besaßen, wegen eines Motoschadens schon mal zum Brandherd schleppen. Auch das jetzige Auto ist bereits 25 Jahre alt. Inzwischen hat sich so viel verändert, dass das Nachfolgemodell nicht mehr ins Gerätehaus passt. Aber in Reisch akzeptierte man die knappen Budgets.

Freiwillige Feuerwehren stehen für gemeinschaftliches Engagement über das Soll und die Pflicht hinaus. Sie sind Ausdruck einer selbstverantwortlichen Gesellschaft. Sie beleben ein Dorf. Dass es sie auch künftig gibt, und zwar zum Greifen nah, hat Priorität.

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Absurdes Theater

Mittwoch, 28.10.2020

Am Samstag fand in Landsberg zum wiederholten Mal eine Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen statt. Sie dauerte über dreieinhalb Stunden. Viele Teilnehmer trugen keinen Mund-Nasen-Schutz und hielten die vorgegebenen Abstände nicht ein. Zahlreiche Demonstranten wiesen "Atteste" vor, sie könnten aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen.

Der Freistaat, der Landkreis und die Stadt lassen sich hier auf abenteuerlichste Weise düpieren. Handelsübliche Masken dienen dem Fremd- und nicht dem Eigenschutz. Ein Attest kann seine Besitzer maximal davor schützen, mit einem Bußgeld belegt zu werden. Es gibt ihnen aber nicht das Recht, Räume oder Plätze ohne Maske zu betreten und andere Menschen zu gefährden. Das wäre ja so als würde man sagen, Klaustrophobie sei wegen der Unzumutbarkeit einer Inhaftierung der Freibrief zum Gesetzesbruch.

Das Demonstrationsrecht führt nicht zu einem anderen Ergebnis; ganz im Gegenteil. Wer dort ohne Maske agiert, nimmt anderen, die ungefährdet teilnehmen wollen, die Teilnahmemöglichkeit. Jede Demonstration in Corona-Zeiten findet außerdem unter der gerichtlich längst bestätigten Auflage "Maske und Abstand" statt. Wer diese Gebote nicht einhalten kann, ist von der Teilnahme verfassungskonform ausgeschlossen. Ob's einem leid tut oder nicht.

Offenbar fühlt sich das Landratsamt aber gezwungen, solche Demonstrationen zu genehmigen. Ob in dieser Länge und an diesem Ort - schon das kann man bezweifeln. Der Kreis sieht sich in einem Dilemma. Können viele Teilnehmer die Gebote "Maske und Abstand" nicht einhalten, kann er eine Demo verbieten. Wollen viele Teilnehmer die Gebote "Maske und Abstand" nicht einhalten, muss er sie genehmigen. Selbst das Strafrecht ahndet schon den Versuch einer Tat. Verlangt das Verwaltungsrecht erst seine Vollendung?

Wir brauchen ein wehrhaftes Landratsamt, das auch die rechtliche Auseinandersetzung bis zum Verfassungsgericht nicht scheut. Dabei bestünde dann endlich auch Gelegenheit, über die Wirksamkeit und Reichweite der vorgezeigten Atteste sowie die Seriosität ihrer Aussteller zu sprechen.

Wir genehmigen Demos und schicken unsere Polizisten in die Menschenmenge, damit sie für uns die Kartoffeln aus dem Feuer holen. Wir bringen damit nicht nur die Beamten in Gefahr, sondern lassen sie auch noch an der Inszenierung der Opferrolle von Corona-Gegnern mitwirken. Genau dieses absurde Theater lockt die Demo-Touristen von nah und fern immer wieder an den Lech. Dafür haben viele Bürger kein Verständnis mehr. Und sie haben Recht.

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Am Ende seiner Kraft

Mittwoch, 21.10.2020

Nun schlägt Corona auch im Landkreis Landsberg durch. Die Pandemie ist wieder da. Und sie ist genauso gefährlich wie zuvor. Wieder wollen wir es nicht wahrhaben. Und wieder rufen wir nach dem Staat. Aber der kann derzeit kaum helfen. Bei graduellen Eingriffen tut er sich extrem schwer. Wir erleben das auch bei uns. Es wäre notwendig, den Alkoholkonsum in Gruppen in den Griff zu bekommen. Effektiv wäre eine allgemeine abendliche Ausgangssperre. Da man sie nicht will, entscheidet man sich für eine frühere Sperrstunde und trifft damit einzelne Gastronomen. Es wäre wichtig, die Übertragung des Virus in Tourismusregionen zu verhindern. Effektiv wäre ein Ausreiseverbot von Bürgern ohne Testat. Da man das nicht hinbekommt, konstruiert man ein fragwürdiges Beherbergungsverbot, das Hoteliers zu Hilfs-Sheriffs macht.

Beides sind Ersatzhandlungen. So gut der staatliche Minimaleingriff gemeint ist: Die Politik zäumt das Pferd von hinten auf und produziert eine Absurdität nach der anderen. Nicht zuletzt, weil immer häufiger die Verwaltungsgerichte angerufen werden. Sie prüfen die Verhältnismäßigkeit und damit auch Geeignetheit einer Maßnahme zwar nur im Einzelfall, kippen faktisch aber das ganze Konstrukt. Dafür sorgen schon die Medien; jeder Sieg eines Klägers macht Schlagzeilen. Auch zeitlich beschränkte Regelungen sowie ständig wechselnde Grenzwerte verwirren. Niemand weiß mehr, was gerade gilt. So kann es nicht weitergehen, zumal die Nachverfolgung der Infektionsketten durch die Gesundheitsämter bald nicht mehr möglich ist. Der minimalinvasive Staat ist am Ende seiner Kraft. Die Politik wird daher bei einer Verschlechterung der Lage in Richtung Härte umschwenken müssen; nur dann ist sie wieder auf sicherem Terrain und unangreifbar. So haben sich auch die Regierungen der Nachbarstaaten entschieden.

Aber keiner von uns kann das wollen. Für die Wirtschaft hat das verheerende Folgen. Unsere Gemütsverfassung wird weiter strapaziert. Unsere Bewegungsfreiheit wird noch mehr eingeschränkt. Wir verlieren unseren Wohlstand. Es gibt daher nur noch eine Lösung: Ein Maximum an Vernunft und Disziplin. Immer noch bekommen Corona-Leugner und Maskengegner Aufmerksamkeit. Infizierte geben ihre Kontakte nicht an. Restaurantbesucher tragen Phantasienamen ein. Quacksalber stellen falsche Atteste aus. Die große Mehrheit verurteilt das. Manche von uns ignorieren trotzdem den Ernst der Lage. Wir reißen uns die Maske schon in der Eingangshalle vom Mund, weil sie doch nicht mehr zum Supermarkt gehört. Wir nehmen an der Schulung teil, weil es ein Hygienekonzept gibt, rücken anschließend aber zusammen. Wir reisen immer noch aus Vergnügen herum. Und wir planen nach wie vor Feiern und Treffen. So als wollten wir den Staat überlisten.

Wir müssen aber Corona besiegen. Daher gilt ab jetzt: Maske und Abstand immer und überall. Keine Ausflüge und keine Reise ohne Not. Keine Feiern auf engem Raum, egal mit wie vielen Personen. Kein Zusammentreffen, ohne sich selbst und andere zu schützen. Dazu gehört auch, gemeinsame Aktivitäten abzusagen, Einladungen zu widerstehen und wieder nach Hause zu gehen, wenn der gebotene Schutz nicht ausreicht. Stärke zeigen heißt verzichten. Das wird Schule machen und Maßstäbe setzen. Deswegen kann jeder Einzelne viel erreichen. Und sollte jetzt, in diesem Moment, damit beginnen.

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Bitte keine Ausgrenzung

Mittwoch, 14.10.2020

Das Beste was Füssen für Kinder und Jugendliche je gemacht hat. Hier ist es einfach super! Schrieb Andy H. vor einem Jahr. Mega Skate- und Bikepark. Super Belag. Top gebaut! Merkte Volker Neumann an. Super toller Skate-Bike-Park. Egal ob kleine oder große Kinder. Für jeden das Richtige. Meinte Melanie E. So einen coolen Park sollten mehrere Städte haben. Schrieb Niklas N. Das ist ein Vorgeschmack auf das, was die Landsberger in drei Jahren vielleicht auch in ihren Rezensionen bei Google Maps anmerken werden, wenn das Projekt des FT Jahn und des Alpenvereins Wirklichkeit wird - ein Bike- und Skaterpark am Rand der Schwaighofsiedlung (siehe Bericht auf dieser Seite).

Zu hoffen ist es. Anlagen wie die in Füssen sind Begegnungsstätten, in denen vor allem junge Menschen Gemeinsames erleben, ans Thema Sport herangeführt werden und ein Stück weit aus der virtuellen in die reale Welt zurückkehren. Aber das ist in Landsberg noch Zukunftsmusik. Ob das Vorhaben verwirklicht werden kann, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von Zuschüssen der öffentlichen Hand.

Umso wichtiger ist es, den Blick auf die Skateranlage zu richten, die bislang am Inselbad stand. Die Stadt hat sie bei Baubeginn des Lechstegs ersatzlos abgebaut und die "Obstacles" eingelagert. Jetzt ist man auf der Suche nach einem neuen Standort. Im Frühjahr, so heißt es, könnte man die Anlage im Frauenwald wieder aufbauen, um sie im Sommer vielleicht wieder in die Nähe des alten Standorts zu verlagern (auch hierzu gibt es einen Bericht auf dieser Seite).

Bei aller Freude, dass sich etwas bewegt: Seit dem Abbau der Anlage im August 2019 sind 14 Monate vergangen. Es kann nicht derartig lange gedauert haben, die Liste städtischer Grundstücke durchzugehen und einen geeigneten Platz ausfindig zu machen - zumal schon Jahre bekannt ist, dass der Lechsteg gebaut wird und die Skateranlage weichen muss. "Es ist doch eine freiwillige Leistung der Stadt", hören wir die Amtsträger sagen, "da hat keiner Anspruch drauf." Aber würden die Handelnden ähnlich reagieren, wenn man ihnen selbst für fast zwei Jahre die Ausübung ihrer eigenen Sportart unmöglich macht? Und muss es nicht das Interesse der politisch Verantwortlichen sein, jungen Menschen Möglichkeiten zu bieten, sich kontinuierlich zu treffen und aktiv zu sein? Das Verwaltungshandeln war hier weder einfühlsam noch weitsichtig.

Der Wiederaufbau der Skateranlage im Frauenwald kann im Übrigen nur eine Zwischenlösung sein. Dort ist er für die jugendlichen Nutzer, die oft nicht motorisiert sind, schwer erreichbar. Außerdem ist die Akzeptanz der Verlagerung bislang offenbar nicht geklärt. Generell sollte es das Ziel sein, dass wir jedem Jugendlichen die Möglichkeit geben sollten, sich nicht in einem Industriegebiet, sondern in der Innenstadt aufzuhalten. Es ist daher zu hoffen, dass sich die Rückkehr an die alte Stelle realisieren lässt. Wir brauchen die Integration junger Menschen in das gesellschaftliche Leben der Stadt. Bitte keine Ausgrenzung!

Bei der - altstadtnahen - Anlage in Füssen hat man die Jugendlichen von vorneherein an der Planung des Bikeparks beteiligt. Vor allem deswegen wird er so intensiv genutzt. Das sollte beim Wiederaufbau der städtischen Skateranlage auch geschehen. Beim Projekt von FT Jahn und Alpenverein läuft die Beteiligung offenbar schon.

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Ausdruck von hohem Niveau

Mittwoch, 07.10.2020

Vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim hat der Freistaat Bayern die 100 Jahre alten Hochwasserschutzmauern in Landsberg saniert. Die Maßnahme, die elf Monate gedauert hat, stellt die Sicherheit der lechnahen Stadtteile vor Hochwasser wieder her und fördert zugleich den Natur- und Artenschutz am Fluss. Das Investitionsvolumen betrug fünf Millionen Euro.

Wer die öffentliche Diskussion und Berichterstattung dazu verfolgt hat, las vor und während der Bauzeit vor allem etwas über lästige Probleme und störende Einschränkungen. Der (alte) Stadtrat sorgte sich um mögliche Schäden an den Geh- und Radwegen; er weigerte sich sogar, das Vorhaben "zustimmend" zur Kenntnis zu nehmen. In den öffentlichen Mitteilungen der Stadt ging es fast nur um die notwendigen Sperrungen. "Lechpark wieder erreichbar", hieß es zuletzt im Bürgerbrief vom Februar 2020, das sei eine "gute Nachricht". In Wirklichkeit ist die gute Nachricht, dass der Freistaat Bayern viel Geld in die Hand genommen hat, um die Landsberger Altstadt und ihre Bewohner, Händler und Dienstleister vor Hochwasser zu schützen. Sind wir eigentlich schon so auf den Moment und unsere Bequemlichkeit konzentriert, dass wir den Blick fürs Wesentliche verlieren?

Dass dies so sein könnte, zeigt das Verhalten vieler Besucher, die am Klösterl Absperrungen weggeschoben oder sogar beschädigt haben, um sich ihren Weg durch die Baustelle zu bahnen. Das Prinzip "Ich" schlug hier in vollem Umfang durch. Dass umgekippte Zäune und durchtrennte Ketten repariert werden müssen, was Zeit und Geld kostet, war den Beteiligten offenbar egal. In vielen Fällen handelte es sich um Familien, die mit ihren Kindern unterwegs waren; da lernt man was fürs Leben. Viele wählten den Weg übers Klösterl sogar in voller Absicht. Das Städtische Forstamt hatte die Sperrung überall bekannt gegeben und auch geradezu vorbildlich alternative Zugänge zum Wildpark aufgezeigt und ausgeschildert.

Eigentlich ist die Sache doch leicht zu verstehen. Nichts hält ewig; nichts steht auf ewig täglich zur Verfügung. Kein Kindergarten, kein Stadtmuseum, kein Hauptplatz, keine Ufermauer, keine Fahrstrecke, kein Fußweg. Das Problem ist, dass wir Dinge, an die wir uns gewöhnt haben und die wir schätzen, so fest in unseren Lebensstil implementieren, dass wir davon nur noch schwer abweichen können. Vielleicht ist es gerade dieses unreflektierte Anspruchsdenken auf kontinuierlichen Komfort, das in Sachen Corona immer wieder Dämme brechen lässt.

Und noch etwas sei festgehalten. Dass die Hochwasserschutzmauern in Landsberg nun saniert sind, liegt daran, dass aufmerksame Behörden sie regelmäßg überprüft und ihren Zustand ermittelt haben. Und daran, dass ein leistungsfähiger Staat genügend finanzielle Mittel aufbringen konnte, um sie wieder sicher zu machen. Wer mit dem Finger über die Weltkarte fährt, wird nur auf wenige Länder stoßen, in denen eine ähnliche Sorgfalt an der Tagesordnung ist. In ganz vielen Regionen sind Überschwemmungen und Erdrutsche, Einstürze und Waldbrände wiederkehrende Ereignisse, die Menschenleben kosten und Menschen ins Unglück stürzen. Dass dies bei uns nicht so ist, kann man nicht genug hervorheben. Und deswegen ist auch die Sanierung der Ufermauern in Landsberg am Lech keine Störung und kein Ärgernis, sondern Ausdruck eines Lebens auf hohem Niveau.

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Kein Kick and Rush

Mittwoch, 30.09.2020

Es ist noch nicht so lange her, da handelte die Landsberger Politik nach dem "Kick and Rush"-Prinzip. Man schlägt aus der eigenen Hälfte heraus einen Pass und hofft, dass der Ball vorne einen Mitspieler erreicht. Wer "Kick and Rush" mag, wittert früh eine Torchance und bejubelt bereits das Zuspiel. Fraktionen formulieren Anträge an den Stadtrat und informieren die Presse sofort über ihren genialen Spielzug. Ein Bürgermeister plant eine personelle Maßnahme und plaudert darüber in der Öffentlichkeit. Die Stadtspitze zählt unbedacht neue Baugebiete auf, auch ganz ungewisse, und wundert sich dann über vereinten Widerstand.

Das hat sich geändert. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl nimmt zu vielem entweder gar nicht Stellung. Oder mit der Diktion "Das ist ein wichtiges Thema, über das wir sorgfältig beraten werden". Diese Linie macht Schule: Die Bürgermeister, die Fraktionsvorsitzenden und die meisten Stadträte verfahren inzwischen ähnlich. Zwar können sich nicht mit Amt oder Mandat gesegnete Bürger nun länger und intensiver zu Wort melden, ohne dass ein Gegengewicht gesetzt wird - so bleiben Themen wie die Lech-Philharmonie oder die Parkplatzreduzierung am Papierbach lange in der Diskussion. Der Vorteil aber ist, dass die letztlich getroffenen Entscheidungen umfassender legitimiert und sorgfältiger durchdacht sind. Das hat auch Konsequenzen für die Berichterstattung. Die Presse muss, soweit noch nicht geschehen, nun eigene Maßstäbe entwickeln und kann nicht nur wiedergeben, A habe dieses gesagt und B jenes entgegnet. Und sie muss nun die leisen Töne interpretieren, das zwischen den Zeilen Stehende.

Beispiel Konzertsaal. Die Oberbürgermeisterin lässt sich nach dem Workshop des Stadtrats in einer sorgfältig ausgearbeiteten Presseerklärung so zitieren, dass Synergien für "alle Beteiligten" angestrebt werden. Es soll ein "vielseitig nutzbarer Veranstaltungssaal" entstehen, von dem "alle profitieren": ein "Kultursaal". Dafür sollen nun "der Investor, das Architekturbüro, die Stadtverwaltung und der Gestaltungsbeirat" den ursprünglichen Entwurf überarbeiten. Das Ergebnis soll dann "dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden". Der für Konzerte optimierte und damit praktisch nur für Konzerte nutzbare Saal ist also vom Tisch. Ein deutliches Zeichen ist auch, wer jetzt tätig werden soll - die bisherigen Wortführer sind da nicht genannt.

Zweites Beispiel: Die Parkplatzreduzierung am Papierbach. "Ob und wieweit" durch das geplante Car-Sharing "Stellplätze auf Dauer eingespart werden können, ist noch zu prüfen", steht da. Und: "Ob das Mobilitätsangebot angenommen wird, hängt von vielen Faktoren und der Akzeptanz der Bewohner ab." Es sieht also nicht so aus, dass die Stadt leichtfertig Befreiungen von der Stellplatzsatzung erteilen wird. Baumgartl verweist im Übrigen auf notwendige Gespräche "zwischen der Stadt und dem Investor" - irgendwelche dritten Beteiligten werden hier ebenfalls nicht aufgeführt.

Ehrlich gesagt: Uns ist strategisches Aufbauspiel lieber als Kick and Rush. Politik ist kein schneller Schlagabtausch. Amts- und Mandatsträger müssen sich nicht jagen lassen und auf alles sofort eine Antwort geben. Die Bürger sollten sich dadurch allerdings nicht täuschen lassen. Schweigen ist keine Zustimmung. Sondern kann die Vorstufe zu einer guten Entscheidung sein.

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Kein Freibrief für eine Vision

Mittwoch, 23.09.2020

Sind viele Tiefgaragenplätze beim Urbanen Leben am Papierbach (ULP) entbehrlich, weil man dort Car- und Bike-Sharing anbieten wird? Projektentwickler ehret+klein sagt "ja" und möchte vom Stadtrat eine umfangreiche Befreiung von der Stellplatzsatzung. Aber das geht beim besten Willen nicht.

Die Satzung verlangt bei Apartments bis 100 Quadratmetern 1,5 Stellplätze. Das ist bereits knapp bemessen. Denn bei uns ist das Auto besonders dominant. Die meisten Unternehmen, zum Beispiel Rational, Delo, Hirschvogel und 3C Carbon, sind nur mit PKWs erreichbar. Kunden, Freunde und Verwandte wohnen oft an der Peripherie oder auf dem Land. Selbst innerstädtisch gilt: Wer etwas aus dem Getränke-, Bau- oder Drogeriemarkt sowie vom Discounter braucht, nutzt sein Auto.

Die Annahme, dass Bewohner am Papierbach, oft Doppelverdiener mit unterschiedlichen Arbeitsorten, dafür jedes Mal einen Leihwagen oder ein Lastenrad mieten, ist völlig unrealistisch. Car-Sharing ist bis dato ein Misserfolg, ein "unprofitables Nischengeschäft". Das Potential zur Reduzierung privater PKW durch diese neue Nutzungsform liegt selbst in dicht besiedelten Städten nur bei fünf Prozent (A.T. Kearney, 2019). Der Anteil von Car-Sharing am Wegeaufkommen ist bislang "so gut wie nicht sichtbar" (Bundesregierung, Mobilitätsbericht 2019).

Bessere Radwege und ein attraktiveres Bussystem werden zwar viel verändern. Aber selbst da, wo man in Sachen Verkehrsverlagerung hin zu Rad und ÖPNV auf gutem Weg ist, nehmen der PKW-Führerscheinbesitz und die PKW-Verfügbarkeit je Haushalt zunächst weiter zu. Es braucht viele Jahre bis solche Maßnahmen akzeptiert werden. Und wahrscheinlich weitere Jahre, bis auch nur Teile der Bevölkerung bereit sind, das eigene Auto durch Leihwagen zu ersetzen. Was ohnehin nur für kurze Fahrten sinnvoll ist - wer am Zielort verweilt, blockiert das Fahrzeug.

Der Investor geht daher ein Risiko ein, wenn er Parkraum in diesem Umfang reduziert. Was ist, wenn sein Kalkül nicht aufgeht? Wohnungen mit knappen Stellplätzen erzielen geringere Preise. Auch Leerstände könnten die Folge sein. Schon deswegen kann sich der Stadtrat nicht auf diesen Deal einlassen. Zwar winkt eine hohe Ablösesumme; aber sie wäre die Belohnung für ein ungerechtfertigtes ULP-Sonderrecht. Deswegen denkt man im Stadtrat auch eher daran, die Anforderungen an Stellplätze insgesamt zu lockern. Die Folge aber ist mehr Parken im öffentlichen Raum, mehr Parksuchverkehr und der Kampf um den Stellplatz am Straßenrand. Am Ende stehen dann doch wieder städtische Investitionen in Parkhäuser. Die Rechnung begleicht der Steuerzahler.

Das erweiterte Mobilitätskonzept, das GP Joule im Auftrag des Projektentwicklers derzeit in Landsberg vorstellt, ist weit vorgreiflich. Viele Institutionen müssten daran mitwirken. Ob es je verwirklicht werden kann, ist ungewiss. Ob die Bürger es akzeptieren, steht in den Sternen. Diese Vision für die Zukunft rechtfertigt keinen Freibrief für die Gegenwart. Viele Elemente wie eine zentrale Paketzustellung und eine bessere Lade-Infrastruktur haben mit dem Car-Sharing gar nichts zu tun. Landsberg kann gerne, mit noch zu vereinbarender Unterstützung des Bundes und des Freistaats, neue Arten von Mobilität erproben. Ein sofortiger Verzicht auf Tiefgaragenplätze rechtfertigt sich dadurch aber nicht.

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Alles hängt zusammen

Mittwoch, 16.09.2020

Alles hängt mit allem zusammen. Dieser Satz gilt für viele Politikbereiche. Ganz besonders für die Kommunalpolitik. Und dort in höchstem Maße für das Thema Verkehr. Deswegen ist es völlig sinnlos, das Thema Hinteranger jetzt isoliert zu erörtern. Über die Zukunft von Vorder- und Hinteranger wird zu sprechen sein, wenn der Entwurf des Verkehrsentwicklungplans vorliegt, der zurzeit erarbeitet wird. Dann gibt es qualifizierte mit Zahlen untermauerte Vorschläge. Und auch eine Beteiligung von Bürgern, darunter denen, die in den beiden Straßen wohnen und arbeiten. Dass die "Bürgergruppe ULP" eine solche Beteiligung bereits durchgeführt hat, ist eine Falschmeldung; der Stadtrat hatte dieses Vorgehen abgelehnt.

Alles hängt mit allem zusammen, das heißt auch: Verkehr sucht sich seinen Weg; macht man eine Straße zu, fahren die Autos woanders. Und: Sperrungen beschränken die Erreichbarkeit von Geschäften, Praxen und Wohnungen; man schüttet das Kind mit dem Bade aus. Deswegen ist es undenkbar, Maßnahmen dieser Art vorzunehmen, bevor nicht ein ganzes Bündel von Änderungen realisiert ist. Beispiel "Parksuchverkehr" und "Parken am Straßenrand". Wer es schafft, beides zu vermeiden, bekommt eine höhere Aufenthaltsqualität, flüssigeren Verkehr und mehr Sicherheit für Radfahrer. Aber er muss Parkplätze in unmittelbarer Nähe schaffen und Kurzzeitregelungen vor Ort treffen. Dazu reicht es nicht, Schilder aufzustellen. Die Straße muss ihre Nutzung durch ihre Struktur selber vorgeben - das ist heutiger Städtebau. Mit "Pflasterlösungen" im Sinne eines eilig erstellten neuen Fahrstreifens ist es also nicht getan.

Interessant ist, dass viele das Thema erörtern, ohne die Strategie "Landsberg 2035" zu berücksichtigen. Das lange beratene und einmütig verabschiedete Konzept aus dem Jahr 2018 sieht keine autofreie Innenstadt vor. Es setzt darauf, PKWs in der Altstadt durch ein deutlich besseres Bussystem und eine gute Fahrrad-Infrastruktur zu reduzieren. Beide Verkehrsmittel sollen aufeinander aufbauen. Denkbar ist es, in einem ersten Schritt die Fahrradwege im Quartier zu ertüchtigen und Schnittstellen mit Hop On-Hop Off-Buslinien zu schaffen, die Bürger ohne Fahrplan in engem Takt und zum jährlichen Pauschalpreis ins Zentrum und wieder zurück befördern. Besucher könnten schon vor der Stadt abgeholt werden. Dabei gilt: Nur wer Unbequemlichkeit in Bequemlichkeit verwandelt, hat Aussicht auf Erfolg. Es muss bequemer sein, mit dem Bus oder dem Fahrrad zu fahren, als den gleichen (oft kurzen) Weg mit dem Auto zurückzulegen. Dabei spielen zwar auch Kosten eine Rolle, aber allein an der Kostenschraube zu drehen, also den Bus billiger und das Parken teurer zu machen, bringt so gut wie nichts.

Wir leiden in Landsberg seit vielen Jahren unter der Malaise, mit großem Aufwand Papiere zu erstellen und sie anschließend in die Schublade zu legen. Das darf sich nicht wiederholen. Es wird Aufgabe des Stadtrats sein, im nächsten Jahr aus "Landsberg 2035" und dem in Auftrag gegebenen Verkehrsentwicklungsplan ein breit akzeptiertes Stufenkonzept zu machen. Ziel muss es sein, durch ein und dasselbe Maßnahmenbündel schrittweise den motorisierten Verkehr zu reduzieren und die Mobilität zu vergrößern. Nicht immer über das Gleiche reden, sondern endlich handeln - das ist die Devise.

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Operative Verlässlichkeit

Mittwoch, 09.09.2020

Eine verzögerte Museumssanierung, die uns zur Absage der Landesausstellung zwingt. Eine unvollendete städtische Baumaßnahme in der Jahnstraße, bei der Versprochenes nicht eingehalten wird. Eine unzureichende Anmelde-Hotline für das Pandemiezentrum in Penzing. Lange Wartezeiten auf Testergebnisse nach der Rückkehr aus Risikogebieten. Das sind vier aktuelle Beispiele aus dem Landkreis Landsberg und dem Freistaat Bayern für Themen, bei denen etwas schiefgegangen ist. Und immer sind die Bürger die Leidtragenden.

Die Begründungen für diese operative Schwächen sind meist oberflächlich; manchmal kommen sie sogar in Form des Zirkelschlusses daher. Die Baracke an der Jahnstraße ist noch nicht abgerissen, weil die Mittel noch nicht abgerufen wurden, verkündet die Stadtverwaltung. Eine typische verwaltungsinterne, zur Verschleierung von Verantwortung auch noch passivisch konstruierte Formel, die nichts anderes sagt als: "Wir haben die Baracke noch nicht abgerissen, weil wir die Baracke noch nicht abgerissen haben." Auch andere Erklärungen sind unbefriedigend. Die stark verzögerten Testergebnisse sind auf ein "Schnittstellenproblem" zurückzuführen, erfahren wir. Dass man zur Hotline nicht durchkommt, liegt an der langen Gesprächsdauer, mit der man nicht gerechnet hat. Beide Begründungen führen zum immer gleichen Fehler bei der Ablauforganisation: Man erfasst vor Beginn der Tätigkeit die Prozesse nicht richtig.

Es gibt weitere systembedingte Gründe für das Scheitern der öffentlichen Hand. Ausschreibungserfordernisse führen zur IT-Vielfalt. Der Datenschutz erschwert die Zusammenarbeit. Einsparungen bei Investitionen verringern meist auch den Nutzen. Zulieferer überschätzen ihre Leistungsfähigkeit. Software wird so lange ergänzt, bis sie nicht mehr zu bedienen ist. Speziell im kommunalen Bereich kommt noch hinzu, dass Gremien oft Beschlüsse fassen, ohne den Aufwand zu kennen, der dadurch entsteht. Auch Bürgermeister erteilen gerne mal einen Auftrag, ohne sich um den Zeitbedarf und die Personalbindung zu kümmern. Natürlich gibt es daneben auch noch obstruktives Verhalten nach dem Motto "Manches Thema erledigt sich durch Liegenlassen".

Wie kann man sicherstellen, dass Beschlossenes reibungslos umgesetzt wird? In größeren Unternehmen gibt es neben der Geschäftsführung (CEO) den Chief Operating Officer (COO, m/w/d), der Betriebsprozesse erfasst und organisiert. In der Verwaltung kennt man etwas Vergleichbares nicht. (Ober)Bürgermeister(innen) sind CEO und COO in einer Person. Sie haben aber zur Prozessanalyse und -definition weder die Zeit noch das erforderliche Wissen. In den größeren Kommunen gibt es inzwischen zwar Controller, die für Zielsetzung und Zielerreichung sorgen sollen; operative Eingriffe gehören aber nicht zu ihren Aufgaben.

Die öffentliche Hand führt etwas ein, was nicht funktioniert. Das kommt immer öfter vor. Das darf aber so nicht weitergehen, weil für Bürger und Unternehmen dadurch Schaden entsteht. Sieben Tage Wartezeit auf ein Testergebnis? Hotlines, die in der Krise nicht erreichbar sind? Jahrelange Verzögerungen bei einer Sanierung im Bestand? Bauprojekte, die nicht zu Ende geführt werden? Wir brauchen mehr operative Verlässlichkeit. Sonst verspielen Staat und Politik Vertrauen und Respekt. Und das wäre gerade in dieser Zeit verheerend.

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Tanz auf der Nase

Mittwoch, 02.09.2020

Im April 2018 beauftragte der Stadtrat die Verwaltung, über das Angebot des Freistaats zu verhandeln, die Landesausstellung zum Thema „Räuber und Banditen“ im Jahr 2024 im dann renovierten Neuen Stadtmuseum durchzuführen. In der vergangenen Woche hat die Stadt diese Verhandlungen beendet, weil die Instandsetzung des ehemaligen Jesuitengymnasiums noch nicht einmal begonnen hat und eine rechtzeitige Fertigstellung bis Ende 2023 nicht garantiert werden kann. Dabei spiele auch Corona eine Rolle.

Die Reaktionen konzentrieren sich auf das Naheliegende: Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende. Was würde passieren, wenn man keine Auftragnehmer findet, wie bei der ersten Ausschreibung des Lechstegs? Wie groß ist das Risiko, auf Probleme in der Bausubstanz zu stoßen und dadurch Zeit zu verlieren? Und wie wirkt sich öffentlich bekannt gegebene Eile auf Angebotspreise aus? Ohne Zug an der Reißleine war "eine Blamage landesweiten Ausmaßes" (Zitat: CSU) zumindest nicht ausgeschlossen.

Aber: Als der Stadtrat im Frühjahr 2018 - übrigens einstimmig - den Doppelbeschluss "Sanierung plus Landesausstellung" fasste, hatte die Stadtverwaltung 68 Monate Zeit, das Umbauvorhaben zu verwirklichen. Davon sind jetzt 28 Monate verstrichen ohne dass ein Baubeginn in Sicht wäre. Hauptgrund dafür ist, dass bis November 2019, lange vor Beginn der Corona-Pandemie, so gut wie nichts stattgefunden hat. Da machte die Verwaltung plötzlich geltend, die Stellen im Hochbauamt reichten nicht. Es gebe Bedenken zu Parkplätzen und Besucherverkehr. Und der Oberbürgermeister liebäugelte mit einer Gesamtlösung für das Jesuitenviertel in Form eines Tagungszentrums mit Bettenhaus.

Der KREISBOTE kommentierte: "Das sind alles Nebelkerzen, falsche Fährten, die mit dem Faktor Zeit spielen. Jetzt ist so viel Zeit vergangen, jetzt schaffen wir es nicht mehr bis zum Termin / in dieser Amtszeit / in diesem Haushaltsjahr. So kann man kostengünstig Politik machen; jedes Jahr weist die Stadt mit dieser Vertagungsmasche Buchgewinne aus." Auch aus der Öffentlichkeit kam Druck; in den Schaufenstern in der Innenstadt plädierten Händler mit Plakaten für die Beibehaltung des bisherigen Plans. Der Stadtrat bekräftigte seinen Beschluss, wenn auch nun bereits gegen die Voten des Oberbürgermeisters und der CSU.

Nach weiteren neun Monaten ohne maßgeblichen Fortschritt bekommt man den Eindruck: Es ist in dieser Stadt offenbar möglich, Stadtratsbeschlüsse auszuhebeln, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Aber alle, die daran mitgewirkt oder durch Nichtmitwirkung dazu beigetragen haben, muss klar sein: So eine Haltung macht Chancen zunichte. Die Landesausstellung ist nicht nur ein Besuchermagnet für Handel und Gastronomie. Sie ist auch ein Motor für beschleunigte infrastrukturelle Verbesserungen. Mit der Landesausstellung 2024 hätte Landsberg Impulse bekommen, die man während und nach der Pandemie gut gebrauchen könnte.

Zwar hat Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl erreicht, dass die Stadt im Gespräch bleibt und das Thema behält. Und vielleicht dauert die Sanierung des Museums ja so lange, dass wir uns für 2026 nochmal bewerben können. Trotzdem: Landsberg hat ein ernstes Problem beim Beschlussvollzug. Da tanzen uns Leute auf der Nase herum. Das hat massiven Schaden verursacht. Es gibt Handlungsbedarf.

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100 Tage Unterschied

Mittwoch, 26.08.2020

Nach 100 Tagen darf man einen ersten Eindruck formulieren, wie neue Amtsträger ihre Aufgabe begreifen und ausüben. Dabei ist in diesem Jahr besondere Zurückhaltung angebracht. Das Corona-Virus legt uns allen Restriktionen auf. Und die Kommunen stehen mittelfristig vor der größten finanziellen Krise seit Jahrzehnten. Was wir derzeit registrieren, muss also nicht typisch sein. Generell eignen sich so frühe Blicke von außen nicht für Prognosen. Man erkennt vielleicht ein Konzept; ob das aber so bleibt, ist ungewiss.

In diesem Sinne: Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl macht bislang einen guten Job. Sie ist kooperativ. Sie löst Konflikte. Sie setzt beschlossene Ziele um. Wahlkampf war gestern; jetzt ist Management angesagt. Als Wahlkämpferin vertrat Baumgartl die Auffassung, der Lady-Herkomer-Steg solle erst ein Jahr später gebaut werden. Als Oberbürgermeisterin hat sie erreicht, dass der Konflikt mit der österreichischen Baufirma nicht eskaliert und zu Verzögerungen führt. In der Bewerbungsphase schien es manchmal, als plädiere sie für den Ausbau von Autostraßen; nun stellt sie, konform mit den Vorgaben aus dem Strategiekonzept "Landsberg 2035", den Ausbau von Radwegen in den Vordergrund. Das sind zwei Beispiele für ein pragmatisches Vorgehen. Auch in Sachen "Urbanes Leben am Papierbach" setzt sie zwar klare Signale in Sachen Gebäudehöhe, bemüht sich aber ansonsten um diskrete Lösungen in einem surreal anmutenden Konflikt um die Themen Konzertsaal und Bürgerbeteiligung. Und in Sachen "Landesausstellung" handelte sie besonnen, aber auch mutig und erzielte einen Erfolg.

Ebenfalls positiv: Baumgartl hat sich entschieden, ein Führungsteam zu bilden, das aus ihren Mitbewerbern Moritz Hartmann und Felix Bredschneijder besteht. Damit interpretiert sie die Bürgermeister-Ämter anders als dies früher der Fall war. Ihr liegt nicht an Kompensation und auch nicht in erster Linie an Repräsentation, sondern an einem starken Team, das Themen frühzeitig diskutiert und abwägt. Damit hat sie zugleich die Basis für eine Stadtratsmehrheit geschaffen. Ob sie davon Gebrauch machen muss und wie belastbar die Absprachen im Einzelfall sind, bleibt abzuwarten.

Auch Baumgartls jüngste Entscheidung, Pressesprecher Andreas Létang mit der Übernahme der Vergabestelle zu betrauen und sich für eine neue Mitarbeiterin von außen zu entscheiden, ist nachvollziehbar. Pressesprecher sind mangels persönlicher Referenten in mittelgroßen Kommunen auch Berater in strategischen Fragen. Die direkte Tür, die im Verwaltungsgebäude am Vorzimmer vorbei von der Pressestelle ins OB-Büro führt, ist fast sinnbildlich. Bei der Zusammenarbeit kommt es besonders darauf an, dass man sich versteht und in die gleiche Richtung denkt. Pressesprecher sind im Übrigen nicht nur Sprachrohre bei Ereignissen, sondern viel wichtiger auch Vermittler von Ideen und Konzepten weit vor Ereignissen, insbesondere gegenüber Journalisten. Und Zuhören-Können sowie Stimmungen erfassen gehört auch dazu.

Es waren 100 Tage, die in zweifacher Hinsicht einen Unterschied machen. Zum einen im Vergleich zu Baumgartls Vorgänger, der in diesem Zeitraum schon mehrfach angeeckt war. Und zum anderen im Hinblick auf die Diskussionen vor dem Wahltag - die Polarisierung hat sich nicht fortgesetzt, die Sacharbeit dominiert. So sollte es weitergehen.

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Fatale Signale

Mittwoch, 19.08.2020

So langsam verfestigt sich der Eindruck, dass einige Behörden in Sachen Corona in lasche Routine verfallen. Sie geben damit fatale Signale an Bürger, die sich in Lokalen oder Geschäften, aber auch im Urlaub und bei Feiern die Eigenerlaubnis zum Regelbruch geben. Wenn schon der Staat das Infektionsschutzgesetz nicht konsequent anwendet, was ist dann schlimm daran, dass man sich selbst nicht daran hält?

Der KREISBOTE wurde gebeten, auf eine öffentliche Versammlung hinzuweisen, die im Gastraum eines parallel für Besucher geöffneten Altstadt-Restaurants stattfinden sollte. Der landsbergblog fragte daraufhin beim Landratsamt Landsberg nach, ob das Gesundheitsamt vielleicht zuvor das Schutz- und Hygienekonzept des Veranstalter anfordern möchte, was die geltende Hygiene-Verordnung nicht nur ermöglicht, sondern in diesem Fall geradezu nahelegt: Es war klar, dass man den Mindestabstand von 1,50 m zwischen allen Teilnehmern vor Ort nicht einhalten konnte; entweder der Redner schreit das Lokal zusammen oder niemand versteht ein Wort. Doch die Antwort lautete: "Das Landratsamt geht nicht davon aus, dass die Bestimmungen bei der Veranstaltung nicht eingehalten werden", daher "wird auch kein Erfordernis gesehen, das Hygienekonzept vorab anzufordern". Der Landrat und seine Mitarbeiter konnten anschließend auf einem Foto sehen, wie falsch sie lagen.

Fehler passieren und außerdem gibt es auch noch einen Ermessensspielraum. Das Problem sind aber die Eindrücke, die da entstehen. Die Tageszeitung fragte beim Landratsamt Landsberg an, ob denn die Prostituierte, die sich in einem Hotel einmietete und dort offenbar ihre Dienste verrichtete, gegen Corona-Regeln verstoßen hat. Da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Mit 1,50 m Abstand geht die Chose nicht. Aber dafür, so teilt das Landratsamt mit, gebe es "keinen begründeten Verdacht"; das Gesundheitsamt gehe "im Moment davon aus, dass von der Frau nicht gegen die Hygienevorschriften verstoßen wurde". Mit so einer lapidaren und weltfremden Begründung schafft das Landratsamt den Eindruck, die Sache mit dem Abstand sei eine zu vernachlässigende Angelegenheit.

Auch das Polizeipräsidium Oberbayern Nord hat mit seiner Mitteilung zum Verlauf des angekündigten "Kontrolltags" eher zur Verharmlosung beigetragen. Von 489 Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz habe die Polizei 29 angezeigt. Es besteht also selbst an einem Tag verschärfter Prüfung eine 94prozentige Wahrscheinlichkeit, wegen eines Verstoßes nicht verfolgt zu werden. Diese Quote ist unerträglich für alle, die jeden Tag Masken tragen, Abstände halten und sich durch Händewaschen und Desinfektion um ein Maximum an Hygiene bemühen. Sie ist unerträglich für alle, die ein Interesse daran haben, dass Schulen und Kindergärten nicht mehr schließen müssen und das wenigstens das rudimentäre öffentliche Leben fortgesetzt werden kann. Genau das Gegenteil, eine Quote von 100 Prozent, wäre richtig und notwendig gewesen.

Das Landratsamt, die Polizei und andere Behörden müssen sich klar sein, dass sie mit ihrem Verhalten und ihren Äußerungen Maßstäbe setzen. Das betonte Herunterspielen in den drei genannten Fällen gibt jenen Auftrieb, die Corona leugnen oder missachten. Es lässt jene im Regen stehen, die Vorsicht und Solidarität für notwendig halten. Das ist keine gute Politik.

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Innovative Innenstadt

Mittwoch, 12.08.2020

Es kommt Bewegung in das Thema der Wiederbelebung des Einzelhandels. Auf Landes- und Bundesebene steht vor allem die Beschleunigung der Digitalisierung auf dem Programm. "Das Zusammenspiel von digitalen Services, Online-Bestellmöglichkeiten, Lieferdiensten und stationärem Geschäft vor Ort wird in Zukunft Normalität werden", sagt Hubert Aiwanger (Freie Wähler, Bayern). "Die Digitalisierung bietet Chancen für Innenstädte, Einzelhändler und die Gastronomie", sagt Peter Altmaier (CDU, Bund). Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hat daraufhin 100 Millionen Euro Fördermittel verlangt, damit Einzelhändler individuell beraten werden können. Ähnlich wie bei der Breitbandförderung dürfte das nicht gut ausgehen. So generiert man jede Menge Antrags-Bürokratie, provoziert versandende Projekte, weil Praxiserfahrung und Lokalbezug der Berater fehlen, und schafft jahrelange Abhängigkeit von IT-Schmieden, die sich durch komplexe Programmierung unentbehrlich machen. Bloß nicht!

Viel wichtiger wäre es, gemeinsame lokale Lösungen zu entwickeln, denen man sich anschließen kann, ohne dass das Kerngeschäft leidet. In solche von den Kommunen begleitete Gemeinschaftsinitiativen sollten die Fördermittel und die überregionale Expertise einfließen. Deswegen plädieren wir für eine Arbeitsgruppe "Innovative Innenstadt Landsberg am Lech", bei der unter Federführung der lokalen Wirtschaftsförderung Konzepte erarbeitet werden. Dienstleister und Handwerk sollten mit Botschaftern in dieser Gruppe vertreten sein.

Die Digitalisierung ist ein Baukasten aus unterschiedlichen Elementen; jeder sollte entnehmen können, was er wirklich braucht. Es geht um drei Komponenten, die Digitalisierung von Prozessen (Kundenmanagement, Warenwirtschaft, Buchhaltung, Zahlungsabwicklung), die Digitalisierung der Kommunikation (von E-Mail über Newsletter bis hin zu Social Media) und die Digitalisierung der Geschäftsmodelle (Onlineshops, Lieferservice).

Für vieles davon ist keine teure IT nötig; Kundenmanagement und Warenwirtschaft kann man auch mit OpenOffice machen. Und manches ist eine Frage von Haltungen. Nur einer der Landsberger Einzelhändler, bei denen wir regelmäßig vorbeischauen und kaufen, hat uns je nach Namen und E-Mail-Adresse gefragt. Von zehn Landsberger Einzelhändlern, die wir mit Fragen zum Sortiment anschrieben, haben nur zwei geantwortet, beide abschlägig und ohne den Versuch, uns für Alternativen zu gewinnen. Das ist Einzelhandel von gestern.

Der zweite Grund für die Notwendigkeit einer lokalen Gemeinschaftsinitiative ist, dass es auf eine abwechslungsreiche Mischung von Bedarfsdeckung, Genuss, Erlebnis und Unterhaltung ankommt. Nur dann haben Menschen Lust, sich in der Innenstadt und Stadtteilzentren zu treffen, dort zu flanieren, zu konsumieren und zu kaufen. Dieses Gesamtkonzept erfordert gemeinschaftliches Handeln der privaten Akteure und der Stadt. Beide müssen nun allerdings ihren Teil dazu leisten. Ohne Kopplung der Modernisierung der Handelnden und der öffentlichen Unterstützung durch Infrastruktur und Aktionen gäbe es nur erneut Mitnahmeffekte des Handels. Es muss Schluss sein mit milden Gaben, die das Strukturdefizit verlängern. Jetzt ist, mit Hilfe von Bund und Land, die einmalige Gelegenheit, gemeinsam aufzubrechen, um dauerhaft Attraktivität und Wirtschaftlichkeit zu schaffen.

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Ein Lächeln im Gesicht

Mittwoch, 05.08.2020

Der regionale Pressemarkt Deutschlands ist zweigeteilt. Viele Tages- und Wochenzeitungen (auch der KREISBOTE) enthalten unabhängige redaktionelle Inhalte, die durch Abonnementerlöse und/oder Anzeigen finanziert werden; dabei sind journalistische Texte und Anzeigen klar erkennbar getrennt. Einige Produkte aber, vor allem monatlich oder zweimonatlich erscheinende Zeitschriften, arbeiten nach einem anderen Prinzip: Sie verkaufen redaktionelle Artikel an Meistbietende. Sie kassieren entweder Geld für positive Beiträge oder verlangen für eine freundliche Pseudo-Berichterstattung die Buchung teurer Anzeigen. So etwas gibt es mehrfach auch in unserer Region.

Man erkennt diese Zeitschriften ziemlich schnell. In ihnen werden an Kundschaft interessierte Anbieter von Waren und Dienstleistungen ohne erkennbaren Grund zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht. Keine Geschäftseröffnung, kein rundes Jubiläum; der sogenannte Bericht erfolgt "einfach so". In diesen Fällen ist es wahrscheinlich, dass Geldzahlung eine Rolle spielt. Trotzdem fehlt meist das Wort "Anzeige". Dazu gibt es eine gefestigte Spruchpraxis des Deutschen Presserats. Danach ist die redaktionelle Berichterstattung über Produkte und Dienstleistungen nur zulässig, wenn sie nicht anpreisend ist, keine Bezugsquelle nennt und nicht mit Geld oder geldwertem Vorteil bezahlt wird. Ob der Beitrag aus der Feder des Werbung Treibenden stammt oder ein Journalist beauftragt wurde, "schön" zu schreiben, ist unerheblich.

Gerade flattert uns wieder ein regionales Hochglanzblatt auf den Tisch, bei dem wir Zweifel haben, ob die Seitenplanung wirklich von einer Redaktion gemacht wird. Sechs Seiten Text über ein "wunderschön gelegenes" und "gemütliches" Ausflugslokal, vier Seiten über einen Anbieter von Wanderungen ("ein unvergessliches Abenteuer"), fünf Seiten über einen Autovermieter ("unvergessliches Erlebnis"), immer mit Links auf die Webseiten der Geschäftsinhaber. Es folgen vier Seiten darüber, wie sich die modebewusste Jägerin heute kleidet - mit "verspielten Details" nämlich, die man in einem speziellen Trachtengeschäft erhält. Ebenfalls "mit Liebe zum Detail" ist kurz danach eine Dirndlmacherin "im Dauereinsatz", was sechs Seiten und neun Fotos rechtfertigt. Weiter hinten im Blatt findet man Artikel über den "Direktbezug von frischem Seefisch" (diesmal mit Telefonnummer) und das "traumhafte Café", in dem man "ankommt und sich wohlfühlt" (diesmal mit Öffnungszeiten).

Es fällt auf, dass man sich noch nicht einmal die Mühe macht, die Superlative auszuwechseln. Alles ist unvergesslich und wunderschön. Auch auf der Leserbriefseite übrigens. Die Zuschriften bringen sämtlich höchstes Lob zum Ausdruck. "Ich bin begeisterte Leserin", steht in der ersten Mitteilung. "Ich bin eine begeisterte Leserin", heißt es im zweiten Brief. "Seit Jahren sind ich und mein Mann begeisterte Leser", beginnt die dritte Zuschrift. Interessanterweise ist einer der Briefe an die Chefredakteurin S. gerichtet, die in der vorherigen Ausgabe noch gar nicht Chefredakteurin war - hatte da jemand Insiderwissen? "Ihre Zeitschrift über unsere Region zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht", heißt es weiter. Ja, uns auch: Solche Druckwerke sind nicht Presse, sondern Werbung und PR. Eine Irreführung der Leser. Und eine Schande für den Journalismus.

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Folgenreiche Vereinnahmung

Mittwoch, 29.07.2020

Die "Bürgergruppe ULP" hat einen Stammtisch zu Optionen, Alternativen und Lösungsansätzen in Sachen Papierbach einberufen. Projektentwickler Michael Ehret nahm daran persönlich teil. Die Zahl der Interessenten war überschaubar. Aber wer handelte da eigentlich? Die "Bürgergruppe ULP" wurde 2014 vom Stadtrat zur Vertretung der Interessen der Bürger in der "Lenkungsgruppe ULP" eingesetzt. Im Mai 2017 wurden beide Gruppen wieder aufgelöst; die Arbeit war getan. Thomas A. Frank und Bernd Schwarz sagen zwar, darüber keine Mitteilung erhalten zu haben. Allerdings gab es eine Verabschiedung aller Beteiligten im dritten Stock des Schrem-Baus. Außerdem war von der Gruppe seitdem nichts mehr zu hören. Die Stadt habe sie von Informationen "abgenabelt", erklärt Frank.

Die Behauptung, die Bürgergruppe ULP existiere noch und sei nach wie vor öffentlich beauftragt, steht allerdings in krassem Widerspruch zur Tatsache, dass Frank und Schwarz die Gruppe inzwischen als "aktive Bürgergruppe" ihres Vereins "Bürgerbeteiligung Landsberg am Lech e.V." führen. Wer die gewohnte Adresse buergergruppe-ulp.de aufruft, um sich über die Bürgerbeteiligung zum Papierbach-Projekt zu informieren, wird nun ohne Zwischenschritt auf die Seiten des Vereins umgeleitet. Die E-Mail-Adresse macht den Vorgang besonders deutlich. Statt info@buergergruppe-ulp.de heißt es jetzt ulp@buergerbeteiligung-landsberg.de.

Eine folgenreiche Vereinnahmung. Viele Dokumente (etwa die Ergebnisse der Bürgerbefragungen) sind nun nicht mehr abrufbar; nur die hübschen Fotos und Presseartikel aus den Jahren 2014 bis 2017 wurden mitgenommen. Da verschwindet ein Stück Stadtgeschichte aus der öffentlichen Wahrnehmung. Aber dem Verein geht es eher um die Zukunft. Er will die zentrale Bürgerbeteiligung der Stadt werden, mit der weiteren "aktiven Bürgergruppe" Vorder- und Hinteranger, den "geplanten Bürgergruppen" Digitales, Verkehr, Umwelt und Jugend sowie den "zurückgestellten Bürgergruppen" Schlossberg, Inselbad und Kultur. Ob Stadtrat und Verwaltung, Investoren und Eigentümer sowie Anwohner und Einzelhändler das akzeptieren, ist ungewiss. Da kann der Eindruck schon helfen, der Verein sei so etwas wie die Mutter und die Heimat der berühmten Bürgergruppe ULP.

Der Stammtisch hat die Stadt, den Projektentwickler und die Bürger jedenfalls nicht weitergebracht, sondern eher Gräben vertieft. Besonders die Stadtverwaltung steht jetzt in der Kritik. Es wird daher Zeit für ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Michael Ehret und der Oberbürgermeisterin. Eine Erkenntnis kann man freilich mitnehmen; sie betrifft den gewünschten Konzertsaal. Für Ehret ist offenbar noch immer unklar, wie "die Kulturszene den Bau betreibt und was vom 1. Januar bis zum 31. Dezember da stattfindet". Da ist er in guter Gesellschaft.

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Geordnetes Verfahren

Mittwoch, 22.07.2020

Bei der Stadt Landsberg, den Märkten Dießen und Kaufering und den Landkreisgemeinden gehen immer wieder Vorschläge und Anregungen aus der Bürgerschaft ein. Teils sind sie an die Bürgermeister gerichtet, teils an die Stadt- und Gemeinderäte, manchmal an die Vorsitzenden der Parteien, Wählergemeinschaften oder Fraktionen. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Initiativen versanden. Die Presse kann ein Lied davon singen, denn Klagen werden meist an sie weitergeleitet. Eines der Probleme ist, dass die Verwaltung nur aufgrund der derzeitigen Rechts- und Beschlusslage agieren kann: für eine Änderung ist sie nicht zuständig. Auch führt die direkte Ansprache der Mandatsträger nicht automatisch zur Behandlung des Themas; da verlässt sich der eine allzu gerne auf den Fleiß des anderen.

Die Stadt- und Gemeinderäte sollten daher darüber beraten, ob sie in ihrer Gebietskörperschaft nicht ein vereinfachtes Verfahren einführen. Das funktioniert so: Wer Vorschläge einbringen möchte, die eine Befassung der Gremien erfordern (weil es sich nicht lediglich um eine wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt oder zusätzliche Haushaltsmittel nötig sind), richtet sie an buergerantrag@gemeindename.de. Die Verwaltung sammelt diese Anträge samt Begründungen und legt sie dem Stadt- oder Gemeinderat einmal im Quartal vor. Der entscheidet dann, ob er über den jeweiligen Antrag beraten will. Die Verwaltung wird erst danach prüfend oder konkretisierend tätig, hat also nur geringen Mehraufwand.

Das Verfahren ist nur ein modus operandi und lässt sich durch Beschluss des Stadt- oder Gemeinderats einführen; bewährt sich dieses Vorgehen, kann man es später in der Geschäftsordnung festschreiben. Es ist ein grundsätzlich anderes Vorgehen als die Verarbeitung der "Anregungen" nach dem Baugesetzbuch - dort wird die Verwaltung außerdem bereits vor der Beschlussfassung tätig. Es ist auch nicht zu verwechseln mit Anträgen aus einer Bürgerversammlung - die müssen einen zusätzlichen Filter durchlaufen, nämlich die mehrheitliche Beschlussfassung durch die Anwesenden.

Mit dem Vorgehen wird sichergestellt, dass Anträge und Vorschläge der Bürger die politischen Gremien in einem geordneten Verfahren erreichen und dort tatsächlich mindestens einmal behandelt werden. Am Datenschutz und an der Unterscheidung zwischen öffentlicher und nichtöffentlicher Beratung ändert sich dadurch nichts. Die Anregungen nach dem Baugesetzbuch werden anonymisiert öffentlich beraten; so kann man hier auch vorgehen. Besteht im Einzelfall ein Grund zur nichtöffentlichen Befassung, kann man dem problemlos Rechnung tragen. Dieser Weg verschafft Ideen und Vorschlägen aus der Bürgerschaft verlässlich Gehör. Nichts fällt durchs Verwaltungsrost. Man sollte darüber nachdenken.

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Kein Rosenhof, kein Rebenhain

Mittwoch, 15.07.2020

Gemeinsam mit der "Bürgergruppe ULP" möchten wir auf Identitätssuche gehen. Wir laden die Landsbergerinnen und Landsberger ein, den einzelnen Gebäuden im Quartier Urbanes Leben am Papierbach (ULP) Namen zu geben. Das steht in einer Presseerklärung des Starnberger Projektentwicklers ehret+klein. Weiter heißt es: "Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt". Die Bürgergruppe ULP treffe danach mit ehret+klein gemeinsam eine Vorauswahl, über die wiederum die Öffentlichkeit online abstimmen dürfe.

Das irritiert uns. Zum einen weil die "Bürgergruppe ULP" für das Gelingen des Papierbach-Projekts eine wichtige Rolle gespielt hat. Sie war das Bindeglied zwischen dem Projektentwickler und den Bürgern. Sie erklärte das Vorhaben und notierte die Reaktionen. Sie illustrierte die Planung und organisierte den Dialog. Die Arbeit der Bürgergruppe war für den Erfolg des Projekts mitentscheidend. Wenn der Bau abgeschlossen ist, werden sich viele Gäste aus dem In- und Ausland auch für die Bürgerbeteiligung interessieren. Deswegen ist es ungeschickt, die Bürgergruppe jetzt für die Sichtung von Namensvorschlägen in Anspruch zu nehmen. Sie wird dadurch ein Stück banalisiert.

Der zweite Aspekt: Die "Bürgergruppe ULP" war von der Stadt eingesetzt worden und ist eigentlich aufgelöst. Die in Gründung befindliche "Bürgerbeteiligung Landsberg am Lech", in der zwei der drei führenden Köpfe von früher mitwirken, hat den alten Namen als Referenz mitgenommen. Die Gruppierung hat sich zum Ziel gesetzt, weitere Bürgerbeteiligungen in Landsberg zu organisieren, unter anderem die zur Verkehrsberuhigung von Vorder- und Hinteranger. Prinzipiell ist es keine schlechte Idee, so etwas aus der eigenen Stadt heraus zu organisieren; Profis von außen haben vor geraumer Zeit völlig unbrauchbare Angebote dafür abgegeben. Allerdings braucht die neue Gruppierung eine Legitimation durch den Stadtrat. Die hat man ihr bislang verweigert, offiziell mit der Begründung, man wolle keine "Berufsbürger". Das Vorgehen von ehret + klein ist insofern etwas vorgreiflich.

Die dritte Irritation: Es ist ziemlich ungewöhnlich, über die vom Stadtrat bereits festgelegten öffentlichen Straßennamen hinaus Gebäude zusätzlich zu benennen; das kennt man sonst nur von einem Campus oder einem Klinikpark. Man kann sich auch schwer vorstellen, dass die einzelnen Häuser jetzt Rosenhof oder Rebenhain heißen. So ist, wie Nachfragen ergaben, der Satz "Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt" aber nicht gemeint. Beabsichtigt ist vor allem, das frühere Leben an dieser Stelle zu verdeutlichen, etwa durch Begriffe wie "Schmiede" oder "Pflugwerkstatt". Das jedenfalls erklärte das Vorstandsmitglied der "Bürgerbeteiligung", Bernd Schwarz. Allerdings stellt sich dann die Frage, wieso man darüber abstimmen muss - viel Auswahl dürfte da nicht sein.

Hier wie auch beim Thema "Lech-Philharmonie" stellt sich ein grundsätzliches Problem. Im Dreieck "Stadt - Projektentwickler - interessierte Dritte" wird ein Defizit deutlich. Da ist Sand im Getriebe. Von außen wirkt vieles konkreter und bedeutender als es in Wirklichkeit ist. Etwas mehr Eintauchen des Projektentwicklers in das politische Gefüge Landsbergs und ein paar mehr Erkundungen über die Relevanz eines Themas täten der Sache gut.

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Eigennutz ist Trumpf

Mittwoch, 08.07.2020

Unternehmer beschäftigen Leiharbeiter, kümmern sich aber zu wenig um ihre Unterbringung. Fleischfabriken praktizieren Methoden, die mit dem Tierwohl unvereinbar sind. Großfirmen gliedern Arbeitnehmer aus, um sie der Tarifbindung zu entziehen. Konzerne verlegen ihren Sitz, um Steuern zu sparen. Arbeitgeber umgehen Mindestlöhne durch Anordnung unbezahlter Überstunden. Banker erzwingen mit Cum-Ex-Geschäften die doppelte Erstattung der Kapitalertragsteuer. Wirtschaftsprüfer testieren Bilanzen auch mal ohne Prüfung der Belege. Zollbeamte scheitern wegen Sprachproblemen beim Kampf gegen Schwarzarbeit. Das sind nur einige der Entwicklungen, die in den vergangenen Wochen Medienthemen waren. Sie haben drei Dinge gemeinsam: Sie stammen nicht aus Ländern, in denen Willkür und Gesetzlosigkeit herrschen, sondern aus Deutschland. Sie sind auf das exzessive Streben nach persönlichem Vorteil zurückzuführen; wo es eine Lücke gibt, wird sie genutzt. Und die Politik weiß bereits lange, was da gespielt wird, hat aber trotz wiederholter Absichtserklärungen nichts dagegen getan.

Etwa zur gleichen Zeit verkündet die Bundeskanzlerin, in der Corona-Krise sei "unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander" gefragt. Markus Söder bittet die Bayern um ein Verhalten mit Verantwortung. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl beendet ihren Bürgerbrief vom 1. Juli mit dem Satz "Bleiben Sie achtsam, solidarisch und gesund". Das ist alles ehrenwert, aber solange der Staat es nicht schafft, Achtsamkeit, Verantwortung und Solidarität auf der großen Bühne herzustellen, ist die Chance dafür auf der kleinen Bühne eher gering. Der Fisch stinkt vom Kopf zuerst. Wir brauchen ein schnelleres und effizienteres staatliches Eingreifen bei den Rücksichtslosigkeiten, die uns da vorgeführt werden. Die Freilose, die die SPD-Regierung unter Gerhard Schröder einst spendiert hat, sollte man dazu wieder einsammeln. Und die Leistungen, die wir jeden Tag von den Polizei- und Ermittlungsbehörden erhoffen, müssen durch angemessene Mittelausstattung und Vergütung gefestigt werden. Das ist auch im Interesse der vielen mittelständischen Unternehmen, die verantwortlich handeln und sozial denken.

Wir sollten uns aber auch nicht scheuen, die alltägliche lokale zwischenmenschliche Rücksichtslosigkeit beim Namen zu nennen. Wie können wir erwarten, dass Menschen in Krisenzeiten solidarisch handeln, wenn sie es im Alltagsleben schon nicht tun? Bürgermeister und Polizei stellen eine wachsende Gewaltbereitschaft fest, registrieren sinnlose Sachbeschädigungen, Dreistigkeit im Verkehr und zunehmende Unfallflucht. Eigennutz ist Trumpf. Wer Uniform oder Berufskleidung trägt, ist besonders gefährdet; Sanitäter, Polizisten, Feuerwehrleute und neuerdings sogar Förster und Waldarbeiter berichten von Beleidigungen und Angriffen. Dass der Ton rauer geworden ist, hat fast jeder von uns schon erlebt. Die sozialen Medien haben dabei wahrscheinlich als Beschleuniger gewirkt. Immer wieder eskalieren Gespräche und Diskussionen, die man als Kritik verstehen kann, und münden in verbalen Überreaktionen. Man könnte glauben, es herrsche Endzeitstimmung. Bei dieser Entwicklung darf man nicht wegschauen. Wir müssen den Exzess beim Namen nennen, im Kleinen wie im Großen. Beide sind gefordert: Die Politik und auch wir selbst.

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Nicht nur ein Zahlenwerk

Mittwoch, 01.07.2020

Es gibt in Landsberg einen Betriebswirt, der sofortige radikale Kürzungen im städtischen Haushalt fordert. Man müsse das Worst Case-Szenario der Einnahmeausfälle ermitteln, eine Haushaltssperre beschließen und jeder Abteilung Kürzungen aufgeben. Dass der Landsberger Stadtrat derzeit so nicht vorgehe, sei eine "Bankrotterklärung" und der "Verlust der Handlungsfähigkeit" - "anscheinend weiß niemand, wie in einer Finanzkrise vorgegangen werden muss".

Was da gefordert wird, widerspricht der gemeinsamen Haltung der Regierungskoalitionen im Bund und im Freistaat, den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände und den Empfehlungen der Wirtschaftsforscher, unter anderem des Ifo-Instituts. Sie sind sich einig: Die Kommunen müssen ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge trotz der angespannten Finanzsituation unverändert zuverlässig erfüllen. Sie sind außerdem als Auftraggeber für Investitionen wichtige Impulsgeber für die Wirtschaft.

Daher haben sich die Regierungen in Berlin und München im "Kommunalen Solidarpakt 2020" verpflichtet, jeweils hälftig die aktuellen krisenbedingten Ausfälle der Gewerbesteuereinnahmen der Städte und Gemeinden zu kompensieren. Der Bayerische Städtetag kommentierte: "Das Paket stärkt Bürger, Wirtschaft und Kommunen. Der Umfang von 130 Milliarden Euro ist der historischen Herausforderung angemessen." Nun komme es auf eine zügige Auszahlung entsprechend der Mindereinnahmen an. Daher war es richtig, dass die Landsberger Stadträte die Investitionsplanung lediglich um das bereinigt haben, was im Jahr 2020 ohnehin nicht mehr in Angriff genommen werden kann. Mit weiteren Kürzungen würde die Stadt sich, ihren Unternehmen und ihren Bürgern unnötig schaden.

Interessant ist, dass ein kommunaler Haushalt zuweilen primär als Zahlenwerk angesehen wird. Er ist aber das Abbild realer Prozesse, die Menschen betreffen. Landsberg bezuschusst die Kosten für die Kinderbetreuung und fördert die Mittagsverpflegung. Natürlich kann man das jetzt kürzen, aber dann müssen eben andere, hier die Eltern, den Fehlbetrag übernehmen, womit manche ausgegrenzt werden. Die Stadt betreibt ein Theater. Ja, man kann ihm Mittel entziehen, aber dann leidet die Qualität so, dass es mittelfristig keinen Zuspruch mehr findet. Wir können auch den Weiterbau von Brücken und Straßen sowie die Sanierung von Gebäuden ad hoc einstellen. Aber dann haben wir lauter unvollendete Baustellen und verschimmelnde Bausubstanz. Was ist das für eine Lebensqualität?

Eine Kommune ist kein Freizeitcamp, in dem man die ein oder andere Belustigung aus finanziellen Gründen auch mal weglassen kann. Musikschule und Stadtbücherei, Schulbusse und Nahverkehr, Inselbad und Stadtgrün, Straßenreinigung und Winterdienst sind nicht entbehrlich. Es sagt sich so leicht, dass man da etwas kürzen soll. In einer Stadt, die sorgsam mit dem Geld umgeht, ist der Spielraum dafür sehr gering. Deswegen können alle kommunalen Gebietskörperschaften dankbar dafür sein, dass Bund und Länder eben sehr wohl wissen, wie in einer Finanzkrise vorgegangen werden muss. Indem man die Kommunen nicht im Regen stehen lässt, sondern unterstützt, und Investitionen nicht einstellt, sondern fördert. Wer selbst in der Krise noch schwarze Nullen will, vergisst Sinn und Zweck kommunaler Daseinsfürsorge: Im Mittelpunkt steht der Mensch und nicht die Zahl.

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Den Spuk beenden

Mittwoch, 24.06.2020

Einer der Bestandteile journalistischer Qualität ist personelle Kontinuität. Wer zu wiederkehrenden Ereignissen wie Stadtratssitzungen immer andere Journalisten schickt, kann nicht mehr unterscheiden, was neu und ist und was nicht. Da wird dann, wie soeben bei der hiesigen Tageszeitung, etwas zum "Knüller", was längst bekannt ist. Dass der Kulturbau im Papierbach-Areal fast 21 Meter hoch werden könnte, ist keineswegs eine "Überraschung", die "Erstaunen" hervorruft. Das hatte der Stadtrat nämlich schon im September 2019 erfahren - und der damals zur Sitzung geschickte Redaktionskollege hatte daraufhin geschrieben, das seien "interessante Neuigkeiten".

Was ist wirklich passiert? Wer den Hintergrund nicht kennt, könnte glauben, dass Investor ehret + klein eine Salamitaktik verfolgt. Erst stellt man einen 14,5 Meter hohen Bau in Aussicht. Dann werden 16,5 Meter daraus. Und zum Schluss soll die Höhe über 20 Meter betragen und damit einen Spitzenwert im Gebiet darstellen. Doch, Vorsicht: Der Bebauungsplan wurde fertig, bevor der Architektenwettbewerb entschieden war. Dass im ersten Schritt zwei Meter Höhe dazukamen, lag an der Jury, der auch Vertreter des Stadtrats angehörten. Die Fach- und Sachpreisrichter entschieden sich, bewusst von der Planvorgabe abweichend, für den Entwurf von Franziska Ebeler von Staab Architekten aus Berlin. Das war im Juni 2017.

Der Grund dafür war, dass Ebeler der Idee am nächsten kam, einen "florierenden Ort der Begegnung" zu schaffen, "eine Versammlungsstätte, die kulturelle Arbeit ermöglicht", bestehend aus einem Stadtsaal und Workshop-Räumen, "nicht übertrieben weltstädtisch, sondern ein Stück Landsberg". Der Saal und die Nebenräume sollten auch für Tagungen genutzt werden und "Konferenzen und Seminare nach Landsberg bringen". Der Investor versprach einen "multifunktionalen Veranstaltungsraum als lebendigen Treffpunkt für kulturellen Austausch und kreatives Miteinander".

Dann, im Herbst 2018, forderten Kulturschaffende rund um Wolfgang Hauck plötzlich, den Schwerpunkt nicht wie geplant auf Vorträge, Theater, Kabarett, Ausstellungen und Kunstworkshops zu legen, sondern einen Konzertsaal zu bauen. Da liegt der Fehler: Der Stadtrat schaute sich dieses Treiben schweigend an. Und Investor ehret + klein änderte sogar die Planung, gab eine neue Deckenhöhe vor und schwenkte zum zweiten Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs um, da sich das Büro, das Platz 1 belegte, zu einer Neufassung außerstande sah. Außerdem verlegte er das Hotel vom ehemaligen Verwaltungsgebäude in die zentrale Achse des Areals, damit von dort auch die Betreuung erfolgen kann.

Bei allem Respekt vor dem Engagement Einzelner: Die Planungshoheit liegt immer noch bei der Stadt. Und Investoren brauchen dann ab und an auch mal ein Signal, damit sie wissen, woran sie sind. Schon Ende 2018 hätte der Stadtrat in Sachen Konzertsaal die Reißleine ziehen müssen. Niemand will ihn. Und niemand will auch das Defizit tragen, das er wohl produzieren wird. Im Herbst 2019 wäre dann nochmal die Gelegenheit gewesen, zum Ausdruck zu bringen: Zwei Meter mehr Höhe, das ist ok. Das Hotel an dieser Stelle, das ist eine gute Idee. Aber etwas anderes als die ursprünglich geplanten Kulturräume, das tragen wir nicht mit. Man hätte dem Spuk längst ein Ende bereiten sollen. Jetzt wird es dafür höchste Zeit.

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Direkter Link zu diesem Artikel. Er erschien auch in der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN (zum E-Paper). Dort steht irrigerweise, die Information des Stadtrats zum Kulturbau habe im November 2019 stattgefunden. Richtig ist die hier abgedruckte Version: Die Sitzung war im September 2019.


Maßstab Bundesliga

Mittwoch, 17.06.2020

Den Verfasser dieser Zeilen verbindet mit dem Geschäftsführer der DFL, Christian Seifert, eine gemeinsame berufliche Wegstrecke in der Ruhrmetropole Essen. Seifert war "New Media"-Geschäftsführer bei Karstadt Quelle, der Verfasser zeitgleich "New Media"-Geschäftsführer der Zeitungsgruppe WAZ. Später gab es Begegnungen bei DFL und DFB. So jemanden wie Seifert, ein Ausnahmetalent im Management, beobachtet man natürlich aus der Ferne weiter. Zuletzt als er proaktiv ein Konzept zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Bundesliga erarbeitete.

Die DFL-Lösung geht weit über das Instrument "Geisterspiele" hinaus. Sie kostet viel Geld und verlangt allen Beteiligten viel ab. Aber das "Produkt Bundesliga" ist erhalten geblieben - wenn man die Disziplin und Freude der Fans sowie das Engagement der Spieler sieht, sogar mit unverminderter Intensität. Am 51-seitigen Rezeptbuch der Task Force Sportmedizin der DFL orientieren sich daher nun auch die Premier League in England, die Serie A in Italien und LaLiga in Spanien.

Was wir daraus lernen können? Zumindest von der Zielrichtung her könnten wir Konzepte mit ähnlicher Tiefe und Qualität für unsere vergleichsweise kleinen Herausforderungen entwickeln. Zum Beispiel beim Schiffsverkehr auf dem Ammersee. "Aufgrund der strengen behördlichen Auflagen (Abstandsregelungen, reduzierte Beförderungskapazität, namentliche Registrierung der Gäste etc.) ist der Fahrbetrieb derzeit nur sehr eingeschränkt möglich" teilte die Bayerische Seenschiffahrt GmbH auf ihrer Website lapidar mit.

Da sprachen keine Kapitäne, sondern Amtsträger. Alles was der Flotte einfiel waren vier Abfahrten pro Tag in Stegen und vier in Herrsching, jeweils ohne Zwischenstopp. Das Westufer des Ammersees hängte man einfach ab. Wirte, Gastgeber, Besucher und Anwohner wurden überrascht. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben als diese. Es wurde aber noch nicht einmal ersichtlich, ob man die geprüft und abgewogen hat; mit den Betroffenen erörtert wurden sie jedenfalls nicht. Das war ein schlechter Dienst am "Produkt Ammersee". Merkwürdig: Nach Interventionen von Bürgermeisterin bis Landtagsabgeordneter und Einschaltung der Bayerischen Staatsregierung wurde plötzlich binnen Tagen möglich, ab 20. Juni wieder den ganzen See anzufahren.

Auch die Stadtwerke Landsberg haben kein akzeptables Konzept zur Wiederaufnahme des Badebetriebs vorgelegt. Veränderte Öffnungszeiten, nur Tageskarten, nur Tickets im Internet - das ist zu behördlich, zu wenig kundenfreundlich, das wird der Bedeutung des "Produkts Inselbad" samt Lechstrand für die Stadt und die Region nicht gerecht. Da kann man schon von Glück sagen, dass das Online-Portal nicht funktionierte (auch so ein Ding) und am Wochenende gar kein Eintritt erhoben werden konnte.

Niemand muss die Professionalität einer DFL erreichen. Als Maßstab kann sie aber dienen. Jeder sollte sich bemühen, nach intensivem Nachdenken und vielen Gesprächen seine Einrichtungen auch in der Krise so zu definieren und zu gestalten, dass sie ihre Identität behalten und nicht durch bürokratische Einfachlösungen Schaden nehmen. Die Menschen haben die Ammersee-Schiffe und das Inselbad in ihr Herz geschlossen. Wir wünschen uns daher eine spürbare Empathie der Verantwortlichen für die jeweilige Errungenschaft und ihre Nutzer.

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Lauter gute Nachrichten

Mittwoch, 10.06.2020

Diese Woche brachte für Landsberg viele gute Nachrichten. Es begann mit der Entscheidung der Bundesregierung, den Kommunen fast 20 Prozent des 130 Milliarden Euro umfassenden Konjunkturpakets zur Verfügung zu stellen. Darunter sind 7,5 Milliarden Euro zur Abdeckung der fehlenden Gewerbesteuereinnahmen; weitere 7,5 Milliarden zahlen die Länder. Damit ist es möglich, den Gewerbesteuerausfall der Stadt Landsberg im Jahr 2020 abzudecken. Die Finanzkrise ist bei uns also schon vorbei, bevor sie Wirkung zeigte. Außerdem gibt es Extra-Geld für den öffentlichen Nahverkehr, den Bau von Sportstätten, für die Digitalisierung und den Ausbau von Kitas.

Darauf war zu hoffen. Es war richtig, dass der Stadtrat angesichts des drohenden 25-Millionen-Euro-Defizits nicht in Panik verfallen ist und schlagartig Ausgaben gekürzt hat. Er hat auf Zeitgewinn gesetzt und die Planungen lediglich bereinigt, insbesondere das aus dem Haushalt herausgenommen, was man als Haushaltsreste ohnehin ins nächste Jahr verschieben muss. Und es war richtig, keine anstehenden Maßnahmen zu vertagen - weder die Vorarbeiten für das Jugendzentrum noch die ersten Schritte zur Sanierung des Stadtmuseums. Auch beim Urbanen Leben am Papierbach (ULP) hat man die nächste Etappe, den Bau der zentralen Achse inklusive Bahnunterquerung, unbeirrt eingeleitet, obwohl die Maßnahmen des Bundes und der Länder auf der Kippe standen: Der Bundesfinanzminister wollte bei dieser Gelegenheit auch Altschulden der Kommunen übernehmen, was bei der Union auf Widerstand stieß.

Dass die öffentlichen und privaten Aktivitäten auf dem Pflugfabrik-Areal im Gleichklang laufen, ist städtebaulich von großer Bedeutung - alles muss "just in time" fertig sein. Für US-Investor Thomas O'Malley und Projektentwickler ehret + klein ist Landsberg ein "flagship project", ein "exhibit". Wer das stemmt, qualifiziert sich auch für große Vorhaben in anderen Ländern Europas. ULP liegt - das war die nächste gute Nachricht in der vergangenen Woche - erfreulicherweise im Zeitplan. Die Stadt muss jetzt Schritt halten und wird das auch tun, deswegen war das Durchwinken dieser Maßnahmen in den Gremien ein starkes Signal. Es ist auch für diejenigen beruhigend, die eine Wohnung gekauft haben, und das sind, Unkenrufen zum Trotz, vor allem Menschen aus Landsberg und der Region. Sie verlassen sich darauf, dass es den Lechsteg gibt, den Lebensmittelmarkt, den Kulturbau, die Tiefgaragen und die Wegführung. Die größte Gefahr ist stets, dass aus einem Mammutprojekt ein Torso wird; davon sind wir glücklicherweise weit entfernt.

Die dritte gute Nachricht ist, dass es Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl und ihrem Team offenbar gelungen ist, mit der österreichischen Firma GLS eine Einigung über die Stahlkonstruktion des Lechstegs zu erreichen. Der KREISBOTE hatte ausführlich darüber berichtet, dass die Gewinner der Ausschreibung einen Subunternehmer aus Tschechien einschalten wollten und die Stadtverwaltung sogar erwog, deswegen das Auftragsverhältnis zu kündigen. Außerdem standen Mehrkosten in Höhe von brutto einer Million Euro im Raum. Zwar hat die Stadt über den Fortgang der Angelegenheit nicht berichtet, aber die Lieferung der ersten drei Brückenteile vor zwei Tagen (siehe Bericht in dieser Ausgabe) spricht Bände. So floskelhaft es auch klingt: Man darf wieder optimistisch sein.

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Stockblind hinterher

Mittwoch, 03.06.2020

CSU 48, Grüne 19, SPD 9, Freie Wähler 8 - das sind die aktuellen Zahlen im Bayern-Trend des Bayerischen Rundfunks. Wäre morgen Landtagswahl, würden diese vier Parteien zusammen 84 Prozent der Stimmen erhalten. Es sind diejenigen politischen Gruppierungen, die den Corona-Kurs in Bund und Freistaat unterstützen. Andere Parteien stellen die Maßnahmen in Frage und treten populistisch auf. Von ihnen erreicht nur eine, die AfD, die Fünf-Prozent-Hürde, die anderen fallen raus.

Auch in Landsberg streben zwei Gruppierungen an den Rand des politischen Spektrums. Da ist zum einen die FDP. Stadtrat Tom Bohn verkündet bei Twitter unter dem Namen @realTomBohn, "der Lockdown in Deutschland" sei viel zu heftig gewesen und er hätte viel zu lange gedauert. Dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wirft er "anhaltende Panikmache" vor. Bei Ministerpräsident Markus Söder beklagt er sich, es gebe zurzeit im Landkreis Landsberg "nur 20 Infizierte, aber null Kulturveranstaltungen". Und der Allgemeinheit teilt er mit: "Nicht die Masken sind das Problem, sondern die von der Angst befeuerte Obrigkeitshörigkeit unserer Gesellschaft ... Ich habe mich immer gefragt, wie eine Kulturnation so stockblind einem Führer hinterherlaufen konnte. Seit zwei Monaten beschleicht mich da so eine Ahnung." - Wir verstehen Bohn so: Die Obrigkeit schränkt unser Leben aufgrund des Coronavirus ungerechtfertigt ein, und wir laufen ihr stockblind wie im Dritten Reich hinterher. Das haben wir schon mal gehört, auf Demos von Wutbürgern und Verschwörungstheoretikern.

Ebenso zentrifugal in Richtung Außenposition bewegt sich der Kreisverband Landsberg der ÖDP. In einer Mitteilung kritisiert er die gerichtlich bestätigte Untersagung der geplanten Groß-Demo auf der Waitzinger Wiese als "Ausschaltung der Grundrechte". Das sei ein "Lapsus" des Landrats, der kein zweites Mal passieren dürfe. Als dem ÖDP-Kreisverband ein Beitrag der Tageszeitung missfällt, wendet er sich an alle Stadträte: Der Kommentar sei eine "üble Verleumdung", die für die Zeitung Folgen haben werde. Und außerdem: ÖDP-Stadtrat Stefan Meiser, der sich hinter die Entscheidung des Landrats gestellt hatte, sei es verboten, Stellungnahmen gegenüber den Medien ohne Zustimmung des Kreisverbands abzugeben. Beide Parteien sagen übrigens nicht, wieviel Corona-Kranke hinzugekommen wären, wenn man dem Drang der FDP nach Kulturveranstaltungen und dem der ÖDP nach großen Demos Rechnung getragen hätte. Seit Leer, Frankfurt und Göttingen wissen wir: Schon ein einziges Zusammentreffen mit zu wenig Abstand und Schutz kann viele Infektionen auslösen.

Später Anfang, frühes Ende - das sind die eigentlichen Probleme der Corona-Politik. Den Karneval in NRW und das Après-Ski in Ischgl hätte man sich sparen sollen. In China, England, USA und Brasilien stand zunächst der Machterhalt im Vordergrund. Jetzt kann es vielen Bundesländern nicht schnell genug gehen. Dadurch entsteht Übermut - die Deutschen geben sich Entwarnung. Die Kritik von FDP und ÖDP geht daher an den Problemen vorbei. Aber egal: Wir haben nun mehrere Parteien, in denen man seine tiefe Verletzung durch die Corona-Politik zum Ausdruck bringen kann. Je mehr Parteien es werden, desto weniger Bedeutung haben sie. Aus den 84 Prozent Vernunft werden dann 100 Prozent der Sitze. Und das ist gut so.

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Traumtänzer und Bevorrater

Mittwoch, 27.05.2020

Die Corona-Krise muss noch für allerhand herhalten. Die Dinge dauern länger, sie werden teurer und manche Absicht wird sogar aufgegeben. Man ist geneigt, Verständnis zu zeigen. Klar, Corona.

Es gab aber bereits vor der Pandemie unvollendete Vorhaben. Zu ihnen gehören einige Bauprojekte in Landsberg. Die Wohnungen an der Rosenstraße, der Komplex am Kratzer-Keller, der Hirsch in Pitzling, das Hotel und Boardinghaus an der Weilheimer Straße, die Bebauung am Hopfengarten und die Wohnungen an der Brudergasse sind Beispiele dafür. Mit manch anderem, teils nichtöffentlichen, Projekt haben sie eines gemeinsam: Sie werden mit großem Tamtam angekündigt. Und dann wird erstmal nichts daraus.

Einer der Gründe ist, dass Projektentwickler ohne frühere Erfolge immer neue und größere Vorhaben in Angriff nehmen, damit aber überfordert sind und schon in der Planungsphase scheitern. Das hindert sie nicht daran, Verhandlungen mit der Stadt zu führen, denn natürlich haben sie das Machbare erst einmal weit überreizt, um sich dann schrittweise herunterhandeln zu lassen. Die Stadtverwaltung konferiert daraufhin intensiv mit den Bauwerbern über Bebauungspläne, Befreiungen von Satzungen, Verkehrsströme und das Maß der Bebauung, befasst oft mehrfach den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss des Stadtrats mit der Sache und versetzt die Anwohner in Alarmstimmung. Wie sich später herausstellt, war das nicht umsonst, aber vergeblich.

Ein anderer Grund ist, dass Bauträger Grundstücke erwerben, sich konkretes Baurecht darauf geben lassen und das Vorhaben dann nicht in Angriff nehmen. Droht die Baugenehmigung wegen Zeitablaufs zu erlöschen, werden sie mit einem neuen Antrag vorstellig. Auch hier werden die Wünsche von mal zu mal größer, auch hier wird intensiv verhandelt, oft sogar vor Gericht gestritten. Auch hier sind die Ausschüsse und die Anwohner befasst. Für den Bauwerber ist das Ganze ungefährlich, weil die Stadt nicht unter die frühere Genehmigung zurückfallen kann. Hat der Eigentümer Glück, ist sein Grundstück durch das erweiterte Baurecht viel mehr wert als bisher.

Es gibt zweifellos auch das ein oder andere Bauvorhaben, bei dem das Problem eher im Genehmigungsbereich liegt. Aber die faktische Blockade ganzer Areale durch Projekt-Traumtänzer und Grundstücks-Bevorrater ist mindestens ebenso kritikwürdig. Bevor das Corona-Virus dazu dient, den Mantel des Schweigens darüber zu decken, sollte man sich noch einmal in Erinnerung rufen: Mit Grund und Boden spielt man nicht.

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Stellvertretung für Stellvertreter

Mittwoch, 20.05.2020

Der Kreistag hat es für richtig gehalten, auf Initiative der CSU die Zahl der "weiteren Stellvertreter" des Landrats zu verdreifachen. Thomas Eichinger hat damit nun sechs Stellvertreter.

Da ist zunächst einmal die "Stellvertreterin des Landrats", die wie er von der CSU kommt, und den Landrat umfassend bei Kreis- und Staatsaufgaben vertritt. Daneben gibt es seit Neuem drei Herren von SPD, UBV und Freien Wählern, die als Stellvertreter tätig werden, wenn auch die Stellvertreterin einen Stellvertreter braucht. Im Bereich des staatlichen Landratsamts (etwa Gesundheitsamt, Ausländeramt, Straßenverkehrsamt) dürfen sie die Stellvertretung aber nicht ausüben. Dafür ist ein spezieller Stellvertreter, ein Beamter der vierten Qualifikationsebene, zuständig. Der hat ebenfalls einen Stellvertreter in Gestalt des dienstältesten Beamten des höheren Dienstes.

Diese Aufblähung auf sechs Stellvertreter, davon vier allein für die Gebietskörperschaft Landkreis, war nicht notwendig. Das hat auch niemand geltend gemacht. Die Geschäftsordnung sah bisher vor, dass im unwahrscheinlichen Fall der Verhinderung von Landrat, Stellvertreterin und weiterem Stellvertreter die dann erforderliche vierte Stellvertretung aus dem Kreistag heraus erfolgt. Dort sitzen 60 Stellvertreter der Reserve.

Es waren wohl ganz andere Motive, die bei dieser Stellvertretermehrung maßgeblich waren. Thomas Eichinger wollte als ersten Stellvertreter (m/w/d) unbedingt jemanden von der CSU. Denn diese Person - es wurde Margit Horner-Spindler - muss er "laufend über die grundsätzlichen Angelegenheiten des Landratsamts informieren", die anderen nicht. Für die Wahl gab es aber keine Mehrheit. Also musste er sich die besorgen. Und das verlief offenbar nach dem Prinzip "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft".

Einer der "weiteren Stellvertreter" des Landrats ist nun Markus Wasserle. Die SPD hatte unter seinem Vorsitz vor der Landratswahl auf die Aufstellung eines Kandidaten verzichtet und faktisch die Stimmabgabe für Eichinger empfohlen. Eigentlich hätte Wasserles Geschenk daher größer ausfallen müssen.

Wasserle erhält wie seine beiden Kollegen Erich Püttner und Günter Först eine noch festzulegende Aufwandsentschädigung. Sie soll dem Entgelt für eine geringfügige Beschäftigung entsprechen. Man könnte sagen: Die drei bekommen sie dafür, dass sie auf der Lauer liegen. Tritt der Fall der Stellvertretung der Stellvertreterin ein, empfiehlt es sich nämlich, hurtig den Stellvertreter-Parkplatz in der Tiefgarage des Landratsamts zu besetzen, ehe andere weitere Stellvertreter früher da sind.

Zwei Anmerkungen fehlen noch. Das Vorgehen auf Kreisebene ist nicht mit dem vergleichbar, was Doris Baumgartl in der Stadt Landsberg auf den Weg gebracht hat. Die dortige Vergabe von Bürgermeisterämtern an Felix Bredschneijder und Moritz Hartmann dient der Teambildung. Davon ist auf Kreisebene keine Rede. Und: Dass die Grünen beleidigt waren, bei der Vergabe von Stellvertreterposten übergangen zu werden, haben wir nicht verstanden. Diese Ausgrenzung ehrt sie doch und unterstreicht ihre künftige Rolle als kräftige Opposition.

Ach übrigens: Wir sind heute, titel- und vergütungslos, auch Stellvertreter. Wir vertreten diesmal alle Leser, die die Schaffung überflüssiger Ämter und Posten in Frage stellen. Und das sind nicht wenige.

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Grundsätzlich öffentlich

Mittwoch, 13.05.2020

Der neue Stadtrat ist im Amt. Die Ausschüsse sind definiert und personell besetzt. Die nächsten Sitzungstage stehen fest. Jetzt wird es Zeit, ins Gedächtnis zurückzurufen, dass Sie an den kommunalen Beratungen teilhaben können. Denn grundsätzlich tagen der Stadtrat, der Verwaltungs- und Finanzausschuss, der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss sowie der Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss öffentlich. Stets nichtöffentlich beraten lediglich der Ältestenrat und der Rechnungsprüfungsausschuss.

Ihre Teilnahme an den Sitzungen ist möglich und ausdrücklich erwünscht. Nur wer Argumente hört, kann sich eine fundierte Meinung bilden. Nur wer das Abwägen der Interessen miterlebt, wird Kompromisse verstehen. Nur wer den engen Spielraum spürt, kann die Grenzen kommunalen Handelns begreifen. Ohne diese Kenntnisse ist kommunales Engagement in Parteien und Wählergruppen eher schwierig; Praxis zahlt sich aus.

Und so gehen Sie gut vorbereitet in die Sitzung: Rufen Sie im Internet das Bürgerinformationssystem der Stadt auf; Sie finden es unter landsberg.de / Rathaus / Bürger-ABC. Im "Kalender" erfahren Sie, wann und wo die nächsten Sitzungen stattfinden. Ort und Zeit ändern sich gelegentlich; deswegen sollten Sie auch am Tag der Sitzung noch einmal in den Kalender schauen. Manchmal gibt es Ortsbesichtigungen, oft eine Stunde vor dem Sitzungstermin; auch dazu sind Sie eingeladen. Fast jede Sitzung hat auch einen nichtöffentlichen Teil. Findet er am Ende statt, werden Sie von der Oberbürgermeisterin freundlich gebeten, den Saal zu verlassen. Ab und zu gibt es auch vorgeschaltete nichtöffentliche Beratungen; dann dürfen Sie erst hereinkommen, wenn das rote Licht an der Tür erloschen ist.

Zurück zum Bürgerinformationssystem. Klicken Sie einige Tage vor dem Termin auf eine Sitzung, öffnet sich ein Fenster mit der Tagesordnung und den schriftlichen Vorlagen dazu. Oben rechts finden Sie einen Link auf das "Vorlage-Sammeldokument" - dahinter verbirgt sich eine PDF-Datei, die alle verfügbaren Unterlagen zu einem Tagesordnungspunkt zusammenfasst. Sie können diese Datei online lesen, lokal speichern oder drucken. Dieses PDF sollten Sie unbedingt abrufen, denn der Sachverhalt wird in der Sitzung nur selten noch einmal ausführlich geschildert. Es empfiehlt sich auch, Satzungen und Verordnungen zu einem Thema vor der Sitzung im Originaltext zu lesen; Sie finden das gesamte Ortsrecht auf landsberg.de in der Rubrik Rathaus / Stadtverwaltung / Stadtrecht online. Dort gibt es auch die Geschäftsordnung des Stadtrats.

Sie können den Sitzungssaal betreten und verlassen, wann Sie wollen, müssen also nicht den ganzen Abend durchhalten. Nicht erlaubt sind Ton- und Bildaufnahmen, auch nicht heimlich mit dem Smartphone. Unzulässig ist es auch, während der Sitzung Stellung zu nehmen, etwa durch Applaus oder Zwischenrufe. Sie dürfen auch nicht mitten in der Sitzung zum Stadtrat ihres Vertrauens gehen, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern oder einen Zettel zu überreichen. Übrigens: Die Semmeln, Brezen und (nichtalkoholischen) Getränke sind für Stadtrat, Verwaltung und Presse reserviert.

Na wie wär's? Fangen Sie doch gleich in einer der nächsten Sitzungen an! Die Stadträte werden sich freuen. Und Sie bekommen nach und nach mehr Einblick in die kommunale Politik. In sechs Jahren machen Sie dann vielleicht selber mit, wer weiß.

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Die einen und die anderen

Mittwoch, 06.05.2020

Wir haben mit Greater London geskyped. Die Freundin näht auf Staatsbitte gerade Hosen für Hospitalärzte; es gibt nicht genug Schutzkleidung. Wir haben Bekannte in Leuven angerufen. Er ist Belgier, sie Deutsche; beide wollen bleiben, trotz höchster Todesfall-Inzidenz in Europa, denn sie würden bei einem Grenzübertritt getrennt. Wir haben E-Mails mit New York ausgetauscht. Fast jeder dritte Bewohner der Bronx ist erkrankt. Die Freunde wohnen in Brooklyn - dort ist die Rate aber nicht wesentlich kleiner. Ob Engländer, Belgier, Amerikaner - alle lobten, wie diszipliniert die Deutschen und besonders die Bayern mit der Corona-Pandemie umgehen.

Nach außen wirkt das wohl immer noch so. In Wirklichkeit teilt sich aber gerade unsere Gesellschaft in die einen und die anderen. Das merkt man auch in Landsberg. Die einen erkennen, dass uns die größte Herausforderung in unserem Leben ereilt hat, ähnlich wie ein Krieg, ein Erdbeben oder ein Tsunami. Es gibt keinen Impfstoff, der vor dem Virus schützt. Es gibt kein Medikament, das die Krankheit heilt. Man kann sich leicht anstecken, auch bei Menschen ohne Symptom. Wir wissen über die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung so gut wie nichts. Und an Corona zu sterben, ist ein grausamer Tod. Viele verstehen das. Sie befolgen die Abstandsregeln. Sie sehen von Besuchen beim Opa ab. Sie lassen das gemeinsame Grillen sein. Sie würden sich am Ostseestrand auch an die rote Flagge halten - bei Sturm gingen sie nicht ins Meer.

Die anderen gerieren sich hingegen aufreizend indifferent. Rote Flaggen sind für sie offenbar Ansporn zum Widerstand. Studienrätin Sabine T. (Name geändert), eine Lehrerin des Landsberger Dominikus-Zimmermann-Gymnasiums (DZG), schreibt vor einigen Tagen an die Oberbürgermeisterin, es sei "einschüchternd", dass Schüler den Mindestabstand einhalten sollen, nur einzeln auf die Toilette dürfen und Gruppenarbeit verboten ist. Damit werde "der Kern des schulischen Zusammenseins verraten". Sie fordert "eine sofortige Rücknahme der unverhältnismäßigen Katastrophenschutzmaßnahmen".

Unser Glaube an die Vernunft wird nicht nur durch Sabine T. erschüttert. Viele definieren sich aus Nicht-Verbot und Erlaubnis-Analogie zurzeit ihren eigenen Freiraum. Die private Musiklehrerin frohlockt, sie dürfe in ihrer Acht-Quadratmeter-Übungskammer nun wieder Gesang unterrichten. Der Nachbar beugt sich tief in den Kombi der Eierfrau, um Wange an Wange mit ihr Ware auszusuchen. Jogger und Mountainbiker laufen so nah an Wanderern vorbei, dass der Tröpfchenschweif spürbar wird.

Ja, es gibt ein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Das steht in Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es gibt aber auch ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das steht in Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. Keines der beiden Rechte hat Vorrang. Jeder darf sich nur so verhalten, dass er andere nicht gefährdet. Viele Menschen vergessen gerade: Die Maskenpflicht ergänzt die bisherigen Regeln nur und ersetzt sie nicht. Die Abstandsregel ist und bleibt in Kraft. Es gibt kein Sonderrecht für Gehwege, Supermarktparkplätze oder die Innenstadt.

So lange die Todesrate noch nicht bei einem Prozent liegt, seien Einschränkungen unzumutbar, ja "dilettantisch", schreibt die Studienrätin. Das heißt nichts anderes als: Lasst Menschen sterben für mehr Komfort. Es ist unfassbar.

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Pressearbeit statt PR

Mittwoch, 29.04.2020

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Der neue Stadtrat tagt zum ersten Mal. Die Oberbürgermeisterin tritt ihr Amt an. Zwei neue Bürgermeister werden gewählt. Dadurch entsteht, wenn alles wie geplant läuft, ein qualifiziertes Führungsteam, das sich auf eine breite Drei-Fraktionen-Mehrheit verlassen kann.

Für die Stadt ist diese Entwicklung zu begrüßen. Zuletzt war der Stadtrat politisch atomisiert. Viele Mitglieder des Gremiums hatten ihre eigene Agenda; Parteien und Fraktionen konnte man weitgehend vergessen. Und Vorbesprechungen entfalteten nur selten Gemeinschaft-stiftende Wirkung. Der Nebeneffekt: Wer Chaos wollte, konnte Chaos sähen.

Die neue Führungsriege hat das sechs Jahre lang miterlebt. Jetzt will sie eine Wende. Es ist die richtige Zeit dafür. Die Stadt hat sich zwar aus ihrer finanziellen Misere der Jahre 2008 bis 2012 befreit. Aber nun verliert sie wie fast alle Kommunen durch die Corona-Folgen ihre Handlungsfähigkeit. Zu verkraften sind massive Einnahmenrückgänge bei der Gewerbe- und der Einkommensteuer sowie bei Entgelten und Gebühren. Gleichzeitig sind außergewöhnliche Aufwendungen zu stemmen, insbesondere zum Wiederaufbau der Innenstädte.

Die neue Stadtführung sollte ihren Amtsantritt mit einer neuen Pressearbeit verbinden. In den vergangenen Jahren bestand sie vor allem aus amtlichen Mitteilungen und Erfolgsmeldungen. Ging etwas schief, war Stille im Wald. Immer wieder kam das alte Denken zum Vorschein: Die Medien sind die Protokollführer des städtischen Geschehens; sie sollen Bericht erstatten.

Der Anspruch der Bürger ist aber viel umfassender. Zurecht: Ohne Einordnung und Bewertung, ohne Recherche und Kommentierung, ohne investigativ zu sein ist lokale Presse gar keine Presse, jedenfalls keine, die Anspruch und Ziel der Pressefreiheit gerecht wird.

Wieso muss erst der KREISBOTE enthüllen, wer der Investor am Papierbach ist? Warum muss er erst aufwändig recherchieren, um zu erfahren, dass es Probleme beim Lechsteg-Bau gibt? Wieso muss er sich in Sachen LKW-Fahrverbot Landtags-Akten besorgen, um Stellungnahmen der Stadtverwaltung einzusehen? Das ist alles nicht nur überflüssig, sondern auch unklug. Denn letztlich kommt doch (fast) alles raus.

Genauso unklug ist es, die Presse als Überbringer von Legenden einzusetzen, etwa zur Verbreitung des Narrativs, der Kämmerer der Stadt habe vergangene Woche überraschend und auf alleinigen Entschluss mitten in der Krise das Handtuch geworfen. So stimmt das nicht und so sollte das auch niemand verbreiten.

In den vergangenen Jahren gab es, vom Jour fixe nach Gremiensitzungen abgesehen, keine regelmäßigen Hintergrundgespräche der Pressestelle mit den Journalisten. Das ist eine der Maßnahmen, die man der neuen Stadtführung empfehlen kann. Im politischen Berlin sind solche Treffen gang und gäbe. Dort gibt es auch klare Spielregeln dafür.

Und noch etwas gehört zu guter Pressearbeit: Das Hinhören vor Ort. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Facebook-Checks vermitteln kein korrektes Bild. Was finden Landsberger gut? Was finden sie schlecht? Worüber machen sie sich lustig? Man muss in die Stadt eintauchen, um das zu erfahren. Viele Politiker wollen das aber gar nicht hören. Und sind dann ganz überrascht, wenn es plötzlich richtig knallt. Also: Pressearbeit statt PR. So gelingt der Neustart noch ein Stück weit besser.

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Leider nur Mathematik

Mittwoch, 22.04.2020

In der vergangenen Woche starb die erst 41 Jahre alte Geschäftsführerin der niederbayerischen Unternehmensgruppe Bergler ohne Vorerkrankungen am Coronavirus. Marion Bergler gehört zu den mittlerweile rund 1.200 Menschen, die in Bayern durch die Epidemie ihr Leben verloren haben. Kein Bundesland ist so stark betroffen wie der Freistaat. Und Oberbayern steht mit fast 20.000 Erkrankungen und 400 Toten ganz weit vorn.

Manche von Ihnen freuen sich auf die Lockerungen, die der Bund und die Länder vereinbart haben. Und viele Einzelhändler sehen in der Wiedereröffnung ihrer Geschäfte in dieser und der nächsten Woche einen Hoffnungsschimmer. Ja, es stimmt: Die Politik darf wirtschaftliche Tätigkeit nach dem Grundgesetz nur im absolut notwendigen Umfang beschränken. Und nachdem es gelungen ist, ein Krankenhaus-Chaos wie in Bergamo zu verhindern, darf sie den immer lauter gewordenen Ruf nach Öffnung nicht ängstlich ignorieren. Deswegen waren die neuen Regelungen alternativlos.

Aber diese Maßnahmen beruhen allein auf Mathematik: Die durch die Lockerungen zu erwartende steigende Zahl der Infektionen ist in den Kliniken verkraftbar. Mehr ist nicht gesagt. Ansteckend ist Covid-19 morgen nicht weniger als gestern. Elendig sterben werden die Menschen nach wie vor daran. Die Politik hat keine Entwarnung gegeben, sondern nur die Verantwortung an die Bürger zurückübertragen.

Damit kommt es jetzt auf Sie an. Bleiben Sie, wenn Sie krank sind, zuhause. Gehen Sie in ein Geschäft, dann handeln Sie bitte nach dem Prinzip: (M)aske aufsetzen. (A)llein hinein. (A)bstand halten. Hände-Desinfizieren vor und nachher wäre empfehlenswert. Ihre Maske - offiziell "Mund-Nasen-Bedeckung" - schützt Sie zwar nicht davor, sich mit dem Virus zu infizieren. Mit der Nutzung sind aber zwei wichtige Signale verbunden. Das eine heißt: "Ich handele anderen gegenüber mit Verantwortung." Das zweite ist: "Ich erwarte von jedem Besucher (und Mitarbeiter), ebenfalls eine Maske zu tragen und damit mein Infektionsrisiko zu reduzieren". Die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung vom Montag, eine Maskenpflicht beim Einkaufen und in Verkehrsmitteln einzuführen, war notwendig - der vorherigen "dringenden Empfehlung" wäre nicht jeder gefolgt.

Vielfach missverstanden wird die neue Regelung zur "weiteren Person". Nach der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung vom 16. April 2020 ist das Zusammentreffen "mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person" ausschließlich während "Sport und Bewegung an der frischen Luft" gestattet; auch dabei gilt der Mindestabstand von 1,5 Metern. Diese Lockerung schafft nicht das Recht, Eltern oder Freunde auf ihrem Grundstück oder in ihrer Wohnung, etwa zum Kaffeetrinken oder Grillen, zu besuchen. Schon am Wochenende, also noch vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung, sind hier Dämme gebrochen. Die "Hallo, Opa!"-Rufe von Kindern waren in den Gärten unüberhörbar.

Viele Landsberger handeln immer noch vorbildlich. Manche aber sind der Krise inzwischen überdrüssig. Jüngere meinen, ihnen könne doch nicht viel passieren. Ältere machen geltend, sie müssten ja eh irgendwann sterben. Aber jeder Infizierte mutiert zur Virenschleuder. Wer leichtsinnig wird, wird Virenwirt. Leichtsinn ist russisches Roulette und neuer Tode Anfang. Das darf man deutlich sagen, und zwar jedem, der es hören muss.

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Das Ei im Nest

Mittwoch, 15.04.2020

Doris Baumgartl hat eine Entscheidung getroffen: Sämtliche Veranstaltungen in Räumlichkeiten der Stadt, die vor dem 13. Juni 2020 stattfinden sollten, sind abgesagt. Stadttheater, Säulenhalle, das Historische Rathaus, das Sport- und Veranstaltungszentrum, die Aula der Mittelschule und das Jugendzentrum bleiben bis dahin unbespielt.

Baumgartl traf die Entscheidung in ihrer Eigenschaft als zweite Bürgermeisterin und Vertreterin des noch amtierenden Oberbürgermeisters Mathias Neuner. Sie war eigenen Angaben zufolge bereits zwei Tage nach der Stichwahl von der Stadtjustitiarin informiert worden, dass sie Neuner im ganzen Monat April vertreten muss, "weil er in Urlaub ist". Er selbst gab hingegen an, keinen Urlaub beantragt zu haben und auch nicht verreist zu sein. Merkwürdig: Neuner ist nicht krank, nicht in Quarantäne, nicht im Home Office, nicht im Urlaub und auch nicht aus Rechtsgründen an der Amtsausübung gehindert. Wofür bekommt er jetzt Gehalt?

Man kann die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Baumgartl kann Neuner nämlich gar nicht vertreten, weil nach der Geschäftsordnung kein "Verhinderungsfall" vorliegt. Im Gegenteil: Nach Neuners Erklärung, er gehe zwar nicht mehr ins (bereits geräumte) Büro, komme jedoch gerne in die Verwaltung, um an Besprechungen mitzuwirken, greift eine Spezialregelung der Geschäftsordnung. Sie lautet: "Ist die zu vertretende Person bei Abwesenheit gleichwohl dazu in der Lage, die Amtsgeschäfte auszuüben und bei Bedarf wieder rechtzeitig vor Ort zu sein, liegt ein Fall der Verhinderung nicht vor".

Da kein Verhinderungsfall vorliegt, kann Baumgartl auch keine Entscheidungen anstelle des Oberbürgermeisters treffen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen. Werden sie von der falschen Person getroffen, sind sie anfechtbar. Neuner könnte Baumgartls Entschlüsse zwar noch zu seinen eigenen machen. Allerdings müsste er dann auch Baumgartls Abwägungen nachvollziehen, sonst fehlt es an der Ermessensausübung.

Und das gilt auch nur in Fällen, in denen der Oberbürgermeister tatsächlich allein entscheiden kann. Hier muss man genauer hinschauen. Dass Veranstaltungen in Räumen der Stadt bis zum 19. April 2020 ausfallen, ist selbstverständlich, denn im ganzen Freistaat ist keine Durchführung möglich. Eine entsprechende Mitteilung an die öffentlichen, sozialen oder privaten Veranstalter hätte keine gestaltende Wirkung.

Die Absage aller städtischen und sonstigen Veranstaltungen über diesen Zeitpunkt hinaus bis weit in den Juni hinein ist aber eine relativ früh getroffene stadtspezifische Regelung. Und die ist keine wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung. Sie fällt damit nicht in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters (wer das auch immer funktional gerade ist), sondern in die des Stadtrats.

Da sich der Stadtrat offiziell in Ferien befindet, damit sich seine Mitglieder bei Sitzungen nicht mit dem Virus infizieren, muss der Ferienausschuss über die faktische Sperrung der Veranstaltungsräume beschließen. Er tagt am 22. April. Ein entsprechender Tagesordnungspunkt ist dort aber nicht vorgesehen.

Kein Verhinderungsfall, keine Vertretung, keine Entscheidungsbefugnis, keine Geltung - da kommt einiges zusammen. Österlich formuliert: Neuner hat Baumgartl ein Ei ins Nest gelegt. Und das muss man da jetzt erstmal wieder rausholen.

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In Sachen Neuner

Mittwoch, 08.04.2020

Ein Hinweis zum besseren Verständnis: Das Landsberger Tagblatt schreibt heute, "ein Landsberger Blogger" habe kritisiert, dass Oberbürgermeister Mathias Neuner direkt nach der Stichwahl mitten in der Corona-Krise sein Büro geräumt und Doris Baumgartl mit seiner Vertretung beauftragt hat.

Es handelt sich dabei nicht um einen Blogbeitrag, sondern einen redaktionellen Artikel und Kommentar auf Seite 5 der heutigen Ausgabe des KREISBOTEN. Den Text finden Sie folglich nicht im landsbergblog, sondern in der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN (zum E-Paper) und in einer gleichlautenden online-Fassung hier. Oder, in der Camouflage-Sprache des LT: Zu lesen nicht beim "Landsberger Blogger", sondern beim "Kreisenden Boten".


Chancen der Krise

Mittwoch, 08.04.2020

Das chinesische Wort weiji (Krise) enthält die Wortteile Gefahr (wei) und Chance (ji). Eine ähnliche Konstruktion gibt es im Deutschen nicht. Die darin liegende Weisheit aber gilt auch für uns: In jeder Krise liegt zugleich eine Chance.

Zum Teil kommt diese Chance von selbst. Hygiene wird nach dem Ende der Coronakrise zum Beispiel eine größere Rolle spielen als bisher. Wer ungehemmt in den Raum hustet oder niest, hat mit Widerspruch zu rechnen, und wer ansteckend erkrankt ist, bleibt wohl eher zu Hause als früher. Generell wird unser Leben nach den Corona-Entbehrungen bewusster und aufmerksamer sein. Das Essen im Restaurant, der Gottesdienst in der Kirche, das Stöbern in der Boutique, der Abend im Theater, der Weintreff mit Freunden, der Spaziergang mit den Eltern - für all das werden wir noch mehr Wertschätzung entwickeln. Dass wir irgendwann wieder in Urlaubsorte reisen können, in denen es eine funktionierende Infrastruktur gibt, wird uns mit Dankbarkeit erfüllen.

Andere Chancen kommen nicht automatisch; sie erfordern Änderungen unseres Verhaltens. Es gilt, Auswirkungen künftiger Krisen gleichen oder größeren Ausmaßes zu reduzieren, indem wir uns darauf besser als bisher vorbereiten. Und wir müssen die Akteure krisenfester machen, so dass sie auch eine Zeit des Stillstands meistern können.

Viele hat erschreckt, dass bereits ein paar Tage Zwangsschließung oder Produktionsminderung ausreichen, um Unternehmen in Existenznot zu bringen. Zum Teil riefen, auch in unserem Landkreis, Firmen bereits am ersten Tag nach Staatshilfe. Unsere Wirtschaft ist erkennbar auf Kante genäht. Der Reiz der Niedriglohnproduktion, die Sucht nach Kostenreduzierung, das ungezügelte Wachstumsstreben, die Orientierung an Börsenbewertungen und die Steuerlücken des Online-Handels verzahnen sich mit dem immer ausgeprägter werdenden Drang der Menschen nach billigem Einkauf. Auch im Gesundheitswesen hakt es erheblich. Notfallpläne wurden nicht eingehalten und Anschaffungen aus Kostengründen abgelehnt. Die Bereitschaftsdienste waren überlastet. Wir haben in den Kliniken zu wenig medizinisches Personal. Niedergelassene Ärzte haben nicht die Ausstattung, die sie brauchen.

Der Stillstand durch Viren, der sich wiederholen kann, ist nicht die einzige Krise, in der wir uns befinden. Hinzu kommen der Kilmawandel und die ungeklärte Frage der Migration. Teilweise passt eine Maßnahme auf alles; dazu gehören die Reduzierung der Abhängigkeit vom Ausland und eine gewisse Infragestellung offener Grenzen. Teils sind aber auch widerstrebende Ziele zu beachten. So sinnvoll öffentlicher Nahverkehr ist, so wichtig ist es zurzeit, sozial distanziert mit dem Auto fahren zu können. So notwendig der Verzicht auf den fossilen Brennstoff Erdöl auch sein mag - der jetzt niedrige Heizölpreis ist für viele Anlass, nochmal nachzutanken und den Gedanken an einen Umstieg zu verschieben.

Auch in der Stadt und im Kreis Landsberg müssen wir nun sorgfältig nachdenken. Was ändern wir, um unser Gesundheitswesen fit zu machen, notleidende Firmen zu unterstützen und unsere Innenstadt zu vitalisieren? Wie verteilen wir die aufgrund von Steuerausfällen knapper werdenden Mittel? Dazu sollten wir in den nächsten Wochen Vorschläge entwickeln. Wir sind zwar noch nicht über den Berg - aber ein Stück weit vorauszudenken ist jetzt wichtiger denn je.

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Warenkorb der Wünsche

Mittwoch, 01.04.2020

Nun ist es wahr geworden: Mathias Neuner (CSU) ist der erste Landsberger Oberbürgermeister seit 1948, der keine zweite Amtszeit erreichen konnte. Und mit Doris Baumgartl (UBV) eroberte zum ersten Mal eine Frau das Chefbüro. Über die Gründe muss man nicht lange rätseln. Baumgartl pflückte die Stimmen von Neuner-Gegnern und -Skeptikern wie reife Früchte von den Bäumen. Ob Pflugfabrik-Zweifler, Brückerl-Verweigerer, Umfahrungs-Befürworter, Wohngebiets-Verhinderer oder einfach nur Bürger, denen Neuners Stil nicht gefiel: Baumgartl bot eine willkommene Alternative und signalisierte durch freundliches Zunicken, dass der Warenkorb für alle Wünsche offen steht.

Die meisten Artikel, die die Wähler bei der Siegerin bestellt haben, sind aber gar nicht lieferbar. Erschwingliche Mieten gibt es nicht ohne Neubauten. Der Lechsteg ist vertraglich vereinbart und im Bau. Schnellstraßen durchs Landschaftsschutzgebiet sind undenkbar. Dass jetzt alles anders wird, kann also niemand erwarten; die Räder werden nicht zurückgedreht. Auch mehr Gehör und mehr Bürgerbeteiligung sind über die Formen "Bürgergruppe ULP" und "Landsberg 2035" hinaus schwer vorstellbar. So etwas kostet viel Zeit. Die Oberbürgermeisterin hat ohnehin lange Tage bis in den Abend hinein und viele Termine am Wochenende zu verkraften. Es gilt zudem, Skepsis in der Stadtverwaltung gegen die neue Chefin zu überwinden. Schon das normale Tagesgeschäft ist anspruchsvoll, zumal Fehler schnell große Auswirkungen haben können.

Hinzu kommt: Baumgartl kann mit nur sechs UBV-Stimmen im 30-köpfigen Stadtrat kaum etwas ausrichten. Sie muss sich um Konsens bemühen. Denn alles Wichtige, was nicht lediglich in den Bereich der wiederkehrenden Angelegenheiten der laufenden Verwaltung fällt, muss in den Stadtrat. Damit das nicht zum Stillstand führt, sind viele individuelle Gespräche erforderlich, zumal sich die bisherige Montagsrunde nicht als Garant für schnelle Beratung und Beschlussfassung erwiesen hat.

Es ist aus einem weiteren Grund unwahrscheinlich, dass Landsberg in den nächsten sechs Jahren große Sprünge macht. Der Spielraum ist durch die absehbare Finanzlage der Stadt nach Corona drastisch verengt. Die Gewerbesteuer-Einnahmen der Lechstadt könnten einbrechen; dafür gibt es bereits Signale. Schon der jetzige Haushalt ist nicht mehr valide. Investitionen werden reduziert und sogar gestrichen werden. Museum? Landesausstellung? Parkhaus? Inselbad? Man muss sehen und abwägen. Es ist keine gute Zeit, Oberbürgermeisterin zu sein.

Mathias Neuner hat die Wahl nicht erst in der letzten Woche verloren; dort verfestigte sich die Niederlage nur. Allerdings hat er in den vergangenen Tagen die Erfahrung machen müssen, wie sehr Politik in Wahlzeiten von Taktik geprägt ist. Als er zum Krisenmanagement verpflichtet war, knüpften andere öffentlichkeitswirksame Allianzen und setzten Wahlempfehlungen gegen ihn durch. Obwohl alle betonten, wie wichtig das Zusammenstehen in schwieriger Zeit sei, konnte davon in der Praxis keine Rede sein. Landsberg verliert mit Mathias Neuner einen engagierten, fleißigen und kämpferischen Oberbürgermeister, der vor allem an einem gescheitert ist: Er legte den Fokus fast ausschließlich auf Sachfragen und fast nie auf seine Wiederwahl. Politisch ist das vorbildlich, persönlich aber tragisch.

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Vergessene Pflichten

Mittwoch, 25.03.2020

Nun stehen sie fest, die Mitglieder des Stadtrats, die vom 1. Juli 2020 bis 30. April 2026 im Amt sind. Zu deren ersten Aufgaben gehört es, die Geschäftsordnung zu beschließen, die beiden weiteren Bürgermeister zu wählen und zu entscheiden, wer im Stadtrat welche Referate übernimmt. Dazu sind vergessene Pflichten in Erinnerung zu rufen.

Punkt 1: Dass der Haushaltsreferent des Stadtrats intensiv mit dem Kämmerer zusammenarbeiten muss, ist bekannt. Aber auch die anderen Stadträte, die sich zu Referenten ernennen lassen, sind nach der Gemeindeordnung verpflichtet, "die Verwaltungstätigkeit in ihrem jeweiligen Aufgabengebiet zu überwachen". Ob Planen und Bauen, Sicherheit und Ordnung oder Schule und Jugend: Die Referenten des Stadtrats sollen die Chefs und leitenden Mitarbeiter der Ämter begleiten und bei Problemen aktiv werden.

Bisher ist das nicht ausreichend geschehen. Ob Kita-Leitung, Marktverlegung, Verschiebung von Bauvorhaben oder Straßensperrung - auftretende Konflikte hätten die Referenten des Stadtrats eigentlich deutlich früher erkennen müssen, zumal es sich in allen Fällen um Themen handelte, die den Stadtrat betrafen und keine wiederkehrenden Angelegenheiten der laufenden Verwaltung darstellten. Hier ist in der neuen Amtszeit mehr Engagement erforderlich.

Punkt 2: In der Gemeindeordnung steht, dass der Stadtrat die Ausführung seiner Beschlüsse überwacht. In der Praxis hat das nur unzureichend funktioniert. Zwar gab es von der Verwaltung in regelmäßigen Abständen Listen mit dem aktuellen Stand der Erledigung. Die unterschiedliche Relevanz und Dringlichkeit der Themen blieb dabei aber unberücksichtigt. Zugegeben: Teile der Verwaltung sind überlastet; es gibt Vakanzen und einen verhältnismäßig hohen Anteil kranker Mitarbeiter. Umso wichtiger ist es aber, dass der Stadtrat gemeinsam mit der Verwaltung Rangfolgen und durchaus auch Fristen setzt. Die Priorisierung obliegt dem Stadtrat, nicht der Verwaltung.

Punkt 3: Wer sich zum Bürgermeister wählen lässt, muss bereit sein, Aufgaben des Oberbürgermeisters zu übernehmen; dafür gibt es immerhin eine nicht unbeachtliche Vergütung. Und wer sich zum Stadtrat wählen lässt, muss wissen, dass er eine Pflicht zur Teilnahme an den Sitzungen hat. An beides war in der vergangenen Amtszeit zu erinnern. Besonders zwei Stadträte (von der UBV und den Grünen) fehlten fast regelmäßig. Auch für die jetzigen Kandidaten gilt: Wer bereits absehen kann, beruflich öfters verhindert zu sein, kann das Amt nicht annehmen. Zwar hat Dominikus Zimmermann auch häufig bei den Sitzungen gefehlt; damals galt aber noch nicht die heutige Gemeindeordnung.

Punkt 4: Das Kommunalrecht sieht vor: Jeder Gemeindeeinwohner kann sich mit Eingaben und Beschwerden an den Gemeinderat wenden. Das sollte mit einer einzigen E-Mail möglich sein; wer zu einem aktuellen Thema eine Anmerkung senden will, muss nicht zuvor einen Verteiler pflegen und sich 31 E-Mail-Adressen zusammenstellen. Die vorhandene, aber für besondere Zwecke genutzte E-Mail-Adresse "stadtrat@landsberg.de" könnte dazu dienen.

Überwachung der Verwaltungstätigkeit, Prioritäten- und Fristsetzung bei Beschlüssen, Beachtung der Teilnahmepflicht an Sitzungen und Optimierung der Erreichbarkeit per E-Mail - das sind vier Maßnahmen, die die Qualität der Stadtratsarbeit deutlich erhöhen können.

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Besonnene Kommunalpolitik

Freitag, 20.03.2020

Alles, was heute geschrieben steht und heute noch vernünftig erscheint, kann sich morgen vor dem Hintergrund einer neuen Sachlage und einer verschärften Krisensituation schon als völlig überholt herausstellen. Das bringen Zeiten wie diese leider mit sich. Eine gesicherte Erkenntnis hat jedoch die Kommunalwahl am 15. März 2020 gebracht: Die bayerischen Städte, Märkte und Gemeinden sind auch in angespannten Situationen handlungsfähig – dank der umsichtigen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, dank des professionellen Personals in den Verwaltungen und dank der ehrenamtlich Tätigen in den Wahl-Lokalen. Auf dieses profunde Wissen, diese fachliche Kompetenz und dieses beherzte Engagement können wir alle weiter bauen. In Zeiten der Beunruhigung zeigt sich der Wert einer funktionierenden Kommunalverwaltung und einer besonnenen Kommunalpolitik, schreibt der Bayerische Städtetag in seinem heutigen Informationsbrief. Wir stimmen uneingeschränkt zu.


Wenig Veränderung

Dienstag, 17.03.2020

Die Kommunalwahl vom Sonntag hat im personellen Bereich so manche Überraschung gebracht. In Landsberg, Utting, Dießen und Penzing sind entweder Kandidaten im ersten Wahlgang gewählt, denen man das nicht zutraute, oder es sind Bewerber in die Stichwahl gekommen, die man dort nicht vermutete, oder es gab ein Stimmenverhältnis, mit dem man nicht gerechnet hat. Besonders betroffen sind die Grünen; sie sind aus Sicht vieler Wähler offenbar nicht "ministrabel".

Im Hinblick auf die Sitzverteilung sieht es anders aus. Es gibt erstaunlich wenig Veränderungen. Vieles bleibt beim Alten. Die Zufriedenheit mit der Kommunalpolitik ist in Bayern sehr hoch und das scheint auch hier so zu sein. Eine Ausnahme gibt es bei den Grünen. Sie haben im Kreis Landsberg und in der Großen Kreisstadt zugelegt; die kleinen Parteien und Wählergruppen sind ein Stück schwächer als bisher. Die CSU ist tendenziell stabil, allerdings konnte sie die Rückgänge bei der letzten Kommunalwahl nicht korrigieren. Rechnet man das auf den Freistaat hoch, bleiben die Grünen auf Koalitionskurs. Allerdings sollte die Kommunalwahl als Warnung dienen: Es bedarf überall, auch im Landtag, eines überzeugenden Personalangebots.

Die Landsberger Stichwahl Neuner gegen Baumgartl wird spannend. Die Wahlbeteiligung wird aufgrund der verpflichtenden Briefwahl vermutlich steigen. Für Neuner sprechen der Amtsbonus, der in der aktuellen Krise zusätzlich Relevanz bekommt, und die Tatsache, dass sich viele Anhänger von Grünen und SPD die Hardlinerin Baumgartl nicht vorstellen können, insbesondere nicht mehr seitdem sie auf den Zug "Südumgehung" aufsprang.

Bei den Stadträten vermissen wir einige illustre Namen, zum Beispiel Schulmeister, Lüssmann, Lesch und Handtrack. Gespannt sind wir auf die sehr junge Fraktion der Grünen. Ihr ist zu raten, sich nicht allein als Vertreterin von Jugend- oder Umweltthemen zu positionieren, sondern sehr umfassend in allen Angelegenheiten mitzuarbeiten. Die etablierten Grünen haben den Generationswechsel riskiert, in Kauf genommen oder gewollt - so ganz weiß man das noch nicht; auf jeden Fall ist jetzt ihr Coaching gefragt.

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Die Basis des Glücks

Mittwoch, 11.03.2020

Die Finanzen sind in Ordnung gebracht. Der Sanierungsstau ist abgebaut. Der Derivate-Skandal ist verkraftet. Die Mittelschule ist fertiggestellt. Das Defizit an Kita-Plätzen ist beseitigt. Der Hochwasserschutz ist aktualisiert. Die Tiefgaragen sind saniert. Die Brache Pflugfabrik wird kultiviert. Es gibt mehr Arbeitsplätze als Arbeitnehmer. Wir haben eine mit den Bürgern entwickelte Zukunftsstrategie. Und politisches Handeln ist nun transparenter als jemals zuvor. Die Bilanz dieser Stadt ist am Stichtag 15. März 2020 mehr als in Ordnung. Landsberg geht es gut. Stadtrat, Oberbürgermeister, Kämmerer, die Bauverwaltung, die Regierung von Oberbayern, das Wasserwirtschaftsamt, die Stadtwerke und viele weitere Institutionen waren daran beteiligt.

Im Wahlkampf bekommt man aber einen ganz anderen Eindruck. Da werden Begleiterscheinungen zur Hauptsache. Der Lechsteg ist teurer geworden, weil Brückenbauer nach Genua Hochkonjunktur haben? Wie skandalös! Der Kulturbau am Papierbach bekommt ein anderes Gesicht, nachdem Kulturschaffende mehr Raumhöhe forderten? Das ist Wortbruch! Auf freien Flächen sollen Häuser gebaut werden, damit Landsbergs Immobilienpreise nicht weiter gen Himmel schießen? Unglaublich. Diese Aussichts-Räuber! Diese Nachbar-Anschlepper! Diese Alleinstellungs-Entwerter!

Wir haben eine lebenswerte und attraktive Altstadt mit hoher Aufenthaltsqualität. Wir wohnen an einem Fluss inmitten von Erholungs- und Naturschutzflächen. Wir sind ein Zentrum von Bildung und Kultur. Das ist ein Maximum an Lebensqualität; besser geht es kaum. Und alles, was dazu zu regeln war, haben die Beteiligten meist einstimmig beschlossen. Aber gerade eben diskutieren wir selbstvergessen und disruptiv darüber, quer durch Stadt und Land Schnellstraßen und Tangenten zu bauen, damit wir fünf Minuten früher am Ziel sind. Wir wehren uns dagegen, unseren Verkehr planvoll so zu entwickeln, dass er umweltgerecht wird und trotzdem Mobilität gewährleistet. Wir erklären jemandem, der Hunderte von Millionen am Papierbach investiert, dass wir dort eigentlich lieber selbst gebaut hätten. Haben wir es denn getan? Nein, haben wir nicht. Und können wir es besser? Natürlich können wir das nicht.

Wir fordern und bemängeln, beanstanden und verlangen. Aber wir vergessen dabei die Basis unseres Glücks. Wir sind keine entvölkerte Stadt im peripheren strukturschwachen Niemandsland – da ist Verkehr kein Problem. Wir wohnen nicht in anonymen Plattenbausiedlungen oder Betonzentren aus den 70ern – da gibt es Parkplätze umsonst. Und wir sind eben keine Auspendlerstadt, die tagsüber entvölkert ist und zu der niemand einen Bezug hat – da kann man getrost Straßen bauen. Landsberg ist dazu geradezu der Gegenentwurf. Und das muss wieder in die Köpfe hinein.

Einige Wahlkämpfer glauben, es sei aussichtsreich, wenn sie Katalysator von Stimmungen sind. Aber niemand kann Energiewende und Klimawandel missachten. Jeder muss Radwege schaffen und das Bussystem optimieren. Alle sind an den Vorrang der Innenentwicklung gebunden. Sie haben gar keinen Spielraum – sie geben ihn nur vor. Und sie sagen nicht, was in Wirklichkeit alle wissen: Landsberg geht es gut. Ein Blick durchs Autofenster genügt bereits, um das festzustellen. Und wenn es dabei ein bisschen langsamer geht: Das ist keine Schwäche unserer Innenstadt. Sondern Zeichen ihrer Stärke.

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Fünf Sätze zur Wahl

Mittwoch, 04.03.2020

In anderthalb Wochen entscheiden Sie über die künftige Zusammensetzung des Kreistags sowie Ihres Stadt- oder Gemeinderats. Außerdem stehen Landrat und (Ober-) Bürgermeister (m/w/d) zur Wahl. Bitte beachten Sie dabei:

1. Wenn Sie nicht zur Wahl gehen, stärken Sie die Kandidaten rechter Gruppierungen. Denn deren Anhänger haben den 15. März dick im Kalender markiert; sie gehen auf jeden Fall ins Wahllokal. Je weniger Stimmen insgesamt zusammenkommen, desto weniger Stimmen reichen Kandidaten der Ränder für ein Mandat. Für welche (nicht rechte oder populistische) Partei oder Gruppierung Sie auch stimmen mögen: Sie erhöhen damit die Hürde für den politischen Arm von Hass, Chaos und Gewalt. Merke: Wer nicht wählt, wählt rechts!

2. Mit dem Kreuz für einen Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landrat (m/w/d) wählen Sie nur die Person, die die Sitzungen des Gemeinderats, Stadtrats oder Kreistags vorbereitet und moderiert sowie die Beschlüsse umsetzt. Wer dieses Wahlamt ausübt und die "wiederkehrenden Angelegenheiten der laufenden Verwaltung" erledigt, ist zwar wichtig. Aber die wirklich bedeutenden Entscheidungen fallen im Gemeinderat, Stadtrat oder Kreistag, also dem Gremium, das durch den großen Stimmzettel gewählt wird. Mit der dort möglichen Auswahl der Kandidaten und Parteien oder Gruppierungen bestimmen Sie über die Grundlinien der künftigen Politik Ihrer Gemeinde oder Stadt. Merke: Großer Stimmzettel, große Bedeutung.

3. Gehen Sie Polarisierern nicht auf den Leim! Es gibt Kandidaten (m/w/d), die verblüffend einfache Argumente vorbringen: Ich habe ein Verkehrskonzept, die anderen aber nicht. Wir sorgen für weniger Bürokratie, die anderen wollen mehr davon. Wir machen echte Bürgerbeteiligung, die anderen tun nur so. Fragen Sie sich vor Ihrer Wahlentscheidung: Kann das (politische) Leben so holzschnittartig sein? Lassen sich sechs Jahre kollegiale Arbeit im Stadt- oder Gemeinderat so reduzieren? Oder will man Ihnen nur mit simplen Formeln Ihre Stimme abjagen - vielleicht weil man Sie für simpel hält? Merke: Je einfacher es klingt, desto wahrscheinlicher ist es gelogen.

4. Glauben Sie keinem Verschwörungstheoretiker. Alle Banken und Sparkassen dieser Welt haben sich zusammengetan, um Recht zu brechen; nur der Kreisverband Landsberg der ÖDP hat das erkannt. Neuner will die Stadt zupflastern, Hartmann das Auto verbieten, Bredschneijder nur Sozialwohnungsbau zulassen und Baumgartl die Kitas verstaatlichen. Das ist "Merkel will die Bevölkerung austauschen" im Kleinbildformat. Natürlich ist das alles Unsinn und stimmt noch nicht mal tendenziell. Merke: Je mehr es Sie erstaunt, desto mehr sollten Sie es in Zweifel ziehen.

5. Bedenken Sie: Am Tag nach der Wahl müssen alle wieder zusammenarbeiten. Der triumphale Moment des Siegs ist schnell vorbei. Nun wird entscheidend, wie stark die gewählte Person in der Lage ist, mit Mandatsträgern zu kooperieren, ein großes Team zu führen, Themen sorgfältig zu durchdringen, schwierige Verhandlungen zu bewältigen und die sprichwörtliche Kuh auch im Krisenfall verlässlich vom Eis zu holen. Merke: Wahlkampf ist gut, politische Alltagskompetenz ist besser.

Treffen Sie bitte eine Wahlentscheidung, die Sie auch in vier Jahren nicht bereuen! Immun gegen Beeinflussung. Geprägt durch Verantwortung. Gestählt durch Skepsis. Das sollte für diese Wahl Ihr Maßstab sein.

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Irreführende Wahlwerbung

Mittwoch, 26.02.2020

"Wir sagen: Auf die zehn Prozent der Fahrten unter einem Kilometer zu verzichten, löst längst nicht unsere Verkehrsprobleme", verkündet OB-Kandidatin Doris Baumgartl (UBV) unter der Überschrift "einfach erklärt" in ihrer neuen Wahlwerbung. Eine Grafik zeigt 30 Autos, von denen drei verblasst dargestellt sind. Optisch ist sofort erkennbar: Das bringt nichts. Sie setze sich hingegen, so schreibt sie, für ein "zukunftsweisendes Verkehrskonzept" ein.

Das ist ein Paradebeispiel für irreführenden Wahlkampf. Es hat nämlich niemand einen solchen Verzicht angeregt, geschweige denn ihn als Lösung von Verkehrsproblemen bezeichnet. Der hier scheinbar kritisierte Plan ist schlicht erfunden. Baumgartl hätte auch schreiben können: Zehn Prozent Steuererhöhung ist das falsche Programm für Landsberg. Zehn Prozent mehr Verbrechen sind eine Schande für unsere Stadt. Zehn Prozent weniger Weißwurst zu essen, ist definitiv keine Diät. In all diesen Fällen merkt kaum jemand, dass hier etwas abgrenzend kommentiert wird, das niemand vertreten hat. Auch rutschen falsche Behauptungen dabei mühelos durch. Genau das ist das Ziel solcher Plausibilitäts-Argumentationen. Werden sie dazu noch emotional hinterlegt, wie hier mit dem (Verlust suggerierenden) Wort "Verzicht", spricht man auch von Populismus.

Was ist wirklich Sache? Nach Verkehrsplaner Dirk Kopperschläger sind 15 - nicht zehn - Prozent der Autofahrten in Landsberg kürzer als ein Kilometer und 45 Prozent kürzer als drei Kilometer. Grund ist vor allem, dass es keinen attraktiven Stadtbus gibt; er wird nur für zwei Prozent aller Fahrten genutzt. Verbessert die Stadt den öffentlichen Nahverkehr so, dass man günstiger, bequemer und schneller zu seinem Ziel kommt als bisher, würde automatisch weniger motorisierter Individualverkehr entstehen. Alle Parteien reden dabei nicht nur über eine einzige Lösung, sondern ein ganzes Paket - bessere Radwege, die Schulbusverlagerung vom Hauptplatz an eine andere Stelle und der Schrägaufzug gehören auch dazu. Und alle reden über neue Optionen - niemand will Verbote, niemand fordert Verzicht. Die UBV-Wahlwerbung ist eine Täuschung, ein Spielregelverstoß.

Generell ist es erstaunlich, dass sich Doris Baumgartl so ungeniert als Schutzpatronin der Autofahrer positioniert. Zuletzt versprach sie sogar eine Umfahrung der Innenstadt; die werde "nicht wieder auf Eis gelegt". Aber ein solches "Schnell vorbei, schnell weg"-Konzept verkennt. dass sich die Landsberger eine lebenswerte und funktionsfähige, erreichbare, nicht durch Sperrungen geteilte Altstadt wünschen mit Ärzten und Apotheken, Bäckereien und Metzgern, einem gesunden Einzelhandel, Restaurants, Cafés und Lottoannahmestellen. Die Innenstadt ist für sie in erster Linie Ziel, nicht Störung. Besonders Mütter und Väter wollen sichere Fuß-, Rad- und Schulwege für ihre Kinder. Sie legen Wert auf Gesundheit und saubere Umwelt. Sie wollen dass die Stadt ihr Geld für Kitas, Schulen und Spielplätze ausgibt. Auf ihrer Agenda steht nicht der Bau von Autobahnzubringern, erst recht nicht quer durch die Natur. Ihre Lieblingssendung heißt "Das Leben", nicht "Das Rasthaus".

Eines aber ist das Mindeste: Ehrlich bleiben, nichts suggerieren und bitte kein Griff in den Werkzeugkasten des Populismus! Wer dagegen verstößt, gewinnt keine Wähler, sondern verbreitet nur - berechtigte - Furcht.

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Hauptsache Chaos

Mittwoch, 19.02.2020

Thüringen ist überall, auch in Landsberg am Lech. Zwar droht hier keine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen AfD. Aber eines haben der Stadtrat und das dreimal größere Landesparlament doch gemeinsam: Einige Fraktionen produzieren wohl absichtlich Chaos.

Ob Bund, Land oder Kommune: Das Chaos ist das Kernproblem der Politik. Seehofers politischer Amoklauf zur Schließung von EU-Binnengrenzen, das Mautdebakel der Minister Dobrindt und Scheuer, die Streitigkeiten der Koalition über die Grundrente, die Wendemanöver in der Energiepolitik, die zögerliche Reaktion auf den Klimawandel, die Posse von Erfurt und der Wechsel der CDU-Vorsitzenden in den Dauerstatus "lame duck" - das ist aus Sicht der Bürger nicht mehr akzeptabel.

Unser Stadtrat produziert inzwischen ein ähnliches Chaos. Seine Halbzeitbilanz war noch beeindruckend. Aber seitdem ging es bergab. Der Blick war nur noch auf die Wahl gerichtet. Das größte Trauerspiel: Aufgrund immer neuer Anträge streitet das Gremium jahrelang darüber, wer die Sozialwohnungen am Wiesengrund baut. Die Stadt Landsberg? Eine zu gründende städtische Wohnungsbaugesellschaft? Irgendeine Genossenschaft? Das St. Ulrichswerk? Oder sollen wir das "Optionsleasing" einführen? Den "konzeptionellen Mietwohnungsbau"? Wie wäre es mit dem Modell "Schittgablerstraße" aus München? Oder verkaufen wir an BayernHeim, den Bauträger des Freistaats? Das Ergebnis immer neuer Anträge und Aufträge zur Prüfung ist kompletter Stillstand. Das geht zulasten von Familien, die preiswerten Wohnraum brauchen.

Man hat den Eindruck, dass einige Fraktionen an der Opposition durch Obstruktion Vergnügen finden: Hauptsache Chaos. Ähnlich stellt es sich bei der Kindertagesstätte am Reischer Talweg dar. Schneller Wiederholungsbau des Kinderhauses! Nein, jetzt doch ein neuer Massivbau! Halt, besser ein Gebäude in Holzbauweise! Stopp, doch lieber ein Hybridbau! Alle diese Beschlüsse hat der Stadtrat nacheinander gefasst, zum gleichen Objekt. Teure Planungen kann man so wegwerfen. Besonders pikant ist, dass die Fraktionen der Landsberger Mitte und der UBV behaupteten, ihr Antrag diene "der termintreuen Umsetzung der Kita". Unsinn: Durch das Hin und Her verzögert sich die Fertigstellung bis November 2021.

Der neue Stadtrat darf sich nicht auf den gleichen Pfad begeben. Mehr Sacharbeit, weniger Abgrenzung, weniger Vertagungen, weniger Nachtsitzungen, keine wiederholten Anträge zum gleichen Thema. Dafür mehr Erfolgskontrolle. Und vor allem: erklären, erklären, erklären. Bürger, die die letzten Stadtratssitzungen besuchten, verließen den Saal kopfschüttelnd. Sie sind es leid. Wir müssen Polit-Frust wieder zu Polit-Lust machen. Das sind wir der Demokratie und unserer Stadt schuldig.

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Einpacken und Ade

Mittwoch, 12.02.2020

Die Konversion des ehemaligen Fliegerhorsts, der überwiegend auf Penzinger und zu einem kleinen Teil auf Landsberger Flur liegt, wird langsam Realität. Derzeit geht es zunächst um die Altlasten, die durch ein Gutachten ermittelt werden sollen. Allerdings im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die kein Interesse daran hat, die Lage allzu dramatisch darzustellen - schließlich will die frühere Bundesvermögensverwaltung einen hohen Kaufpreis erzielen. Das Ergebnis wird von der Stadt Landsberg und der Gemeinde Penzing also nachzuprüfen sein, notfalls mit einem eigenen Gutachten.

Keine gute Idee ist es, die Sache vorzeitig über den Kaufpreis zu regeln, also "blind" zuzuschlagen. Es ist ein fragwürdiger Mechanismus, dass die Bundeswehr den Abzug aus einem Standort meist so versteht, Gerät und Ausrüstung einzupacken und dann Ade zu sagen. In Penzing haben offenbar viele Übungen der Fliegerhorst-Feuerwehr mit echtem Löschschaum stattgefunden, der Umweltbelastungen bis hin zur Schädigung von Gewässern verursachen kann. Die Kosten der Beseitigung sind immens. Fristen zur Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts können erst dann anlaufen, wenn der Kaufgegenstand definiert sind, also nicht nur das Gute, sondern auch das Schlechte daran.

Generell kann der Bund bei einem Areal dieses Ausmaßes aber ohnehin nicht so vorgehen, als verkaufe er eben mal ein paar Wohn- oder Gewerbegrundstücke. Die Fläche ist derartig groß, dass jede Nutzungsart Folgekosten nach sich zieht. Unternehmen schaffen ja nicht nur Arbeitsplätze, sondern generieren auch Verkehr und erhöhen den Wohnraumbedarf. Wer zuzieht, benötigt Plätze in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Deswegen ist es für beide Seiten, auch die BImA, besser, gar nicht erst auf einen Verkauf des Fliegerhorst-Grundstücks auf dem freien Markt zu spekulieren. Idealerweise durchlaufen alle Beteiligten erst gemeinsam den Planungsprozess, bevor sie Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Infrastruktur-Folgekosten in den unterschiedlichen Nutzungsvarianten.

Die Aufgabe, die ab 1. Mai 2020 auf den neuen Bürgermeister Penzings zukommt, ist daher keine Verwaltungs-, sondern eine Gestaltungsaufgabe. Es geht nicht um eine Immobilie, sondern die Zukunft der Gemeinde. Hier ist nicht nur Verstand gefragt, sondern auch Verantwortungs- und Geschichtsbewusstsein. Man muss einen Ort verstehen, um ihn weiterentwickeln zu können. Und Landsberg darf es nicht passieren, aus der Nachbarschaft überrollt zu werden, egal ob mit Wohnraumbedarf, Verkehrszunahme oder Emissionen. Deswegen muss die Stadt auch mit an den Verhandlungstisch. Gewerbesteuer kann nicht allein ausschlaggebend sein. Lebensqualität dies- und jenseits der A96 ist ein viel höheres Gut.

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Hinterfragen angebracht

Mittwoch, 05.02.2020

Der Landsberger Wahlkampf läuft so langsam an. Die Websites sind fertig, die Prospekte gedruckt. Wenn Sie da reinschauen, achten Sie nicht nur auf die Fotos und die Wahlversprechen. Schauen Sie sich auch einmal an, ob die zugrunde gelegten Fakten korrekt sind. Mit zwei Beispielen wollen wir Sie heute dafür sensibilisieren.

Beispiel 1. Oberbürgermeister Mathias Neuner zählt auf seiner Kandidaten-Website unter der Überschrift "Versprochen - Gehalten" 32 Themen auf. Der politische Fachmann wundert sich: Es ist ganz ungewöhnlich und erstaunlich, wie viele Versprechen Neuner umgesetzt hat! Und noch erstaunlicher ist, dass er vor acht Jahren, als er zum ersten Mal kandidierte, die weitere Entwicklung Landsberg so exakt vorausgesehen hat.

Die Irreführung wird klar, wenn man erkennt, dass die meisten Themen, die in der Liste stehen, damals noch gar nicht absehbar waren und folglich auch nicht von ihm versprochen werden konnten. Die Überschrift "versprochen - gehalten" trifft allenfalls auf Teilbereiche zu. Logisch korrekt wäre so etwas wie: Ich habe viel erreicht; einiges davon habe ich 2012 sogar versprochen. Aber der Werbewert einer solchen Aussage wäre wohl gering.

Ja, klar: Zusätzlich wäre jetzt noch zu prüfen, was Mathias Neuner vor acht Jahren versprochen, aber nicht gehalten hat. Steht nicht da. Aber lassen wir es dabei: Unsere Zeit ist zu schnell geworden, um noch mit diesen Kategorien zu arbeiten. Acht Jahre sind im Leben einer Stadt eine kleine Ewigkeit. Es reicht doch, wenn uns der Stadtrat und der OB gut durch diese Zeit gebracht haben und wir heute besser dastehen als zuvor.

Beispiel 2: Der Spitzenkandidat der FDP für den Landsberger Stadtrat, Tom Bohn, tritt erklärtermaßen an, "um die Landsberger Kultur zu entbürokratisieren". Entbürokratisierung ist die Befreiung von überflüssiger staatlicher (oder städtischer) Bürokratie. Da die Stadt sich nicht in Kunst und Kultur einmischt, kann es nur um die Fälle gehen, in denen Kulturschaffende eine Leistung der Stadt in Anspruch nehmen wollen.

Für die Beantragung der finanziellen Förderung von bis zu 30 Prozent der ungedeckten Kosten eines künstlerischen oder kulturellen Vorhabens verlangt die Stadt aber nur wenige Angaben. Geringere Anforderungen kann man an die Ausgabe öffentlicher Mittel nicht stellen. Dass Kosten und Erlöse abgefragt werden, ist logisch - irgendwie muss man den Zuschuss ja berechnen. Die Stadt stellt ihre Räume auch nahezu nahtlos für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung. Stadttheater, Säulenhalle, Rathausfoyer: Fast immer ist da etwas los. Die kritisierte Bürokratie hat offenbar kaum Wirkung gezeigt.

Beide Beispiele zeigen, dass man nicht alles glauben sollte, was im Wahlkampf gesagt und geschrieben wird. Hinterfragen ist angebracht.

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Wenn die Basis fehlt

Mittwoch, 29.01.2020

In der vergangenen Woche machte eine Zahl Furore: Die Mieten in Landsberg seien in einem Jahr um über 11 Prozent gestiegen und nun höher als in Berlin. Das verbreiteten alle Landsberger Medien zunächst ohne weitere Prüfung. Aber der Ersteller der Studie berücksichtigte nur im Internet inserierte zehn Jahre alte 75-Quadratmeter-Wohnungen, bei denen ein Mieterwechsel anstand. Das führte automatisch zu einer sehr niedrigen Fallzahl. Man kann keine Erkenntnisse gewinnen, wenn die Basis fehlt.

Dass bei uns die Mieten höher sind als in Berlin, ist übrigens kein Wunder - es wäre merkwürdig, wenn es anders wäre. Berlin besteht ja nicht nur aus den charmanten Altbauten von Charlottenburg und Wilmersdorf, sondern auch aus den Betonwüsten von Neukölln, Lichtenberg, Spandau und Marzahn-Hellersdorf. Außerdem ist das Durchschnittseinkommen in Bayern elf Prozent höher als in Berlin.

Wer Bewertungen vornehmen will, braucht eine verlässliche Datenbasis. Oft missachtet auch die Landsberger Politik diesen Grundsatz. Dafür gibt es drei aktuelle Beispiele. Nummer 1: Die UBV möchte das Thema Verkehr in den Wahlkampf einbringen und argumentiert, man müsse dazu das in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten nicht abwarten. Aber auf welcher Datenbasis entscheiden wir dann? Wie berechnen wir die Auswirkungen von Maßnahmen? Welches Fahrgastzahlenmodell legen wir für den ÖPNV zugrunde? Und lassen wir die Erfahrungen von anderswo einfach außer Betracht? Landsberg leidet darunter, Gutachten in Auftrag zu geben und sie dann zu ignorieren. Die UBV-Strategie perfektioniert das nun: Wir ignorieren die Gutachten ab jetzt schon vor ihrer Fertigstellung.

Zweites Beispiel: Der Stadtrat berät über eine Mobilitätssatzung. Sie soll die Anforderungen an den Bau von Park- und Tiefgaragenplätzen reduzieren, wenn eine gute ÖPNV-Anbindung (Bahn und Bus) und eine ausreichende Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs vorliegen. Parameter sind auch Car-Sharing-Angebote und Fahrrad-Abstellplätze. Erster Nutznießer wäre das Urbane Leben am Papierbach; von dort geht die Initiative zu der Änderung auch aus.

Zwar ist der Grundgedanke richtig: Man kann nicht den Verkehr vom Auto auf Bus und Fahrrad verlagern und trotzdem unverändert viele PKW-Stellplätze vorschreiben. Aber noch fehlt die Basis für eine solche Maßnahme. Noch hat man keine Verlagerung bewirkt. Nicht die Absicht zählt, sondern der Erfolg. Dass da eine Haltestelle ist, kann allein nicht ausschlaggebend sein. Abgesehen davon wird nicht jeder, der in einem neuen Verkehrssystem den Bus nimmt, gleich sein Auto abschaffen. Es gibt zunächst nicht weniger Autos - sie werden nur seltener aus der Garage geholt.

Drittes Beispiel: Viele fordern derzeit "kostenlosen ÖPNV" und denken, das würde den sofortigen Umstieg ganz vieler Landsberger auf den Bus bewirken. Keineswegs - die Basis dafür wäre erst ein praktikabler Nahverkehr; es kommt auf passende Routen und einen schnellen Takt an. Ohne Änderungen an diesen Stellschrauben bringt "kostenlos fahren" nur sehr wenig.

Wir sollten (Fall 1) nicht glauben, dass wir alles besser wissen, (Fall 2) niemanden für etwas belohnen, was noch gar nicht eingetreten ist und (Fall 3) nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Können wir uns darauf vielleicht verständigen? Das würde die Diskussion sachlicher machen. Man fühlt sich wohler dabei.

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Selbstverliebt und unproduktiv

Mittwoch, 22.01.2020

Sie sind in einem Geschäft gut beraten worden, die Ware gefällt Ihnen nach wie vor und der Preis war angemessen? Sie kaufen bestimmt wieder dort. En Theater-Abo hat Ihnen neue Perspektiven eröffnet, Freude bereitet und angenehme Stunden beschert? Sie verlängern es wahrscheinlich. Umgekehrt werden Sie zu einem Wechsel tendieren, wenn das geleaste Auto eine lahme Ente war. Und befristete Auftragsverhältnisse werden Sie nicht erneuern, wenn Sie das Ergebnis nicht überzeugt hat. Kurz: Wenn Sie die Wahl haben, etwas fortzusetzen oder zu beenden, dann denken Sie darüber nach, welche Resultate dabei herausgekommen sind.

Im kommunalpolitischen Raum haben Sie - demnächst wieder am 15. März - die Wahl, ob Sie für die Fortsetzung der Tätigkeit eines Amtsträgers oder für einen Neubeginn votieren. Soll dieser Landrat oder jener (Ober-) Bürgermeister seine Tätigkeit weitere sechs Jahre ausüben? Für viele Wähler spielt dabei die Bekanntheit eine große Rolle; das ist der viel zitierte Amtsbonus. Zweiter Aspekt ist die Zugehörigkeit zu einer Partei oder Wählergruppe. Drittwichtigster Parameter für die lokale Wahlentscheidung ist die Programmatik, also das Wahlversprechen.

Alle drei Aspekte haben nur wenig mit der bisherigen Leistung des Amtsträgers zu tun. Die Bekanntheit kann vor allem daraus resultieren, dass sich der Amtsinhaber bei jeder Veranstaltung, bei der er zugegen ist, ungefragt zu denen stellt, die eigentlich aufs Pressefoto gehören. Welcher Partei oder Wählergruppe die Person angehört, spielt auf lokaler und regionaler Ebene nur eine geringe Rolle, zumal es selten eindeutige Mehrheiten in kommunalen Gremien gibt; da sind allenfalls Ausschlusskriterien denkbar. Und Wahlversprechen können doch nur ein Prüfstein für Kandidaten sein, die bislang noch kein Amt innehatten - Amtsträger kann man ja an ihren Resultaten messen.

Hat der zur Wiederwahl anstehende Amtsträger die Gebietskörperschaft, für die er zuständig ist, nach vorne gebracht? Anders ausgedrückt: Hat er wirklich gearbeitet? Hat er Konzepte entwickelt und umgesetzt? Hat er Probleme gelöst? Oder kennt man ihn vor allem von Grußworten und Sitzungsleitungen? Fiel er eher durch unverbindliche Vorschläge und Stellungnahmen auf, die zu nichts geführt haben? Das sollte Ihr erster Maßstab für die Entscheidung über die Wiederwahl des Kandidaten sein. Vergessen Sie die Parameter Bekanntheit, Parteizugehörigkeit und Wahlversprechen - schauen Sie sich die Resultate an!

Wir plädieren nicht dafür, allein Fleiß zu prämieren; wir wollen nur, dass Sie selbstverliebte und unproduktive Amtsausübungen erkennen, als Ausschlusskriterium für die Stimmabgabe einstufen und nicht achselzuckend hinnehmen. Nicht jeder Amtsinhaber, der am 15. März im Landkreis Landsberg zur Wahl steht, überspringt diese Hürde. Das zweite Kriterium ist, ob Ihnen die Resultate des agilen Amtsträgers gefallen. Es muss aus Ihrer Sicht schon die richtige Richtung sein, in die der Wiederwahl-Kandidat den Kreis, die Stadt, den Markt oder die Gemeinde weiterentwickelt hat; nur dann verdient er ihre Stimme. Aber das ist eine andere Frage.

Wenn Sie die Wahl haben, etwas fortzusetzen oder zu beenden, dann denken Sie darüber nach, welche Resultate dabei herausgekommen sind. Stimmt's? Wenn ja, dann sollten Sie diesen Grundsatz am Wahltag nicht vergessen.

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Gegen die Beschlusslage

Mittwoch, 15.01.2020

Vor vielen Jahren hat man in Landsberg erwogen, die Innenstadt komplett zur Fußgängerzone zu machen und den Hauptplatz für den Verkehr zu sperren. Dann hätte man eine Möglichkeit zur Umfahrung der Altstadt gebraucht. Zur Debatte standen ein Tunnel, eine Brücke durch die Krachenbergschlucht und eine Südumgehung, quasi als Spiegelbild zur nördlichen A96.

Inzwischen hat sich viel verändert. Mit der B17 (neu) haben Bund und Land eine schnelle Verbindung zwischen dem Landsberger Süden und der Autobahn geschaffen. Die Stadt gestaltete außerdem den Hauptplatz um und änderte die Verkehrsführung; das war zugleich ein Signal gegen die autofreie Altstadt. Seit 2018, seit der Verabschiedung des Strategiepapiers "Landsberg 2035", ist das auch Beschlusslage.

Es gibt daher keinen Grund mehr für eine Südspange, zumal man inzwischen weiß, dass der Durchgangsverkehr gar nicht Landsbergs Problem ist - Binnen-Bewegungen stehen im Vordergrund, 45 Prozent aller Fahrten sind sogar kürzer als drei Kilometer. Eine neue Trasse würde allenfalls bewirken, dass München-Pendler aus Schongau, Denklingen, Fuchstal und Unterdießen pro Tag drei Minuten Fahrzeit sparen.

Außerdem hat die Stadt beschlossen, die Natur und Umwelt im Landsberger Süden zu schützen. Eine Autobrücke über den Lech und eine Betonpiste durch Pössinger Au und Teufelsküche wären damit unvereinbar. Landsberg wird das Fass "Südumgehung" daher sicher nicht wieder aufmachen. Die Stadt wird den öffentlichen Nahverkehr stärken, die Mobilität per Fahrrad erleichtern sowie gute Verknüpfungen zwischen diesen beiden Verkehrsträgern schaffen. Das ist Kraftakt genug.

Warum Landrat Thomas Eichinger nun die Südumgehung aus der Schublade zieht, ist ein Mysterium. Zwei seiner Mitarbeiter haben im Strategieteam "Mobilität und Umwelt" von "Landsberg 2035" mitgewirkt; Nicht-Wissen kann es also nicht sein. Der Landrat ignoriert die Beschlusslage der Stadt und stellt ein viele Millionen teures Projekt in den Raum, das nur geringe Wirkung hätte. Hilfreicher wäre, der Landkreis würde die Stadt und die Gemeinden bei der Verkehrswende unterstützen. Ausreichend kostenlose Parkplätze in Kaufering und Geltendorf sowie ein attraktiver Nahverkehr sind die beiden wichtigsten Themen. Schwärmereien für Autostraßen passen dazu nicht.

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Stadtrat für den Wandel

Mittwoch, 08.01.2020

Wem trauen Sie zu, Landsberg in den nächsten sechs Jahren auf den richtigen Weg zu bringen? Die meisten von Ihnen werden sagen: Einer Partei oder Wählergruppe allein sicher nicht. Das trifft sich gut, denn Sie haben bei der Wahl am 15. März die Möglichkeit, sich einen Stadtrat Ihrer Wahl zusammenzustellen, indem Sie 30 Stimmen auf Kandidaten unterschiedlicher Listen verteilen.

Das Verfahren ist schnell erklärt: Sie können Bewerbern unabhängig davon, auf welcher Liste (gleich Wahlvorschlag) sie stehen, eine, zwei oder drei Stimmen geben. Beispielsweise können Sie den Kandidaten, die aus Ihrer Sicht auf jeden Fall in den Stadtrat kommen sollen, jeweils drei Stimmen zuordnen, indem sie neben ihren Namen die Ziffer 3 schreiben. Einigen weiteren geben Sie beispielsweise zwei Stimmen und nochmal anderen eine Stimme. Sie können Ihre Stimmen aber auch völlig anders stückeln. Am Ende werden Sie einen Stimmzettel haben, auf dem kreuz und quer Ziffern stehen. Genauso hat sich der Gesetzgeber das gedacht.

Haben Sie am Ende dieser Personenwahl noch Stimmen übrig, können Sie den Rest durch einfaches Ankreuzen der Liste pauschal einer Partei oder Wählergruppe geben. Diese Stimmen werden dann auf die Kandidaten in der aufgeführten Reihenfolge verteilt. Haben Sie beispielsweise acht Stimmen noch nicht vergeben, bekommen durch das pauschale Ankreuzen der Liste die ersten acht Personen je eine Stimme. Sie können auch eine oder mehrere Kandidaten aus der Liste streichen. Entfernen Sie in unserem Beispiel die Bewerber, die auf den Plätzen 3 und 5 stehen, profitieren davon die Kandidaten Nummer 9 und Nummer 10.

Insgesamt erhalten Sie vier Stimmzettel. Die Wahl der Kreistagsmitglieder funktioniert genau wie die Wahl der Mitglieder des Stadtrats; nur können Sie dabei nicht 30, sondern 60 Stimmen vergeben. Der dritte Stimmzettel ist für die Oberbürgermeister-, der vierte für die Landratswahl.

Wer sich für Briefwahl entscheidet, ist bei der Stadtrats- und Kreistagswahl im Vorteil, denn am Tisch zu Hause lässt sich die Stimmenverteilung ruhiger und überlegter vornehmen als wenn man den ziemlich großen Wahlzettel erstmals im Abstimmungsraum zu Gesicht bekommt. Jeder hat das Recht, Briefwahlunterlagen anzufordern; einen Grund dafür muss man nicht angeben. Die Rücksendung der Stimmzettel ist portofrei. Wer keine Briefwahl macht und trotzdem sicher sein will, die gewünschten Kandidaten zu wählen, darf Papier, zum Beispiel einen Spickzettel, mit in die Wahlkabine nehmen.

Die Kommunalwahl ist aufgrund des Verfahrens in erster Linie eine Personenwahl. Wer einen bekannten Namen hat, ist dabei im Vorteil. Ebenso begünstigt sind Kandidaten, die häufig in der Presse stehen oder sich kurz vor der Wahl besonders oft zu Wort melden. Amtierende Stadträte haben gegenüber neuen Bewerbern ebenfalls einen Startvorsprung. Für viele Wähler ist die Stimmabgabe eine Art Memory-Spiel: Den oder die kenne ich, den oder die wähle ich.

Deswegen sollten sich alle nicht so etablierten Kandidaten in den zwei kommenden Monaten intensiv darum bemühen, neue Bekanntschaften zu schließen. Und Wähler sollten dem gegenüber aufgeschlossen sein. Wer den Wandel will, muss auch den Wechsel wagen.

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Der landsbergblog macht Pause

Samstag, 21.12.2019

Der landsbergblog macht Weihnachtspause. Auf dieser Website finden Sie neue Beiträge wieder ab dem 8. Januar 2020. Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Übergang ins neue Jahr!


Erst Freunde, dann Halunken

Mittwoch, 18.12.2019

Am Anfang dachten wir: Die Geschichte ist keine. Die in der vergangenen Woche aufkommende Frage, ob Stadtrat und OB-Kandidat Felix Bredschneijder (SPD) in einer "Zwickmühle" sei, weil er doch Ex-OB Ingo Lehmann (SPD) "gegen die Stadt" vertrete, werde sich binnen Minuten klären. Die dazu befragte Stadtjustiziarin Petra Mayr-Endhart hätte ja bloß den Brief von Oberbürgermeister Mathias Neuner (CSU) an seinen Amtsvorgänger zitieren müssen: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie auf der Seite der Stadt dem Rechtsstreit beitreten und uns in unserem Anliegen gegenüber der Bank unterstützen“. Also für die Stadt, nicht dagegen. Unterstützung, sehr begrüßen. Das war's, alles klar, nächstes Thema.

Aber dann gab die Justiziarin merkwürdige Antworten. Sie wies auf Artikel 50 der Gemeindeordnung hin, der es verbietet, dass Stadträte Ansprüche Dritter "gegen die Gemeinde" geltend machen. Und nach § 43a der Rechtsanwaltsordnung dürfe ein Anwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Wieso plötzlich "gegen die Gemeinde"? Wieso "widerstreitende Interessen"? Jeder, der die Derivate-Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht München verfolgte, wusste: Lehmann ist auf Seiten der Stadt und nicht etwa auf Seiten der Bank. Es sind die gleichen Interessen, nicht etwa widerstreitende. Lehmann wollte keineswegs, dass die Stadt zahlt; er wollte, dass die Bank haftet. Deswegen hatte die Stadt ja auch die Übernahme "jeglicher Kosten" Lehmanns zugesagt.

Auch Bredschneijder war perplex. Er erfuhr aus der Presse, seine Rolle sei ungewöhnlich, unsensibel, ja sogar seltsam. Erst nach längerer Recherche wurde klar, warum die Stadt nach sechsjähriger Zusammenarbeit diese Kehrtwende macht und einen Makel konstruiert: Sie will sich damit die Kostenerstattung ersparen. Sie plädiert, nachdem andere Argumente nicht zu fruchten scheinen, auf Nichtigkeit der Beratung im Innenverhältnis Bredschneijder - Lehmann wegen Interessenkonflikts aus Kommunal- und Standesrecht. Sie hofft auf die Kette "Lehmann muss nichts an Bredschneijder zahlen und die Stadt daher nichts an Lehmann".

Natürlich darf jeder in einem Schriftsatz geltend machen, was er mag. Was aber hier geschieht ist das Anprangern von zwei Menschen aus einem prozesstaktischen Motiv. Lehmann wie Bredschneijder werden nach einer jahrelang praktizierten und sogar ausdrücklich erbetenen Zusammenarbeit plötzlich zu Übeltätern gemacht. Nein, sie waren nicht für uns, sie waren gegen uns!

Erst sind sie Freunde, dann Halunken - so etwas geht nicht. Diese Volte ist unanständig. Die beiden Betroffenen sehen sie zurecht mit Fassungslosigkeit. Klar, es geht um einen sechsstelligen Betrag. Klar, die Stadt versucht, mit dem Rücken zur Wand, ihre wegschwimmenden Felle zu retten. Aber Verunglimpfung darf kein Instrument der allgemeinen Verwaltung sein, aus welchem Grund das auch immer geschieht.

Oberbürgermeister Mathias Neuner täte gut daran, dazu nicht zu schweigen. Die Anfrage des KREISBOTEN hätte Gelegenheit gegeben, den Sachverhalt klarzustellen: „Wir haben Lehmann gebeten, sich am Prozess zu beteiligen. Das war nicht gegen die Stadt, es war für die Stadt.“ Fürsorge und Ehrlichkeit gebieten das. Kommt das noch?

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Keule statt Florett

Mittwoch, 11.12.2019

(Kultur-) Bürgermeister Axel Flörke ist erstaunt. Der Oberbürgermeister hat ihn beauftragt, die Projektverantwortung für die Landesausstellung zu übernehmen, die 2024 im dann renovierten Neuen Stadtmuseum stattfindet. Flörke argumentiert in einer Presseerklärung, Herr Neuner werde doch dafür bezahlt, dass er Beschlüsse des Stadtrates umsetzt. Er dürfe ein derart wichtiges Projekt für die Stadt nicht aus den Händen geben. Außerdem wäre die Stellvertreter-Reihenfolge einzuhalten; erst komme Doris Baumgartl an die Reihe.

Offenbar ist es für Flörke neu, vom OB Aufträge zu erhalten. Das sieht die Gemeindeordnung aber ausdrücklich vor: Der Oberbürgermeister "leitet und verteilt die Geschäfte". Auch die Geschäftsordnung des Landsberger Stadtrats gibt dem Oberbürgermeister das Recht, "einzelne Befugnisse den weiteren Bürgermeistern übertragen". Das gilt natürlich auch und gerade bei der Umsetzung von Stadtratsbeschlüssen und erstreckt sich nicht etwa nur auf wiederkehrende Angelegenheiten der laufenden Verwaltung mit geringer Relevanz.

Mit Vertretung im Fall der Verhinderung hat das Ganze nichts zu tun. Deshalb kann der OB frei wählen, wem er welche Aufgabe überträgt. Er muss nicht erst Doris Baumgartl mit Arbeit zuschütten, ehe Axel Flörke an die Reihe kommt. Und ebenso irrelevant ist, dass der Wahlbeamte Mathias Neuner eine höhere Vergütung erhält als die beiden Bürgermeister. Sie sind zwar "Ehrenbeamte", aber nicht, um sie zu ehren. Anders als bei einem Ehrenbürger ist ihr Titel mit Pflichten verbunden. Wer sich wie Flörke als "beruflich und politisch" bereits "voll belastet" definiert, hätte sich um das Amt nicht bewerben dürfen.

Nun ist das Ganze allerdings ohnehin ein Streit um des Kaisers Bart. Flörke liegt die Landesausstellung nämlich am Herzen, deswegen will er die Aufgabe auch nicht ablehnen. Es ist ja nicht daran gedacht, dass der Pädagoge persönlich den Farbpinsel schwingt oder Vitrinen baut. Außerdem kann er die Bürde in vier Monaten ja wieder abgeben; er braucht nur nicht mehr für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren.

Viele Äußerungen, die in diesen Wochen und Monaten des Wahlkampfs getan werden, sind darauf ausgerichtet, politische Wettbewerber madig zu machen. Flörkes Frage, "ob sich Herr Neuner außer Stande sieht, seine vom Stadtrat übertragenen Aufgaben in Zukunft durchführen zu können", fällt in diese Kategorie. Kultur kennt offenbar wirklich keine Grenzen. Ausgerechnet in einem Bereich, in dem man geschliffenes Florett erwarten könnte, werden unförmige Keulen geschwungen. Und Vorbild will offenbar keiner mehr sein.

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Kein Rat der Egoismen

Mittwoch, 04.12.2019

Es gibt in Landsberg merkwürdige Auffassungen über die Nominierung von Kandidaten für die Kommunalwahl im März nächsten Jahres. Der Maßstab ist: Wir brauchen Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen, die bereit sind, mit hohem Zeitaufwand, guter Vorbereitung und vielen Gesprächen mit Beteiligten und Betroffenen über aktuelle Themen so zu entscheiden, dass ein tragfähiger Interessenausgleich entsteht.

Thema 1: Wir brauchen nicht, wie dies in einem Kommentar zu lesen war, die direkte Repräsentanz aller möglichen Interessen. Ob Kulturschaffende, Einzelhändler, Gewerbetreibende, Landwirte, Altstadtbewohner oder Umweltaktivisten - wenn jemand nur kandidiert, um seinem Anliegen im Stadtrat zum Erfolg zu verhelfen, entsteht ein Gremium ohne Linie und Verantwortung. Ein Rat der Interessen wäre ein Rat der Egoismen. 30 Sitze reichen im Übrigen nicht, um alle Belange abzudecken.

Thema 2: Wir brauchen Stadträte, die auch zeitlich in der Lage sind, zu den Sitzungen zu erscheinen. Wer häufig mittwochsabends ortsabwesend ist, kommt nach Artikel 48 der Bayerischen Gemeindeordnung (Pflicht zur Sitzungsteilnahme) für das Amt nicht in Betracht. Das gilt übrigens auch für Mitglieder des Bayerischen Landtags. Und wer regelmäßig früh nach Hause will, gehört sowieso nicht in den Stadtrat hinein.

Thema 3: Einige Parteien und Wählergruppen nominieren amtierende Stadträte, obwohl sie nicht mehr weitermachen wollen. Sie tun das, um die Liste aufzuhübschen und weniger bekannten Nachrückern den Weg zu ebnen. Sie müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, Stimmen zu erschleichen. Wer auf der Liste steht, muss ernsthaft Stadtrat werden wollen.

Thema 4: Die Parteien und Wählergruppen sind auch verantwortlich dafür, dass sie Kandidaten aufstellen, die gesprächsfähig sind und sich nicht in ihrer eigenen Filterblase verfangen. Wer das Chaos zum Sozius macht, bringt die Stadt auf falschen Kurs. Es gibt ein Leben nach dem Wahltag - dann rächt sich, wenn man mit abenteuerlichen Benennungen populistisch Erfolg erzielen will.

Schon jetzt wird vorgeprägt, wie der neue Stadtrat zusammenarbeitet. Entsteht ein Kollegium, denen das Wohl der Bürger am Herzen liegt? Wird es arbeitsfähig sein und der Verwaltung auf Augenhöhe begegnen? Oder schlagen Wahltaktik und Trickserei in den späteren Stadtrats-Alltag durch? Aufgepasst - da droht Gefahr.

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Der Landrats-Wahlverein

Mittwoch, 27.11.2019

Der SPD-Kreisverband Landsberg hat sich entschieden, keinen Kandidaten (m/w/d) zur Wahl des Landrats aufzustellen. Zur Begründung teilte Kreisvorsitzender Markus Wasserle mit: "In turbulenten Zeiten braucht es Kontinuität". Diese Rechtfertigung ist, mit Verlaub, völliger Unsinn. Zum einen weil wir im Landkreis keine turbulenten Zeiten haben. Allein der Neubau am Penzinger Feld stellt eine gewisse Herausforderung dar. Ansonsten läuft alles so konservativ wie möglich. Turbulenzen? Da muss die SPD von sich auf andere geschlossen haben.

Zum zweiten weil die SPD ihren Anhängern mit dieser Kontinuitätsformel faktisch die Empfehlung gibt, ihre Stimme Amtsinhaber Thomas Eichinger (CSU) zu geben. So etwas kommt zwar vor, aber meist nur bei langjährig tätigen Landräten, die sich höchste Verdienste erworben haben.

Hier aber liegt der Fall anders. Die fragwürdigen Amtsausübungen in Führerscheinstelle, Gesundheitsamt und Jugendamt, die am Klinikum-Verwaltungsrat vorbei erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung in Sachen "Cupertino Consulting", das harte Vorgehen gegenüber den Gemeinden bei der Kreisumlage, das An-sich-Ziehen der Asylsozialberatung, die Einstufung von Flüchtlingen als Obdachlose, die unbegründete Strafanzeige gegen die Leiterin einer sozialen Einrichtung, die Abschaffung des Wichtelgartens - und da empfiehlt die SPD ihren Wählern "Kontinuität"?

Zum dritten ist die Behauptung, in turbulenten Zeiten brauche es Kontinuität, generell absurd. So ein Satz findet sich weder in der Programmatik noch in der Geschichte der SPD. Dann hätte man nach den Studentenunruhen im Jahr 1968 (wenn das keine Turbulenzen waren!) dringend Kurt Georg Kiesinger (CDU) wiederwählen müssen; Willy Brandt (SPD) wäre nie ins Amt gekommen. Kontinuität fordert übrigens meist nur die CDU/CSU, von "Keine Experimente" (1957) über "Weiter so" (1987) bis "Sie kennen mich" (Merkel, 2013).

Wenn die SPD schon so übel dran ist, dass sie niemanden fürs Wahlplakat findet, sollte sie wenigstens nicht zum CSU-Landrats-Wahlverein mutieren. Ihre Kreistagskandidaten können so nämlich ebenfalls keinen Erfolg haben. Welchen Grund soll es haben, sie zu wählen? Sie sind irgendwie dafür und trotzdem irgendwie dagegen. Nein, eine Landkreis-SPD, die die Stimmen von Mitgliedern und Anhängern noch vor einer Stichwahl an den politischen Mitbewerber weiterreicht, kann man getrost vergessen. So leid das tut.

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Zuckerbrot und Peitsche

Mittwoch, 20.11.2019

Der heutige landsbergblog erfordert Transferdenken. Der Landkreis K mit Sitz in der Stadt S kauft von Klosterbauer B den Acker X, um dort ein Bürogebäude zu errichten. K fordert dazu von S einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan.

K weiß: Niemand hat Anspruch darauf, einen Acker zu bebauen. Außerdem sind vorhabenbezogene Bebauungspläne Freibriefe. Wenn eine Stadt jemandem aus Angst vor Arbeitsplatz- oder Bedeutungsverlust eine solche Lösung zugesteht, dann ermöglicht sie ihm, Rosinen zu picken, Einfluss auf die Planung auszuüben, schneller zu bauen und sich später auf Bestandsschutz zu berufen. Sie legt ihm den roten Teppich aus.

S könnte sich aber darauf einlassen, einen ganz normalen (allgemeinen) Bebauungsplan für das Gebiet aufstellen, zumal die Stadt Gewerbeflächen braucht. Man könnte also die benachbarten Flächen Y und Z kaufen und dann einen Bebauungsplan für das Gesamtareal X, Y und Z machen. Daher bietet S dem B einen Kaufpreis entsprechend der Marktlage und zusätzlich landwirtschaftliche Flächen zum Tausch an.

Allerdings hatte K dem B für X einen um 60 Prozent höheren Kaufpreis geboten, außerdem ebenfalls Tauschflächen. B bittet S charmant darum, diese Konditionen auf Y und Z zu übertragen. Außerdem wünscht sich B ganz besondere landwirtschaftliche Flächen aus dem Bestand der Stadt. Parallel erhöht K den Druck von außen und erklärt, wenn S jetzt nicht sofort eine Entscheidung treffe, werde er sie verlassen. An einem Industriegebiet neben dem Bürogebäude hat er wenig Interesse. Freie Sicht und Landluft sind ihm lieber. Am Ende gibt es noch Klagen über den Würstchengeruch aus der Landkreiskantine.

Dem Verwaltungschef von S soll das Ergebnis recht gewesen sein, schreibt sein Pressesprecher: "Man hat sich auf die Konditionen einigen können." Der Stadtrat aber will den Preis und die vielen besonderen Ausgleichsflächen nicht akzeptieren. Einige Mitglieder waren ohnehin gegen jede Versiegelung an dieser Stelle. K's Strategie aus Zuckerbrot (gegenüber B) und Peitsche (gegenüber S) hat gewirkt. Er bekommt seinen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. S muss nun überlegen, welche anderen Flächen im Stadtgebiet für Gewerbebetriebe in Frage kommen. Y und Z bleiben dauerhaft Ackerland.

Vorsichtshalber erklären wir den heutigen landsbergblog zur Satire.

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Wir müssen mal reden

Mittwoch, 13.11.2019

Leute, wir müssen mal reden. Ihr, die Unterstützer von "Fridays for Future", wollt am 29. November in Dießen und anderswo die Proteste gegen die Klimapolitik verschärfen. Ihr werdet, so schreibt Ihr, "wütend" auftreten, unter anderem "in Parteibüros, Einkaufszentren, auf Straßenkreuzungen und vor Kraftwerken".

Wir begrüßen, dass Ihr Euch politisch engagiert - das ist die Basis der Demokratie. Und wir freuen uns über das steigende Klimabewusstsein, zu dem Ihr beigetragen habt. Aber nun überschreitet Ihr Grenzen. Unerträglich war bereits, dass Eure Sprecher die parlamentarische Demokratie als Problemfall dargestellt haben. Die Wahrheit ist: Ohne Parteien und Parlamente würde beim Klimaschutz überhaupt nichts vorangehen. Entrückten Präsidenten, Diktatoren und Oligarchen ist die Entwicklung des Klimas nämlich egal. Sie denken vor allem daran, wie sie an der Macht bleiben können.

Es geht Euch, so sagt Ihr, nicht schnell genug. Aber wer nicht behutsam vorgeht, treibt die Menschen in die Arme derer, die versprechen, mit ihnen könnten alle auch künftig ungeschmälert ihre alten Diesel fahren, ihre antike Öl-Heizung betreiben und billig mit dem Flieger in die Ferne reisen. Wer Angst hat, Verlierer zu sein, wählt Populisten.

Wir können nicht von heute auf morgen wie Schweden werden. Das Energie-Musterland hat nur ein Achtel der Einwohner und nur ein Siebtel der Wirtschaftsleistung Deutschlands. 22 Prozent des Stroms kommt aus Atomkraftwerken. Gebirgsflüsse aus zwölf Zweitausendern ermöglichen einen 44-Prozent-Anteil der Wasserkraft. Hierzulande dauert es schon Jahre, bis ein Windrad, eine Bahnlinie oder eine Stromtrasse per Urteil genehmigt ist.

Außerdem kann Deutschland allein nur wenig bewirken. Wir brauchen Maßnahmen in der ganzen Welt, vor allem in Indien, Brasilien, China, Russland und Amerika. Das geht nur mit einer hartnäckigen Arbeit internationaler Organisationen.

Dass Ihr demonstriert, das ist ok. Nicht ok sind aber Aktionen, die über das Demonstrationsrecht hinausgehen; damit verspielt Ihr die Unterstützung derer, die Demos zur Unterrichtszeit bislang tolerierten. Ebenso ist es nicht ok, dass Ihr Euch als Vereinfacher positioniert und wie Wutbürger geriert. Wenn künftig alte Vereinfacher und Wutbürger jungen Vereinfachern und Wutbürgern gegenüberstehen, bringt das gar nichts. Das ist ein falscher Weg. Ihr solltet ihn überdenken.

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So konsequent, so gradlinig

Mittwoch, 06.11.2019

Die Stadt hat den Bürgerbrief des Oberbürgermeisters für den Monat November verschickt. Mathias Neuner vergleicht darin die finanzielle Lage Landsbergs im Jahr 2012 mit der von heute und schreibt, die deutliche Verbesserung sei auf den "Konsolidierungskurs" zurückzuführen, den "wir gemeinsam mit dem Team der Kämmerei und dem Stadtrat eingeschlagen und konsequent verfolgt haben“. Für die breite Unterstützung dieses Kurses danke er.

Mit "wir" meint Neuner, nachdem er Kämmerei und Stadtrat als Mitwirkende ausgesondert hat, erkennbar sich selbst. Der erste Gedanke aller anderen Sachkundigen aber richtet sich auf Stadtkämmerer Peter Jung. Er hat sich ab 2012 sieben Jahre lang um Landsbergs Finanzen verdient gemacht. Er holte Jahresabschlüsse nach, stellte den Kontenrahmen um, beendete Kassenkredite, schuf Transparenz und sorgte dafür, dass die Kette von der Bilanz des Vorjahres bis zum Haushaltsbeschluss des Folgejahres lückenlos wurde. Selten hat ein städtischer Bediensteter so engagiert und effektiv gearbeitet wie er. Dass der Name Peter Jung in einem Bürgerbrief zu den Finanzen der Stadt nicht vorkommt, ist beschämend, genau einen Tag nach seinem Ausscheiden sogar unverschämt.

Zweifelhaft ist die Aussage aber auch inhaltlich. Der anscheinend siebenjährige Konsolidierungskurs, der zu Einsparungen und Abgabenerhöhungen führte, war eher eine punktuelle Aktion. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren wieder Denkmäler saniert, die Mittelschule finanziert und Bauplanungen durchgeführt. Möglich wurde das vor allem, weil sich die Gewerbesteuereinnahmen Landsbergs seit 2012 mehr als verdoppelt haben. Diese Entwicklung bleibt im Brief unerwähnt, vielleicht damit keiner fragt, warum man die Belastungen der Bürger aus dem Jahr 2013 jetzt nicht wieder rückgängig macht, zumal wir 40 Millionen Euro auf dem Konto haben.

Zum Schluss schreibt Neuner: "So konsequent und geradlinig, wie ich meine Aufgaben in den vergangenen acht Jahren vorangetrieben habe, werde ich gerne auch weitermachen. Mit Ihrer Unterstützung wird mir das auch gelingen. Sie kennen mich." Das ist ein hübsches Beispiel für unzulässige Wahlwerbung in einer städtischen Publikation. Der Bürgerbrief mit dem Logo der Großen Kreisstadt wird über den Verteiler der Stadt versandt. Um Stimmen muss sich Neuner schon auf dem gleichen Weg bemühen wie alle anderen Kandidaten auch.

Konsequenz und Gradlinigkeit sind übrigens nicht die Eigenschaften, die Kritiker an Mathias Neuner vermissen. Bei Kommunikation und Empathie sieht es schon etwas anders aus. Dieser Bürgerbrief ist ein Beleg dafür.

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Geht nicht oder will ich nicht?

Mittwoch, 30.10.2019

In der Stadtratssitzung vom vergangenen Mittwoch haben Oberbürgermeister Mathias Neuner und die CSU-Fraktion in letzter Minute die Einleitung konkreter Schritte zur Sanierung des Neuen Stadtmuseums verhindert. Obwohl das Thema beschlussreif auf der Tagesordnung stand, wurde es vertagt.

Die an der Planung Beteiligten reagierten darauf irritiert. Der Stadtrat beschloss vor anderthalb Jahren die Beibehaltung des Museums an gleicher Stelle. Architekten stellten Konzepte zur Behebung des Brandschutzproblems vor. Die Museumsleiterin entwarf die neue Dauerausstellung. Und der Freistaat erhielt von der Stadt das Angebot, das Haus 2024 für ein Jahr exklusiv zu nutzen. Warum soll das nun alles nicht mehr gelten?

Eine überzeugende Antwort sucht man vergebens. Stattdessen werden Kapazitätsengpässe im Hochbauamt und fehlende Infrastruktur genannt. Aber das Vorhaben ist seit über einem Jahr bekannt. Es war genug Zeit, den Stellenplan anzupassen und sich externe Projekt- und Planungshilfe zu holen. Die Stadt entwickelt Riesen-Baugebiete, deklariert sich aber als überfordert, wenn es um eine einfache Sanierung im Bestand geht?

Die Wahrheit ist wohl eine andere. Es ist ein erprobtes Mittel der Politik, "geht nicht" zu sagen und "will ich nicht" zu meinen. Irgendjemand ist auf die Idee gekommen, das benachbarte Jesuitenkolleg zu einer "Tagungsstätte" umzubauen. Verlockend seien die umfangreichen Fördermittel. So könnte man sich einen großen Teil der enormen Sanierungskosten vom Freistaat erstatten lassen. Im bisherigen Museumsgebäude sollen dann die Kongress- und Schulungsräume untergebracht werden.

So etwas kann man erwägen. Für das Museum käme dann der Spitalplatz in Frage. Aber gibt es wirklich einen Bedarf für eine Tagungsstätte? Wie hat man ihn festgestellt? Wer soll die Einrichtung betreiben? Welche Kosten entstehen pro Jahr? Welche Entgelte sind geplant? Mit wie vielen Teilnehmertagen rechnet man? Über welche Inhalte reden wir? Wieviel Personalbedarf ergibt sich? Wo parken die Besucher und Mitarbeiter?

Keine dieser Fragen ist beantwortet. So richtig vermisst haben wir eine Tagungsstätte mit Hotelbetrieb in Landsberg bislang ja nicht. Und anders als viele Klöster und Einrichtungen um uns herum hat die Stadt auch keine natürliche Agenda, geschweige denn eine Mission. An Expertise fehlt es sowieso - eine Tagungsstätte von null auf hundert aufzubauen, wird schwierig sein.

Zuschüsse zu bekommen ist das eine; das geht schon mit einem schlüssigen Konzept. Die Stadt in ein neues Geschäftsfeld zu manövrieren, ist etwas ganz Anderes. Wer das will, muss alle Fragen lückenlos beantworten. Sonst riskieren wir - mit Hilfe des Freistaats - eine Fehlinvestition.

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Was für eine Wertschöpfung?

Mittwoch, 23.10.2019

Das gibt es selten: Fast alle Fraktionen im Stadtrat stellen einen gemeinsamen Antrag. Prinzipiell ist das nicht schlecht; es muss ja nicht jedes Thema kontrovers diskutiert werden. In diesem Fall allerdings - konkret geht es um die Sozialwohnungen am Wiesengrund (siehe Bericht in dieser Ausgabe) - hat die Begeisterung über die Gemeinsamkeit offenbar den Blick auf die Sache getrübt.

Die Idee des Antrags besteht zunächst darin, einen Geldtransfer der Heilig-Geist-Spitalstiftung an die Stadt Landsberg herbeizuführen. Die Stiftung soll der Stadt das Grundstück am Wiesengrund zum Verkehrswert abkaufen. Dadurch hat die Stiftung weniger und die Stadt mehr Geld. Zwar kommt auch Erbpacht in Frage. Der Effekt ist aber der gleiche, nur dass er erst nach und nach eintritt.

Anschließend soll die Stiftung auf dem erworbenen Grundstück Sozialwohnungen errichten und betreiben. Sie wird damit ein zweites Mal in Anspruch genommen. Den Großteil der Mittel dazu muss sie sich beschaffen, entweder über den Verkauf von Wald oder durch die Aufnahme von Darlehen.

Im Antrag heißt es dazu, sie erziele ja "eine Wertschöpfung durch Bebauung". Was für eine Wertschöpfung? Wenn es ein einträgliches Geschäft wäre, Sozialwohnungen zu bauen, gäbe es keinen Mangel daran. Richtig ist: Die Wertschöpfung entsteht bereits vor der Bebauung, aber ganz woanders - beim Grundstückseigentümer, also der Stadt.

Die Stiftung erzielt erstmal lange keine Vorteile, im Gegenteil: Sie erwirbt in einer Phase der Überhitzung ein Grundstück, dessen Marktwert wohl bald wieder sinken wird. Nun wird sie zur Bauherrin und damit zur Trägerin des Risikos. Sie muss in einer Zeit hoher Baukosten Gebäude nach anspruchsvollen Energiestandards errichten, darf aber auf Jahrzehnte nur begrenzte Erlöse erzielen und hat auch noch den späteren Betriebsaufwand zu tragen.

Im Antrag selbst steht zurecht, dass das mit vielen Fragen verbunden ist, beispielsweise ob dieses Vorgehen dem Stiftungszweck, der Fürsorge für Arme und Elende, entspricht und ob die Stiftung zuschussrechtlich als "Kommune" durchgeht. Darauf kommt es aber gar nicht mehr an. Stadträte sind gegenüber der (nicht rechtsfähigen) Stiftung zur "diligentia quam in suis" verpflichtet, zur "Sorgfalt wie in eigener Angelegenheit". Sie müssen sich fragen: Wäre "ich" die Stiftung, träte ich dann jetzt an die Stadt heran und würde diese Transaktion vorschlagen?

Die Antwort ist "Nein, sicher nicht." Zwar soll die Stiftung Geld ausgeben; Reichtum ist nicht ihr Ziel. Aber das Geld muss bei den Menschen ankommen und darf nicht im Stadtsäckel landen. Wer die Stiftung in einen Kauf zur Unzeit, eine Verpflichtung mit hohem Risiko, ein lange Kapitalbindung und zudem noch in Verbindlichkeiten hineindrängt, handelt nicht in ihrem Interesse. Die Stiftung soll Gutes tun; Gefälligkeiten gegenüber der Stadt gehören aber nicht dazu.

Es ist erstaunlich, dass unter den Protagonisten des Antrags auch diejenigen sind, die frühere Inanspruchnahmen der Stiftung strikt verurteilten. Man habe sich "beim Heiligen Geist bedient" hieß es noch vor Kurzem - Stichwort Frauenwald, Stichwort Betreutes Wohnen. Das hat man korrigiert. Jetzt ist der Stadtrat aber wieder auf dem gleichen Weg. Hat man denn wirklich nichts gelernt?

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Tom, der Baumeister

Mittwoch, 16.10.2019

Landrat Thomas Eichinger hat der Stadt Landsberg mit Zustimmung des Kreisausschusses eine Frist gesetzt. Schenkt man ihm bis Weihnachten für das neue Landratsamt kein Baurecht, spielt er nicht mehr mit. Er bringt dann seine Klötzchen woanders hin.

Kurz nachdem Thomas das erste Mal zur Kita gebracht wurde, war er auf die Ecke im Spielzimmer zugesteuert, an der bislang die klingenden Kugeln lagen. Das sei jetzt seine Ecke, teilte er mit. Die Kindergartenleitung möge sie bitte für ein größeres Lego Duplo Projekt herrichten. Eine spätere Ausweitung auf Playmobil sei vorstellbar.

Als sich alle ein paar Tage später im Halbkreis eingefunden und einen Kakao getrunken hatten, gab Marie, die Erzieherin, zu bedenken, ob er nicht eine der freien Flächen nutzen könne, die es in der Einrichtung ohnehin noch gebe. "Sieh mal, Thomas", sagte sie behutsam, "dann bist Du auch nicht soweit weg von den anderen".

Doch Thomas gab zu verstehen, er habe alle in Frage kommenden Plätze bereits geprüft. Keiner komme in Frage. In die vorhandenen Flächen passe ja noch nicht mal das LEGO-Set 2304, "Große Bauplatte in grün". Ganz zu schweigen von Nummer 1803 "Weitläufiges Bürogebäude mit Innenhof und Restaurant".

Außerdem sei die von ihm präferierte Randlage ideal. Die meisten anderen Kinder seien ohnehin die ganze Zeit auf ihren Baby Racern und Bobby Cars unterwegs. Da liege die Ecke, die er sich ausgesucht hat, sogar ausgesprochen günstig.

Marie entgegnete, eigentlich sei ja geplant, die Zahl der Baby Racer und Bobby Cars wegen des Klimawandels zu reduzieren. Doch damit kam sie bei ihm nicht an. Thomas verstand das Wort "reduzieren" nicht.

Am Ende lenkte Marie ein. Allerdings waren sie und viele Kinder der Meinung, wenn schon umgestaltet werde, sollten alle etwas davon haben. Man müsse ja ohnehin einen Plan erstellen und so etwas erfordere halt etwas Zeit.

Das hatte Thomas auch erstmal akzeptiert. Dann aber teilte er mit, nicht länger warten zu können. Er habe bereits in den Steine-Eimer LEGO Duplo 1004 investiert und sich im "Zusammengebaut"-Forum als "Baumeister Tom" registriert. Es gebe andere Kindertagesstätten, die schneller Baurecht schaffen, stellte er trocken fest.

Marie und die Kinder freuten sich so unauffällig wie möglich. Sie wandten sich wieder den klingenden Kugeln zu. Die drehten sich an diesem Tag aus irgendeinem Grund schneller als sonst.

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Das ewige Ja-Aber

Mittwoch, 09.10.2019

Es ist immer das Gleiche: Jemand hat einen Erfolg erzielt, doch sofort wird nach Argumenten gesucht, um diesen Erfolg zu relativieren. Es ist als wenn wir ein Volk der Nicht-Lober, Nicht-Gönner, Neid-Hammel und Negativierer wären, Pessimisten durch und durch, mit der angeborenen und nicht ablegbaren Absicht, in Permanenz zu verdeutlichen, dass zu Freude niemals Anlass ist.

So auch beim Jahresabschluss der Stadt Landsberg für das Jahr 2018. Er ist der beste Abschluss seit Jahren und ein wertvolles Abschiedsgeschenk von Kämmerer Peter Jung an seinen Arbeitgeber. Wer acht Jahre zurückblickt, der weiß, was da für eine Leistung hinter steckt. Als Jung sein Amt antrat, da war die Stadt in einer finanziellen Krise. Der Umstieg auf die neue Buchhaltung war nicht abgeschlossen. Der Investitionsstau in Sachen Instandhaltung war enorm. Die Kassenkredite waren unverantwortlich umfangreich. Nur wusste das kaum jemand; stattdessen lobte der damalige Oberbürgermeister die Stadtfinanzen in Interviews über den grünen Klee.

2018 ist das alles überwunden. Die Stadt finanziert ihre laufende Verwaltungstätigkeit problemlos. Sie hat einen positiven Cash flow. Sie verfügt über ausreichende Finanzreserven. Ihre Verschuldung ist vergleichsweise gering. Die Kassenkredite sind nicht mehr erwähnenswert. Und das obwohl kräftig investiert wurde, zum Beispiel in die Mittelschule und das Bayertor.

Trotzdem können es einige Stadträte, die sich eher oppositionell begreifen, nicht lassen, das ewige Ja-Aber abzuspulen.

Ja, aber wir haben 2018 doch nicht alles Geld ausgegeben, was wir ausgeben wollten. Ha, erwischt! Ist gar nicht so großartig mit dem Gewinn! Dabei wird übersehen, dass wir natürlich 2017 und 2016 und 2015 ebenfalls Haushaltsreste in Millionenhöhe hatten (2016 war der nicht ausgegebene Betrag übrigens genauso hoch wie 2018). Und es ist absehbar, dass es 2019 und 2020 und 2021 wieder Haushaltsreste geben wird. Also kann man sehr wohl die Ergebnisse der Haushaltsjahre miteinander vergleichen. Mal ganz abgesehen davon, dass es gar nicht die Aufgabe der Stadt ist, Gewinn zu machen. Dann hat sie genau betrachtet ein bisschen zu viel Geld von Bürgern und Unternehmen kassiert.

Das Gleiche gilt, was die eingestellten Zahlungen an Hauck & Aufhäuser betrifft. Dass wir Geld zurückhalten, ist nicht neu und hat nichts mit dem Haushaltsjahr 2018 zu tun. Kein Kämmerer oder Finanzvorstand hat gerne Rückstellungen in seiner Bilanz; niemand stockt sie wegen Zinsen gerne auf. Aber umgekehrt käme auch kein Vorstand und kein Aufsichtsrat auf die Idee, dem Anspruch einfach stattzugeben, nur weil ihn Rückstellungen nervös machen.

Wir können gerne grundsätzlich über Haushaltsreste reden und gerne immer wieder grundsätzlich über die Frage, warum Kommunen eigentlich Derivate kaufen durften, ja fast mussten. Aber dann bitte als eigenständige Themen und nicht immer wieder, ob es passt oder nicht, als ewiges Ja-Aber in jedem Haushaltsjahr. Das ist ungerecht gegenüber dem Kämmerer und der Verwaltung. Es ist irreführend gegenüber der Öffentlichkeit. Und es ist so etwas wie eine programmierte Verdrossenheit: Alles ist schlecht. Nichts ist gut. Die Lage ist nachhaltig und immerwährend hoffnungslos.

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Landsbergs erste Reihe

Mittwoch, 02.10.2019

Mit Mathias Neuner, Moritz Hartmann und Felix Bredschneijder schicken die CSU, die Grünen und die SPD drei Kommunalpolitiker aus Landsbergs erster Reihe in den Wettbewerb um das Amt des Oberbürgermeisters. Sie haben alles, was man dafür braucht. Sie verbrachten mindestens eine volle Amtszeit im Stadtrat und wissen daher, wie dort der Hase läuft. Sie sind Vorsitzende des Orts- oder Kreisverbands ihrer jeweiligen Partei, die den einstimmigen Nominierungen zufolge voll hinter ihnen steht. Und sie haben in den vergangenen sechs Jahren bewiesen, dass sie auch schwierige Herausforderungen sachlich, fundiert und ohne populistische Anbiederung bestehen.

Dass neben Amtsinhaber Neuner auch Hartmann und Bredschneijder auf dem Wahlzettel stehen würden, war absehbar. Hartmann gefiel uns in den vergangenen Jahren im Stadtrat und Kreistag besonders durch seine Sachkunde, die weit über sein Spezialthema "Jugend" hinausgeht. Wenn er sich zu Wort meldet, ist das wohlüberlegt und oft schon mit einem Kompromissvorschlag verbunden. Hartmann ist auch verlässlicher Vorreiter des Protests gegen rechte Parteien und Gruppierungen. Bredschneijder zeigte bei seinen mit Humor gespickten Haushaltsreden, wie sehr er in seiner Zeit im Stadtrat in die Verwaltung und die Finanzen der Stadt eingetaucht ist. Als Sportreferent ist er in den Vereinen verwurzelt. Als Verwaltungsrat der Stadtwerke hat er eine weitere, schwierige Aufgabe übernommen.

Beide werden es allerdings nicht leicht haben, sich gegenüber Amtsinhaber Mathias Neuner zu differenzieren und zu begründen, warum er abgelöst werden muss. Denn in den meisten inhaltlichen Fragen gab es kaum Dissens; alle wichtigen Projekte wurden einvernehmlich, oft sogar einstimmig auf den Weg gebracht. Und Neuner hat keine Achillesferse, keinen objektiven Schwachpunkt, an dem man ihn packen könnte. Zwar musste er anfänglich Blessuren verkraften; inzwischen hat er allen anderen Kandidaten mit seiner achtjährigen Führungserfahrung in der Verwaltung und einem positiven "track record" aber einiges voraus. Außerdem ist in Landsberg noch nie ein amtierender Oberbürgermeister nach seiner ersten Amtszeit abgewählt worden.

Ohne wirklichen Dissens dürfte sich die inhaltliche Auseinandersetzung im Bereich programmatischer Formeln abspielen. Griffigkeit und Glaubwürdigkeit treten dadurch in den Vordergrund. Wer schafft es am besten, Konzepte zu den Themenfeldern Wohnen und Wachstum sowie Klima und Verkehr so auf den Punkt zu bringen, dass sie den unterschiedlichen Interessen der Landsberger Bürger gerecht werden - unter gleichzeitiger Verdeutlichung der eigenen Kompetenz, vorgeschlagene Lösungen in einem schwierigen Umfeld auch durchzusetzen? Zwar ist der Oberbürgermeister kein Regierungschef; der Stadtrat führt Regie. Aber idealerweise stimmt der OB mit möglichst vielen Stadträten und möglichst vielen Bürgern inhaltlich überein; das erleichtert kommunale Politik doch sehr.

Festzuhalten bleibt bereits jetzt: Wer im März 2020 aus dem Wettbewerb nicht als Sieger hervorgeht, wird dennoch in Landsberg gebraucht. Es sind ja noch weitere Ämter zu vergeben. Die Stadt wird davon profitieren; sie hat ohnehin Glück, dass sie so viele talentierte Mandatsträger hat.

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Nur mit mehr Bequemlichkeit

Mittwoch, 25.09.2019

Zum Klimaschutz gehört die kommunale Verkehrswende. Aber viele Bürger fürchten sich davor. Selbst Stadtratsmitglieder sprechen von absehbaren Leiden und Entbehrungen. Der richtige Ansatz wäre hingegen, von einer Grundthese auszugehen: Nur Lösungen, die Unbequemlichkeit in Bequemlichkeit verwandeln, haben Aussicht auf Erfolg.

Beispiel Paketdienste. 2018 wurden in Deutschland 3,5 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen zugestellt. Bis 2022 sollen es 4,4 Milliarden Sendungen sein. Jeden Morgen verstopfen Hunderte von Autos von DHL, GLS, Hermes, UPS und anderen Unternehmen die Stadtzentren. Nach einer Studie aus NRW besteht ein Drittel des Düsseldorfer Straßenverkehrs aus solchen Lieferfahrten. Häufig steuern am gleichen Tag mehrere Dienste die gleiche Adresse an.

Das ist unvernünftig und umweltschädlich. Aber es ist auch unbequem. In zweiter Reihe stehende Paketfahrzeuge verursachen Staus und Wartezeiten. Außerdem beliefern Paketdienste Privathaushalte zu Zeiten, in denen häufig niemand zuhause ist - zur vergeblichen Anfahrt kommt dann individueller Abholverkehr hinzu.

Bequem wäre es hingegen, wenn die Lieferungen unterschiedlicher Paketdienste gebündelt zugestellt würden, für Privathaushalte idealerweise am Abend, von einer kleinen Flotte elektrisch betriebener Lieferwagen. Das würde viele Fahrten überflüssig machen, das Problem der fehlenden Paketzusteller lösen und gleichzeitig Subunternehmern den Boden entziehen, die auf prekäre Arbeitsverhältnisse setzen. Es hätte zudem den Vorteil, dass ihn auch der örtliche Einzelhandel nutzen könnte, um bestellte Waren schnell und preiswert zuzustellen. Mit einem Benachrichtigungssystem könnte man vergebliche Zustellversuche vermeiden. Wer unterwegs ist, holt sein Paket einfach nach Rückkehr im Depot ab.

Solche Lösungen sind bisher an mangelndem Engagement der Kommunen gescheitert. Erforderlich ist ein zentrales, mit PKW, Rad und öffentlichem Nahverkehr gut erreichbares Gebäude ohne unmittelbare Wohn-Nachbarschaft. In Landsberg wäre so etwas in der Nähe des Papierbachs realisierbar. Genug Zuschüsse für die Anfangsphase dürfte es geben - Bund und Land unterstützen die Verkehrswende mit viel Geld.

Weniger Kosten für die Zustellunternehmen, höhere Zustellquote, besserer Verkehrsfluss in der Innenstadt, weniger Lärm- und Umweltbelastung, Integration des Einzelhandels in die Versandlogistik. Wenn sich die Beteiligten an einen Tisch setzen, könnte man einen Business Plan durchspielen. Bislang hat das, soweit ersichtlich, in kleineren Städten wie Landsberg noch nicht stattgefunden. Stattdessen wurden in Großstädten wie Hannover und Frankfurt Projekte aufgesetzt, bei denen sich Auftragnehmer monatelang erst einmal mit Namensfindung, App-Entwicklung und der Konzeption von Simulationen beschäftigten. Da haben vor allem Berater und IT-Leute profitiert.

Nur Lösungen, die Unbequemlichkeit in Bequemlichkeit verwandeln, haben Aussicht auf Erfolg. Die Lösung "Paketdepot" erfüllt diese Voraussetzung. Das ist zwar nur notwendige und noch nicht hinreichende Bedingung - ganz viele Menschen und Unternehmen müssen dafür noch gewonnen werden. Aber wer nichts wagt, der kommt auch nicht voran. Versuchen wir's doch mal!

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Jetza! Pack ma's!

Mittwoch, 18.09.2019

Seit acht Jahren will die Stadt, dass auf den Baufeldern A1 und A2 an der Schongauer Straße ("Am Wiesengrund", kurz vor der Einfahrt zum Wiesenring) Sozialwohnungen errichtet werden. Im Stadtrat standen dazu viele unterschiedliche Modelle zur Diskussion. Optionsleasing, Konzeptioneller Mietwohnungsbau, Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft, Übergabe des Grunds an eine Genossenschaft, Zusammenarbeit mit der Kirche, Eigenbau durch die Stadt - fast jedes Mitglied brachte eine eigene Variante in die Beratungen ein. Die Verwaltung kam mit den Prüfungen nicht hinterher. Nur über eines waren sich alle einig: Schnell muss es gehen.

Auf den benachbarten Baufeldern gab es währenddessen Bewegung. Das St. Ulrichswerk der Diözese Augsburg errichtete drei Geschosswohnungsriegel; sie sind bereits bewohnt. Für die mittleren Baufelder B1 und B2 gewannen die Bauträger wbl und Acredo einen Bauträgerwettbewerb. Allerdings beantragten sie anschließend Befreiungen vom damals geltenden Bebauungsplan. Da der Stadtrat das ablehnte, ging es auch dort nicht weiter.

Im Oktober 2017 schien dann die Lösung gefunden. Der Stadtrat entschied sich dafür, die Anforderungen an die Baufelder B1 und B2 zu lockern, womit sie für Bauträger attraktiver wurden. "Die Stadt befreit die Käufer von der Verpflichtung, nach der SoBoN-Richtlinie noch einmal Sozialwohnungen zu bauen; nebenan gibt es ja bereits welche. Sie wechselt den Gebietscharakter in ein urbanes Mischgebiet, so dass keine Gewerbeflächen mehr vorzusehen sind. Und sie erlaubt mehr Verdichtung als ursprünglich erlaubt." - berichtete der KREISBOTE. Die Einnahmen sollte die Stadt nutzen, um auf den Baufeldern A1 und A2 eigene städtische Sozialwohnungen zu bauen. Ein Befreiungsschlag.

Doch bis heute sind wir trotz einer langen Warteliste von über 300 Wohnungssuchenden keinen Schritt weiter. Es ist, als wäre immer noch Oktober 2017. Zugegeben, viele bayerische Kommunen zieren sich, in Wohnungsbau zu investieren. Eigentlich ist das eine private Aufgabe. Und eigentlich sind die Bundesländer verantwortlich. Wieso müssen die Städte und Gemeinden immer die Kartoffeln aus dem Feuer holen? Trotzdem: Beschlossen ist doch beschlossen, oder nicht?

Es trifft sich gut, dass der Freistaat im Juli 2018 die staatliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim gegründet hat. Die GmbH soll "überall dort Wohnprojekte umsetzen, wo entsprechender Bedarf besteht und das vorhandene Angebot die Nachfrage nicht abdecken kann". Die CSU-Fraktion im Landsberger Stadtrat hat nun vorgeschlagen, dass die Stadt die Baufelder A1 und A2 der BayernHeim zum Bau sozialgeförderter Wohnungen anbietet. Zusätzlich regt sie an, so auch mit den Baufeldern B1 und B2 zu verfahren. Die CSU rechnet vor, dass man auf diese Weise 129 Sozialwohnungen errichten könnte. Bei einem Verkauf würden auf einen Schlag 14 Millionen Euro in die Stadtkasse gespült. Denkbar sei aber auch ein Erbbaurecht.

Das könnte tatsächlich der finale Durchbruch für die Sozialwohnungen sein, vorausgesetzt BayernHeim akzeptiert das Grundstück und hat noch Kapazität. Deswegen sollte der Stadtrat diesem Antrag zustimmen und das Trauerspiel beenden. Ärmel aufkrempeln, Beschluss fassen, verhandeln. Jetza! Pack ma's!

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Hättest Du geschwiegen

Mittwoch, 11.09.2019

Bürgermeisterin Doris Baumgartl und UBV-Fraktionschef Christoph Jell haben gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) ihre recht einsame Ablehnung des Lechsteg-Beschlusses des Stadtrats noch einmal aufgewärmt. Die Mehrkosten führten, so machen sie geltend, möglicherweise zu Kürzungen an anderer Stelle, etwa beim Inselbad. Ihr Konzept wäre gewesen, den Brückenbau um ein Jahr aufzuschieben.

Dem Landsberger Leser stellen sich drei Fragen. Nummer 1: Ist das ein Thema, über das man auch in Würzburg und Nürnberg, in Schweinfurt und Aschaffenburg sowie in Cham und Passau unbedingt Bescheid wissen sollte? Nummer 2: Nutzt die Bürgermeisterin unserer Stadt die Gelegenheit zum Gespräch mit einer bundesweit verbreiteten Zeitung hier richtig? Und Nummer 3: Ist der Sachverhalt gegenüber der SZ eigentlich zutreffend dargestellt?

Wenn wir über die ersten beiden Fragen leicht hüstelnd und ein wenig fremdschämend den Mantel des Schweigens decken, bleibt das dritte Thema. Da geht es zum einen um die Alternative "Brücke oder Bad". Gibt es sie wirklich oder geht es hier nur um ein plakatives Ausrufezeichen hinter der "massiven Kritik am güldenen Steg"?

Der Faktencheck zeigt: Es gibt sie nicht. Das wissen die beiden auch genau. Die Sanierung des Inselbads ist Sache der Stadtwerke. Dass das Kommunalunternehmen die dazu möglichen Zeitfenster außerhalb der Badesaison verpasst hat, weil sein Vorstand mit den Themen Wasserkrise, Parkhaussanierung und Parkhausplanung befasst war, ist bedauerlich. Andererseits können Stadtwerke auch nicht Planer und Ingenieure in Hülle und Fülle vorhalten. Mit dem Lechsteg-Bau hat das aber nichts zu tun.

Zum anderen: Der vermittelte Eindruck, dass man den Bau des Stegs einfach um ein Jahr hätte verschieben können, ist ebenfalls nicht korrekt. Das Vorhaben war ja im Vorjahr schon einmal ausgeschrieben; da gab es null Angebote. Was ist, wenn die Stadt jetzt verzichtet und den Bau im nächsten Jahr erneut ausschreibt, aber es gibt wieder kein Unternehmen, das den Steg errichten möchte? Dann wird die Stadt nicht nur gegenüber dem Investor, sondern auch gegenüber all denen wortbrüchig, die am Papierbach Wohnungen gekauft haben. Wortbruch ist aber keine Option, jedenfalls nicht bei uns. Der Lechsteg ist sowohl für das "Urbane Leben" wie auch für die Altstadt von elementarer Bedeutung. Er kann nicht weggedacht werden, ohne dass großer Schaden entsteht.

Es oblag dann Oberbürgermeister Mathias Neuner, beide Punkte gegenüber der SZ klarzuzustellen und auch die gute Liquiditätslage der Stadt - sie zahlt bei der Sparkasse Negativzinsen - hervorzuheben. Wenn nicht jetzt, wann dann? Das war auch die Position von fast fünf Sechsteln der Stadtratsmitglieder. Die Mehrkosten des Stegs werden im Übrigen zu einem Großteil aus Zuschüssen gedeckt.

Grundsätzlich gilt: Überregionale Medien sind ein ganz schlechtes Feld, um lokalen Wahlkampf zu betreiben. Wir schaden der Stadt und uns selbst. Und wer ein Bürgermeisteramt innehat, für den gilt das ganz besonders. Im Lateinischen heißt es: Hättest Du geschwiegen, wärst Du ein Philosoph geblieben. Kennt nicht jeder Amtsträger, sollte man aber kennen. Denn wenn man dagegen verstößt, ist man in und ab diesem Moment einfach nur Partei.

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Der Button am Revers

Mittwoch, 04.09.2019

Immer öfter werden Städte aufgerufen, sich einen Button ans Revers zu heften und ein Bekenntnis abzugeben, zum Beispiel für Fairtrade, Klimaschutz oder Gewaltfreiheit. Nun liegt der von der ÖDP unterstützte Vorschlag von Claus-Peter Reisch auf dem Tisch, Landsberg möge sich zum "sicheren Hafen" erklären.

Dieser Begriff ist mit einem politischen Programm verbunden, das man auf der Website der "Seebrücke", einem Verein aus Berlin, nachlesen kann. Städte, die das Label übernehmen, "erklären sich mit den Zielen der Seebrücke solidarisch". Sie unterstreichen, dass die Bundespolitik in Asylfragen "ihrer Verantwortung nicht gerecht wird". Zusätzlich zur "Quote" verpflichten sie sich, aus Seenot Gerettete "ähnlich einem Relocation-Programm direkt aufzunehmen und unterzubringen" und ihnen "legalen Aufenthalt" zu gewähren.

Dass ein Stadtrat das nicht beschließen kann, liegt auf der Hand. Aus Seenot Gerettete sind genau so zu behandeln wie Flüchtlinge, die auf dem Landweg nach Europa kommen. Auch für sie gelten die Schritte Erstaufnahme durch den Freistaat und Anerkennungsverfahren durch das zuständige Bundesamt. Keine kommunale Gliederung kann hier Sonderregelungen schaffen und Joker verteilen. Ob ein Schutzsuchender bei uns bleiben darf, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen des Asylrechts oder der Flüchtlingskonvention erfüllt sind. Anders gibt es keinen legalen Aufenthalt.

Das Wort "Relocation" führt dabei in die Irre. Der Begriff bezeichnet die Umverteilung von Flüchtlingen auf Staatenebene, um Härten für die Mittelmeer-Anrainerländer zu mildern. Voraussetzung ist, dass sie aus Herkunftsländern stammen, bei denen die Anerkennungsquote mindestens 75 Prozent beträgt. Zum Handeln befugt ist hier allein die EU-Kommission. Irgendeine Ähnlichkeit zur spontanen Aufnahme von Bootsflüchtlingen durch Kommunen ist nicht ersichtlich. Bei allem Respekt vor Claus-Peter Reisch: Die vom Mittelmeer aus gestellte Bitte an die Stadt Landsberg, sich zum "Sicheren Hafen" zu erklären, schadet ihm und seiner Sache, weil sie abgelehnt werden muss. Landsberg hat als Große Kreisstadt noch nicht einmal ein Ausländeramt. Aber selbst wenn die Stadt kreisfrei wäre, wie die neun bayerischen Städte, die sich den Button "Sicherer Hafen" angeheftet haben, könnte sie keine Zuständigkeiten an sich ziehen, die beim Bund und den Ländern liegen.

Das Petitum führt daher zu einer völlig überflüssigen Debatte mit populistischem Einschlag. Populismus liegt übrigens nicht nur dann vor, wenn man den bestehenden Rechtsrahmen des Flüchtlings- und Asylrechts mit Pseudo-Plausibilitäten zur Disposition stellt, um Zuzug abzuwehren. Ähnlich populistisch ist es, so zu verfahren, um Zuzug zu erleichtern. Beides richtet sich zwar an unterschiedliche Zielgruppen; aber das eine ist nicht bessser als das andere.

Wir Deutschen neigen dazu, ab und zu Staat und Gesellschaft zu verwechseln. Jedem einzelnen steht es frei, einer Organisation beizutreten und sich dazu auch öffentlich zu bekennen. Eine Gebietskörperschaft wie die Stadt Landsberg aber kann nicht mit dem Pfund "Bürgerschaft" wuchern und auf Wanderschaft gehen. Es ist illegitim, der Bevölkerung ein Label aufzudrücken. Wir sollten aufhören, Städte zu Bekenntnisträgern zu machen. Sonst werden Grenzen überschritten, die den Zusammenhalt gefährden.

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Außer Kontrolle

Mittwoch, 28.08.2019

Heute deckt der KREISBOTE erneut ein zweifelhaftes Vorgehen des Landratsamts auf (zum Artikel). Diesmal gibt es aber eine Besonderheit. Das An-sich-Ziehen der Asylsozialberatung, die Einstufung von Flüchtlingen als Obdachlose, die Strafanzeige gegen die Leiterin einer Einrichtung und die Entsorgung einer Kinderkrippe betrafen Institutionen und Organisationen, die sich wehren konnten. Nun geht es um ein Verhalten gegenüber dem Bürger im persönlichen und privaten Bereich.

Man fragt sich, warum der Kreistag und der Kreisausschuss in solchen Fällen nicht eingreifen. Die Antwort ist einfach: Weil die beanstandeten Handlungen vom "staatlichen Landratsamt" ausgehen, auf das sich die Zuständigkeit der Gremien nicht erstreckt. Besonders die Themen Jugend, Gesundheit, Ausländerwesen, Kfz-Zulassung, Bauordnung, Wasserrecht sowie Natur- und Umweltschutz fallen in diese gremienfreie Zone.

In politischer Hinsicht muss das staatliche Landratsamt daher kaum Eingriffe befürchten. Deswegen ist es so wichtig, die richtige Person zum Landrat (m/w/d) zu wählen. Ein Landrat definiert, wie die Behörde kommuniziert, wie bürgerfreundlich sie agiert, wie partnerschaftlich sie vorgeht und wie fair sie auftritt. Wird das versäumt, bildet sich rasch ein Nährboden, auf dem ungezügeltes Verwaltungshandeln blüht. Dann ist das Amt nicht nur ohne, sondern bald außer Kontrolle.

Auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden, Märkte und Städte gibt es eine solche Zweiteilung in einen staatlichen und einen kommunalen Teil nicht. Selbst wenn die Kommunalverwaltung einer Großen Kreisstadt als Untere Straßenverkehrsbehörde agiert, sind die Gremien im Spiel - jedenfalls bei Angelegenheiten, die nicht Routine sind. Die Bürger haben damit Ansprechpartner in den Parteien und Fraktionen. Und die Entscheidungen werden durch die öffentliche Beratung transparent. Auch deswegen sind kommunale Ämter so zeitintensiv.

Die 60 Kreistagsmitglieder können sich hingegen auf überschaubare Themen konzentrieren. Kreisstraßen, Klinikum, Schulen, Rettungsdienst, Kultur- und Sportförderung, das sind die wesentlichen Aufgaben, die das Landratsamt auf seiner Website nennt. Entsprechend gering ist die zeitliche Inanspruchnahme. Viele möchten das Mandat daher auch im Alter nicht aufgeben. Zuletzt gab der Penzinger Bürgermeister Johannes Erhard (68) in einem Medienbericht zu Protokoll, er würde 2020 gerne nochmal für sechs Jahre in den Kreistag gewählt werden. Zu seinem 75. Geburtstag gibt es dann sicher einen Empfang.

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Über das Ziel hinaus

Mittwoch, 21.08.2019

Es ist erstaunlich, wie leicht die Grünen, allen voran "Frontman" Ludwig Hartmann, die grundgesetzlich verankerte Eigenverantwortlichkeit der Städte und Gemeinden einzuschränken bereit sind, wenn es um die Durchsetzung von Umweltthemen geht. Das passt so gar nicht zu bisherigen Forderungen, den Kommunen mehr Kompetenzen einzuräumen, vor allem im Straßenverkehrsrecht.

Konkret geht es um die Absicht, eine verbindliche Gesamtobergrenze für den Flächenverbrauch im Freistaat Bayern festzulegen. Die hätte ähnliche Wirkung wie ein Baumfällverbot - noch vor seinem Inkrafttreten wären viele Bäume weg. Auch beim Thema Flächenverbrauch würden clevere Kommunen schnell reagieren und Vorratshaltung durch Aufstellungsbeschlüsse betreiben.

Danach begänne das Wettrennen um das individuelle Versiegelungskontingent. Der Staat müsste entscheiden, welche Anträge er akzeptiert und welche nicht. Aber nach welchen Kriterien? Mietpreisentwicklung, Arbeitslosenquote, Siedlungsstruktur? Wird die schlafmützige Kleinstadt, die jahrelang keine Wohnbauflächen ausgewiesen und keine Gewerbeflächen erschlossen hat, dann belohnt oder bestraft? Und kann man trotz der staatlichen Kontingentverteilung noch Eigenheime bauen oder ist das faktisch unmöglich - so viel Fläche für nur vier Personen, wo denken Sie hin? Verwaltungsmäßig entsteht dadurch ein Thema so groß wie der Denkmalschutz. Wollen wir wirklich so etwas wie das Bayerische Landesamt für Flächenfraß, das für Versiegelungserfassung, Versiegelungsverhinderung und Versiegelungsforschung zuständig ist?

Nein, ein Flächenverbrauchswert "Bayern gesamt" kann nur als Ziel, Maßstab und Indikator sinnvoll sein. Vorausgesetzt man definiert, was denn eigentlich "Verbrauch" ist. Bislang gehen offenbar auch Grünanlagen, Photovoltaik-Überbauten und Golfplätze in die Statistik ein.

Man kann sich auch durchaus vorstellen, dass die Kommunen dieses Thema als zusätzlichen Prüfstein, ähnlich wie die Finanzierbarkeit aus Haushaltsmitteln, in ihre Beschlussvorlagen aufnehmen müssen. Hätte es so eine Pflicht schon vor elf Jahren gegeben, wäre es in Landsberg sicher nicht zum einstöckigen Fachmarktzentrum ohne Parkhaus und Parkdeck, aber mit ebenerdigem Riesenparkplatz gekommen.

Die Grünen sollten alle ihre Gliederungen für das Thema sensibilisieren. Aber der Ruf nach dem Freistaat in einer höchst kommunalen Angelegenheit ist mit viel zu viel strukturellem Kollateralschaden verbunden. Er schießt über das Ziel hinaus.

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Fahrlässig und unvertretbar

Mittwoch, 14.08.2019

Wer am vergangenen Wochenende die Nachrichten verfolgte, hörte stündlich neue Vorschläge zum Stopp des Klimawandels. Die meisten davon waren weder abgestimmt noch bis zum Ende durchdacht, von der Einbindung in ein Gesamtkonzept ganz zu schweigen. Politiker auf Bundesebene wirken zurzeit wie in Panik geratene Teilnehmer eines Junggesellenabschieds, die beim Programmpunkt "Escape Room" plötzlich realisieren, dass die Tür verschlossen ist.

Auch aus Europa und der Welt gab es keine guten Signale. Brasilien verstärkt die Abholzung des Regenwalds, Italien rückt weiter nach rechts und England marschiert in eine trotzige Ungewissheit. Viele Bürger und Unternehmen bekommen langsam Angst vor Konzeptlosigkeit und einfältigem Populismus ihrer Führungen; beides könnte in extreme Regulierung münden.

Umso wichtiger wird es nun, dass die Kommunen und Landkreise handeln. Erstes Ziel muss sein, den motorisierten Individualverkehr nicht weiter anwachsen zu lassen.

Daher ist es unvertretbar, dass der Landkreis und die Stadt Landsberg schweigend zusehen, wie der Freistaat durch falsche Auswahlentscheidungen seiner Tochtergesellschaft, die merkwürdigerweise "Bahnland Bayern" heißt, den Schienenverkehr in unserer Region destabilisiert. Es müsste einen Aufschrei geben!

Es ist fahrlässig, dass die Parkplatzsituation an den Bahnhöfen Geltendorf und Kaufering nicht mit so hoher Priorität behandelt wird, dass eine alsbaldige Lösung in Sicht ist. Viele Pendler bangen morgens in Kaufering darum, noch einen Parkplatz zu finden. Wer im Laufe des Vormittags von Kaufering aus eine Reise antritt, muss sein Auto am Vorabend dort abstellen.

Ebenso zweifelhaft ist es, dass man in der Stadt Landsberg jetzt auf den Entwurf des Verkehrsentwicklungsplans wartet, dessen Erstellung sich aufgrund stufenweiser Beauftragung auch noch verzögert. Schon jetzt bestünde Gelegenheit, die Machbarkeit des Schrägaufzugs zu prüfen. Schon jetzt könnten sich Stadt und Landkreis über effektive Mobilitätslösungen im öffentlichen Nahverkehr verständigen. Es braucht bei diesem Thema, trotz LENA und Landsberg 2035, mehr Tempo und mehr Nachdruck.

Auch in Sachen Fliegerhorst in Penzing wird nicht genug vorgedacht. Welche Nutzung hat welche Konsequenzen für Wohnungsbedarf, Umwelt und Verkehr? Und wer ist denn nun Ansprechpartner der riesigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben - die kleine Gemeinde Penzing? Natürlich warten alle auf die Freigabe des Areals durch den Bund, aber eine Startaufstellung der Kommunen könnte man bereits vornehmen.

Das alles ist Teil der Klimapolitik heruntergebrochen auf die Stadt und den Kreis. Hier liegen eine Menge Handlungsmöglichkeiten. Wir müssen darauf achten, dass wir auch handlungsfähig sind. Und nicht hinterherhecheln wie so mancher im Freistaat und im Bund.

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Das Grübeln des Landrats

Mittwoch, 07.08.2019

Anfang 2017 sitzt Landrat Thomas Eichinger am Kamin und grübelt. Es gibt einen Kandidaten für das Amt des Vorstands des Klinikums Landsberg. Aber der hat einen Wunsch. Er würde gerne zusätzlich ein Unternehmen gründen und dort geschäftsführender Gesellschafter sein. Das Amt eines Verwaltungschefs fülle ihn nicht aus. Er sei "Optimierer, Innovator, Unternehmer" und voller Tatendrang. Außerdem reize es ihn, neben seinem Vorstandsgehalt durch die Vermittlung von Beratungsleistungen im Gesundheitswesen noch ein zweites Einkommen zu erzielen.

Eichinger kramt in seinem Gedächtnis. Im Grundsatzprogramm der Jungen Union hatte gestanden: Freies Unternehmertum ist die Grundlage unserer Wirtschaft. Leistung muss sich wieder lohnen. Und: In privatem Handeln liegt die Kraft. So gesehen, denkt Eichinger, sollte er zustimmen.

"Vorstand Klinikum Landsberg am Lech & CEO Cupertino Consulting GmbH", das klänge ja auch gut. Der Duft von Apple durchweht den Kreis, lacht Eichinger und freut sich über seine Formulierung. Nach Hirschvogel, Delo und Rational endlich mal was Hippes. Und wenn Woedls Unternehmen tatsächlich "der größte Marktplatz für Beratungsprojekte im Gesundheitswesen" geworden ist, falle auf ihn, den Landrat, doch auch Glanz ab. "Wäre mal nötig", denkt Eichinger und zieht den Kugelschreiber aus der Wollweste. Den Vertrag, den kann man eigentlich so unterschreiben.

Plötzlich fröstelt ihn. Meldet sich da sein Gewissen, weil eigentlich der Verwaltungsrat zuständig ist, das Dienstverhältnis zu regeln? Nein, das kann es nicht sein, das schließt Eichinger aus. Den Verwaltungsräten kann man das ja später immer noch sagen, wenn sie es überhaupt merken, sinniert er. Außerdem: "Vergebung ist leichter zu erhalten als Erlaubnis", haben die Freunde bei der Jungen Union gesagt. Und das hat immer gut geklappt.

Sind es Bedenken, dass die Ärzte, das Pflegepersonal und die Patienten eigentlich einen "ganzen" Vorstand erwarten und nicht einen, der Erwerbsquellenhopping macht? Sind es Sorgen, dass es Interessenkonflikte zwischen beiden Tätigkeiten gibt? Macht ihn unruhig, dass das seriöse Klinikum in einem Atemzug mit allen möglichen Partnern von "Cupertino Consulting" genannt wird, aus der Pharmaindustrie zum Beispiel? Nein, das ist es alles nicht. Was Eichinger frösteln lässt, hat eine ganz andere Ursache. Er müsste mal ein Scheit nachlegen.

"Thomas Eichinger" schreibt Eichinger sorgfältig auf die Unterschriftszeile. Wieder eine Entscheidung getroffen, wieder den Landkreis nach vorne gebracht. Jetzt noch den Entwurf der Presseerklärung durchsehen, den man ihm zugeschickt hat. Da steht am Schluss ein Zitat des Kandidaten: "Wir stehen vor großen Herausforderungen und müssen alle an einem Strang ziehen". Das klingt gut, kann man so lassen, aber trotzdem, denkt Eichinger, sollte noch etwas Farbe rein. Er muss nicht lange überlegen. "Für die Zukunft hat sich der neue Vorstand viel vorgenommen", formuliert er. Ja, das passt. Das wird der Sache gerecht. Das bringt sie auf den Punkt. Akte zu. Feierabend. Und der ist heute mal wieder wirklich verdient.

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Das Punktuelle und die Politik

Mittwoch, 31.07.2019

Wahrscheinlich haben Sie das auch schon erlebt. Sie arbeiten jahrelang an einem Thema, befassen sich mit allen Aspekten, wägen ab und ziehen Schlussfolgerungen, führen Einigkeit mit den Beteiligten herbei. Plötzlich bekommen Sie einen Zuruf, der Ihre Entscheidungen mit einem zugespitzten Satz komplett infrage stellt, ja Ihnen sogar falsches Denken bescheinigt. Sie hören: Das ist doch viel zu teuer! Das braucht doch niemand! Stattdessen sollte man ... Alle nicken. Und schütteln über Sie den Kopf.

In der Kommunalpolitik kommt das immer häufiger vor. Aktuelles Beispiel dafür ist der Lechsteg für Radler und Fußgänger zwischen Papierbach und Inselbad. Der Stadtrat hat ihn vor drei Jahren nach intensiver Beratung im städtebaulichen Vertrag verankert. Die 1.500 Menschen, die im neuen Quartier wohnen und arbeiten, sollten die Altstadt so intensiv nutzen, als seien sie dort zuhause. Das stärkt den Handel, die Gastronomie, Theater und Kino, Ärzte und Dienstleister. Gleichzeitig wird es auch Bewegungen aus der Altstadt an den Papierbach geben, etwa in Richtung Supermarkt und Boardinghaus. Der Lechsteg sollte auch so breit werden, dass er die zentrale autofreie Radfahrachse vom Westen in die Altstadt werden kann. Zusammen mit dem angedachten Schrägaufzug in den Osten wäre dies ein wirksamer Schritt, unnötigen Autoverkehr auf der Kurzstrecke zu vermeiden. Auch in Ost-West-Richtung führt das zu vielen Bewegungen, zum Beispiel aus dem Osten zur Bahn, zu weiterführenden Schulen und zum Bus.

Letztlich lässt sich jedes Thema am Ende einer langen Abwägung und Beratung auf die Kernfrage "ja oder nein" verdichten. Aber erst dann. Wer glaubt, Menschen könnten und sollten aus dem Bauch heraus Entscheidungen treffen, der irrt. Deswegen ist es überhaupt nicht sinnvoll, wenn eine Zeitung drei Jahre nach Vertragsabschluss eine Online-Abstimmung mit der Alternative "Bauen oder nicht?" durchführt. Dass der längst beschlossene Lechsteg gebaut wird, stand gar nicht zur Debatte. Thema war allenfalls die Art der Finanzierung. Man könnte solche klickträchtige Ad-hoc-Plebiszite einfach ignorieren. Aber bei Bürgern führen sie zu Frust und Wut, wenn die Politik "nicht auf sie hört".

Ähnlich punktuell, begründungsfrei und apodiktisch geht es meist bei Facebook zu. Das liegt in der Natur der Sache: Niemand lädt ausführliche Erwägungen in soziale Medien hoch. Jede Stadtratsvorlage ist hundert Mal länger und detaillierter als eine Meinungsäußerung dort. Umso wichtiger ist es, dass die Politiker das dadurch entstehende Schnellmeinungsbild nicht einfach hinnehmen; sie müssen sich, wie kürzlich auch Markus Söder forderte, beteiligen und wieder eine Diskussionskultur schaffen. So wie Twitter es hinbekommt: Dort werden viele Meinungen durch Links auf Artikel substantiiert; Twitter ersetzt nicht die Meinungsbildung, sondern ermuntert dazu. Auch Rezo macht nicht einfach nur Videos; er recherchiert seine Angaben und belegt sie auch.

Wer meint, das Punktuelle und die Politik seien miteinander vereinbar, der öffnet auch die Tür für Populismus. Vieles was in Medien und sozialen Medien verdichtet wird, ist in Wahrheit vielschichtiger. Es nutzt aber nichts, wenn die Politik in solchen Fällen über die Kopfschüttler den Kopf schüttelt. Wir müssen miteinander sprechen. Und die Ebene des Zurufs wann immer es geht verlassen.

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Kein Pfund auf der Waage

Mittwoch, 24.07.2019

Es zeichnet sich ab: Alle Stadtratsfraktionen wollen den städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt Landsberg und dem Papierbach-Projektentwickler einhalten. Noch ein Jahr zu warten und auf geringere Baukosten zu hoffen, wäre sehr riskant. Zu hoffen ist, dass dabei in Sachen Befahrbarkeit mit dem Rad keine Abstriche gemacht werden. Wenn gebaut wird, dann bitte unter Berücksichtigung zukunftsfähiger Verkehrsplanung.

Es ist legitim, dass der Oberbürgermeister und die Fraktionen darüber nachdenken, an anderer Stelle Geld einzusparen. Dazu sind die Parkhaus-Erweiterung in der Lechstraße und die Sozialwohnungen am Wiesengrund genannt worden. Beide Investitionen sind zwar beschlossen, aber nicht bis zu Ende abgestimmt. Auch fehlen baurechtliche Voraussetzungen.

Für das Parkhaus gilt: Bislang ist nicht klar, in welchem Umfang die Garage, die unter dem neuen Jugendzentrum entstehen soll, durch Anwohner genutzt wird und ob ihr Bau die erhoffte Wirkung, die Entlastung von Vorder- und Hinteranger, entfalten kann. Das setzt einen Konsens bei der Verkehrsplanung und vor allem die Akzeptanz durch Bewohner und Händler in der Altstadt voraus. Diese Planungen sind noch nicht abgeschlossen. Aber das Jugendzentrum kann nicht warten. Die Stadt baut es - aufgrund des gleichen Vertrags wie beim Lechsteg - quasi im Auftrag und gegen Kostenerstattung, weil das alte Grundstück Teil des Papierbach-Areals wird. Das Jugendzentrum ist Pflicht, die Garage darunter ist Kür. Der Erwägung, das Gebäude nun zügig ohne Tiefgarage zu bauen, kann man daher folgen.

Anders liegt die Sache bei den Sozialwohnungen. Alle Fraktionen wollen, dass sie gebaut werden. Ob durch BayernGrund, durch eine kirchliche Einrichtung, durch eine neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft oder durch die Stadt selbst ist noch nicht festgelegt; hierzu gibt es mehrere Anträge. Eines ist klar: Die Sozialwohnungen können kein Pfund auf einer Waage sein. Sie haben mit dem Lechsteg nicht das Geringste zu tun. Daher wäre dem Stadtrat zu empfehlen, im Rahmen der Haushaltsberatung am heutigen Abend falsche Eindrücke zu vermeiden und keine Mittel aus diesem Bereich zu streichen (selbst wenn das zu einem Haushaltsrest führt) sowie einen Fahrplan festzulegen, der zu baldigen Beschlüssen führt.

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Verträge einhalten!

Mittwoch, 17.07.2019

Pacta sunt servanda: Verträge müssen eingehalten werden. Beim Thema Lechsteg sollten wir uns alle daran erinnern. Die Stadt hat mit ehret + klein monatelang einen städtebaulichen Vertrag ausgehandelt und dabei ein gutes Ergebnis erzielt. Der Projektentwickler erbringt - über den Kaufpreis, den Aufwand für die Altlastenentsorgung und die Baukosten hinaus - Leistungen für öffentliche Einrichtungen und Sozialwohnungen im Wert von 20 Millionen Euro. Das ist hart an der Obergrenze, die aus der Richtlinie zur Sozialen Bodennutzung (SoBoN) resultiert. Mehr zu verlangen hieße Baurecht zu verkaufen - und das wäre unzulässig.

Im Gegenzug hat sich die Stadt verpflichtet, das Papierbach-Areal an die Altstadt anzubinden. Und zwar nicht mit einer Ponton-Brücke der Pioniertruppe, sondern mit einem "angemessenen", auf Grundlage eines Architektenwettbewerbs konzipierten Lechsteg. Nun gibt es zwischen der Schätzung durch ein Ingenieurbüro und den vorliegenden Angeboten eine Kostensteigerung. Das ist zwar schmerzhaft. Die Stadt bekommt aber Zuschüsse: 1,3 Millionen Euro vom Projektentwickler und 2,9 Millionen Euro vom Freistaat. Aus der Stadtkasse sind noch 3,3 Millionen Euro zu zahlen. Machbar ist das: Die Stadt hat Liquiditätsreserven von 35 Millionen Euro, allein 2018 entstand ein Überschuss von sechs Millionen Euro, Kreditaufnahmen sind nicht erforderlich.

Es wäre höchst riskant, die Maßnahme zu schieben und darauf zu hoffen, dass der Steg nächstes Jahr preiswerter wird. Was, wenn nicht? Und was, wenn dann wie im Vorjahr gar kein Angebot eingeht? Dann bliebe ehret + klein keine andere Möglichkeit, als die Stadt zu verklagen. Sie hat Investoren und Wohnungskäufern die direkte Anbindung an die Altstadt ja legitimerweise vertraglich zugesichert.

Natürlich könnte man beim Projektentwickler anklopfen und um Neuverhandlung bitten. Aber auch seine Baukosten sind gestiegen und die Altlasten waren größer als erwartet. Wer einen neuen Vertrag will, reißt wahrscheinlich alle Dämme ein. Außerdem steht dann Vieles wieder zur Debatte - auch die Kindertagesstätten, auch die Kultureinrichtung, auch die städtebauliche Vielfalt.

Theoretisch könnte man den Steg abspecken, insbesondere enger gestalten. Aber sinnvoll ist nur eine Brücke, die zu einer durchgängig mit dem Rad befahrbaren sicheren Strecke vom Landsberger Westen bis ins Zentrum führt. Bislang werden Radler auf Autostraßen gezwungen. Künftig kommt man aus dem Westen gefahrlos durch das Papierbach-Areal bis zum Inselbad. Wann wollen wir mit Verkehrssicherheit und Umweltschutz beginnen, wenn nicht jetzt?

Die Stadt Landsberg wird bei Planabweichungen nicht nervös. Sie stellt städtebauliche Qualität an die erste Stelle. Und sie hält geschlossene Verträge ein. Das ist rechtlich geboten. Das erfordert die Vernunft. Und das ist auch eine Frage der Ehre.

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Mehr Rechte für Kommunen

Mittwoch, 10.07.2019

Die Fraktion der Grünen hat im Deutschen Bundestag beantragt, dass die Kommunen in der Straßenverkehrsordnung "höhere Freiheitsgrade" erhalten, um "städtebauliche Ziele zu verwirklichen, den Umweltverbund zu stärken und die Entwicklung einer neuen multimodalen Mobilitätskultur zu unterstützen".

Problem Nummer 1: Die Einrichtung eines neuen Fahrradwegs oder einer Busspur scheitert bislang oft daran, dass dabei ein Fahrstreifen einer Straße oder Parkplätze entfallen. Die dafür notwendige Umwidmung wird immer wieder von Straßenverkehrsbehörden mit der Begründung abgelehnt, dass das Verbot, die Fahrspur weiterhin mit dem Auto zu befahren, im Widerspruch zum allgemeinen Recht der Verkehrsteilnehmer stehe, die öffentlichen Straßen uneingeschränkt nutzen zu können. In der Rechtsprechung wird dies als Gemeingebrauch bezeichnet.

"Diese Argumentation geht davon aus, dass Verkehrsteilnehmer grundsätzlich mit dem Auto unterwegs sind", schreiben die Grünen in der Begründung zu ihrem Antrag. Werde jedoch davon ausgegangen, dass es neben dem Auto auch andere Verkehrsmittel gibt, etwa "Fahrräder, Busse, Beine oder Rollstühle", werde die Nutzung nicht dem Gemeingebrauch entzogen, sondern nur auf eine Gruppe verlagert, die zuvor benachteiligt war.

Problem Nummer 2: Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen bislang nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt. “Dieser Satz bremst Kommunen aus, die die Verkehrswende umsetzen möchten. Aspekte des Lärmschutzes, des Umwelt- und des Klimaschutzes werden dabei vollkommen vernachlässigt, aber auch Gesundheitsaspekte und Fragen der Lebensqualität. Sogar Verkehrseinschränkungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sind nur bei erheblichem Risiko zulässig", monieren die Grünen.

Problem Nummer 3: Eine Straße zur Fahrradstraße zu machen, ist an hohe Hürden gekoppelt. Es muss nachgewiesen werden, dass der Radverkehr schon jetzt - vor der Umwidmung - in der jeweiligen Straße die Hauptverkehrsart darstellt. Das ist natürlich fast nirgendwo der Fall, so dass die Einrichtung einer Fahrradstraße nach dem geltenden Recht so gut wie unmöglich ist. Die Grünen beantragen, den Kommunen in diesen drei Fällen mehr Rechte einzuräumen. Sie sollen auch in die Lage versetzt werden, Verkehrsmaßnahmen probeweise einzuführen, um "abseits von Prognosen" festzustellen, wie sie sich auswirken - ob sie die Verkehrssicherheit im gewünschten Maße verbessern, ob sie zu mehr Stau führen, zu einer Verlagerung von Verkehr auf andere Straßen oder zu einer Verlagerung zwischen den verschiedenen Verkehrsarten. "Treten die gewünschten Effekte nicht ein oder treten unerwünschte Nebeneffekte auf, gibt es vor Umsetzung der Maßnahme die Möglichkeit, diese noch einmal anzupassen oder auch ganz zu verwerfen."

In der Tat: Wenn es gelingen soll, Menschen zu bewegen, Fahrräder und Busse zu benutzen, insbesondere auf der innerörtlichen Kurzstrecke, dann muss es auch möglich sein, begleitende infrastrukturelle Maßnahmen zu schaffen. Bus- und Radfahren müssen schnell, preiswert, sicher und effizient werden. Das darf der Bund nicht durch Vorschriften verhindern, die heute antiquiert sind und aus der Zeit stammen, in der im Fernsehen noch "Das Rasthaus" und "Der siebte Sinn" liefen.

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In eigener Verantwortung

Mittwoch, 03.07.2019

Im Grundgesetz steht: Die Städte und Gemeinden "regeln alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung". Eigentlich versteht es sich von selbst, dass sie dann auch den Verkehr auf innerörtlichen Straßen regeln können. Zwar nur "im Rahmen der Gesetze": Eine Kommune kann nicht einfach Bestimmungen erfinden, sondern muss sich aus dem bundeseinheitlichen Repertoire bedienen. Und: Sie darf Verkehr nicht willkürlich reduzieren, sondern nur, wenn sie gute Gründe dafür hat, zum Beispiel wenn es um Luftreinhaltung oder den Schutz von Radfahrern geht.

Doch Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) machen das weitgehend unmöglich. Gemeinden dürfen zwar gerne mit hohem Aufwand Straßen bauen, Parkhäuser errichten, Kreisverkehre anlegen und Fußgängerzonen herstellen. Aber Parkplätze reduzieren, um eine Busspur zu schaffen - das geht so einfach nicht. Tempo 30 ausschildern, damit Auto- und Radfahrer sich eine Fahrbahn teilen - das ist nicht vorgesehen. Ein LKW-Fahrverbot in der einen Straße anordnen, weil die Stadt nebenan eine Ausweichstraße gebaut hat - das liegt außerhalb kommunaler Kompetenz.

In einem Land, in dem Autofahrer für nur 20 Euro Bußgeld (ohne Punkt in Flensburg) Radwege zuparken und Radler auf Straßen und Gehwege zwingen dürfen, ist noch viel Umdenken nötig. Das Straßenverkehrsrecht folgt nach wie vor dem Primat der autogerechten Stadt. Die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Autoverkehrs stehen über allem. Kein Wunder, dass die Verkehrswende hierzulande nur in Ansätzen erkennbar ist. "Sie erreicht nicht die oft erwartete Gesamtdynamik", stellte das infas-Institut im Februar fest: "Das Auto bleibt mit großem Abstand Verkehrsträger Nummer 1".

Die Kommunen dürfen in Sachen Straßenverkehr so gut wie nichts, der Staat hingegen alles. Das ist eine groteske Kompetenzverteilung. Der Bund könnte mit einem Schlag in allen deutschen Städten und Gemeinden Tempo 30 anordnen, auch dort, wo das gar nicht sinnvoll ist. Die Kommunen hingegen dürfen das allenfalls im Einzelfall und müssen umfangreich mit Gutachten begründen, warum sie das tun. Das müsste man einfach nur umdrehen: Vor Ort wird die individuelle Regelungskompetenz erweitert, auf Bundesebene die kollektive Kompetenz beschränkt. Die Fraktion der Grünen hat im Deutschen Bundestag beantragt, dass die Kommunen in der StVO "höhere Freiheitsgrade" erhalten, um "städtebauliche Ziele zu verwirklichen, den Umweltverbund zu stärken und die Entwicklung einer neuen multimodalen Mobilitätskultur zu unterstützen". Das ist mit einer Reihe von Forderungen zu Einzelthemen verbunden (dazu mehr im Beitrag der nächsten Woche).

Zu den allgemeinen Postulaten gehört, "in der Straßenverkehrs-Ordnung klarzustellen, dass mit Verkehr, dessen Flüssigkeit nicht beeinträchtigt werden soll, alle Verkehrsarten, insbesondere auch Fuß- und Radverkehr, gemeint sind und dass beim Konkurrieren mehrerer Verkehrsarten diejenigen Verkehrsarten, die sicherer, umwelt-, klima- und gesundheitsfreundlicher sind, zu bevorrechtigen sind".

Klargestellt werden soll auch, "dass es keinen Entzug des Gemeingebrauchs darstellt, wenn eine Umwidmung zugunsten einer Verbesserung der Bedingungen des Fußverkehrs, des Radverkehrs, des öffentlichen Personennahverkehrs oder der Aufenthaltsqualität geschieht". (wird fortgesetzt)

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Sprechen wir über Wasser

Mittwoch, 26.06.2019

Das Trinkwasser in und um Landsberg kommt zunehmend in die Schlagzeilen. In Igling, Hurlach und Lamerdingen war es im Mai verkeimt, Pürgen, Ummendorf, Stoffen, Lengenfeld, Schwifting, Penzing, Untermühlhausen, Oberbergen, Ramsach, Epfenhausen, Weil, Geretshausen, Petzenhausen, Beuerbach und Pestenacker sind zurzeit betroffen.

Noch sind das singuläre Ereignisse. Trotzdem ist der lapidare Zeitungskommentar "Abkochen und fertig" unangebracht. Sind die Verträge der Stadtwerke Landsberg, die das Wasser gewinnen, mit Landwirten in den Trinkwasserschutzgebieten effektiv genug? Ist die Abdeckung von etwa 40 Prozent der geschützten Fläche ausreichend? Führt häufiger Starkregen dazu, dass Keime auf die Reise gehen? Darüber wird zu reden sein, wenn die Ursachen ermittelt sind. Die Strategie "Landsberg 2035" sieht ohnehin vor, "den Wasserschutz zu erhöhen".

Parallel wird klar: Landsberg ist mit ergiebigen Quellen nicht so gesegnet wie es früher immer behauptet wurde. Nach Abschluss des Projekts „Wasser Landsberg 2010“ erklärte der damalige Oberbürgermeister, dass die Stadt über „eine der vorbildlichsten Trinkwasserversorgungen in Bayern“ verfüge. Aber 2018 reichte schon eine um 30 Prozent niedrigere Regenmenge aus, um den Grundwasserspiegel zu senken und zwei Brunnen trockenlaufen zu lassen. War das außerhalb jeder Vorstellung? Jedenfalls hörte sich das, was der amtierende Oberbürgermeister Anfang Juni sagte, ganz anders an: "Wasser ist genug da, aber die Erschließung ist nicht optimal".

Landsberg bezieht nun sieben Prozent seines täglichen Wasserbedarfs aus Kaufering. Zu relativ hohen Kosten übrigens; aber es sind die gleichen Preise, die die Stadt 2016 Kaufering abverlangte, als das dortige Trinkwasser nach Gehölzarbeiten verkeimt war. Deswegen und weil die Stadtwerke nun mit Hochdruck daran arbeiten, in neue Quellen zu investieren, wird das Wasser in Landsberg und den wassertechnisch angeschlossenen Gemeinden teurer. Entgelte für Wasser werden kostendeckend berechnet; steigt der Aufwand, steigt mit einem gewissen Zeitverzug automatisch auch der Preis.

Es gibt rund um die Lechstadt noch weitere Probleme, unter anderem marode Netze und fehlende Notverbünde. Wichtig ist jetzt, das Trinkwasser zum Dauerthema zu machen. Brunnenbau, Regenwassergewinnung, die Auflösung der Gleichung Wasser gleich Abwasser, der Verzicht auf Rasen- und Grünanlagenbewässerung - es gibt viele mögliche Ansätze dazu. Sprechen wir über Wasser, und zwar rechtzeitig. Dazu brauchen wir eine vom Stadtrat und den Gemeinderäten beschlossene Strategie. Den Stadtwerken allein überlassen wir dieses Thema bitte nicht.

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Lehren aus dem Desaster

Mittwoch, 19.06.2019

Schon wieder muss sich die Stadtverwaltung fragen lassen, welches Rollenverständnis sie eigentlich hat. Stammt das aus diesem oder noch aus dem vorigen Jahrhundert?

Punkt 1: Wenn das Ordnungsamt plant, sämtliche Märkte der Stadt für sechs Wochen aus der Altstadt heraus zu verlegen, ist das keine wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung mit nur geringen Auswirkungen. Daher gehört diese Frage in den Stadtrat.

Punkt 2: Schon zuvor ist es erforderlich, den zuständigen Referenten des Stadtrats für die Märkte in die Erarbeitung der Vorschläge einzubeziehen. Der ist nämlich besser in diesen Fragen vernetzt. Das ist übrigens keine Hol-, sondern eine Bringschuld. Der Referent kann ja nicht wissen, was das Amt da gerade ausheckt.

Punkt 3: Wenn schon eine solche Maßnahme geplant ist, dann bitte nach Gesprächen mit Markthändlern, Einzelhändlern, Gastronomen und Marktbesuchern. Zeit genug gab es ja. Zwar steht "das Ruethenfest vor der Tür" (Presserklärung der Stadtverwaltung). Plötzlich kam es aber nicht.

Punkt 4: Die frühe Information der Betroffenen ergibt sich normalerweise schon aus den drei vorherigen Punkten. Da in diesem Fall weder mit den Betroffenen beraten noch der Referent eingeschaltet noch die Sache dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt wurde, bekommt das Thema Information eigenes Gewicht. Die Presse und damit die Öffentlichkeit erst am 11. Juni zu informieren, obwohl die Maßnahme schon am 13. Juni wirksam wird, ist eine komplette Fehlleistung und kann nicht mit "üblichen Arbeitsabläufen" erklärt werden.

Punkt 5: Die Sache auf das Ruethenfest zu schieben, ist unfair. Zumal die Stadt mit dem Ruethenfestverein gar nicht über mögliche Marktstandorte gesprochen hat. Dass zwei Plätze in diesen Wochen fast immer zur Verfügung stehen (nur an zwei Markttagen nicht), hätte die Verwaltung auch vorher ermitteln können. Es ist grotesk, dass der Verein darauf aufmerksam machen muss.

Punkt 6: Die Präzisierung der Verwaltung, der Hellmair-Platz stehe außerhalb des Ruethenfests wegen der sommerlichen Bestuhlung durch die Gastronomie nicht zur Verfügung, wirft eine grundsätzliche Frage auf. In vielen Städten werden Plätze mehrfach genutzt, wobei auch mal Stühle gestapelt werden müssen. Der Hellmair-Platz ist immer noch ein Platz für die Bürger und nicht an die Wirte übereignet.

Es gilt, Lehren aus dem Desaster zu ziehen: Nicht nur intern prüfen und planen, sondern Gespräche führen! Die Referenten des Stadtrats ernst nehmen und einbeziehen (so wie das bei einigen Referenten vorbildlich geschieht)! Die Zuständigkeit des Stadtrats beachten! Rechtzeitig informieren! Und nicht die Schuld auf andere schieben, erst recht nicht auf das Ruethenfest und deren Organisatoren. Die haben mit diesem Chaos nun wirklich nichts zu tun.

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Städtebau mit Verantwortung

Mittwoch, 12.06.2019

Birgit Weber, die Stadtbaumeisterin, hat recht: Am Papierbach entsteht Urbanität mit einer einzigartigen Qualität. Sie sagt: "Das ist ein Maßstabssprung". Für Architekten, die neue Quartiere schaffen wollen, wird ein Besuch in Landsberg am Lech künftig unverzichtbar sein. Hier liegt die Messlatte - und sie liegt sehr, sehr hoch.

Das hat unter anderem mit den 14 getrennten Architektenwettbewerben zu tun. Ihre Ergebnisse schaffen Vielfalt und Ideenreichtum. Die meisten Projektentwickler lassen sich auf so etwas gar nicht ein. Wettbewerbe dieser Art kosten viel Zeit und Geld. Und vor allem: Sie führen dazu, dass nicht mehr die Investoren, sondern Jurys über die Ergebnisse entscheiden. Sie sind zudem Vorgaben für die Zusammenarbeit mit Büros, mit denen man bislang nicht zusammengearbeitet hat. Wer das in Kauf nimmt und sich selbst so zurücknimmt, verdient bereits Respekt.

Das ist aber noch lange nicht die ganze Geschichte. Das eigentliche Verdienst von Projektentwickler ehret + klein sowie Hauptinvestor Thomas O'Malley jr. liegt darin, dass sie heute absehbare globale Entwicklungen, Ansprüche, Verhaltensweisen und Trends auf 5,7 Hektar Grundfläche projizieren und verdichten.

Ihr Blick geht nicht auf das, was heute Norm und Vorschrift ist, sondern auf das, was ein Wohngebiet morgen und übermorgen leisten muss. Regenerative Energien zur Wärmeversorgung. Ausreichend Strom für das gleichzeitige Laden vieler Auto-Akkus in der Tiefgarage. Fahrradständer, die dem Wert von E-Bikes Rechnung tragen. Ein Quartierskonzept fürs Car-Sharing. Ein gutes Angebot zur Nahversorgung. Ein direkter Rad- und Fußweg in die Altstadt. Glasfaser bis in jede Wohnung. Kindertagesstätten vor der Haustür.

In der Regel sind Projektentwickler froh, dass sie Grund erwerben konnten und nicht an Altlasten und Ausgrabungen scheitern; dem Hochbau gilt oft nicht ihr Augenmerk. Und Geldgeber wie die O'Malley-Familie, die ein Hauch von Dallas umweht, sehen meist zu, dass sie ihre im Öl-Geschäft verdienten Milliarden rentabel anlegen, nicht unbedingt nachhaltig.

Das betrifft auch die soziale Durchmischung. Das ganze Wohngebiet wäre problemlos auf hohem Niveau vermarktbar. Es gibt europaweit ausreichend Interesse von Privatleuten, Stiftungen und Vermögensverwaltungen. Deutschland, Bayern, Landsberg, Papierbach - eine eindrucksvollere Steigerung gibt es kaum. Aber ehret + klein hat mit dafür gesorgt, dass die aus München bereits bekannte Soziale Bodennutzung (SoBoN) auch in Landsberg gilt. Außerdem war das Projekt von vorneherein auf mehrere Lagen angelegt, teurere am Lech, preiswertere in Richtung Spöttinger Kreisel.

Investoren haben oft nicht das beste Image. Tatsächlich gibt es viele, die als Maximal-Veredeler unterwegs sind, Infrastruktur nur soweit wie nötig schaffen und das Zusammenleben der Eigentümer noch nicht einmal durchdenken. Am Papierbach ist das anders. Hier steht Städtebau auf dem Programm, wie er aktueller und visionärer nicht sein könnte. Ansprechende Gestaltung, zukunftsorientierte Alltagsorientierung, wegweisende soziale Verantwortung. Dieser Dreiklang ist der eigentliche Maßstabssprung. Er betrifft nicht nur Projektentwickler. Auch Stadträte und Stadtverwaltungen müssen sich daran orientieren. In Landsberg ist das gelungen. Man könnte fast sagen: kongenial.

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Grausamkeiten? Sicher nicht.

Mittwoch, 05.06.2019

Eigentlich ist klar, was ein Verkehrsentwicklungsplan leisten muss. Er soll zeigen, wie wir den benzin- und dieselbasierten PKW- und LKW-Verkehr ohne Mobilitäts- und Komfortverlust reduzieren können. Selbstverständlich gehört dazu auch, dass man die Alternativen E-Mobilität, öffentlicher Nahverkehr, Fahrradnutzung und Zu-Fuß-Gehen einbezieht.

Wieso die Stadtverwaltung dazu keine umfassende Beauftragung vorgenommen hat und nun einen Nachauftrag erteilen muss, ist unverständlich. Diese Panne kann man wohl nur mit Unerfahrenheit erklären. Es entstehen 150.000 Euro Mehrkosten. Aufgrund des Vergaberechts ist eine erneute Ausschreibung erforderlich. Möglicherweise bekommen die Hauptgutachter von Brenner BERNARD gar nicht den Zuschlag für die zusätzlichen Prüfungen. Damit fehlt es am Ende vielleicht sogar an einem Konzept aus einer Hand. All das ist überflüssig, ja beschämend.

Die Verzögerung als solche schadet freilich nicht. Die neue Entwurfsfassung des Flächennutzungsplans ist für Sommer 2020 vorgesehen; erst dann muss das Verkehrskonzept vorliegen. Für eine intensive Diskussion im Stadtrat und für einen Dialog mit den Bürgern wäre bis zum angestrebten Zeitpunkt "Jahresende 2019" kaum Zeit geblieben. Mit heißer Nadel sollte man die verkehrliche Zukunft Landsbergs nicht stricken. Außerdem ist es zweifelhaft, ob der ausscheidende Stadtrat diese Entscheidungen noch treffen sollte. Der neue, der im Mai 2020 ins Amt kommt, ist geeigneter dafür, weil er die Umsetzung sechs Jahre begleiten kann.

Nun haben die Parteien und Wählergruppen im Wahlkampf die Chance, für ihr Konzept in Sachen Klimaschutz und Verkehrsentwicklung zu werben. Dabei ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Stadtrat Wolfgang Weisensee (Landsberger Mitte) erklärte in der Sitzung am vergangenen Mittwoch, der Verkehrsentwicklungsplan werde den Bürgern "Grausamkeiten" zumuten. Er hat offenbar Fahrverbote, Parkplatzverknappung und Parkgebührenerhöhungen im Blick.

CSU, SPD und Grüne denken eher an einen funktionsfähigen, preiswerten, schnellen und in kurzem Takt fahrenden öffentlichen Busverkehr. An breite, sichere, nicht mit Fußgängern zu teilende Radwege. An Bushaltestellen mit videoüberwachten Fahrradabstellplätzen. An eine Verlagerung der Schulbusse weg vom Hauptplatz. An eine neue Form des Lieferverkehrs, die auch dem Landsberger Einzelhandel nutzt. An einen Schrägaufzug, der den Osten mit der Altstadt verbindet. Möglicherweise sogar an eine Stadtbahn bis in den Süden der Stadt.

Zurzeit nutzen die Landsberger selbst für kurze Strecken das Auto, weil es keine schnelle und bequeme Alternative gibt. "Grausam" würde es nur, wenn wir versuchen, den PKW-Verkehr zu reduzieren, ohne Optionen zu schaffen, die mindestens gleich gut sind. Nur wenn Bürger und Besucher reflexartig andere Angebote nutzen, weil man damit schneller und preiswerter mobil sein kann, schaffen wir den Absprung. Wer an Verbote denkt, denkt gestrig.

Daher sollte man die Handlungsstränge auseinanderhalten. Die unvollständige Beauftragung der Verkehrsplaner ist blamabel. Die Gelegenheit zur sorgfältigen Beratung des Themas durch den neuen Stadtrat ist zu begrüßen. Und die Tatsache, dass wir im Wahlkampf 2020 über konkrete Konzepte diskutieren, ist ein echter Gewinn.

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Verlagerung der Last (3)

Mittwoch, 29.05.2019

Der Bund und der Freistaat Bayern verlagern immer mehr Aufgaben und Risiken auf die Kommunen und nehmen damit personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel in Beschlag. Die Themen Kinderbetreuung, Konversion und Digitalisierung sind gute abschließende Beispiele für diesen Prozess.

Beispiel Kinderbetreuung: Seit 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Sie können von den Kommunen Schadenersatz für den entstandenen Verdienstausfall fordern, wenn sie aus Mangel an einem Betreuungsplatz ihre Rückkehr in den Beruf aufschieben. Fehlende Mittel oder knappe Personalausstattung der Gemeinden sind keine Rechtfertigung.

Auch hier finden zwar finanzielle Zuwendungen der staatlichen Stellen statt. Die drohende Haftung der Kommunen erfordert aber viel Planung und Übersicht. Geeignete Standorte müssen her und schnelle Bautätigkeit ist erforderlich. Deswegen zieht die Stadt Landsberg nun vorsichtshalber zwei Einrichtungen am Reischer Talweg und an den Oberen Wiesen vor. Das Risiko der Fehlinvestition (für den Fall, dass das jeweilige Baugebiet nicht folgt) liegt bei ihr.

Beispiel: Konversion. In Penzing möchte der Bund von der Gemeinde offenbar viel Geld für ein Areal, auf dem sich jede Menge Altlasten und zusätzlich sogar noch denkmalgeschützte Gebäude befinden. So viel Geld sogar, dass selbst Landkreis, Stadt Landsberg und Penzing nicht damit rechnen, das Gelände selbst kaufen zu können. Die Kommunen haben aber jahrelang die Infrastruktur geliefert, die die Soldaten und Zivilbediensteten brauchten, etwa durch den Bau von Schulen und Zurverfügungstellung von Flächen für den Wohnungsbau. Ihnen jetzt einen finanzkräftigen Investor vor die Nase zu setzen und ihnen damit zu verweigern, ihre künftige Gemeindestruktur selbst zu bestimmen, ist mehr als ungerecht: Der Bund will Kasse machen und die Kommune trägt die Last.

Beispiel: Digitalisierung. Jahrelang ist nun schon klar, dass überall Glasfasernetze entstehen sollen, weil Unternehmen sie brauchen und die Mediennutzung der Privathaushalte in Richtung "on demand" tendiert. Die Bundesregierung hat zwar einen Digitalrat, ein Digitalkabinett, einen für Digitalisierung zuständigen Kanzleramtsminister, eine Staatsministerin für Digitalisierung, ein Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie Digitalisierungs-Abteilungen in weiteren drei Ministerien - aber wenn es um die konkrete Verkabelung einer Gemeinde geht, ist die planerisch und technisch wieder alleine gefordert.

Auch hier gilt dann, ähnlich wie bei allen anderen Aufgaben, die den fachfremden Kommunen übergestülpt werden, dass erst einmal ganz viel Zeit, Schulung und Erfahrung notwendig ist, bis weiße Flecken auf der Breitbandkarte ihre Farbe wechseln. Dieser Prozess dauert Jahre. Inzwischen erhöhen Länder wie Litauen ihre Glasfaserquote auf 75 Prozent. Die in Deutschland liegt gerade mal bei 2,3 Prozent.

Das Fazit: Die Verlagerung von immer mehr Herausforderungen auf die Städte und Gemeinden überfordert sie, hält sie von der Erfüllung eigentlicher lokaler Aufgaben ab und führt oft zu schlechten Ergebnissen. Wir brauchen ein grundlegendes Umdenken bei Integration, Sozialwohnungsbau, Straßenausbau, Verkehrswende, Bau-Regulatorik, Kinderbetreuung, Altlastenbeseitigung und Digitalisierung. Sonst droht den Kommunen irgendwann der Infarkt.

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Verlagerung der Last (2)

Mittwoch, 22.05.2019

Die Themen Straßenausbau, Verkehrswende und Wohnungsbau sind drei weitere Beispiele dafür, dass Bund und Land immer öfter politische Entscheidungen treffen, die den Städten und Gemeinden Pflichten aufbürden. Auch in Landsberg wird so über personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel verfügt, die dann für Aufgaben im eigenen Wirkungskreis fehlen. Zwar gibt es manchmal Zuschüsse und Kostenübernahmen. Am "Wegdelegieren nach unten" und der Verlagerung der Last ändert das aber nichts.

Beispiel: Straßenausbau und Enderschließung. Hier kann man die - unerwartet eingetretene - Verschiebung besonders gut erkennen. Als der bayerischen Staatsregierung ein Volksbegehren drohte, verwirklichte sie das Geforderte lieber selbst und entzog den Kommunen damit die Möglichkeit, Anlieger an den Kosten von Straßenausbauten und Ausbesserungen zu beteiligen. Zumindest Landsberg verzichtet auch auf die nur noch zeitlich begrenzte Möglichkeit der Enderschließung.

So schön das ist: Die finanzielle Zuwendung des Freistaates reicht bei Weitem nicht aus, um die Einnahmeausfälle auszugleichen. Letztlich bleibt den Kommunen nur, die Grundsteuer - wie sie dann auch immer bemessen sein mag - zu erhöhen, was dann aber auch Mieter trifft. Kommunen, die sich darauf nicht einlassen wollen, werden ihre Infrastruktur wohl tendenziell verkümmern lassen.

Beispiel: Verkehrswende. Alle sind sich einig, dass der Verkehr in den Städten reduziert werden muss, um den Verkehrsfluss zu verbessern und die Belastung durch Lärm und Abgase zu reduzieren. Der Staat, der das Dieselproblem nicht in den Griff bekommt, drängt die Kommunen geradezu, jetzt einschneidende Maßnahmen vorzunehmen.

Aber dazu muss er viel tiefer in die Tasche greifen als er bislang angekündigt hat. Vor allem dürfen Bund und Land dabei nicht Großstädte mit ohnehin hoher Nahverkehrsnutzung bevorzugen. Das wirkliche Problem entsteht in den Landkreisen, in denen belastete Städte wie Landsberg Oberzentren für ländliche Kommunen sind. Hier gilt es, erstmals tätig zu werden und Verknüpfungen herzustellen, beispielsweise kostenlose Parkmöglichkeiten an der Peripherie verbunden mit kostengünstigen Bussen im Stadtbereich.

Dabei geht es nicht nur um Geld. Bislang durfte die Stadt Landsberg noch nicht einmal beschließen, den Schwerlastverkehr aus der Iglinger Straße zu entfernen (obwohl sie für ausreichend breite alternative Strecken gesorgt hat). Temporeduzierungen waren ohne Unfallschwerpunkt kaum möglich. Die Verkehrswende erfordert eine komplette Entbürokratisierung des Straßenverkehrsrechts.

Beispiel: Baurecht. Die Kommunen leiden unter Regelwerken zur Energie-Einsparung, Altlasten-Entsorgung, zum (passiven) Lärmschutz und zur Baustoff-Qualität, die schnellen und innovativen Wohnungsbau verhindern. Das sind zwar nicht die einzigen Gründe, warum die Baukosten so enorm steigen - die Grundstücke werden immer teurer, die Erwartungen an altersgerechtes Bauen höher und die Pflicht zu (meist unterirdischen) Kfz-Stellplätzen fordert ihren Tribut.

Dennoch: Gäbe es die ausufernde Regulatorik nicht, wäre Wohnungsbau in den Städten nicht quasi automatisch "Wohnungsbau für Reiche", wie das derzeit der Fall ist. Durch SoBoN kommt in Landsberg zwar ein Stück Umverteilung ins Spiel - teure Wohnungen finanzieren preiswertere mit. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. (wird fortgesetzt)

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Verlagerung der Last (1)

Mittwoch, 15.05.2019

Immer öfter treffen Bund und Land politische Entscheidungen, die den Städten und Gemeinden Pflichten aufbürden. Auch in Landsberg wird so über personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel verfügt, die dann für Aufgaben im eigenen Wirkungskreis fehlen. Zwar gibt es manchmal Zuschüsse und Kostenübernahmen. Am "Wegdelegieren nach unten" und der Verlagerung der Last ändert das aber nichts.

Beispiel: Integration. Gerade hat die Stadt Landsberg eine Integrationsbeauftragte eingestellt. Ihre Aufgaben: Unterstützung von Ausländern bei der Suche von Wohnungen und Jobs sowie Öffentlichkeitsarbeit, um mehr Verständnis für Zugezogene zu erreichen, die bisher ein anderes Leben hatten (siehe Seite 3). Auch die weiteren Kommunen im Landkreis Landsberg sollen mit Personal zur Integration beitragen.

So notwendig das ist: Für die Integration ist nach dem "Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet" der Freistaat Bayern zuständig, vertreten durch die Ausländerbehörde beim staatlichen Landratsamt. Auch Arbeitsvermittlung und Hilfe bei der Wohnungssuche fallen entweder in die Zuständigkeit des Bundes ("Agentur für Arbeit"), der Sozialämter auf Landkreisebene oder der Kombination beider Verwaltungen in Form des "Jobcenters". Kommunen sind allenfalls zuständig, wenn kurzfristig eine akute Obdachlosigkeit eintritt. Dennoch werden sie hier wie selbstverständlich in die Pflicht genommen.

Beispiel: Sozialwohnungen. Die Stadt Landsberg wird von vielen Seiten gedrängt (und hat im Grunde auch schon beschlossen), aus eigenen Mitteln Sozialwohnungen zu bauen. Dafür ist ein Grundstück am Wiesengrund vorgesehen. Der Eigenbau von Sozialwohnungen ist aber keine staatliche und auch keine kommunale Aufgabe. Der Staat - zunächst der Bund, nach der Föderalismusreform im Jahr 2006 die Länder - hat vielmehr immer mit Anreizen für private Investoren gearbeitet. Inzwischen ist diese Förderung viel zu bürokratisch und nicht mehr effektiv. Das Problem ist durch das Auslaufen von Bindungsfristen im Sozialwohnungsbestand und die absurde Preisentwicklung ungeförderter Wohnungen zudem deutlich gestiegen.

Landsberg hat zwar die Möglichkeit, Baugenehmigungen für Flächen, die bislang kein Bauland waren, mit der Pflicht zu verbinden, Sozialwohnungen zu errichten; dafür hat sich die Stadt selbst die SoBoN-Richtlinie auferlegt. Aber das reicht wohl nicht aus; so viele Umwandlungen gibt es nicht. So wird die Verwaltung also wohl oder übel selbst, mit Hilfe einer Wohnungsbaugesellschaft oder des Kommunalunternehmens Stadtwerke, Sozialwohnungen bauen müssen. Das führt zu weiterer Verschuldung, höheren Tilgungen und bindet Personal, das dann an anderer Stelle fehlt.

Es gibt viele weitere Themen, bei denen eine Verlagerung der Last auf die Kommunen stattfindet. In den meisten Fällen geht es nicht nur um Liquidität, Haushaltsdefizite und zunehmende Verbindlichkeiten, sondern auch darum, dass nur wenig Wissen und Erfahrung besteht. Die meisten Städte und Gemeinden haben zuletzt ihr Rathaus selbst gebaut; mit Geschosswohnungen kennen sie sich nicht aus. Und irgendeine Art von Arbeits- oder Wohnungsvermittlung fand dort allenfalls rudimentär bei der Ausübung von Belegungsrechten statt. Dass viele Bürgermeister und Stadt- oder Gemeinderäte da Maßnahmen lieber hinauszögern, ist verständlich. (wird fortgesetzt)

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Vom Antrag zum Einwand

Mittwoch, 08.05.2019

Man weiß es nicht: Ist es Schlamperei oder Absicht? Die Europäische Holocaust Gedenkstätte Stiftung schreibt am 16. August 2017 einen Brief an alle Stadträte und den Oberbürgermeister. Darin bittet sie darum, im Entwurf des neuen Flächennutzungsplans das bestehende Sondergebiet, das zusätzliche zweckbezogene Bebaubarkeit kennzeichnet, auf die verfügbaren benachbarten Grundstücke auszudehnen. Denn: Sollten der Bund oder der Freistaat Bayern Mittel bereitstellen, um das "Bauwerk von nationaler Bedeutung" um Besucherräume und vielleicht ein Archiv zu ergänzen, dann entstehen diese bestimmt nicht direkt neben den Tonröhrenbauten des Lagers Kaufering VII.

Obwohl die Stiftung ihren Antrag am 3. Februar 2018 noch einmal präzisiert und am 12. September 2018 an ihn erinnert, enthält der im April 2019 ausgelegte Entwurf des Flächennutzungsplans keine Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand. Auf Nachfrage des landsbergblog erklärt die Pressestelle der Stadt lediglich, "das aktuellste Schreiben" - eine neuerliche Mahnung vom April 2019 - "wurde als Einwand im Rahmen der Auslegung zum Flächennutzungsplan aufgenommen und im weiteren Verfahren entsprechend behandelt".

Aus einem Antrag vor Erstellung des Plans wird ein Einwand zum erstellten Plan - und das, vorsichtig ausgedrückt, nach einem Minimum an Kommunikation. Dilatorischer kann man das nicht behandeln. Und mehr Missachtung gegenüber dem Ehrenamt ist kaum möglich. Seit vielen Jahren setzen sich Landsberger und Kauferinger, neben Manfred und Helga Deiler derzeit auch Alt-Oberbürgermeister Franz Xaver Rößle (UBV) und die Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel (Grüne), für den Erhalt der Tonröhrenbauten ein. Sie haben mit großen Mühen - ohne die beiden Kommunen in Anspruch zu nehmen - die Konservierung der Gebäude erreicht. Dafür erhielt die Stiftung mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Bayerischen Denkmalpflegepreis in Gold.

Nun geht es zunächst im Freistaat darum, wie man das Lager Kaufering VII, das sich auf Landsberger Stadtgebiet befindet, so komplettieren kann, dass künftige Generationen das Gelände besuchen und das dort Geschehene einordnen können. Der Landtag befasst sich zurzeit damit. Schon jetzt ist abzusehen, dass auch der Bund involviert wird. Immerhin gehört das Lager nach Bundesdefinition zu den Orten, die "das kulturelle Erbe der Bundesrepublik Deutschland prägen". Stadtrat und Verwaltung hätten gut daran getan, allen Beteiligten mit der Ausdehnung des Sondergebiets ein Signal zur künftigen Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu geben - und zwar nicht aufgrund eines Einwands, der "entsprechend behandelt wird", sondern freiwillig. Nichtbefassung und Nichtbescheidung sind respektlos und werden der Bedeutung der Sache nicht gerecht.

Im Übrigen müsste auch der Stadt klar sein, dass der beschlossene Raum im Rathaus, der Besucher auf die Stätten von Aufstieg, Schrecken und Fall des Nationalsozialismus hinweisen soll, nichts bringen wird, wenn der Besuch von Kaufering VII nur nach privater Terminabsprache möglich ist. An der Verschlossenheit der Welfenkaserne und des Gefängnisses wird sich ohnehin nichts ändern. Auch das Stadtmuseum ist noch lange nicht fertig. Ein Wegweiser ins Nichts wäre ein Schildbürgerstreich. Deswegen sind parallele Entwicklungen nötig. Ein administrativer Akt und etwas mehr Solidarität mit der Stiftung sind daher das Mindeste, was man von der Stadt erwarten kann.

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Eine Wende, ganz privat

Mittwoch, 30.04.2019

Vergangene Woche stand an dieser Stelle, dass es In einigen Jahren in Landsberg normal sein wird, viel mehr Wege als bisher mit dem Bus oder dem Fahrrad zurückzulegen. Dazu brauchen wir einen öffentlichen Nahverkehr, der eine attraktive Alternative zum Selber-Fahren darstellt, gute Radwege, die Radfahren auch für Ungeübte sicher machen, und Verknüpfungen, bei denen man verschiedene Verkehrsmittel nacheinander nutzt. So wird es der Landsberger Verkehrsentwicklungsplan wohl auch vorsehen.

Allerdings bedeutet das nicht, dass Sie gebeten sind, auf kommunale Maßnahmen zu warten. Sie können die Verkehrswende schon jetzt, ganz privat, herbeiführen und unterstützen. Prüfen Sie als erstes, auf welche Autonutzung Sie verzichten können! Muss man Kinder tatsächlich individuell zur Schule fahren; wären Fahrgemeinschaften oder gemeinsame Fußwege in Kleingruppen nicht eine Alternative? Und wenn Sie Ihr Auto in der Stadt abstellen wollen: Lässt sich durch das gezielte Ansteuern eines Parkhauses Ihr persönlicher Parksuchverkehr nicht vielleicht komplett vermeiden?

Die Verkehrswende unterstützen Sie auch dadurch, dass Sie denen, die ein anderes Verkehrsmittel als Sie benutzen, Respekt und Rücksicht entgegenbringen. Als Autofahrer, indem Sie keine Radwege zuparken oder blockieren. Indem Sie in Tempo 30-Zonen Tempo 30 fahren, selbst dann, wenn Sie den Radarwagen schon woanders entdeckt haben. Indem Sie ausreichend Abstand zu Radfahrern halten, auch solchen, die auf Radwegen oder Schutzstreifen unterwegs sind. Indem Sie einen Moment warten, wenn das Überholen von Radlern gerade nicht gefahrlos möglich ist. Indem Sie am Ende von Radwegen das Einfädeln ermöglichen. Indem Sie Autofahren nicht als Nebenbeschäftigung betrachten und sich durch Gespräche, Telefonate und Nachrichten-Schreiben ablenken lassen.

Als Fußgänger, indem Sie einen Zebrastreifen erst betreten, wenn Radler und Autofahrer Sie gesehen und angehalten haben. Indem Sie entgegenkommende Fußgänger nicht durch Gruppenbildung und weiträumige Hundeführung zum Ausweichen auf die Fahrbahn zwingen. Indem Sie Fahrbahnen dort queren, wo das vorgesehen ist. Als Radfahrer, indem Sie sich und Ihr Rad durch Kleidung, Westen, Helm und Beleuchtung sichtbar machen. Indem Sie die Geschwindigkeit reduzieren und nicht knapp an Fußgängern vorbeirasen. Indem Sie auch mal auf Ihr Vorfahrtrecht verzichten. Indem Sie auf gemeinsamen Rad- und Fußwegen besonders vorsichtig fahren. Indem gerade Sie Hektik und Aggression zurückstellen, um ein gelasseneres Verkehrsklima zu schaffen. Gerade Sie!

Natürlich gibt es noch viele andere, die die ersten Ansätze der Verkehrswende schon jetzt unterstützen können. Hauseigentümer zum Beispiel, indem Sie viele ebenerdige, straßennahe Stellplätze für Fahrräder vorsehen. Oder Straßenbauämter, indem sie ganz ohne Antrag und Beschluss Farbe und Licht benutzen, um Radwege hervorzuheben. Indem Sie Radwege verbreitern. Indem Sie den Rad- vom Fußgängerverkehr trennen. Indem Sie Schwellen und Stolperfallen beseitigen. Indem Sie Ampelschaltungen fahrradfreundlicher machen.

Aber es sind nicht allein die anderen, die tätig werden müssen. Wenn erst einmal Sie Haltungen ändern würden, wäre schon viel gewonnen. In der Summe wäre das ein richtig großer erster Schritt.

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Prinzipiell verknüpft

Mittwoch, 24.04.2019

Landsberg braucht eine Verkehrswende. Dazu gehören ein öffentlicher Nahverkehr, der eine attraktive Alternative zum Selber-Fahren darstellt, sowie gute Radwege, die Radfahren auch für Ungeübte sicher machen. Das Ziel ist: In Landsberg werden hybride Busse und Bahnen zumindest auf den Hauptlinien - wir brauchen Hauptlinien! - sieben Tage die Woche fahren, kaum etwas kosten, in einem Takt verkehren, der Fahrpläne überflüssig macht, und Haltestellen ansteuern, die auch Rad-Parkstationen sind. Experten nennen das Verkehrsmittel-Mix und modale Verknüpfung, wir nennen das Landsberger Lebensqualität.

Das bedeutet weniger Stau, weniger Lärm, weniger Umweltbelastung und weniger Stress. Und den Schutz vor einem Diesel-Fahrverbot. Die "Landsberger Regel" verkehrt sich dann ins Gegenteil. Bislang galt: "Für innerstädtische Wege benutzt man das Auto. Nahverkehr, Radfahren und Zu-Fuß-Gehen sind Ausnahmen." Künftig gilt: "Innerstädtische Ziele erreicht man prinzipiell verknüpft. Wege mit dem Bus, dem Fahrrad und zu Fuß ergänzen sich. Autofahren ist die Ausnahme."

Das wäre eine Wende, wie sie im Buche steht und ein wunderbares Vermächtnis für die nächste Generation. Nutzen Sie doch einfach mal die zweite Ferienwoche, um im Familienkreis darüber zu beraten. Gehen Sie diesen Weg mit? Ist das auch Ihr Ziel?

Wenn ja, dann nehmen Sie an den im Sommer und Herbst anstehenden Bürgerrunden zum Verkehrsentwicklungsplan teil und fordern Sie nachdrücklich einen völlig neu organisierten öffentlichen Nahverkehr und sichere Radwege. Outen Sie sich als wendebereit! Verlangen und erkämpfen Sie Landsberger Lebensqualität! Überlassen Sie das Feld nicht denen, die weniger PKW-Verkehr fordern, um selbst freie Fahrt zu haben.

Es geht aber nicht nur um die Landsberger und ihre innerstädtischen Wege. Es geht auch um Landkreisbürger und Besucher, die zu uns kommen. Viele Teilnehmer des Projekts "Landsberg 2035" berichteten, dass sie im Ausland erstaunliche Erfahrungen gemacht haben. Sie fuhren am Stadtrand in ein Parkhaus. Das Parkticket war günstig, Und es diente gleichzeitig als Fahrschein für den Nahverkehr. Das können wir in Landsberg auch.

Das magische Wort heißt Verknüpfung: PKW und Bus für Besucher, Fahrrad und Bus für Bewohner. So einfach ist die Formel. Wir jedenfalls glauben daran: 2019 ist das entscheidende Jahr. In ihm legen wir fest, wie Landsbergs Zukunft aussieht. Leiden wir oder leben wir? Unsere Antwort ist klar. Ihre auch?

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Hilflos und harmonisch?

Mittwoch, 17.04.2019

Fakten sind heilig, die Meinung ist frei. Diese Regel gilt auch für Satire, selbst auf der Landsberger Wiesn. Fehlleistungen darf man ausschmücken und überzeichnen, Missstände darf man verspotten und anprangern. Aber man kann nicht einfach Fehler und Missstände erfinden.

Wenn es theoretisch möglich wäre, dass auf den abgerissenen Schrem-Bau am Papierbach ein neunstöckiges Gebäude folgt, weil es "nur auf die Kubatur ankommt", dann wäre die Pointe "Neuner-Block" gar nicht schlecht. Aber es kommt eben nicht nur auf die Kubatur an. Neben ihr sind maximal drei Obergeschosse festgeschrieben. Der Gag biegt sich die Dinge zurecht.

Wenn auch nur eine minimale Gefahr bestünde, dass das alte Jugendzentrum abgerissen wird, bevor das neue entsteht, ja, dann wäre der Spott über "Neuners Abrisskalender" berechtigt. Aber der Ablauf ist genau andersherum. Die Architekten sind bereits am Werk. Die Stadt lässt die Jugendlichen nicht auf der Straße stehen. Der Witz ist einfach konstruiert.

Wenn der Stadtrat tatsächlich so unerträglich harmonisch aufträte, dass man "ihn zum Leben erwecken muss" - dann, ja, dann könnte man das vortrefflich satirisch ausmalen. In Wahrheit aber streitet dieser Stadtrat mit Leidenschaft und Ausdauer. Der Witz basiert nicht auf Tatsachen.

Am Abend, als der erste Bericht über die Barnabas-Rede erschien, wurden die neun Geschosse zwar als Übertreibung erkannt. Hängen blieb aber: Die Stadt hat die Themen Schrem-Bau und Jugendzentrum nicht im Griff und der Stadtrat ist hilflos - und zu harmonisch.

Den Barnabas alias Matthias Bartels trifft keine Schuld. Er war sicher davon überzeugt, dass er von Fakten ausgeht und sie mit Humor ad absurdum führt. Auch er hat den Derbleckten offenbar zugetraut, die Dinge nicht auf die Reihe zu bekommen. Wahrscheinlich ist er damit in Landsberg nicht allein.

Dass Alt-Oberbürgermeister Franz Xaver Rößle (UBV) als "Ghostwriter" an dieser Rede mitwirkte, befremdet allerdings erheblich. Es ist gute Tradition, dass Vorgänger ihren Nachfolgern nicht

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Den Spuk beenden

Mittwoch, 10.04.2019

Eigentlich ging es letzten Mittwoch nur um eine Verrechnung. Die Heilig-Geist-Spitalstiftung, die über keine eigene Rechtspersönlichkeit, aber ein abgegrenztes Vermögen verfügt, verursacht Kosten in der Stadtverwaltung. Im Haushalt 2018 waren Erstattungen von 198.000 Euro veranschlagt. Eine Neuberechnung ergab nun, dass die Kosten tatsächlich bei 421.000 Euro liegen. Der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Stadtrats stimmte zu, die Umbuchung entsprechend zu erhöhen.

Der Vorgang verdeutlicht, dass Stadt und Stiftung haushalterisch getrennt behandelt werden; so muss es sein. Er führt aber auch vor Augen, dass die - vor allem von Stadtrat Stefan Meiser (ÖDP) geforderte - Neuerrichtung der Stiftung untragbare Konsequenzen hätte. Noch wird die Stiftung von den Mitarbeitern im Rathaus mitverwaltet. Noch erstreckt sich die Weiterberechnung nur auf laufende Kosten und nicht auf Abschreibungen oder Rücklagen. Noch übernimmt der Stadtrat die Funktion des Beschlussgremiums. Eine selbständige Stiftung bräuchte hingegen eigene Organe, eine eigene kaufmännische Leitung und einen eigenen Verwaltungsapparat. Sie hätte viel höhere Kosten als jetzt. Und die Stadt wäre nicht verpflichtet, für die Stiftung wie bisher Leistungen zu erbringen, obwohl die Personalausstattung das nicht hergibt.

Es ist grotesk, dass Stadträte in der Sitzung bereits nach der Neuberechnung des städtischen Verwaltungsaufwands von der Gefahr des "Ausblutens" der Stiftung sprachen. Bei einer Neugründung wäre der Aderlass um ein Vielfaches größer. Es ist noch nicht einmal klar, wie hoch das unverzehrbare Grundstockvermögen der Stiftung ist. Möglicherweise ist es so hoch, dass die Mehrkosten auf Dauer gar nicht tragbar sind.

Es gibt in den Archiven der Stadt keinen Hinweis darauf, dass die Stiftung jemals eigene Organe, eine eigene Leitung und eigene Mitarbeiter gehabt hat. Selbst das Bayerische Innenministerium fand dafür keinen Beleg. Immer ist von der Verwaltung durch den Magistrat die Rede. Die Forderung nach "Wiederherstellung" einer eigenen Rechtspersönlichkeit gründet daher allein auf der Behauptung der Stadtverwaltung in der NS-Zeit, die bislang selbständige Stiftung werde nun aufgelöst. Für unser heutiges Handeln kann das nicht maßgeblich sein. Wir sollten den Spuk beenden. Zumal eine Entscheidung über die Zukunft des Gebäudes im Jesuitenviertel ansteht. Vorher müssen wir wissen, woran wir sind.

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Kein Exit aus Europa

Mittwoch, 03.04.2019

Die Landsberger Verbände von CSU und SPD haben in der vergangenen Woche Bekenntnisse zu Europa abgegeben. Sie bitten die Bürger, am 26. Mai zur Europawahl zu gehen und ihre Stimme einer der Parteien zu geben, die die europäische Zusammenarbeit fortsetzen wollen. Sie appellieren: Treten Sie populistischen Regierungen entgegen, die gerne Fördermittel in Anspruch nahmen, aber nun auf Nationalismus und Spaltung setzen! Entziehen Sie Parteien den Boden, die Kandidaten für ein Parlament aufstellen, das sie alsbald abschaffen wollen!

Diese Appelle kann man nur unterstützen. Von der bayerischen CSU hätte man sie sich viel früher gewünscht. "Bayern zuerst", einer der CSU-Slogans für die Europawahl 2014, hat Schaden angerichtet. Und der Seehofersche Flirt mit der innereuropäischen Binnengrenze im Jahr 2018 hat irritiert. Glücklicherweise in nun ein Umdenken spürbar.

Landsberg braucht Europa. Weil Rational, Delo, Hirschvogel, Hilti, aber auch kleine Unternehmen in Stadt und Kreis vom freien Handel profitieren. Weil Arbeitsplätze voraussetzen, dass man Produkte schnell und ohne Hemmnisse über Grenzen transportieren kann. Weil deutsche Firmen ohne europäisches Wettbewerbs- und Kartellrecht gegen Subventionen und Protektionen anderer Staaten auf verlorenem Posten stünden.

Weil jedes Land einzeln einer "America first"-Politik, die auf "Tariffs and Trades" setzt, hilflos ausgeliefert wäre. Weil nur Europa Amazon, Apple, Facebook sowie Google samt YouTube zwingen kann, Verbraucher- und Datenschutz zu verwirklichen sowie die Rechte der Urheber zu beachten. Weil man nur gemeinsam Lücken im Steuerrecht schließen und dafür sorgen kann, dass es keine Steueroasen mehr gibt. Landsberg braucht Europa auch, weil nur die Staaten gemeinsam Lösungen für Afrika finden können. Und nur im Verbund sind sie stark genug, um auf Augenhöhe mit Russland und China zu agieren.

In diesen Tagen schauen viele Landsberger irritiert nach Großbritannien; sie können den Austritt der Briten aus der Gemeinschaft nicht nachvollziehen. Aber: Wer am 26. Mai nicht zur Wahl geht oder Europagegner wählt, der nimmt seinen persönlichen "Exit" aus der EU vor. Mag auch vieles noch zu verbessern sein: Nichts davon ist die Abschaffung Europas wert.

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Eine nach der anderen

Mittwoch, 27.03.2019

Die UBV holt sich im Landsberger Stadtrat eine Watschn nach der anderen ab. Fünf zu 20 Stimmen beim Ratsbegehren. Vier zu 21 beim Bürgerentscheid. Drei zu 22 beim Verkehrsentwicklungsplan. Vier zu 18 in Sachen Quartiersmobilität. Auch in den Ausschüssen gibt es immer wieder Fälle, in denen nur eine einzige Person abweichend stimmt - das ist fast immer jemand von der UBV.

Die UBV klinkt sich aus dem politischen Diskurs mit den anderen Fraktionen sowie dem OB und der Verwaltung weitgehend aus. Erreichen könnte sie ja nur etwas, wenn sie sich Mehrheiten sucht und Kompromisse herausverhandelt. So aber driftet sie in die Diaspora ab. Die UBV ist dagegen? Klar, normal. Große Mehrheit, nächster Punkt.

Zu befürchten ist allerdings, dass die UBV ein Buch erstellt. Es hat den Titel "Historie unseres Martyriums". Der Erscheinungstermin könnte fürs Frühjahr 2020 geplant sein. Dann ist Wahlkampf. In der Schrift würden alle köstlichen Niederlagen stehen, die die UBV in den letzten Jahren erlitten hat. Wir waren für den Bürgerentscheid - Watschn! Wir waren für die Innenstadt - Watschn! Wir waren gegen Nachverdichtung - Watschn! Wer also für Bürgerentscheide ist: UBV! Für die Innenstadt: UBV! Gegen Nachverdichtung: UBV!

Aber ob der Bürger dann nicht merkt, dass die anderen Stadträte nicht sämtlich auf der Brennsuppe dahergeschwommen sind? Der Antrag vom letzten Mittwoch ist ein gutes Beispiel: Die UBV forderte einen Ratsentscheid über den Verkehrsentwicklungsplan, der am Wahltag 2020 stattfinden soll. Schon kurzes Nachdenken genügt, um festzustellen: Bei einer Ablehnung würde aus dem vom Stadtrat mit Experten und Bürgern erarbeiteten Plan das, was der No Deal beim Brexit ist.

Außerdem würden die Handelnden dann nicht das beschließen, was notwendig ist, sondern das, was gut ankommt; Populismus lässt grüßen. Es erschreckt, dass die UBV ernsthaft einen Antrag stellt, der den Stadtrat zur "lame duck" macht. Damit die UBV bei der Wahl von dem Ratsbegehren profitieren könnte, müsste sie übrigens gegen die ausgearbeiteten Ergebnisse stimmen, egal, wie gut sie sind.

Natürlich ist die Behauptung, das alles sei Taktik, nur eine unbewiesene Unterstellung. Aber was soll es sonst sein? Die Anwohner der Staufenstraße wurden von der UBV über drohende mehrgeschossige Bauten "unterrichtet", als es noch nicht einmal einen Architektenwettbewerb gab, geschweige denn den Ansatz einer städtischen Planung.

In einer Stadtratssitzung im November 2017 führte die UBV aus, nach neuerer Rechtsprechung sei die Verwaltung auf dem Holzweg, wenn sie beim Einfügegebot auf "Art und Maß der baulichen Nutzung" abstelle. Es komme auf die "Wahrnehmbarkeit nach außen" an. Richtig war: Da war gar nichts neu und die "Wahrnehmbarkeit nach außen" ist der Grund dafür, dass es auf "Art und Maß der baulichen Nutzung" ankommt.

Deswegen ist es keine gute Idee, so weiter zu machen wie bisher. Die Haltung der UBV ist ein Stück Politikverweigerung von Mandatsträgern, die Politik machen sollen. Das mit dem Buch wird ohnehin nicht funktionieren. Buch führen können die anderen auch. Und Wähler wollen wissen, was die Zukunft bringt; berechnende Spielchen der Vergangenheit interessieren sie nicht.

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Dieser Beitrag erschien auch in der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN (zum E-Paper). In der Ausgabe vom 3. April 2019 finden Sie einen Beitrag über die Reaktion der UBV.


Ran an die Tastaturen

Mittwoch, 20.03.2019

Soziale Medien sind eine Bereicherung. Sie bringen aber auch Probleme mit sich. Vor einer Woche entsteht in den hiesigen Facebook-Gruppen eine Diskussion über Wohnungen in Landsberg. Die Nutzer, die dazu schreiben, sind offenbar schon lange nicht mehr in Kontakt mit einer Zeitung gekommen. Dass die Stadt Sozialwohnungen am Wiesengrund baut und in allen neuen Baugebieten inklusive Papierbach 30 Prozent geförderten Wohnungsbau vorschreibt, ist ihnen entgangen. Auch die preisgünstigen (teils fertigen, teils geplanten) Wohnungen an der Schongauer Straße, am Ziegelanger und an der Rosenstraße kennen sie offenkundig nicht.

Dafür glauben sie zu wissen: Der Oberbürgermeister hat keine Ahnung von der bestehenden Wohnungsnot und ist als Bauingenieur nur an teuren Wohnungen interessiert. Der Stadt fehlt seit Jahren jeglicher Realitätssinn und der Kontakt zum kleinen Bürger. Die Knappheit ist politisch so gewollt, um die Mieter abzuzocken. "Platz wäre für sozialen Wohnungsbau genug, nur bringt das leider kein Geld in die Stadtsäckle". Die Stadtverwaltung bevorzugt Münchner, "die bringen deutlich mehr Geld in die Stadt". Am Papierbach sind "aus Gier" keine Sozialwohnungen vorgesehen. Der Stadtrat überlässt den Markt den Haien und hat damit "viel kaputt gemacht". Auf den Wartelisten für Sozialwohnungen stehen lauter Asylbewerber; "wenn ich das Wort nur höre, platzt einem der Arsch".

Das alles ist komplett falsch und versetzt denjenigen, die sich für günstigen und sozialen Wohnungsbau einsetzen, einen Stich ins Herz. Aber irgendeine Gegenrede gibt es nicht. Weder die Stadtverwaltung noch die Fraktionen noch die Parteien melden sich zu Wort.

Dabei nutzen gerade politische Gruppierungen und Institutionen Facebook gern, um Inhalte zu verbreiten. Man kann darüber streiten, ob das richtig ist: Die sozialen Medien erfordern schnelle und zugespitzte Reaktionen sowie Schlussfolgerungen ohne Herleitung. In ihnen werden komplexe Themen auf einfache Sätze reduziert. Sie sind ein Nährboden für Populismus. Ein vermintes Terrain.

Wer die Plattform trotzdem nutzt, darf sie nicht als Abspielkanal für Eigen-PR verstehen. Der muss mitlesen, mitdiskutieren und auf falsche Informationen reagieren. Sonst bestärken sich Menschen in der gleichen Filterblase immer wieder selbst, indem sie Falsches für Fakten halten, Unwidersprochenes zu ihrer Weltsicht machen und alle anderen Informationen als "Fake News" einstufen. Hallo Politik: Das ist gefährlich. Ran an die Tastaturen!

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Nicht für die Schule

Mittwoch, 13.03.2019

Non vitae sed scholae discimus - Wir lernen offenbar nicht für das Leben, sondern für die Schule! So empörte sich Seneca im ersten Jahrhundert über die Philosophenausbildung im römischen Reich. Der Satz hat Karriere gemacht, scheint aber nicht verinnerlicht zu sein.

Schüler demonstrieren für den Klimawandel. Erfreulicherweise auch Schüler aus dem Landkreis Landsberg. Und Politikern fällt nichts anderes ein, als sie zur Ordnung zu rufen. FDP-Chef Christian Lindner äußerte sogar, die jungen Menschen verstünden die Zusammenhänge nicht; der Klimawandel sei "eine Sache für Profis". Wahrscheinlich meinte er Politiker wie Donald Trump und die Regierungschefs der 23 EU-Staaten, die die Klimaziele 2020 allesamt verfehlen.

Wo ist denn bloß unser Wertegerüst? Jahrelang kritisieren Pädagogen und Soziologen, dass bei uns eine apolitische Smartphone-Generation heranwächst, die nachzuplappern droht, was Populisten flüstern. Nun engagieren sich die Sorgenkinder bei einem Thema, das die Zukunft so prägen wird wie kaum ein anderes. Und nun ist es auch wieder nicht recht.

Die richtige Reaktion wäre, den Protest aufzugreifen. Warum gibt es in den Bundesländern kein Sonder-Curriculum Klimawandel? Treibhauseffekt und Erderwärmung lassen sich in vielen Fächern zum Thema machen. Die Entwaldung in Biologie. Der stickhoffhaltige Dünger im Chemieunterricht. Der rückläufige Fischfang in Afrika in Geographie. Der Emergency Plan des Club

of Rome in Englisch. Das Ausmaß der Bodenversiegelung bei der Integralrechnung in Mathematik. Wer wirklich pädagogisch denkt, der versucht nicht, den Protest zu ersticken und Unterrichtsausfall zu bestrafen, sondern überführt ihn in umweltbewusstes Handeln und nachhaltiges Engagement. Bringen wir die Schüler doch mit den Parteien und Umweltorganisationen zusammen. Lassen wir sie umweltgerechte Verkehrskonzepte entwerfen. Laden wir Sanitärfachleute ein, die Niederdruck-Brauseköpfe und Spülstopptasten demonstrieren.

Junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenen-Sein mit Maßregeln und Altklugheit dabei begrenzen, Maßstäbe, Ziele und Werte zu entwickeln? Das ist anachronistisch. Eine junge Generation will aktiv sein, bewusst leben und sich sozial engagieren. Was kann uns Besseres passieren als das? Nein, für die Schule lernen sie nicht. Fürs Leben lernen sie!

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Neuners Anschubwoche

Mittwoch, 06.03.2019

Es war eine gute Woche für Mathias Neuner. Er wurde einstimmig zum Vorsitzenden der Landsberger CSU wiedergewählt. Das ist mehr als die halbe Miete zur zweiten Amtszeit als Oberbürgermeister. Wenn ihm überhaupt jemand gefährlich werden konnte, waren es Parteifreunde. Es gab Begehrlichkeiten und mancher hatte Lust darauf, den Wahlzettel als Denkzettel zu nutzen. Stattdessen erfolgte ein klares Votum mit beflügelndem Effekt. Die CSU hat der Versuchung widerstanden, den OB zu schwächen. Sie hat ihn vielmehr stark gemacht.

Diese Stärke braucht die Stadt. Besonders im schwelenden Konflikt mit den Anliegern um die Erschließung von Baugebieten. 85,3 Prozent der Landsberger haben sich bei der Bürgerbefragung für mehr Wohnungsbau ausgesprochen. 40 Prozent davon bevorzugen Nachverdichtungen, 60 Prozent die Erschließung neuer Baugebiete. Deutlicher kann ein Auftrag nicht ausfallen. Jeder weiß: Neuner teilt diese Überzeugung.

Aber man muss bei ihm genau hinschauen. Neuner begreift die Themen Mobilität und Verkehr durchaus als Showstopper. Er weiß, dass In Landsberg jetzt auch der Durchbruch in Sachen ÖPNV und Radnutzung gelingen muss. Wenn man das biedere Vorgehen der Verwaltung bei diesem Thema betrachtet, das sich in immer neuen Schilderungen des Verfahrens niederschlägt, kann man nur raten, das Thema zur Chefsache zu machen. Die Bürger haben bei der Befragung 1.500 Vorschläge zum Thema Verkehr unterbreitet. Jetzt würden wir gerne die 50 kennenlernen, deren Umsetzung Wirkung schafft.

In Neuners Anschubwoche ist durch zwei Voten auch deutlich geworden, wie isoliert seine Gegner sind. Der eine schlägt sich selbst zur Wahl als Neuners Stellvertreter vor, um dann vier von 40 Stimmen zu erhalten - was für ein Realitätsverlust. Die anderen treten im Stadtrat dafür ein, die Darlegungen von drei Rechtsämtern in Sachen Bürgerbegehren zu ignorieren - mehr als Wahltaktik ist das hoffentlich nicht.

Noch etwas ist in dieser Woche gelungen. Im vergangenen Jahr ließ das Vorgehen vieler Teilnehmer der Bürgerversammlung Respekt und Anstand vermissen. Bei der diesjährigen kehrte man wieder zum Miteinander zurück. Das war eine gute Basis für das ernst gemeinte Bekenntnis des Stadtrats, dass der Bürgerwille zählt. Gemeint ist allerdings der Wille der Bürger in ihrer Gesamtheit, nicht nur der Gruppe, die aus Eigennutz am lautesten schreit.

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Manipulativ und mieterfeindlich

Mittwoch, 27.02.2019

Letzte Woche kam eine interessante Auswertung herein. Die Gemeinden Karlsfeld, Dachau und Germering gehören ebenso wie Leinfelden-Echterdingen, Ditzingen, Tübingen und Ludwigsburg zu den zehn Orten mit den höchsten ortsüblichen Vergleichsmieten. Es ist klar, warum das so ist: Sie liegen alle im Umfeld ihrer jeweiligen Metropole München oder Stuttgart.

Karlsfeld ist sogar die neue Nummer 1 in ganz Deutschland. In keiner Gemeinde mit Mietpreisspiegel wohnt man so teuer wie dort. Das ist schlecht für die Mitarbeiter von Unternehmen wie MTU, MAN, Logwin oder Artdeco. Sie zahlen fürs arbeitsplatznahe Wohnen unverhältnismäßig viel. Oft werden sie sogar verdrängt und müssen pendeln. Auch ihre Kinder haben längere Schulwege. Sozial ist das nicht.

Geht uns das in Landsberg was an? Ja. Die Clusterkarte der Mietmarktexperten F+B, die zusammenhängende Mieträume ausweist, endet momentan noch unmittelbar vor dem Landkreis Landsberg. Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die Preise auch hier ins Unerträgliche gehen. Zumal die Stadt selbst einen Einpendler-Überschuss verzeichnet: Jeder neue Arbeitsplatz vergrößert auch die Wohnungsnot.

Ziel kommunaler Politik muss es sein, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass vier Anforderungen gewährleistet sind: Alle Menschen, die hier arbeiten, können auch hier wohnen. Junge Leute, die zu Hause ausziehen und eine Familie gründen, müssen nicht den Ort wechseln. Alte Menschen finden kleinere Wohnungen, ohne ihre Heimat verlassen zu müssen. Niemand, der sozial schwach ist, wird mangels Wohnung obdachlos.

Was man dazu braucht? Wohnungsbau. Das setzt zum einen eine Kommune mit ausreichender Wirtschaftskraft voraus. Karlsfeld muss Wohnungsbau ablehnen, weil die Gemeinde die Folgen des Wachstums, vor allem Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, nicht finanzieren könnte. Landsberg stemmt das hingegen, zumal die hier geltende SoBoN-Richtlinie Investoren verpflichtet, bis zu 30 Prozent der Wertschöpfung für Infrastruktur und Sozialwohnungen einzusetzen.

Zum anderen braucht man verträglich bebaubaren Grund und Boden. Viele Kommunen sind schlicht ausverkauft. Landsberg hat hingegen noch auf viele Jahre gesehen Entwicklungspotential, ohne dass die dort bereits Wohnenden behindert werden.

Die Experten von F+B, die das Mietpreis-Elend jedes Quartal protokollieren, griffen vorige Woche zu einer drastischen Formulierung: "Partizipation der Bürger darf nicht zur bloßen Verhinderungsmacht der Besitzenden degenerieren". Es scheint also auch noch anderswo Bemühungen zu geben, bei denen sich Eigentümer durch Baustopps weniger Nachbarn und höhere Mieteinnahmen wünschen.

Wer den Mietwohnungsbau einstellen will, manipuliert den Markt und kapituliert vor ihm. Ein künstlich verknapptes Angebot führt zur Mietpreisexplosion. Wer dann auch noch (neben Sozialwohnungen) Eigentumserwerb zur Eigennutzung begünstigen will, verbiegt die Realität.

Normale Landsberger Bürger sind weder Hauseigentümer noch sozial schwach. Sie sind genau dazwischen angesiedelt, in der Mitte. Diese Mitte ist die Mehrheit. Sie will ein ausreichendes Wohnungsangebot und verträgliche Mieten. Schrittweise mit der Verabschiedung des Verkehrsentwicklungsplans sollten daher neue Baugebiete erschlossen werden. Verzichten wir darauf, schaden wir uns selbst.

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Nach Recht und Gesetz

Mittwoch, 20.02.2019

Zu lesen war: Stadtrat und Verwaltung sollen den angestrebten Bürgerentscheid in Sachen Staufenstraße und anderen Wohngebieten bloß nicht "auf bürokratischem Weg ausbremsen". Aber nach Recht und Gesetz darf es in Landsberg schon noch zugehen, oder?

Grundsatz ist: Nur was der Stadtrat beschließen kann, darf auch Fragestellung in einem Bürgerentscheid sein. Der Antrag muss also so konkret sein, dass man dazu "ja" sagen kann und nachher weiß, was gilt. Jeder Stadtrat, jeder Bürgermeister, jeder Verwaltungsmitarbeiter muss sich nämlich daran halten, sonst macht er sich strafbar und haftet zivilrechtlich.

Diesen Kriterien genügt der vorgelegte Text nicht. Er lautet: "Sind Sie dafür, dass die geplanten großen Wohnbauprojekte (z.B. Staufenstraße, Reischer Talweg, Pfettenstraße) solange auf den sozialen Wohnungsbau und das Einheimischenmodell beschränkt bleiben, bis ein schlüssiges und nachhaltiges Verkehrskonzept für das gesamte Stadtgebiet öffentlich vorliegt?"

Frage 1: Was ist ein "großes Wohnbauprojekt"? Sind Vorhaben am Klinikum, an der Rosenstraße, am Wiesengrund und in den Ortsteilen "groß"? Darf man diese Wohnkomplexe noch bauen oder nicht?

Frage 2: Welche Maßnahmen sind zu unterlassen? Ist nur der Bezug neuer Wohnungen durch Mieter untersagt oder bereits der Wohnungsbau? Sind schon Vorstufen verboten wie die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans? Ist vielleicht sogar der Verzicht auf einen Bebauungsplan rechtswidrig? Eigentümer könnten dann Baugebiete nach § 34 BauGB füllen, ohne dass man das verhindern kann.

Frage 3: Muss die Stadt nun am Papierbach Baugenehmigungen versagen - oder ist die Pflugfabrik kein "geplantes großes Wohnbauprojekt"? Muss sie Baugenehmigungen im unbeplanten Innenbereich verweigern, zum Beispiel wenn der Freistaat Bayern sich auf sein bestehendes Baurecht an der Pfettenstraße beruft? Wenn ja: Wer zahlt den dann fälligen Schadenersatz?

Frage 4: Auflösende Bedingung für die Blockade ist ein "Verkehrskonzept"? Was ist das? Wie unterscheidet es sich vom Verkehrsentwicklungsplan? Wer soll es erarbeiten, wer beschließen? Wann liegt ein Konzept "öffentlich" vor? Wer soll entscheiden, ob das Konzept "schlüssig" ist? Und was genau heißt "nachhaltig"?

Frage 5: Darf die Fragestellung eine Irreführung enthalten? Das scheinbare Durchwinken von Sozialwohnungen läuft ja leer. Kaum eine Stadt baut Sozialwohnungen selbst; Landsberg lässt sie mit der SoBoN-Richtlinie als Teil neuer Baugebiete errichten. Gibt es kein Baugebiet, entsteht auch keine Sozialwohnung.

Ähnlich wirkungslos ist der Hinweis auf das Landsberger Einheimischenmodell. Es erzeugt nur Eigentum, selbst zu nutzendes Eigentum. Die beabsichtigte Wohnungsbaublockade führt also dazu, dass Familien, Arbeitnehmer und Senioren, die eine Mietwohnung suchen, einem künstlich verknappten Wohnungsmarkt mit steigenden Preisen ausgeliefert werden.

Das ganze Leben ist ein Quiz und wir sind Kandidaten. Fragen wie die des Bürgerbegehrens kann man vielleicht auf der Straße stellen oder in einer Eigentümerversammlung. Aber sie sind nicht geeignet, die Stadtpolitik rechtswirksam - anstelle des Stadtrats - zu gestalten. Dass dieses Bürgerbegehren wegen mangelnder Konkretheit nicht die Kriterien des Gesetzes erfüllt, ist eindeutig.

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Geschlossene Gesellschaft

Mittwoch, 13.02.2019

Liebe Freunde in der Heimat, heute schicken wir Euch mal wieder Grüße aus Landsberg am Lech. Wir "Zuagroaste", wie man hier sagt, fühlen uns in dieser wunderbaren Stadt immer noch sehr wohl. Diese Altstadt, dieser Lech, diese Landschaft, diese Lage - einfach herrlich! Aber wir haben ja auch Glück gehabt. Wie sind damals gut aufgenommen worden, haben ein Haus etwas abseits von der Altstadt gefunden und uns mit den Nachbarn angefreundet. Das Leben hier ist schön.

Seit einigen Wochen gibt es etwas Neues. Wir haben mit dem hiesigen Busunternehmen eine Vereinbarung getroffen. Wenn wir morgens oder abends in den Bus eingestiegen sind, schließt sich die Tür und niemand sonst kommt da noch rein. Das ist wirklich sehr angenehm. Wir haben immer komplette Sitzreihen für uns, genießen einen herrlichen Ausblick nach links und rechts und können uns im ganzen Bus unterhalten, ohne dass uns irgendwer stört. Ab und zu bringt einer ein Instrument mit und spielt den Bayern-Blues. Manchmal hat jemand "Brezn" dabei. Mitunter fragen Busfahrer, ob wir nicht wenigstens für die jungen Leute eine Ausnahme machen wollen, die am Straßenrand stehen und auf eine Mitfahrmöglichkeit hoffen. Das machen wir natürlich nicht. Müssen sie halt zu Fuß gehen oder anderswo die Schule besuchen. In Nachbarkreisen ist es ja auch ganz schön.

Auch bei denen, die zur Arbeit wollen, machen wir keine Ausnahme. Es ist zwar gut, dass wir hier viele Betriebe und Arbeitsplätze haben. Aber das heißt ja nicht, dass die Leute hier wohnen und den Stadtbus nutzen müssen. Wir hatten auch lange Anfahrtszeiten, als wir noch bei Euch in der Nähe wohnten. Wir sind ohnehin eine Einpendlerstadt; die Leute kommen morgens meist mit dem Auto und fahren abends wieder heim, weil sie hier keine Wohnungen gefunden haben oder die ihnen zu teuer sind. Das sind weit mehr Personen, als nach München pendeln. Aber es geht, wie man sieht. Morgens eine Stunde früher aufstehen, und schon ist das Problem gelöst.

Das ist wirklich ein tolles Gefühl in unseren Bussen. Einsteigen, Türen schließen und wir sind unter uns. Es ist fast wie unser Eigentum, das wir ganz für uns allein haben. In letzter Zeit schimpfen wir während der Fahrt allerdings häufig. Die meisten von uns sind furchtbar aufgeregt. Es gibt nämlich ein Problem. Die Stadt will, dass neue bezahlbare Wohnungen entstehen, besonders für die jungen Leute und die Menschen, die hier arbeiten. Auch altersgerechte Wohnungen, in denen man bleiben kann, wenn man gebrechlich wird.

Deswegen will die Stadt auf den bislang freien Grundstücken Wohnungsbau ermöglichen. In unserer Nachbarschaft! Das nimmt uns Hausbesitzern die Sicht aus unseren Gärten und Vorgärten. Außerdem ist in unserem Viertel dann viel mehr Betrieb als zuvor. Und an der Ampel kommen wir beim ersten Grün sicher nicht durch.

Das geht natürlich gar nicht, sagen alle von uns. Und die aus den anderen Vierteln, die Sorge haben, dass es ihnen mal genauso geht, die sagen das auch. Deswegen gehen wir jetzt alle zusammen dagegen vor. Letztes Jahr haben wir schon eine Bürgerversammlung gerockt. Nun wollen wir einen Bürgerentscheid. Wir machen in Sachen Wohnungen einfach das Gleiche wie bei unserem Bus. Wir schließen die Tür. Und hängen ein Schild davor: Geschlossene Gesellschaft.

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Zeit für eine Lenkungsgruppe

Mittwoch, 06.02.2019

Der Flächennutzungsplan und der Verkehrsentwicklungsplan setzen die Ziele der Landsberger Gesamtstrategie erstmals in konkrete Vorhaben um. Zwar können die Stadt und private Bauherren aus beiden Plänen heraus nicht unmittelbar tätig werden; dazu bedarf es ergänzender Bebauungspläne. Dennoch werden die grundsätzlichen Festlegungen jetzt getroffen. Wo siedeln wir weiteres Gewerbe an? Wo entstehen Baugebiete? Wie schützen wir unsere Luft und unsere Umwelt? Welche Infrastruktur schaffen wir, um den Verkehr zu reduzieren? Das sind nur vier von Dutzenden von Fragen, die mit diesen Plänen beantwortet werden.

Der Stadtrat hat am vergangenen Mittwoch beschlossen, den derzeitigen "Vorentwurf Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan und Verkehrsentwicklungsplan" öffentlich auszulegen. Das ist bereits die erste von zwei förmlichen Beteiligungen der Öffentlichkeit (also der Bürger) und der Träger öffentlicher Belange nach dem Baugesetzbuch. Beide Gruppen können die vorliegenden Papiere demnächst einsehen und Stellungnahmen abgeben. Daneben soll es eine öffentliche Informationsveranstaltung für die Bürger geben.

Schon jetzt handelt es sich um über 700 Seiten Text, Grafiken und Landkarten. In der zweiten Runde wird es noch viel mehr Inhalt sein, denn derzeit findet sich in den Unterlagen über 33 "Mobilitätssteckbriefe" hinaus kaum etwas zum Thema Verkehr. Das ist ein Problem. Die Steckbriefe konkretisieren zwar die Verkehrsflüsse in und aus neuen Wohngebieten. Aber Prognosen zur Gesamtentwicklung unter Berücksichtigung aller anderen Parameter gibt es noch nicht. Selbst wenn man sich auf den regulatorischen Kern, die Betroffenheit, zurückzieht: Wie soll man deren Ausmaß bei einem unklaren Gesamtbild erkennen? Und nach welchem Maßstab soll der Stadtrat danach beschließen, ob ein Einwand berechtigt ist oder nicht?

Welche Buslinien werden wir künftig haben, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten fahren sie, wie lang wird die maximale Wartezeit sein, was kostet ihre Nutzung und wie komfortabel wird der Umstieg vom und aufs Fahrrad durch sichere Abstellplätze an den Haltestellen? Erst wenn wir für solche und andere Fragestellungen Szenarien haben, wird es möglich, die durch Wohn- und Gewerbegebiete entstehenden PKW-Bewegungen und ihre Auswirkungen auf Verkehrsfluss und Umwelt zu ermessen. Es ist doch ganz einfach: Ohne ein zeitgemäßes Bussystem, ohne praktikable Radwege, ohne gute Nahversorgung ist die Auswirkung hoch. Mit all dem ist sie viel geringer.

Man muss die Flächennutzungs- und die Verkehrsplanung wie eine Schaukel verstehen, bei der man nur durch Bewegungen auf beiden Seiten Höhe gewinnt. Vielleicht ist es - wie früher am Papierbach - Zeit für eine moderierte Lenkungsgruppe, in der Vertreter der Bürgerschaft, der Wirtschaft und des Stadtrats sowie der Verwaltung zusammen mit den Experten des Ingenieurbüros, das den Verkehrsentwicklungsplan erstellt, diese Schaukelbewegung mit Ideen und Konzepten in Gang setzen, um am Ende einen Vorschlag zu erhalten, der alle Aspekte abdeckt.

Das ist nicht in jedermanns Interesse; mancher wünscht sich, dass das Thema bis zur nächsten Wahl offenbleibt. Wenn es uns aber darum geht, mehr Wohnungen und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sollten wir das Verfahren ein Stück dynamischer gestalten als es jetzt den Anschein hat.

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Das Herz fing an zu brennen

Mittwoch, 30.01.2019

Am Ende der Feierstunde, als der Dank an die Koordinatoren, Moderatoren, Handlungsfeldpaten, Ortssprecher und Berichterstatter längst ausgesprochen ist, als die Blumen und die Flaschen geschlechtergerecht verteilt sind, als der Abschlussbericht des Strategieprojekts Landsberg 2035 schon gestapelt auf der Bühnenkante steht, als es eigentlich nur noch gilt, das Buffet zu eröffnen, wird es im Festsaal des Historischen Rathauses noch einmal spannend: Ein Bürger meldet sich zu Wort.

Insidern stockt in diesem Moment der Atem. Sollte das einer der Landsberger sein, die immer wieder mal gegen das Projekt gestichelt haben? Kommt jetzt, ganz zum Schluss, noch eine Generalkritik? Es hätte sein können. Es gab in dem langen Verfahren auch Unzufriedenheit. Einige Kulturschaffende fühlten sich übergangen. Stadtentwicklungsgegner beklagten das Momentum beim Wohnungsbau. Manche hätten gerne eine repräsentativere Umfrage gehabt. Zeitweise gab es auch im Kreis der Mitwirkenden Ermüdungserscheinungen. "Wir haben den Prozess zwischendurch mal kritisch gesehen", räumt Mathias Neuner ein. "Es war ein Geraufe", präzisiert Claudia Flörke.

Aber so ein Schlusspunkt wäre nicht gerecht gewesen. Denn das was der Oberbürgermeister, der Stadtrat und die vielen Beteiligten aus Unternehmen und der Bürgerschaft über Monate hinweg gemeinsam auf die Beine gestellt haben, ist ein kleines Wunder. Hunderte von Mitwirkende, die sich um ihre Themen kümmerten, ja sogar sorgten, haben ihre Erfahrung, ihre Analyse und ihre Visionen mit Energie und Begeisterung eingebracht. "Das Herz fing an zu brennen", schwärmt Neuner. Besser kann man das nicht sagen.

Der Mann, der am Ende der Veranstaltung fordernd nach dem Mikrofon greift, ist kein Kritiker, sondern Bruder eines Stadtrats und will einfach nur mal "Danke" sagen für eine Arbeit, mit der Landsberg zurzeit noch allein auf weiter Flur steht. Nur wenige Gemeinden, Städte und Landkreise riskieren es, sich derartig zu öffnen und in Frage zu stellen, eine so umfangreiche Annäherung von Politik und Bürgerschaft zu wagen und freiwillig einen Prüfstein für die Politik der nächsten Jahre in die Welt zu setzen. Kaum eine, garantiert.

Landsberg ist nicht dafür bekannt, aus Ja-Sagern zu bestehen. Der Landsberger ist meinungsfreudig und anspruchsvoll. In einem solchen Ambiente ist ein Gemeinschaftsprojekt wie "Landsberg 2035" eine noch bedeutendere Leistung. Eine historische sogar.

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Tierschutz ja, Tierhandel nein

Mittwoch, 23.01.2019

Jeder hat das Recht, bei Facebook zu posten, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Besonders wenn es um eine zu Herzen gehende Angelegenheit wie die Verweigerung des Wunschhundes durch unser Tierheim geht.

Es ist auch gut, dass Medien die Postings mitlesen. Artikel und Kommentare dazu erfordern dann aber fundierte zusätzliche Recherche. Einfach zu "vermuten", die Wahrheit liege wohl "nicht ganz auf der einen und nicht ganz auf der anderen Seite", wird der Verantwortung von Medien nicht gerecht.

Schauen wir mal näher hin. Das Landsberger Tierheim ist eine nach dem Tierschutzgesetz zugelassene Einrichtung des "Tierschutzvereins Landsberg am Lech und Umgebung". Dessen Aufgabe ist es insbesondere, Haustiere zu versorgen, die herrenlos sind oder von ihren Eigentümern nicht ausreichend und artgerecht versorgt werden. So steht es in der Satzung. Die Stadt unterstützt diese Arbeit mit einer an der Zahl der Einwohner orientierten Fundtierpauschale. Denn eigentlich wäre es Aufgabe der Kommune, für im Stadtgebiet aufgefundene oder vernachlässigte Tiere zu sorgen.

Daraus folgt: Die Vermittlung von Tieren kann nur gesetzeskonform und tierschutzgerecht erfolgen. Das Tierheim hat eine Prüfungspflicht. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass Ernährung, Pflege, Betreuung, Unterbringung und Bewegungsmöglichkeiten des Hundes bei den künftigen Tierhaltern in größtmöglichem Umfang gegeben sind. Welche Anforderungen genau zu stellen sind, hängt von Vita und Entwicklungsstand des Vierbeiners ab. Auch darf das Tierheim zwischen Bewerbern auswählen; niemand hat Anspruch auf einen Tierheimhund.

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt der Angelegenheit. Der KREISBOTE hat in der vergangenen Woche zwar dargelegt, dass der LKW, der kürzlich vom Tierheim aus Straßenhunde aus mehreren Nationen an neue Besitzer verteilte, mit dem Tierschutzverein nichts zu tun hat. Gleichzeitig wurde in seinem Bericht aber deutlich, dass das Tierheim sehr wohl auch "Waldis aus Bukarest" importieren lässt und an Interessenten vermittelt.

Eine gesamteuropäische Zuständigkeit lässt sich aus der Satzung des Tierschutzvereins aber nicht ableiten. Die Vermittlung eingeführter Tiere zum Zweck zusätzlicher Einnahmenerzielung kann man daher zurecht infrage stellen. Tierschutz und Tierhandel passen nicht zusammen. Zumal wenn Waldi jung, agil und süß ist, womit er andere Bewohner des Tierheims in den Schatten stellt.

Der Tierschutzverein wäre daher gut beraten, möglicherweise vorhandene Überkapazitäten im Tierheim abzubauen und sich auf § 1 Absatz 3 seiner Satzung zu beschränken: "Der Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf den Landkreis Landsberg am Lech."

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Nie wieder so wie die

Mittwoch, 16.01.2019

Vor einigen Tagen haben wir uns mit Mindelheim befasst. Die Stadtverwaltung erklärte dort ein Wohnviertel, das vor 50 Jahren entstand, von heute auf morgen zum verkehrsberuhigten Bereich. Noch vor einem Stadtratsbeschluss und ohne die Anwohner zu informieren, stellte das Ordnungsamt entsprechende Verkehrszeichen auf.

Da man in einem verkehrsberuhigten Bereich nur in gekennzeichneten Flächen parken darf, der Bauhof aber noch nicht tätig wurde, sagte die Stadt als erstes mal "Hier steht jetzt keiner mehr", und kassierte bei den parkenden Anwohnern Verwarnungsgelder, binnen Tagen sogar mehrfach. Ihr Widerspruch blieb ungehört.

Doch damit nicht genug. Es gibt so wenig gekennzeichnete Flächen, dass der Stadtrat auf Vorschlag der Verwaltung beschloss, sie im Jahresturnus zu verlosen. Wer einen Platz erhält, soll im nächsten Jahr aussetzen. Wo die unberücksichtigten Anwohner bleiben sollen, ist offen. Es gibt weit und breit keine öffentliche Parkmöglichkeit mehr. Und private Plätze waren damals noch nicht verlangt; die Stellplatzsatzung trat erst später in Kraft.

Die örtliche Presse ging dann auch noch falschen Angaben auf den Leim. Sie glaubte der Behauptung, dort hätten zu viele Ortsfremde geparkt, und titelte sogar, die Stadt habe "autogeplagten Anwohnern" geholfen.

Als wir die Vorlage der Sitzung einsehen wollen, werden wir enttäuscht. Zwar verspricht Bürgermeister Stephan Winter (CSU), im Ratsinformationssystem gebe es "rund um die Uhr" Informationen über die Arbeit des Stadtrats. Doch außer der Tagesordnung und einem "Mindestprotokoll" finden wir nichts.

Wir verlassen Mindelheim an diesem Tag voller Mitgefühl, aber auch mit einer Erkenntnis: In Landsberg wäre so etwas undenkbar. Wir haben alerte Stadträte, die bei den Betroffenen nachfragen. Wir haben Medien, die in solchen Fällen recherchieren. Wir haben Blogs und Facebookgruppen, in denen sich Betroffene zu Wort melden können. Wir haben Sitzungsunterlagen, die man rechtzeitig einsehen kann.

Manchmal hakt man bei uns Errungenschaften einfach ab und freut sich nicht mehr darüber. Der Blick in andere Kommunen kann da heilsam sein: So wie die, so wollen wir nie wieder sein.

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Die alljährliche Geldverbrennung

Mittwoch, 09.01.2019

Brände und Verletzungen durch Feuerwerkskörper haben die Silvesternacht in Oberbayern geprägt. Feuerwehr, Notärzte und Polizei waren im Dauereinsatz. Auch in Schwaben entstanden erhebliche Schäden; unter anderem standen in Memmingen fünf Autos in Vollbrand. Dass in Fürstenfeldbruck bei einem Fassadenbrand in einem Mehrfamilienhaus keine Bewohner starben, ist nur einem aufmerksamen Nachbarn zu verdanken. Es entstand "nur" Sachschaden in Höhe von 100.000 Euro.

Mit welchem Recht führen wir eigentlich solche Gefahren herbei? Was legitimiert uns, zu Neujahr eine ganze Armada von Rettungskräften in Anspruch zu nehmen? Wieso setzen wir zum Jahreswechsel alle Regeln außer Kraft, auf deren Einhaltung wir ansonsten entschieden pochen?

Wir produzieren - schon Tage vor Silvester - Böllerlärm. Wir versetzen Tiere in Angst und Schrecken. Wir vermüllen unsere Straßen, kümmern uns aber nicht um ihre Reinigung. Wir zeigen schon kleinen Kindern, bevorzugt an Silvesternachmittag, wie viel Spaß der Umgang mit Feuer und Feuerwerk angeblich bringt.

In Deutschland erleiden jährlich 8.000 Menschen zu Silvester Verletzungen des Innenohrs durch Feuerwerkskörper. Ein Drittel behält bleibende Schäden, schreibt das Deutsche Ärzteblatt.

Wir hätten auch dieses Jahr wahrscheinlich nur den Kopf geschüttelt und wie immer die Reste des pyrotechnischen Spektakels aus Beeten und Dachrinnen gefischt. Aber diesmal kam es noch schlimmer: Noch lange nach Mitternacht war in Landsberg der Feinstaub zum Greifen nah. Und das selbst in Wohnstraßen, in denen kaum ein Anwohner Feuerwerkskörper in die Luft jagt.

Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Feinstaub-Konzentration vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht. Dabei werden rund 4.500 Tonnen Feinstaub freigesetzt. Diese Menge entspricht 16 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Das Einatmen von Feinstaub gefährdet die menschliche Gesundheit. Die Wirkungen reichen von vorübergehenden Beeinträchtigungen der Atemwege über einen erhöhten Medikamentenbedarf bei Asthmatikern bis zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen.

Viele Städte und Gemeinden würden - über das Verbot der Verwendung von Pyrotechnik in Altstädten hinaus - gerne etwas gegen die Knallerei tun, sind durch das (Bundes-) Sprengstoffgesetz aber daran gehindert. Dagegen, das Thema auf die Agenda zu setzen und für einen Verzicht auf den Einsatz von Pyrotechnik zu appellieren, spricht aber nichts. Auch sind alternative städtische Veranstaltungen, zum Beispiel Lasershows, denkbar.

Heimischen Unternehmen und Händlern wird durch Initiativen zum Verzicht auf privates Böllern kaum etwas genommen. Zwar verbrennen die Deutschen zum Jahreswechsel im wahrsten Sinne des Wortes jedes Jahr über 100 Millionen Euro. Die meisten Feuerwerkskörper kommen aber aus China und Indien. Reich werden daran nur wenige asiatische Fabrikbesitzer. Ein deutscher Baumarkt oder Discounter verdient an einer Rakete nur einige Cent.

Daher, noch einmal: Aufgrund welcher Notwendigkeit führen wir an Silvester Brände und Verletzungen herbei? Was veranlasst uns, den Umgang mit Feuer und Sprengstoffen zu verharmlosen? Wieso verbrennen wir alljährlich Geld im Tausch gegen Feinstaub? Brauchtum und Aberglaube reichen da als Argumente nicht. Knallerei macht keinen Sinn. Knallerei ist Blödsinn.

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Der Flügel als Symbol

Mittwoch, 02.01.2019

Im August 2016 schrieben wir: "In kultureller Hinsicht ist die Stadt Landsberg eine Lebenskünstlerin: Aus ungünstigen Voraussetzungen macht sie immer irgendwie das Beste."

In dem Artikel hoben wir unter anderem hervor, wie intelligent die Museumsleiterin auf die brandschutzbedingte Schließung der Dauerausstellung in den Obergeschossen des Neuen Stadtmuseums mit Erdgeschoss-Specials wie "Don't take your guns to town" reagiert hatte. Wir lobten die spendenfinanzierte Neugestaltung des Herkomer-Museums, bei dem die Gestalter unter dem Titel "A man of many parts" den oberflächlichen Blick auf ein Lebensambiente durch den konsequenten Blick auf eine Lebensleistung ersetzten. Wir wiesen auf die bemerkenswerte Initiative von Claudia und Axel Flörke hin, mit dem neu gegründeten "Förderverein Rathauskonzerte Landsberg" für einen neuen Flügel für den Rathaussaal um Spenden zu bitten.

Zu diesem Zeitpunkt war der Renovierungsstau in den Denkmälern noch nicht abgebaut; insbesondere das sichtbar vernachlässigte Bayertor sprach Bände. Wir zitierten Bürgermeisterin a.D. Sigrid Knollmüller: "Unser kulturelles Leben darf nicht ausschließlich dem Diktat der Ökonomie unterworfen werden, denn eine Gesellschaft, die glaubt, Kultur sei erst dann an der Reihe, wenn alle finanziellen und baulichen Wünsche erfüllt sind, beginnt ihre Seele zu verlieren."

Inzwischen, nur zweieinhalb Jahre später, sieht die Sache deutlich anders aus. Und das nicht nur, weil der (zugegeben: noch nicht vollständig bezahlte) neue Flügel bereits im Rathaussaal steht. Die Sanierung des Bayertors ist abgeschlossen. Die Rathausfassade ist aufgefrischt. Die Fresken im Klostereck werden saniert. Die Klosterkirche wird möglicherweise konzerttauglich gemacht.

Weitere Räume zur kulturellen Mitnutzung stehen bereits jetzt oder bald zur Verfügung: die Aula der Mittelschule, der Vortragssaal im Dachgeschoss der Lechturnhalle, der multifunktionale Raum im Baufeld B1 am Papierbach. Zudem löst die Nutzung der Schloßbergschule als Grundschule mit der freiwerdenden Spitalplatzschule eine Rochade aus, die nicht zum Nachteil der kulturellen Einrichtungen sein wird. Der Grundsatzbeschluss für einen Raum im Rathaus als Wegweiser zu den Stätten des Aufstiegs, Schreckens und Falls des Nationalsozialismus in Landsberg ist gefasst. Das Stadtmuseum wird an alter Stelle mit neuem Konzept revitalisiert.

Inzwischen hat der Stadtrat auch eine Projektförderung beschlossen, die die Erwartungen der Künstler deutlich übertrifft; das Gremium ging dabei über den Vorschlag der Verwaltung hinaus. In wenigen Wochen findet das "Snowdance"-Festival statt, an dem die Stadt inzwischen maßgeblich mitwirkt. Der Historische Verein hat mit "...unerwünscht" eine bemerkenswerte Ausstellung realisiert. Neuer Galerie- und Atelierraum ist in der Stadt entstanden.

Das alles ist Ausdruck einer erfreulichen Symbiose zwischen Kulturschaffenden, den hauptamtlichen städtischen Mitarbeitern und den Bürgern, die mit Spenden und Zustiftungen nicht nur Geld gegeben, sondern auch Signale gesetzt haben: Wir wollen die historische Bausubstanz der Stadt erhalten. Wir wollen Kulturveranstaltungen, die zu uns und unserer Stadt passen. Und wir sind in Sachen moderne Museumsgestaltung aufgeschlossen. Insofern ist Landsberg inzwischen eine Kulturstadt; der neue Flügel im Rathaus ist dafür das aktuellste Symbol.

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Zwiespältige Entscheidung

Donnerstag, 27.12.2018

In 14 Straßen in der Kernstadt und den Ortsteilen knallen an diesem Silvesterabend mehr Sektkorken als üblich. Die dortigen Grundstückseigentümer profitieren nämlich von Gesetzesänderungen und einem Beschluss des Landsberger Stadtrats vom 12. Dezember. Die Stadt kann ab dem 1. April 2021 den Aufwand für den Bau einer mindestens 25 Jahre alten Straße nicht mehr geltend machen, wenn sie bis dahin nicht vollständig technisch hergestellt ist. Es gilt also, aus einer unfertigen rasch eine fertige Straße zu machen, sonst trägt die Allgemeinheit die Erschließungskosten. Und zwar die früheren wie die zukünftigen.

Als der Bayerische Landtag die 25-Jahre-Regelung 2016 ins Kommunalabgabengesetz schrieb, wollte er eigentlich nur auf die lange zuvor entstandenen Kosten für die unfertige Straße verzichten, nicht etwa auf die Erstattung künftiger Maßnahmen. Die sollten über Straßenausbaubeiträge abgerechnet werden. Der Bescheid der Stadt an die Grundstückseigentümer über die zu leistenden Zahlungen für den Erschließungsrest erhielt damit nur eine andere Überschrift.

Seit 2018 kann eine bayerische Kommune die Kosten des Straßenausbaus aber nicht mehr liquidieren; die Straßenausbaubeiträge sind abgeschafft. Alle bayerischen Städte und Gemeinden müssen nun entscheiden, ob sie die "alten" Straßen noch schnell fertigstellen oder ob sie auf die Erstattung sowohl der früheren wie auch der künftigen Kosten verzichten. Das müssen sie übrigens einmal im Jahr prüfen, denn jedes Jahr haben ja andere Straßen 25jährigen Geburtstag.

Der Stadtrat hat sich am 12. Dezember entschieden, in den 14 Straßen vorerst keine Maßnahmen durchzuführen und die Frist verstreichen zu lassen. Das ist eine zwiespältige Entscheidung. Im Hinblick auf den lange zurückliegenden Erschließungsbeginn ist sie vertretbar. Irgendwann verjährt jeder Anspruch; in vielen Fällen sind die Eigentümer auch gar nicht darüber informiert, dass die Erschließung noch nicht abgerechnet wurde.

Im Hinblick auf künftige Maßnahmen ist der "windfall profit", der sich aus der Kombination des Stichtags mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ergibt, aber eigentlich nicht zu rechtfertigen. Zumal die Stadtverwaltung den Abschluss der Erschließung einiger Straßen für erforderlich hält. Ob in der Aufeldstraße in Pitzling, der Fuchsbergstraße in Ellighofen, im Haidenweg in Erpfting und im Herbstweg in der Kernstadt: Anwohner erhalten dort Straßenbeleuchtung, Entwässerung, Asphalt und etwaige Gehwege irgendwann zum Nulltarif, während die Anwohner benachbarter Straßen für all das bezahlt haben oder zahlen müssen. Und nun zahlen sie zusätzlich über ihre Steuern für die Nachbarstraße. Gerecht ist das nicht.

Pikant ist, dass davon auch diejenigen profitieren, die - wie es in der Vorlage der Stadtverwaltung zur Stadtratssitzung mehrfach heißt - "einen Ausbau energisch ablehnten". Heißt das: Wer viel widerspricht, erreicht auch viel? Freilich: Hätte der Stadtrat beschlossen, dass die Verwaltung die Frist einhält, dann würde jetzt eine hektische Betriebsamkeit beginnen. In einigen Fällen müsste sogar noch eine Bauleitplanung erfolgen. Und etwas ehrt den Stadtrat. Mancher Bürgermeister erwägt, in einer noch nicht zu Ende erschlossenen Straße eine Laterne aufzustellen und dann "Fertig!" zu rufen. Über einen solchen Schmu denkt man in Landsberg glücklicherweise gar nicht erst nach.

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Für mich und meine Freunde

Mittwoch, 19.12.2018

Liebes Christkind, ich habe lange keinen Wunschzettel mehr geschrieben, aber heute habe ich ein Anliegen an Dich. Ich wünsche mir für mich und meine Freunde einen Konzertsaal. Bitte gebe mir zu Weihnachten ein Zeichen Deiner Unterstützung!

Wir haben in Landsberg zwar schon die Aula der berufsbildenden Schulen, den Bibilothekssaal im Agrarbildungszentrum, den Festsaal im Historischen Rathaus und unsere prächtigen Kirchen, die Du sicher kennst. Aber das ist nichts gegen das Contergebouw in Amsterdam, die Carnegie Hall in New York, den Musikverein in Wien und die Tonhalle in Düsseldorf.

Dieser neue Konzertsaal soll am Papierbach entstehen. In dem Gebäude war eigentlich, den Zeitungsberichten zufolge, ein "florierender Ort der Begegnung" geplant, "eine Versammlungsstätte, die kulturelle Arbeit ermöglicht", bestehend aus einem Stadtsaal und Workshop-Räumen, "nicht übertrieben weltstädtisch, sondern ein Stück Landsberg". Der Saal und die Nebenräume sollten auch für Tagungen genutzt werden und "Konferenzen und Seminare nach Landsberg bringen". Der Investor versprach einen "multifunktionalen Veranstaltungsraum als lebendiger Treffpunkt für kulturellen Austausch und kreatives Miteinander". Dabei sollten "Wohnen und Kultur im gleichen Gebäude in Einklang gebracht werden."

Liebes Christkind, Du könntest einwenden: Von einem Konzertsaal habe ich jetzt gar nichts gehört. Und manche weisen darauf hin, dass er im Entwurf der Architekten, der dem Stadtratsbeschluss und dem Bebauungsplan zugrunde lag, nicht eingezeichnet war. Stattdessen: Doppelte Raumhöhe Kulturräume, darüber drei Etagen Wohnen. Aber das ist ein bedauerlicher Fehler. Wir wissen es besser: Ein ganz hoher Konzertsaal für ganz viele Menschen war immer schon geplant. Es hat nur keiner ausdrücklich gesagt.

Deswegen haben ich und meine Freunde dem Investor, den Stadträten, der Verwaltung und der Presse energisch zugerufen: Ihr Ignoranten! Ihr Banausen! Ihr Konzertverächter! Sich begegnen? Kreativ sein? Einen Treffpunkt schaffen? Wie profan; Brahms, Tschaikowsky und Mendelssohn haben weniger Provinzialität verdient. Was sind Vorträge, Theater, Kabarett, Ausstellungen und Kunstworkshops gegen Beethovens Neunte, Schumanns Rheinische oder Dvoraks Aus der neuen Welt?

So eine Philharmonie kostet zwar eine Menge Geld. Der Investor finanziert aber bereits Sozialwohnungen, das Jugendzentrum, den Lechsteg, Kinderkrippen, Schulumbauten und Verkehrswege, da macht die Konzerthalle auch nichts mehr aus. Ein Saal geht noch, einer geht noch rein - das singen ich und meine Freunde notfalls sogar a capella. Der Investor kann ja eine Kompensation bekommen. Drei Stockwerke für den Saal, drei für die Akustik, drei für die 300 Parkplätze und die 50 Damentoiletten und noch ein paar wegen des notwendigen Schallschutzes.

Liebes Christkind, bitte schenke uns nur das eine: Deine Unterstützung. Zum Beispiel, indem Du das Buch "Konzerthallen für Dummies" unter den Gabentisch legst. Ich und meine Freunde wollen nämlich keine Konzertveranstalter werden. Wir wissen auch gar nicht genau, wie das geht. Wir hoffen aber darauf, dass das städtische Kulturamt einspringt und Verluste großzügig ausgleicht.

Nächstes Jahr schreibe ich Dir nochmal wegen des Wiederaufbaus der Landesburg auf dem Schloßberg. Aber behalte das bitte noch für Dich.

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Eine Kammer, zwei Meinungen

Mittwoch, 12.12.2018

Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Richter denken. Im Fall Landsberg, im Jahr 2013, lehnte es die Wirtschaftskammer des Landgerichts München I ab, die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Stadt beim Abschluss von Derivaten in die Betrachtung einzubeziehen. Im Fall Füssen steuert die Kammer hingegen direkt aufs Öffentliche Recht zu und lässt erkennen, dass sie die Verweigerung der Genehmigung der strittigen Derivatgeschäfte durch das Landratsamt für bedeutsam hält. In beiden Fällen handelt es sich um die gleiche Kammer; nur die Besetzung ist zwischenzeitlich anders.

Die Vorsitzende Richterin im Fall Landsberg machte den Eindruck, bankennah zu sein. Ihre Kammer stieg nicht intensiv in die Frage ein, ob denn die Beratungstochter der Bank tatsächlich unabhängig beriet oder die Personalunion auf Leitungsebene nicht genau dagegensprach. Sie fingierte lebensfern, dass die Stadt die Möglichkeit gehabt hätte, die von der Banktochter empfohlenen Zinsabsicherungspapiere bei einer anderen Bank zu kaufen. Und sie akzeptierte, dass eine Bank aus dem Schneider ist, wenn sie ihre Tochter irgendwann, rechtzeitig vor Klageerhebung, einfach liquidiert. Der landsbergblog schrieb 2013: Das ist das Bankenparadies.

Der Vorsitzende Richter im Fall Füssen ist der Beobachtung nach eher Kommunen-affin. Er ist seit Jahren kommunalpolitisch aktiv. Er weiß, dass die Städte und Gemeinden - nicht zuletzt durchs Bayerische Innenministerium - in Zinsabsicherungen gedrängt wurden. Diese Kammer interessiert sich daher intensiver für das Innenverhältnis von Bank und Banktochter und dürfte auch bei der Frage, ob man der Stadt überhaupt gefährliche Papier verkaufen durfte, eine andere Auffassung haben als das Gericht im Fall Landsberg.

Ob es der Stadt und ihren Anwälten gelingen kann, die verlustträchtigen, aus der Reihe gefallenen Landsberger Abschlüsse noch zu annullieren, indem sie den gleichen Weg einschlägt wie Füssen, bleibt abzuwarten. Wenn es gelingt, wäre eine komplette Wende eingeleitet, die bis ans Strafgericht in Augsburg durchschlagen würde. Ohne Abschlüsse gibt es keinen Schaden, ohne Schaden keine Untreue.

Auch in Augsburg hatte es merkwürdige Entwicklungen gegeben. Die neben dem Kämmerer angeklagten Mitarbeiter der Beratungstochter wurden mitten im Verfahren gegen Zahlung hoher Geldsummen aus dem Prozess entlassen; ihre Anwälte waren damit aus dem Spiel. Entlastende Aussagen zu Ausstiegsabsichten des Kämmerers wurden kaum weiterverfolgt. Und nach dem Prozess stellte sich heraus, dass zwei der drei Richter ein Paar sind.

Es gibt in Landsberg und Umgebung Personen, die immer wieder das Gleiche schreiben: Dass die Stadt den Prozess verlieren würde, sei doch klar gewesen. Eine gewisse Häme gegenüber Justitiaren und Anwälten ist dabei erkennbar. Ihnen kann man nach dem ersten Füssener Prozesstag entgegenhalten: Nichts war klar; es hätte schon 2013 ganz anders laufen können. Letztlich ist es eine Frage der Sichtweise. Sind die Kommunen begeistert in die Derivate-Welt eingetaucht? Oder haben die Banken eine Chance gesehen, Geschäfte mit unbedarften Kommunen zu machen? Die Stadt Landsberg hat gut daran getan, gegen Hauck & Aufhäuser zu klagen. Und sie tut gut daran, auch alle weiteren Möglichkeiten zu nutzen.

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Diese spontane Plausibilität

Mittwoch, 05.12.2018

Es ist ein grundlegendes Problem kommunaler Gremien: In Haushaltsberatungen macht ein Mitglied - in diesem Fall Axel Flörke - mitten in der Sitzung den Vorschlag, eine im Etatentwurf stehenden Maßnahme zu verschieben, um einer anderen den Vorrang zu geben.

Fundiertes Abwägen wird dann durch spontane Plausibilität ersetzt. Schallschutz für die Klosterkirche, damit dort Konzerte stattfinden können? Ja, das klingt gut. Wenn man die Instandsetzung des Freskos im Klostereck dafür schieben muss, kann man damit leben.

Eigentlich müssten aber vier Abwägungen stattfinden. Nummer 1: Brauchen wir die beantragte Maßnahme? Nummer 2: Können wir auf die ursprünglich etatisierte tatsächlich erstmal verzichten? Nummer 3: Gibt es überhaupt einen Konnex zwischen diesen beiden Themen oder ließe sich die Einsparung auch an anderer Stelle erzielen? Und Nummer 4: Kann man nicht das eine tun, ohne das andere zu lassen?

Hätte der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Stadtrats am letzten Mittwoch dieses Prüfungsschema durchlaufen, wäre er zu der Erkenntnis gelangt: Zwischen Freskosanierung hier und Konzertschallschutz dort gibt es keinen Zusammenhang. Vorschlag und Deckungsvorschlag haben nichts miteinander zu tun. Die Verdichtung der Fragestellung folgt nicht aus der Sache, sondern aus dem Antrag. Sie ist eine gewillkürte Vorgabe des Antragstellers, eine Scheinalternative.

Hätte der Ausschuss den alleinigen Antrag zu beraten gehabt, die Freskosanierung im Klostereck zu verschieben, hätte er wohl klar Nein gesagt. Die Stadt hat die Blumenhändlerin wegen der erforderlichen Sicherung des Kulturschatzes zur Auflösung ihres Pachtvertrags gedrängt. Sie macht sich unglaubwürdig, wenn sie die Maßnahme dann mehrfach vertagt.

Außerdem: Der frühere Stadtrat hat notwendige Restaurierungen immer wieder verschoben; die ehemalige Bürgermeisterin Sigrid Knollmüller kann ein Lied davon singen. Diese Zeit ist eigentlich überwunden. Das grundsanierte Bayertor, die aufgefrischte Rathausfassade und das neu gestaltete Herkomer-Museum sind drei Beispiele aus jüngster Zeit für eine geschichts- und kulturbewusste Erhaltung unseres Erbes.

Viele Mittel wurden dabei von privater Seite aufgebracht. Wer das Klostereck-Fresko vernachlässigt und dilatorisch behandelt, bricht insofern auch mit einer Konvention, einer faktischen Vereinbarung zwischen Bürgern und der Stadt: Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass Landsberg seine Werte erhält.

Der Verwaltungs- und Finanzausschuss wird an diesem Mittwoch erneut über das Thema beraten. Inzwischen war Zeit zum Nachdenken. Spontane Plausibilität weicht wieder der Vernunft.

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Der Landrat und die Andersartigkeit

Mittwoch, 28.11.2018

Landrat Thomas Eichinger und der Sachgebietsleiter des Amts für Jugend und Familie, Peter Rasch, haben sich mit öffentlichen Äußerungen zur Schulbegleitung von Kindern und Jugendlichen mit sozial-emotionalen Beeinträchtigungen wie ADHS keinen Gefallen getan.

Fest steht: Es ist möglich, Betroffenen einen normalen Schulunterricht und damit eine Schulkarriere bis hin zur Universität zukommen zu lassen; allerdings brauchen sie dazu eine individuelle Betreuung. Fest steht auch: Darauf gibt es, untermauert von einer weltweit geltenden Konvention, einen gesetzlichen Rechtsanspruch.

Eichinger und Rasch klagten in einer öffentlichen Sitzung des Jugendhilfeausschusses nach übereinstimmenden Presseberichten jedoch über die Kosten und den fehlenden Handlungsspielraum der Behörde zur Ablehnung von Anträgen. Da war davon die Rede, das Jugendamt sei "Opfer der Inklusion", es gebe einen "epidemieartigen Anstieg der Schulbegleiter", man wisse nicht "wo das Ende der Fahnenstange ist".

Das war weit übertrieben. Wir haben im Landkreis Landsberg 22 Grund- und fünf Mittelschulen, vier Realschulen, vier Gymnasien und drei Privatschulen. Kritisieren Eichinger und Rasch wirklich, dass sie im Jahr 2019 pro Schule 1,2 Schulbegleiter finanzieren müssen?

Eichinger ging den Berichten zufolge aber noch weiter. Durch Störungen im Unterricht entstehe eine "schwere Belastung" anderer Schüler. Deswegen seien die begleiteten Kinder und Jugendlichen doch besser in einer Förderschule aufgehoben. Zumal man "Andersartigkeit" ohnehin "nicht ändern könne". Die momentane Situation sei ein "bundesweiter Blödsinn". Der Inklusionsbeirat trat wegen dieser Äußerungen zu einer Sondersitzung zusammen.

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Der Landrat ist weder qualifiziert noch berechtigt, die Rechtslage zu ändern. Wenn der Diplomjurist die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII abschaffen will, muss er für den Bundestag kandidieren und sich in Berlin eine Mehrheit suchen. Bis dahin hat er das Gesetz umzusetzen, wie alle anderen 293 Landräte auch.

"Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" steht ganz oben im Sozialgesetzbuch. Das ist empathisch gemeint. Von solcher Empathie waren Eichinger und Rasch in den vergangenen Wochen weit entfernt.

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Schauen, was geht

Mittwoch, 21.11.2018

Was machen eigentlich Verkehrsplaner wie "brenner BERNARD", die für die Stadt Landsberg aufgrund des jeweils aktuellen Entwurfsstands des Flächennutzungsplans gerade den Verkehrsentwicklungsplan erarbeiten? Man könnte das in eine einfache Formel bringen: Sie schauen, was geht. Wie kann man, auf der Grundlage der bestehenden Verkehrswege und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Bauplanung die Mobilität der Bürger verstärken und den PKW-Verkehr beschleunigen, gleichzeitig aber die PKW-Nutzung reduzieren und Umweltbelastungen in Grenzen halten?

Wer das mit Bordmitteln aus seinem persönlichen Wissen heraus beantworten will, kommt nicht weit. Zwar kann man ein paar Antworten selbst finden - Schulbusse an den Busbahnhof und nicht auf den Hauptplatz, den "Ich kreuze die Straße, wann ich will"-Zebrastreifen an der Musikschule mit den Ampeln am Postberg koordinieren, sichere Radstationen an Bushaltestellen einrichten, damit der Verkehrsmittel-Mix bequemer wird.

Aber ein Nahverkehrs-System entwickeln, das auch von Autobesitzern gerne genutzt wird? Schulwege vereinfachen, damit "Helikopter-Eltern" nicht länger private Taxibetreiber sind? Die Nahversorgung effektiver machen, damit Kurzstreckenfahrten entfallen? Dazu braucht man den Blick auch über Landsberg hinaus, auf Erfahrungen und Technologien in anderen Städten in Deutschland und Europa, nicht zuletzt aber auch auf den Bund und die Länder mit ihren geradezu flehentlichen Angeboten, kommunale Verkehrssysteme von morgen zu bezuschussen.

Was Manche nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: Der Verkehrsentwicklungsplan baut auf dem Flächennutzungsplan auf. Eine Verkehrsplanung ohne Einbeziehung der Baugebiete der nächsten Jahre ist wertlos. Deswegen muss die Verkehrsplanung parallel zur städtebaulichen Planung erfolgen. "Erst ein Verkehrsplan, dann weitere Baugebiete" geht schlicht nicht.

Wer in seiner Nachbarschaft - Stichwort: Staufenstraße - kein Baugebiet will, muss das ehrlich sagen und sich um eine Mehrheit des Stadtrats über eine einzelne Gruppierung hinaus bemühen. Anwohner sollten zugeben: "Ich, Besitzer(in) eines Eigenheims mit freiem Blick ins Grüne, das jährlich aufgrund Wohnraumknappheit beträchtlich im Wert steigt, will nicht, dass die Stadt Baugebiete ausweist, die dazu beitragen, dass die Nachfrage nach Wohnungen gedeckt und die Mieten stabilisiert werden".

Wer aber stattdessen die Einstellung der Verkehrsentwicklungsplanung fordert, der schlägt den Sack, meint aber den Esel. Natürlich wissen das die Initiatoren. Nur die Bürger sollen das bitteschön nicht merken.

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Kurze Frage zum Verkehr

Mittwoch, 14.11.2018

Mit welchen Routen und Preisen machen wir unseren Stadtbus attraktiv? Kann man durch ein ticketloses System Standzeiten an Haltestellen verringern? Kommt ein Stadtbus-Nulltarif in Frage? Gehören Schulbusse auf den Hauptplatz? Wie kann man das Fahrrad zum Zubringer zur Buslinie machen? Welche Wirkungen hat eine Fahrradsatzung, die dazu zwingt, private Fahrradstellplätze zu schaffen? Wie sehen sichere und komfortable öffentliche Fahrradständer aus, an denen man auch teure Zweiräder sorglos abstellen kann? Ist ein Fahrradweg von Ellighofen nach Pitzling machbar? Welche bestehenden Radwege müssen als erste verbessert werden? Welche zusätzliche Mobilität generiert ein Schrägaufzug von der Altstadt zum Jesuitenviertel?

Welche Konsequenzen hat es, wenn die geplanten Messungen am Hauptplatz und im Hinteranger zu Fahrverboten führen? Wie können wir verhindern, dass DHL, UPS, Hermes, GLS und DPD parallel die Stadt durchfahren? Kann man den Einzelhandel in Bringdienste einbeziehen? Wie kann man die Nahversorgung in Wohnvierteln verbessern? Was bewirkt die Verkehrsberuhigung des Vorderangers? Welche Folgen hat es, wenn man im Hinteranger nur noch Kurzzeitparken erlaubt? Kann man an der Musikschule eine Ampel platzieren, die mit der des Postbergs synchron läuft?

Wie reduziert man Wartezeiten an der Schwaighofkreuzung? Wie kann man den Verkehrsfluss an der Spöttinger Straße Ecke Katharinenstraße regeln? Welche Änderungen sind an der Münchener Straße erforderlich? Brauchen wir eine Spange vom Klinikum zu Rational? Wie verhindert man die unbefugte Nutzung der Alten Bergstraße? Was bewirkt der geplante Kreisverkehr an der Augsburger Straße? Führt eine Gebührenerhöhung in den Parkhäusern zu weniger Verkehr? Welche Infrastruktur müssen wir für E-Mobilität bereitstellen? Wie kann die Digitalisierung helfen, den Verkehrsfluss zu verbessern und unnötige Wege zu vermeiden?

Das wollten wir mal kurz fragen. Und damit belegen, dass ein Verkehrsentwicklungsplan weit mehr sein muss, als sich mancher so vorstellt. "Autos durchwinken" ist nicht geplant. Heute, mit einer Pressekonferenz des OB, beginnt in Landsberg die Diskussion über den Verkehr der Zukunft. Und jeder, wirklich jeder, sollte sich daran beteiligen.

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Wohnungsmangel? Weiter so!

Mittwoch, 07.11.2018

Bund, Land und Kommunen wiederholen: Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Aber es gibt kaum noch freie Flächen. Sie sind zudem teuer und führen, nach heutigem Standard bebaut, zu hohen Mieten. Nur wenige Städte halten Grundstücke im Eigenbestand und arrondieren sie durch Zukäufe.

Landsberg ist eine Ausnahme. Die Stadt schafft nicht nur die eigentums- und baurechtlichen Voraussetzungen für neue Quartiere, sondern verfügt mit zwei Einheimischenmodellen, der Richtlinie zur sozialen Bodennutzung und der Möglichkeit zum Abschluss städtebaulicher Verträge auch über leistungsstarke Steuerinstrumente.

Landsberg ist eine Einpendlerstadt. Das klingt gut, ist aber ein Mangelsyndrom. Arbeitnehmer müssen ins Umland ziehen, weil das Wohnungsangebot hier zu gering und zu teuer ist. Inzwischen müssen Arbeitgeber wie das Klinikum schon in Geschosswohnungsbau investieren, bevor sie ihre Tätigkeit erweitern können.

Natürlich kann man als Stadt zusehen, wie Preise immer mehr steigen. Aber das ist unsozial und führt zum Abzug von Arbeitsplätzen. Die Stadt könnte auch auf eine zunehmende Verdichtung im unbeplanten Innenbereich setzen. Aber das zerstört gewachsene Viertel.

Nun gibt es Besitzende, denen immense Preise im Immobilienmarkt egal sind, ja denen sie sogar nutzen. Außerdem hätten sie gerne um sich herum jede Menge Luft, Licht und Raum - und keinesfalls Nachbarn. Da Komforterhaltung und Wertsteigerung keine guten Argumente sind, behaupten sie, der Verkehr nehme durch weitere stadtnahe Wohnungen unerträglich zu.

Bewiesen ist das nicht. Wenn Einpendler nicht mehr einpendeln und ihre Arbeitsplätze per Bus, Fahrrad oder zu Fuß erreichen, entsteht zunächst mal weniger Autoverkehr und nicht mehr. Und Binnen-Umzügler wechseln Wohnungen meist, um kürzere Wege zu haben, nicht längere.

Zwar wird die Stadt bald einen Verkehrsentwicklungplan vorstellen. Hoffentlich einen, der es in sich hat. Wer Verkehr reduzieren will, muss nämlich ganz woanders ansetzen. Am Vorenthalten von Wohnungen sicher nicht.

Aber unabhängig davon: Wer Wohnungmangel und Preissteigerungen aufrechterhalten möchte, weil er keine Nachbarn mag, der darf in Landsberg keine Chance auf Erfolg haben.

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Die Stadt und die Stiftung

Mittwoch, 31.10.2018

Die Fronten sind verhärtet: ÖDP-Stadtrat Stefan Meiser will, dass die Stadt die Wiederherstellung der Heilig-Geist-Spitalstiftung betreibt. Er geht dabei davon aus, dass sie jahrhundertelang selbständig war, 1942 durch nationalsozialistisches Unrecht aufgelöst wurde und 1946 trotz der erklärten Absicht des Stadtrats, sie "in alter Form weiterzuführen", nicht neu errichtet wurde.

Andere plädieren dafür, die Vermögen von Stadt und Stiftung zwar weiterhin strikt zu trennen, aber keine organisatorische Veränderung vorzunehmen. Die Ausgliederung von Kapital und Grundstücken aus der Stadt berge viele Risiken und mache vor allem externe Berater glücklich, meinen sie.

Der Beschluss des Stadtrats aus dem Jahr 1942 spielt dabei eine große Rolle. Meiser hält ihn für zu korrigierendes Unrecht. Allerdings bewirkte er wohl, dass die Gelder und Grundstücke, die ja für städtische Fürsorge gedacht waren, in der Stadt blieben und nicht vom Staat konfisziert wurden. Wenn die Auflösung Unrecht war, war sie allenfalls Unrecht zur Abwehr größeren Unrechts. Unstreitig blieb das Vermögen im Besitz der Stadt und wurde nicht zu Staatseigentum.

Erstaunlich ist, dass alle Seiten, auch das "erste" Landratsamt im Jahr 1946, nie geprüft haben, ob die Heilig-Geist-Spitalstiftung wirklich jemals eigenständig war. Es scheint so, als würde jeder die Behauptung des NS-Staats übernehmen. Der hatte freilich ein Motiv: Das Geld einer rechtsfähigen Stiftung konnte er sich unter den Nagel reißen, dass einer nicht-rechtsfähigen (fiduziarischen) Stiftung nicht.

Fest steht: Das Spital hatte zwar einen religiösen Namen, wurde aber von der Stadt verwaltet. Es gab offenbar kein eigenes Leitungsgremium. Stattdessen bestimmte der Stadtrat einen Spitalmeister und zwei Spitalpröbste - aus den eigenen Reihen. 1401 hieß es, Stadtkammer (Kämmerei) und Spital seien "ein Herz und ein Korpus". Die Barmherzigen Schwestern hatten Verträge mit dem Stadtrat, nicht mit dem Spital. Und 1975 konstatierte der Stadtrat unwidersprochen, die Stiftung sei ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen der Stadt.

Wir sollten es dabei belassen. Viel spannender ist die Frage, wofür die Erträge aus der Stiftung eingesetzt werden. Das Spital gehört nicht mehr dazu. Wie kann man jetzt für "Arme und Elende" Gutes tun?

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Ende der Gemeinsamkeit

Donnerstag, 25.10.2018

Wer in der Berichterstattung des LT liest, mit welch übertriebener Empörung Stadträte von SPD, UBV und Landsberger Mitte auf die Entscheidung von ehret + klein reagiert haben, den Karl-Schrem-Bau mit einem ähnlichen Gebäude nach heutigem Brandschutz- und Energiestandard zu ersetzen, der fragt sich, wie nah der Wahlkampf wohl schon ist.

Die Gefahr, dass der Altbau, der nicht unter Denkmalschutz steht, aufgrund der Kontaminierung und der vorhandenen Gebäudestruktur nicht genutzt werden kann, steht schon seit Abschluss der städtebaulichen Verträge fest - dort ist von "Prüfung des Erhalts" die Rede - und hat im Bebauungsplan durch die Reduzierung auf die reine Kubatur ihren Niederschlag gefunden. Diesen Verträgen und dem Bebauungsplan haben die Fraktionen von SPD, UBV und Landsberger Mitte zugestimmt. Und als Michael Ehret vor der Sommerpause bei seinem Besuch im Stadtrat deutlich darauf hingewiesen hat, dass sich die Gefahr realisieren könnte (und deswegen gar nicht erst einen Bauantrag einreichte), gab es nicht annähernd eine solche Reaktion wie gestern.

Wie kann eine UBV angesichts dieser Sachlage in die Welt setzen, sie fühle sich "über den Tisch gezogen" und "getäuscht"? Hat sie nicht aufgepasst, nicht zugehört, die Texte nicht gelesen und nicht verstanden, warum etwas so und nicht anders geregelt wird? Wer so einen Vorwurf erhebt, der führt die Bürger seinerseits in die Irre und verkündet zudem faktisch das Ende der Gemeinsamkeit mit einem Investor, der bisher in Sachen Sozialer Wohnungsbau, 20-Millionen-Euro-Zuschuss zur Finanzierung der städtischen Lasten, Architektenwettbewerbe für jedes einzelne Baufeld und Bürgerbeteiligung nicht nur Wort gehalten, sondern das Geschuldete oft sogar übererfüllt hat.

Zentimetertiefe Verunreinigungen der Decken, komplett marode Bodenplatte, Brandschutz nicht erfüllbar, von KfW 55 ganz zu schweigen - das alles war absehbar, wenn man versucht, einen Industriebau nach heutigem Baurecht zum Wohnhaus zu machen. An die Stadträte, die sich offenbar gestern über eine Stunde an ehret + klein abgearbeitet haben, möchte man appellieren: Nun lasst bitte mal die Tassen im Schrank.

Manchmal ist man wirklich froh, nicht im Stadtrat gewesen zu sein. Für den Blutdruck war offenbar diesmal Abwesenheit weit besser als Präsenz.


Die Frames erkennen

Donnerstag, 25.10.2018

Hochinteressantes Interview von Elisabeth Wehling von der Universität of California in Berkeley mit Sissi Pitzer vom Bayerischen Rundfunk. Vielleicht erinnern Sie sich an den Kommentar des landsbergblog im KREISBOTEN zum Thema "CSU und AfD". Zitat: "Am Abend der Bundestagswahl erklärte Horst Seehofer, die offene Flanke auf der rechten Seite müsse geschlossen werden. Schon da war klar: Die CSU wird einen populistischen Kurs analog der AfD einschlagen. Und klar war auch, auf welchem Gebiet das erfolgen würde, denn die AfD hat ja nur ein Thema. Mit dieser Verschiebung des Koordinatensystems hat die CSU die AfD von Tag zu Tag stärker gemacht. Biedermann hat den Brandstiftern auf die Schulter geklopft." In die gleiche Richtung geht die Stellungnahme von Elisabeth Wehling ab der Position 4:30 - um ihr Wording zu verstehen, empfehlen wir aber, das Gespräch von vorne anzuhören.


Im Fokus der Geschichte

Mittwoch, 24.10.2018

Reprint der zehnteiligen landsbergblog-Serie aus dem Jahr 2012

1

Landsberg wurde vor 850 Jahren erstmals urkundlich erwähnt - und rechtzeitig zu den Festtagen rund um dieses Jubiläum hat der ehemalige Landsberger Gymnasiallehrer und ehrenamtliche Referent für Denkmalpflege Anton Lichtenstern ein neues Geschichtsbuch über die Lechstadt verfasst. In zehn Kapiteln berichtet er (1) über die Zeit vor der Stadtgründung, (2) die Rolle Landsbergs im Mittelalter, (3) die Auswirkungen von Reformation und Gegenreformation, (4) den Niedergang der Stadt im Dreißigjährigen Krieg, (5) die "neue Blütezeit" ab 1700, (6) die Neuorganisation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, (7) den Aufschwung in der Zeit der Revolution, (8) die Rolle der Stadt in und zwischen den Weltkriegen, (9) den Neubeginn nach dem 8. Mai 1945 und (10) Landsbergs "Weg in die Gegenwart". Das landsbergblog greift zehn Wochen lang an jedem Sonntag Gedanken und Fakten aus den zehn Kapiteln dieses Buchs auf, heute aus Kapitel 1.

Es ist ein Kreuz mit diesen Jubiläen - fast nie sind sie ganz eindeutig. Manchmal ist zu lesen, die Stadt Landsberg am Lech werde in diesem Jahr 850 Jahre alt; doch eine Stadt mit Stadtrechten war sie 1162 definitiv noch nicht. Richtig ist aber, dass das "Castrum Landespurch" auf dem Schlossberg vor 850 Jahren erstmals in einer Urkunde erwähnt wurde. Was ein Castrum im damaligen Sprachgebrauch wirklich war, ob nur die Burg Landespurch (die Hüterin des Landes), die wohl 1160 errichtet wurde und die alte Burg Phetine umschloss, oder mehr als die Burg, ist heute nicht mehr feststellbar. Das Wort Castrum stand nämlich neben forum, civitas und oppidum zuweilen auch generell für einen befestigten Ort.

Wie auch immer: Im Castrum Landespurch auf dem heutigen Schlossberg trafen sich 1162 Herzöge, Grafen, Burggrafen, Pfalzgrafen und Freiherren zu einem Gerichtstag. Einer der Gegenstände der Verhandlung im Hochsommer dieses Jahres  war die Frage, wem das Gut Pollingsried bei Seeshaupt gehören sollte. Der Welfe Heinrich ("Heinrich der Löwe")¸ den Kaiser Barbarossa sechs Jahre zuvor zum bayerischen Herzog gemacht hatte, urteilte auf der Landespurch, es gehöre zum Kloster Polling. Das Urteil wurde vom Kloster natürlich sorgfältig dokumentiert und zwar auf einem aus vernähten Pergamentstreifen angefertigten, fast vier Meter langen Dokument, einem Rotulus. Nachdem die Agenda des Gerichtstags erledigt war, reisten die Herrschenden zur Synode von Besançon weiter, bei der es darum ging, dem von Kaiser Barbarossa unterstützten Antipapst Viktor IV. den Rücken zu stärken. Danach kehrten sie noch einmal zur Landespurch zurück.

Die Hauptzwecke der Landespurch waren, das Land (vor allem die Herrschaft Heinrichs) und die Lechbrücke zu schützen. Die muss spätestens 1167 existiert haben, denn ab da sprach man von "Landesperc ultra pontem", Landsberg jenseits der Brücke. Diese Brücke war vor allem wichtig, um den Salzhandel von Reichenhall bis nach Oberschwaben zu ermöglichen, ihn aber auch gleichzeitig zu kontrollieren und damit Zölle einzunehmen. Nach und nach wurde das Tal unter der Burg zu einer präurbanen Siedlung. 1179 gab es erste Hinweise auf eine Kirche an der Stelle der heutigen Stadtpfarrkirche. Wann Landsberg Stadtrechte erhielt, ist nicht eindeutig feststellbar; es gibt keine Gründungsurkunde. Lichtenstern meint, der wahrscheinlichste Zeitpunkt sei das Jahrzehnt von 1260 bis 1270. In dieser Zeit entstanden auch die Stadtmauer sowie der einzigartige dreieckige Hauptplatz, über den vom Schmalzturm bis zur Lechbrücke die Salzstraße führte.

2

Weil die Landsberger 1315 und 1319 tapfer für Herzog Ludwig IV. gegen die Habsburger gekämpft und dies mit der Zerstörung ihrer Stadt und Befestigungsanlagen bezahlt hatten, wurden sie von Ludwig mit Rechten entlohnt. Dazu zählten finanziell Ungeld, Wagenpfennig, Salzpfennig sowie eine reduzierte Stadtsteuer und politisch Selbstverwaltung, Marktrecht, Zollfreiheit sowie eigene Gerichtsbarkeit. Der Stadt ging es von da an gut.

Bitte lesen Sie hier weiter.


Vom Raum ins Leere

Mittwoch, 24.10.2018

Der landsbergblog wird ab heute dreistufig publizieren. In der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN kommentiert er das aktuelle Geschehen. Bei Twitter (twitter.com/landsbergblog) beteiligt er sich an der Diskussion über Themen, die Landsberg betreffen. Und auf der neuen Website unter der alten Adresse www.landsbergblog.info analysiert er Entwicklungen in längeren Beiträgen. Kommentar, Diskussion, Analyse - das ist der Dreiklang, mit dem der Blog in die nächsten Jahre geht.

Die Website beginnt mit Historie. Dort wiederholt der landsbergblog seine (2012 in zehn Teilen veröffentlichte) Zusammenfassung des Buchs "Landsberg am Lech – Geschichte und Kultur" des Ehrenring-Trägers Anton Lichtenstern, das beim Holzheu-Verlag in Mering erhältlich ist.

Der aktuelle Anlass dazu ist die heutige Beratung des Stadtrats über eine "zentrale Anlaufstelle zu Ereignissen in Landsberg und Umgebung von 1920 bis 1958". Dazu soll im Hofbereich des Historischen Rathauses ein - weitgehend aus multimedialen Präsentationen bestehender - "Wegweiser zur Zeitgeschichte" eingerichtet werden. Die Stadtverwaltung soll ihn "baulich und inhaltlich entwickeln".

Doch wohin soll der Weg gewiesen werden? Die Tonröhrenbauten des Lagers Kaufering VII und der Bunker in der Welfenkaserne sind nur bei Führungen zugänglich. Das Stadtmuseum wird erst in einigen Jahren wiedereröffnet. Der Ort der Festungshaft ist allenfalls von außen betrachtbar. Und viele Grabstellen sind nicht zugänglich oder würdelos überbaut. Von diesem Raum aus läuft man weitgehend ins Leere.

Wäre es da nicht besser, die Arbeit und das Geld in eine Präsentation zu stecken, die die ganze Geschichte Landsbergs widerspiegelt? Die Stadtgründung, die Rolle im Mittelalter, die Auswirkungen von Reformation und Gegenreformation, der Niedergang im Dreißigjährigen Krieg, die neue Blütezeit ab 1700, die Neuorganisation im 19. Jahrhundert, der Aufschwung in der Zeit der Revolution, die Rolle der Stadt in und zwischen den Weltkriegen, der Neubeginn nach dem 8. Mai 1945 und Landsbergs 'Weg in die Gegenwart' - um die zehn Kapitel von Anton Lichtenstern zu zitieren?

So eine Präsentation würde zu vielen Orten Wege weisen, vor allem solchen, die auch zugänglich sind. Sie ließe sich zudem in den Schulen, den Museen und im Internet einsetzen. Besucher würden nicht nur auf die NS-Zeit aufmerksam gemacht, sondern auf alle Epochen; die Verdichtung fiele weg.

Man sollte nochmal drüber nachdenken.

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Kein Übereifer, keine Abstinenz

Mittwoch, 02.10.2018

Das LTG 61 hat den Fliegerhorst Landsberg verlassen. Nun dauert es voraussichtlich noch ein Jahr und das Gelände könnte zur zivilen Nachnutzung zur Verfügung stehen. Unklar ist, wie diese Konversion geschehen soll. Idealtypisch betrachtet gibt es drei Möglichkeiten.

Die erste Option besteht darin, dass die Gemeinde Penzing, die ein Vorkaufsrecht zum Verkehrswert hat, die Stadt Landsberg oder beide zusammen das Areal von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BiMA) erwerben. Anschließend würde das Gelände überplant, also mit Baurecht versehen, parzelliert, verkehrstechnisch erschlossen, von Altlasten befreit und mit Gewinn an interessierte Unternehmen weiterverkauft.

Die Gebietskörperschaften könnten die weitere Verwendung dann vollständig beeinflussen und hätten keinen Kontrollverlust. Allerdings kann keine von ihnen das stemmen, zumal wir wohl über einen hohen zweistelligen Millionenbetrag reden. Das Risiko wäre viel zu groß, dass die kommunalen Träger auf den Kosten sitzenbleiben. Man könnte hier von Übereifer sprechen.

Die zweite Möglichkeit wäre, abzuwarten, bis die BiMA das Areal an private Investoren veräußert. Das ist das Modell "Abstinenz". Die Kommunen sind dann immer noch im Spiel, denn zur Umsetzung der geplanten Nutzung ist eine Bauleitplanung erforderlich. Freilich kommen Städte und Gemeinden dann stets unter Druck, vor allem wenn Arbeitsplätze oder Wohnungen entstehen sollen. Faktisch entscheiden dann doch die zahlungskräftigen Unternehmen zusammen mit der BiMA über die künftige Nutzung des Areals.

Die dritte Möglichkeit liegt irgendwo dazwischen, beispielsweise in Form eines neuen privaten Unternehmens, an dem die Kommunen, Projektentwickler und Banken beteiligt sind; die Gesellschafter arbeiten dann aufgaben- und kostenteilig.

Solche Modelle erfordern langfristige Abstimmungen. Sie lassen sich nicht erst ins Leben rufen, wenn die BiMA den Verkaufsprozess einläutet. Es gilt, einen Weg zwischen Übereifer und Abstinenz zu verabreden, damit am Ende weder eine Brache oder steuerlich und arbeitsmarktpolitisch irrelevante Nutzung noch eine Industrie entsteht, die die Gemeinden beeinträchtigt. Die kommunalen Gremien sollten sich damit alsbald nichtöffentlich befassen.


Mit Eifer und Eifersucht

Sonntag, 23.09.2018

In unserer Region fanden 2018 zwei kulturelle Ereignisse statt, bei denen das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Mittelpunkt stand und die an Konzerte aus der Nachkriegszeit anknüpften. Im Mai die von Wolfgang Hauck und Karla Schönebeck organisierte Jüdische Woche, die unter anderem an das von Leonard Bernstein dirigierte Konzert in St. Ottilien am 10. Mai 1948 erinnerte. Und am heutigen Samstag ein Benefizkonzert mit Anne-Sophie Mutter und dem Orchester der Buchmann-Mehta School of Music aus Tel Aviv in Erinnerung an das erste, drei Jahre zuvor an gleicher Stelle von KZ-Überlebenden gespielte Konzert mit Werken von Grieg, Schubert und Mozart. Letzteres passt Hauck und Schönebeck offenbar gar nicht.

Gegenüber dem Landsberger Tagblatt (LT) erklärten sie, das heutige Konzert nutze das von 1945 nur "als Bühne für eine Show". Die Veranstalter wollten offenbar nur "irgendwas mit Juden" machen. Das Engagement der Star-Violonistin Mutter "überdecke die ganze Geschichtsbedeutung". Hauck bezeichnet das heutige Konzert dem LT zufolge sogar als "Verdrängung in elegant verkleideter Form". Außerdem sei der Termin kurz vor dem jüdischen Laubhüttenfest, das am heutigen Abend beginnt, falsch platziert.

Die Veranstalterin, Doris Pospischil aus Schondorf, reagierte darauf irritiert. Die Kritik sei "banal und unwürdig". Das von Professor Zeev Dorman dirigierte Benefizkonzert - das Abschlusskonzert der diesjährigen AMMERSEErenade - finde unter Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch statt. Und der Termin kurz vor Beginn des Laubhüttenfests sei mit Zubin Mehta abgestimmt. Die Kritik von Hauck und Schönebeck sei "der Versuch, etwas schlechtzumachen".

Auch wir haben für die vernichtenden Missfallensäußerungen von Hauck und Schönebeck kein Verständnis. Wir empfinden sie gelinde gesagt als Unverschämtheit. Es gibt viele Formen der Erinnerung und viele Daten, an die man anknüpfen kann. Wir haben noch einmal nachgeschaut: Weder auf den Seiten von AMMERSEErenaden noch auf der Website des Klosters St. Ottilien wird das Konzert in irgendeiner Weise überhöht, mit Botschaften verbunden oder zum Schlüsselereignis der Erinnerungsarbeit des Jahres 2018 erhoben. Hier findet ein hochrangiges - übrigens restlos ausgebuchtes - kulturelles Ereignis statt, das nicht den Anspruch erhebt, einzig zu bleiben.

Kultur ist vielfältig. Die Akteure von Kultur sind vielfältig. Und niemand hat das Recht, seine kulturelle Tätigkeit für gut und eine andere für schlecht zu erklären. Die Herabsetzung des heutigen Konzerts, zu dem viele Musiker aus Israel angereist sind, kann man wohl nur mit Eifer und Eifersucht erklären. Schade, dass es möglich ist, dafür Gehör zu finden.


Das geht nur mit Empathie

Mittwoch, 19.09.2018

Die Stadtwerke Landsberg haben Glück: Die Sanierung der Schloßberggarage wird, dank einer sensationellen Leistung der beauftragten Baufirma, viel früher abgeschlossen sein als prognostiziert. Das Parkhaus steht im gesamten vierten Quartal wieder uneingeschränkt zur Verfügung. Das ist eine gute Nachricht für den Einzelhandel, der in diesen Monaten seinen größten Umsatz erzielt. Es ist auch frohe Kunde für alle Dauermieter, die im Herbst und Winter nicht draußen parken müssen.

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Stadtwerke auf die Sorgen und Wünsche von Anwohnern, Arbeitnehmern, Ladeninhabern und Dienstleistern mit einer Mischung aus Naivität und Trotz reagiert haben. Statt früh über Lösungen zu sprechen, wiederholte der Vorstand mantraartig, wie notwendig die Sanierung sei - was niemand bestritt. Als die Mehrheit des Stadtrats den Betroffenen beisprang und ein positives Signal - zum Beispiel kostenloses Parken auf der Waitzinger Wiese - forderte, stellte sich der Verwaltungsrat auf den Standpunkt, ein solcher Verlust könne dem Unternehmen nicht zugemutet werden.

Sind das "unsere Stadtwerke"? Ist dies das Unternehmen, bei dem wir uns wohlfühlen und von dem wir ganz selbstverständlich unseren Strom beziehen wollen, anstatt ihn von einem Konzern zu erwerben? Ist das der Anbieter, zu dem wir zuerst gehen, wenn wir einen schnellen Internet-Anschluss brauchen? Wohl kaum.

Eigentlich könnten die Stadtwerke in Landsberg beim Strom schon Grundversorger sein, so dass Nutzer nach einem Wohnungsbezug automatisch von hier und nicht von EWL = LEW = Innogy = REW beliefert werden. Aber davon ist man, anders als Städte wie Erding, Freising und Fürstenfeldbruck, noch weit entfernt. Mit "50 Euro Sofortbonus" für Neukunden lässt sich so etwas nicht erreichen, zumal Unternehmen wie e-on, Vattenfall und yello weit mehr Rabatt bieten. "Me-Too"-Marketing reißt niemandem vom Hocker. Deswegen ist der Satz "Wir sind der Stromanbieter für Landsberg und die Region" auf der Website der Stadtwerke auch sehr vorgreiflich.

Wir brauchen Stadtwerke, die die Bürger für sich begeistern, weil sie sich für die Bürger begeistern. Das geht nicht mit reiner Betriebswirtschaft, das geht nur mit Empathie. Einer der Faktoren wäre, in kritischen Momenten an einem Strang zu ziehen. So schön es ist, dass alles schneller ging, so sehr sich die Stadtwerke damit nun rühmen: Die wirklichen Lehren aus dem Thema Schloßberggarage, die sind noch nicht gezogen.


Auf die Schulter geklopft

Dienstag, 18.09.2018

Das "Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus - für Toleranz und Menschenwürde" organisiert am Donnerstag um 19:15 Uhr am Hauptplatz eine "Kundgebung gegen die AfD-Ideologie". Vertreter der Kirchen und der politischen Parteien mit Ausnahme der AfD wurden eingeladen, bei der Versammlung das Wort zu ergreifen. Dass die CSU diese Einladung abgelehnt hat, steht ihr frei. Merkwürdig ist aber, wie der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagskandidat Alex Dorow diese Ablehnung begründet.

In einer Presseerklärung schreibt er, die Auseinandersetzung mit der AfD müsse "politisch und nicht durch Kundgebungen und Gegenveranstaltungen geführt werden".

Wenn Bürger öffentlich zusammenkommen, um Stellung zu nehmen und einen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, dann ist das aber politisch. Was sonst?

Vielleicht muss man Dorow daran erinnern: Vom Ursprung her bezeichnet "Politik" das Recht der Bürger, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden. Grundrechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit unterstreichen dieses Recht. Ihre Ausübung ist für die Demokratie, wie das Bundesverfassungsgericht einmal formuliert hat, "schlechthin konstitutiv".

"Politisch" heißt nicht "parlamentarisch". Das wäre im konkreten Fall auch widersinnig. Die Bürger, die sich am Donnerstag auf dem Hauptplatz treffen, die wollen nicht, dass sich Vertreter der anderen Parteien mit der AfD im Bayerischen Landtag auseinandersetzen - die wollen, dass die AfD gar nicht in den Bayerischen Landtag kommt.

Das wird zwar nicht gelingen. Aber dass sich die CSU mit der AfD ab jetzt erfolgreich auseinandersetzt, glaubt niemand. Das wäre ja eine Wende um 180 Grad.

Im Gegenteil: Am Abend der Bundestagswahl erklärte Horst Seehofer, die offene Flanke auf der rechten Seite müsse geschlossen werden. Schon da war klar: Die CSU wird einen populistischen Kurs analog der AfD einschlagen. Und klar war auch, auf welchem Gebiet das erfolgen würde, denn die AfD hat ja nur ein Thema.

Mit dieser Verschiebung des Koordinatensystems hat die CSU die AfD von Tag zu Tag stärker gemacht. Biedermann hat den Brandstiftern auf die Schulter geklopft.

Wenn die CSU nun plötzlich verspricht, eine wirksame politische Auseinandersetzung mit der AfD zu führen, muss man wohl das Themenfeld erweitern: Eigentlich wollten die Teilnehmer der Demo am Donnerstag nur über die Brandstifter reden. Jetzt kommt man auch an Biedermann nicht mehr vorbei.


Viele Fragen bleiben offen

Mittwoch, 12.09.2018

Die Insolvenz eines Bauträgers zwischen Auflassungsvormerkung und Eigentumsübertragung ist der Alptraum fùr alle, die eine Neubauwohnung erwerben wollen. Zwar ist nach der Bauträgerverordnung keine komplette Vorkasse mehr zulässig. Aber mit zunehmendem Baufortschritt steigt das Risiko, erhebliche Summen zu verlieren und zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in ein unfertiges Haus einziehen zu müssen. Die "späte Insolvenz" ist die schlimmste, zumal sich dann so schnell kein Unternehmen finden wird, das den Bau nahtlos fortsetzt.

In Landsberg spielt sich zurzeit ein solches Drama an der Brudergasse ab. Bauträger und Projektmanager schweigen dazu und schicken einen Rechtsanwalt vor, der Baustopp und Konkurs mit unerwartet hohen Kosten in der Anfangsphase des Projekts begründet. Daher muss die Frage erlaubt sein, warum der Bauträger nicht schon damals die Notbremse gezogen hat. Dass die Bergung der Gebeine vom früheren Friedhof deutlich teurer wurde als angenommen, blieb ja noch nicht mal Außenstehenden verborgen - die Stillstände sprachen Bände. Warum hat der Bauträger trotzdem weiter Baufortschritt erzeugt und damit Zahlungsansprüche generiert? Schleppte er damit das Dilemma nicht vor sich her?

Nun versuchen die Beteiligten den Anschein der Normalität zu erwecken - so eine Insolvenz kann passieren, nun ist der Insolvenzverwalter am Zug, da muss man abwarten. Das reicht zur Aufarbeitung nicht. Bei Bauvorhaben dieser Größenordnung gibt es normalerweise gleich mehrere Sicherungen. Bereits die finanzierende Bank wird die vier klassischen Risiken bei Bauträgerprojekten, das technische Risiko, das Verkaufsrisiko, das Kostenmehrungsrisiko und das Terminrisiko, sorgfältig prüfen, nicht nur anfänglich, sondern bei jedem Meilenstein, den das Projekt erreicht. Ist das geschehen?

Altlasten, Sanierung in der Substanz, schwieriges Bauumfeld, ein Bauträger, dessen Kerngeschäft ein anderes ist - bei diesem Projekt war so ziemlich alles dabei, was Probleme bereiten kann. In solchen Fällen sind Baufertigstellungversicherungen angezeigt - oder Bankbürgschaften, die den Abschluss des Bauprojekts bis zur Eigentumsverschaffung abdecken. Hier ist offenbar keines dieser Instrumente eingesetzt worden. Warum nicht? Wer hat die Käufer beraten?

Diese Fragen hätten wir gerne beantwortet. Denn der Fall Brudergasse hätte sich vermeiden lassen. Auf keinen Fall darf er sich wiederholen.


Zweierlei Maß

Mittwoch, 05.09.2018

Die WELT AM SONNTAG hat kürzlich errechnet, dass in Hessen durch den Einsatz von Derivaten mehrere Hundert Millionen Euro an Steuergeldern verspekuliert wurden. Langfristig drohten sogar Mehrausgaben, also Verluste, in Milliardenhöhe. Nachfragen der Zeitung ergaben, dass Hessen nicht alleine dasteht, sondern zwölf Bundesländer weitgehend erfolglos versucht haben, sich mit Derivaten gegen Zinssteigerungen zu wappnen.

In Landsberg liest man dies mit besonderem Interesse. Auch hier wurden Derivate eingesetzt, auch hier entstanden Verluste. Da nach Auffassung des Landgerichts Augsburg bei zwei sogenannten "Swaps" grundlegende Anforderungen nicht eingehalten wurden, nämlich das Verbot der Spekulation und das Gebot der Konnexität zwischen Grund- und Zinsgeschäft, wurde der damalige Stadtkämmerer sogar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Da hielt es der landsbergblog für legitim, einmal die Frage zu stellen, ob denn die Finanzminister der Länder diese beiden Grundsätze in allen Fällen eingehalten haben oder sie nun ebenfalls mit Anklagen wegen Untreue rechnen müssen. Doch die Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaften in Hessen, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Berlin alsbald Ermittlungen gegen die jeweiligen Finanzminister aufnehmen, war nur von kurzer Dauer.

Experten weisen nämlich darauf hin, dass das Spekulationsverbot und das Konnexitätsprinzip ausschließlich für die Kommunen gelten. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gibt es Rechtsvorschriften, die die Finanzminister in ähnlicher Weise begrenzen. Selbst wenn sie, anders als das in Landsberg geschah, Derivate bewusst zur Gewinnerzielung einsetzten, kann das rechtlich nicht beanstandet werden. Demzufolge sind auch staatsanwaltliche Ermittlungen ausgeschlossen.

Obwohl der Schaden das Hundertfache der kommunalen Verluste beträgt, können sich die "Kämmerer" der Länder also entspannt zurücklehnen. Übrigens auch politisch: Bei der komplexen Materie wird keine Oppositionsfraktion ermitteln können, welche Geschäfte nun konnex waren und welche nicht.

Das ist zweierlei Maß. Die "Kleinen" verfolgt man, die "Großen" lässt man laufen. Das muss geändert werden: Bund und Länder sollten ihre Finanzminister an die Kette legen. Denn das Thema Derivate ist ja nicht vom Tisch. Ab der ersten Zinssteigerung ist es überall wieder aktuell.


Auf die Plätze!

Mittwoch, 29.08.2018

Doch, wir haben den Wandel der Zeit mitbekommen. Ganz viele Landsberger sind inzwischen virtuose Online-Nutzer. Auch mobiles Surfen im Web via Smartphone ist mittlerweile gang und gäbe. Aber es gibt immer noch Menschen, die Ausstellungsankündigungen, Theaterspielpläne oder Volkshochschulprogramme in gedruckter Form bevorzugen. Deswegen lässt die Stadt in hoher Auflage das Verzeichnis der VHS-Kurse des nächsten Semesters herstellen und legt es "Anfang September" überall im Landkreis aus. Viele Interessierte nehmen die Broschüre mit, informieren sich über das Angebot und entscheiden sich danach für eine Anmeldung.

Das geht aber nur, wenn der gewünschte Kurs noch nicht ausgebucht ist. Deswegen irritiert uns, dass die Stadtverwaltung Landsberg die Online-Buchung von Kursen schon rund einen halben Monat vor dem Erscheinen der gedruckten Fassung ermöglicht. Dabei mahnt sie sogar zur Eile. Per Twitter teilte die Stadtverwaltung am 21. August mit: "Ab sofort können die Kurse des Programms der Volkshochschule Landsberg am Lech für das kommende Semester gebucht werden! ... Auf die Plätze, fertig, anmelden!"

Tatsächlich kann es passieren, dass ein Kurs zum Zeitpunkt des Erscheinens der Broschüre durch Online-Anmeldungen schon ausgebucht ist, bestätigte die Leiterin der VHS auf Anfrage des landsbergblog. Davor geschützt seien nur diejenigen Teilnehmer, die sich bereits am Ende des letzten Semesters für einen Folgekurs in Listen eingetragen haben. Und diejenigen, die vor Fertigstellung der Broschüre bei der VHS anrufen und sich nach künftigen Kursen erkundigen.

Trotzdem: Wieso gibt die Stadt nicht allen Bürgern die gleiche Chance zur Anmeldung? Es wäre doch problemlos möglich, die Website erst an dem Tag freizuschalten, an dem auch die gedruckten Programme verfügbar sind. "Bildung für alle" ist ein wichtiger Grundsatz des Strategiekonzepts "Unser Landsberg 2035". Dazu gehört auch, denjenigen Mitbürgern keine Wege zu verbauen, die das Internet nicht oder nur eingeschränkt nutzen.

Aber es gibt eine Lösung. Buchen Sie den VHS-Kurs O1108. Darin "werden Sie durch den Dschungel der EDV geführt und lassen die Unsicherheiten im Umgang mit dem Computer hinter sich", heißt es im Programm. Ein Teil des Unterrichts behandelt das "Suchen und Finden von Webseiten im Internet". Noch ist das Häkchen grün; es sind noch Plätze frei. Wenn Sie dann im nächsten Frühjahr souverän mit dem PC und Smartphone umgehen, genießen auch Sie den Online-Vorsprung bei der Kursbuchung. Dann heißt es: Willkommen im Club!


Überragende Leistungen

Mittwoch, 22.08.2018

Journalisten sind nicht nur kritisch unterwegs; sie loben auch. Anlässe im privaten und sozialen Bereich sind häufig Jubiläen, Auszeichnungen, Preise und Ehrungen. Über Unternehmen schreiben Redakteure gerne positiv, wenn Vorstände Auszubildende einstellen, Werkshallen eröffnen oder gute Bilanzen vorlegen. Bei der örtlichen Politik und Verwaltung ist journalistisches Lob hingegen weniger ausgeprägt. Wahrscheinlich fürchten die meisten Medienleute den Vorwurf zu großer Nähe zu den städtischen Akteuren und denken sich: Nicht kritisiert ist genug gelobt.

In Landsberg gibt es Mitarbeiter der Stadtverwaltung, denen auf diese Weise berechtigte Wertschätzung entgeht. Aktuell betrifft das besonders Kämmerer Peter Jung und Stadtbaumeisterin Birgit Weber, die zusammen mit ihren Mitarbeitern enorme Herausforderungen bewältigen und dabei überragende Leistungen erbringen.

Peter Jung kam zu einer Zeit, als die städtischen Finanzen neu zu ordnen waren. Der Gesetzgeber hatte die Umstellung der kommunalen Finanzwirtschaft von der Kameralistik auf die Doppik eingeleitet, war aber bei der Umsetzung kaum hilfreich. Daher fehlten mehrere doppische Jahresabschlüsse. Auch bei anderen Themen, etwa Kassenkrediten ohne Stadtratsbeschluss oder unklaren Abgrenzungen von Stadt und Stiftung war strukturelle Arbeit erforderlich. Es mangelte vor allem an Transparenz. Heute ist Landsberg nicht nur bei den Abschlüssen "à jour", sondern schafft es sogar, den doppischen Haushalt noch vor dem Jahresende zu verabschieden. Dabei können die Stadträte sicher sein, dass der Kämmerer vorsichtig gerechnet und auf alle Risiken hingewiesen hat. Über etwaige Kassenkredite (es gibt sie kaum noch) und Haushaltsreste besteht Klarheit. Anderswo ist das ganz anders.

Auch Birgit Weber trat ihr Amt zu einer Zeit an, als sich die Herausforderungen an die städtische Bauverwaltung vervielfältigten. Das Pflugfabrik-Areal konnte nach Weichenstellungen durch Oberbürgermeister Mathias Neuner und Amtsvorgängerin Annegret Michler überplant werden. Neue Baugebiete waren zu konzipieren. Eigene Bauten wie die Mittelschule und die Obdachlosenunterkunft mussten gestemmt werden. Der neue Flächennutzungsplan war zu konzipieren, mehrere Bebauungspläne waren gleichzeitig auf den Weg zu bringen. Parallel entwickelte sich die Bautätigkeit im unbeplanten Innenbereich sprunghaft, so dass viele Einfügegebots-Entscheidungen zu treffen waren. Daneben laufen die normalen Geschäfte weiter, vom Straßenausbau bis zur Stadtgrünpflege. Gerade im Baubereich gibt es zudem zahlreiche Anfragen von Bauwerbern und Stadträten, die Geduld und Sorgfalt erfordern.

Jung und Weber sind unsere "Local Heros" des Jahres 2018. Sie rechtfertigen es, journalistische Zurückhaltung bei öffentlichem Hervorheben aufzugeben. Nicht kritisiert ist genug gelobt? In diesem Fall nicht.


An die Lebenswirklichkeit

Donnerstag, 16.08.2018

Seit Jahren verhindert eine Mehrheit im Stadtrat einen Drogeriemarkt im Landsberger Osten. Auch im Papierbach-Areal soll ein solches Angebot nicht entstehen dürfen. Der Grund ist Protektion.

Die Stadträte wollen, dass man den Müller-Markt an der Hubert-von-Herkomer-Straße aufsucht. Aber: Wer Toilettenpapier, Windeln, Waschmittel oder Küchenrollen kaufen will, akzeptiert keine langen Wege ins Parkhaus oder über den Lechsteg, sondern fährt mit dem Auto dorthin, wo man die Waren problemlos in den Kofferraum laden kann.

Im Fall des Landsberger Ostens führt das zu unnötigen Fahrten quer durch die Innenstadt in den Westen. Und am Papierbach wird Autoverkehr generiert, obwohl man dort bequem zu Fuß gehen könnte. Eine geeignete Verkaufsfläche neben dem geplanten großen Lebensmittelgeschäft ist dafür vorgesehen. Sie bleibt aus politischen Gründen ungenutzt.

Zwar ist die Landsberger Sortimentsliste im Prinzip berechtigt. Es gilt vor allem, periphere Nebenzentren zu vermeiden; Händler, die sich dort ansiedeln, hätten in Sachen Pacht, Ladengröße und (kostenlose) Parkplätze immer bessere Bedingungen als Betreiber im engen Altstadtraum.

Einkaufsbummel? Altstadt! Daran darf es keinen Zweifel geben.

Aber der Stadtrat darf seine Bürger nicht bevormunden. Die Zwangsverpflichtung zum Altstadtbesuch für Waren des täglichen Bedarfs ist nicht gerechtfertigt. Zumal ein Drogeriemarkt mit einer Drogerie alter Prägung nichts mehr zu tun hat. In einer historischen Altstadt zwischen Cafés und Boutiquen ist er tendenziell ein Fremdkörper.

Um den Müller-Markt in der Innenstadt brauchen wir uns bei Drogeriemärkten im Osten und am Papierbach wohl keine Sorgen zu machen. Die Kette betreibt ja selbst einen weiteren Markt im Westen. Übrigens genau in der Standardkombination "Lebensmittel- und Drogeriemarkt direkt nebeneinander", die alle Beteiligten als die Ideallösung bezeichnen.

Die Weigerung der Stadtratsmehrheit, weitere Drogeriemärkte zuzulassen, ist heutzutage besonders problematisch. Mit ein paar Klicks lässt sich der Einkauf bei dm und Rossmann auch online erledigen. Kauf auf Rechnung, Lieferung zum Wunschtermin, kostenlose Rücksendung.

Wir brauchen Drogeriemärkte am Papierbach und im Landsberger Osten. Sie gehören zur Nahversorgung. Lange PKW-Wege und unnötige PKW-Bewegungen passen nicht in diese Zeit. Der Stadtrat sollte die Landsberger Liste daher behutsam anpassen: an die Lebenswirklichkeit.


Kandidaten gesucht

Mittwoch, 08.08.2018

Hoffentlich hat Landsberg im Herbst 2019 nicht über 30.000 Einwohner, hört man immer wieder aus den Parteien und Wählergruppen. Denn dann hätte der im März 2020 zu wählende Stadtrat nicht mehr wie bisher 30, sondern 40 Mitglieder.

Wenn der Drang zur Wortmeldung dann so intensiv bleibt, dauert eine Sitzung noch länger als bisher. Da man aber ohnehin schon bis in die Nacht tagt, müsste die Frequenz der Sitzungen erhöht werden. Das macht es zeitaufwändiger, Stadtrat zu sein.

Außerdem müssten die Parteien und Wählergruppen, wenn sie sich nicht blamieren wollen, jeweils 40 Landsberger finden, die sich um einen Sitz im Stadtrat bewerben. Einige Parteien und Wählergruppen haben in der Stadt und den Ortsteilen aber noch nicht einmal so viele Mitglieder.

Selbst wenn es nur 30 Gesuchte sein sollten: Schon jetzt ist es schwer, jemanden zu bewegen, sich auf die Liste setzen zu lassen. Die zum Kumulieren und Panaschieren berechtigten Wähler halten in der Kabine nach Persönlichkeiten Ausschau, die sie kennen. Da kann es leicht sein, dass man gewählt wird, obwohl man gar nicht gewählt werden will.

Umgekehrt gilt allerdings: Wer jemals damit geliebäugelt hat, im Stadtrat mitzuwirken, für den ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Viele Stadträte werden nach dieser Wahlperiode aufhören, entweder weil sie sich zu alt fühlen oder festgestellt haben, dass Beruf und Mandat schwer miteinander zu vereinbaren sind. Schon jetzt glänzen einige allzu oft durch Abwesenheit oder werden während der Sitzung abberufen, was die Mehrheitsverhältnisse verfälscht.

Bis der Wahlkampf beginnt, vergeht noch ein Jahr. Genug Zeit, die Kollegen in der Partei oder Wählergruppe kennenzulernen, sie bei der Arbeit zu beobachten sowie Wissen und Erfahrung zu sammeln. Und genug Zeit, um sich im Wohngebiet, im Verein, in der Firma und Bekanntenkreis als Kandidat bekannt zu machen.

Wer in Landsberg politische Mitverantwortung übernimmt, verhandelt über weit mehr Themen als in einer Gemeinde. Die Große Kreisstadt ist zum Beispiel für Baurecht zuständig und fungiert als Untere Straßenverkehrsbehörde. Man hat mehr Einfluss, muss sich aber auch mit komplizierteren Sachverhalten befassen.

Wer das nicht scheut, der wird sehr bald schätzen, sein unmittelbares Umfeld noch einmal ganz neu kennenzulernen und es mitzugestalten. In Landsberg besteht inzwischen eine kollegiale Zusammenarbeit zwischen Stadtrat und Verwaltung. Und Fraktionszwänge sind weitgehend unbekannt. Gute Argumente zählen. Wer das schätzt, sollte den Schritt wagen.


Der Stadtrat feiert nicht

Mittwoch, 01.08.2018

Der Landsberger Stadtrat hat in der ersten Hälfte des Jahres eine riesige Aufgabenflut bewältigt. Man könnte die Schlagzeilen seitenweise aneinanderreihen.

Das Strategieprojekt "Unser Landsberg 2035" ist abgeschlossen. Der Bebauungsplan "Staufenstraße" ist auf den Weg gebracht. Die Bürgerbeteiligung in Sachen "nördliche Innenstadt" ist initiiert. Ein erster Schritt zur Verkehrsberuhigung am Hinteranger ist getan. Der Umzug der Schule am Spitalplatz auf den Schloßberg ist beschlossen. Die Notunterkunft am Altöttinger Weiher ist eröffnet. Die Tiefgarage unter dem Jugendzentrum ist verabschiedet. Der Eckdatenbeschluss für den Haushalt 2019 ist gefasst. Die Papierbach-Bauleitplanung ist konkretisiert. Die Umwandlung der Großtagespflege in eine Kinderkrippe ist beschlossen. Der Veranstaltungsraum für die Lechturnhalle ist genehmigt. Zwei weitere Kitas im Süden, eine am Reischer Talweg sind eingestielt.

Das Jesuitenkolleg wird saniert. Die Mittagsbetreuung an den Grundschulen wird verlängert. Ein Einheimischenmodell für den freien Markt ist konzipiert. Sozialwohnungen am Wiesengrund sind in der Planung. Die Wachstumsgrenze von einem Prozent pro Jahr ist verankert. Ein neuer Flächennutzungsplan samt Verkehrsentwicklungsplan ist beauftragt. Das Bauvorhaben am Hopfengarten ist durchgewunken. Weitere Tempo 30-Begrenzungen sind angeordnet. Die Speed-Displays für die Ortsteile sind bestellt. Der neue (gleich alte) Standort des Stadtmuseums ist festgelegt. Ein weiterer Schritt zur Neugestaltung der Augsburger Straße ist getan. Die Architektenvorschläge zum Lady-Herkomer-Lechsteg sind akzeptiert. Die Grundschule Erpfting wird fortgeführt. Es gibt grünes Licht zur Folgenutzung des Pitzlinger Gasthofs "Hirsch". Landsberg erhält eine Sicherheitswacht. Und der Ummendorfer Radweg kommt.

Das ist noch nicht alles. Hinzu kommen nichtöffentliche Themen wie die Auswahl und Einstufung von Mitarbeitern sowie die Prozessführung im Derivate-Komplex. Im Landsberger Stadtrat zu sein, ist richtig Arbeit - dagegen sind Mitgliedschaften in manchem Gemeinderat und im Kreistag geradezu ein Zuckerschlecken.

Dem Chronisten bleibt die Anregung, der Stadtrat möge doch wenigstens ab und zu mal das Geleistete Revue passieren lassen, innehalten, feiern und sich feiern lassen. Aber dieser Stadtrat feiert nicht. Er geht einfach in die Ferien und macht dann weiter wie zuvor. Da kann man nur sagen: Chapeau!


Das schädliche Geschenk

Montag, 30.07.2018

Manchmal sind Geschenke und Auszeichnungen kontraproduktiv. Stadtrat Stefan Meiser hat am 15. Juli beantragt, die Stadt Landsberg möge ihrem Bürger Claus-Peter Reisch, der als Lifeline-Kapitän vielen Flüchtlingen das Leben gerettet hat, mit dem Ehrenring der Stadt auszeichnen. Ab da lief alles schief.

Problem Nummer 1 ist der Antrag selbst. "Hiermit beantrage ich Folgendes zu beschließen", beginnt Meiser, so als wäre die Verleihung des Ehrenrings ein Antrags- und Beschlussverfahren. Wer die "Satzung für die Verleihung des Ehrenrings der Stadt Landsberg am Lech" genau liest, der stellt aber fest, dass sie eher davon ausgeht, dass sich die Stadträte aus gegebenem Anlass kollegial auf eine Verleihung verständigen. Die Satzung ist auf Kooperation angelegt, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass "die Verleihung in nichtöffentlicher Sitzung des Plenums mit Zweidrittel-Mehrheit" erfolgt und die Urkunde vom Oberbürgermeister und den Fraktionsführern des Stadtrats zu unterzeichnen ist. Zumindest lässt sich sagen: Jemand kann den Ehrenring erhalten, auch ohne dass ein Antrag gestellt wurde, beispielsweise durch einen Vorschlag aus der Bürgerschaft. Wenn wir anfangen, Anträge zu stellen, ist man auch schnell bei Klientel-Politik.

Problem Nummer 2: Generell erlangt kein Antrag, auch kein Sachantrag, dadurch größere Wirksamkeit, dass man ihn vorab per Pressemitteilung veröffentlicht. Für Vorschläge zur Ehrung einer Person gilt das erst recht. Aus dem Satzungshinweis auf die nichtöffentliche Sitzung verbietet sich eine vorherige Veröffentlichung geradezu. Sonst verlagert sich die Diskussion, wie im konkreten Fall geschehen, sehr schnell in die Öffentlichkeit. Die dann stattfindende Debatte entwertet die Ehrung, vielleicht sogar die zu ehrende Person, im Extremfall derartig, dass sie die Notbremse zieht und erklärt, sie wolle gar nicht geehrt werden. Niemand geht das Risiko ein, in der Presse lesen zu müssen, die Ehrung sei leider abgelehnt. Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt: Wer weiß, dass andere eine Ehrung aus bestimmten Gründen nicht ganz leicht vornehmen können, den Vorschlag zu dieser Ehrung aber dennoch öffentlich macht, dem könnte es neben der Ehrung selbst noch um ein paar andere Dinge gehen, etwa um die Bloßstellung des politischen Gegners.

Problem Nummer 3: Dass der Oberbürgermeister vor der Beratung des Stadtrats beim Antragsteller anregt, den Vorschlag zurückzuziehen, ist riskant. Die Gefahr ist groß, dass der Antragsteller das Ansinnen ablehnt und seine Antwort veröffentlicht, wie Meiser es gestern getan hat. Ähnlich ungeschickt ist es, wenn der Oberbürgermeister sich im (hier zufälligen) Gespräch mit dem zu Ehrenden anders als nur unverbindlich zu der Sache äußert. Auch hier besteht das Risiko, dass die Person das Gesagte weitergibt, was in diesem Fall den fatalen Eindruck entstehen lässt, der Oberbürgermeister habe Claus-Peter Reisch zur Ablehnung der bevorstehenden Ehrung veranlasssen wollen, um nicht zwischen die Mühlsteine der Fraktionen zu geraten. Neuner hätte in beiden Fällen einfach auf die Beratung des Stadtrats verweisen müssen, statt sich als Strippenzieher zu positionieren.

Problem Nummer 4: Wenn sich der Oberbürgermeister anschließend zu Wort meldet, sollte es schon nachvollziehbar sein. Da gibt es Neuners Argument, der Vorschlag spalte den Stadtrat. Wie soll das in nichtöffentlicher Sitzung geschehen? Entweder es kommt zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit oder nicht. Es wird nicht anschließend für den Rest der Legislatur neue Fraktionen geben, die Pro-Reisch-Demokraten und die Contra-Reisch-Union. Man wird, in alter Konstellation, wieder zur Sacharbeit übergehen. Außerdem gibt es die Anspielung, die Ehrungen seien vor allem für langjähriges örtliches Handeln vorgesehen. Wenn es so wäre, stünde es in der Satzung. Es steht dort ausdrücklich nicht. Wer es entsprechend ändern will, kann ja einen Vorstoß unternehmen.

Wirklich empörend ist allerdings der Satz Neuners, die Problematik der Rettung der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer sei kein lokales, sondern ein "internationales politisches Thema". Erstens ist es ein Thema, das uns überall unter die Haut gehen muss; nur weil der Schauplatz weit weg ist, wird das Ertrinken von Menschen nicht erträglicher. Und zweitens ist die Frage, ob man Ertrinkende ins Rettungsboot holt oder nicht, keine politische Frage, sondern eine humanitäre, die politischer Entscheidung nicht zugänglich ist. Was sind das übrigens für Staaten, die ihre Bürger wegen unterlassender Hilfeleistung am Unfallort bestrafen, selbst aber die Arme verschränken, wenn Menschen im Mittelmeer sterben?

Kurzum: Es wäre schön gewesen, Stefan Meiser hätte ohne Veröffentlichung seines "Antrags" einfach einen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben, mit der Bitte, in der nächsten nichtöffentlichen Sitzung über das Thema kollegial zu beraten. Si tacuisses, philosophus mansisses - hättest Du geschwiegen, wärst Du ein Philosoph geblieben. Dann hätte niemand draußen etwas mitbekommen, die Ehrung würde nicht öffentlich zerredet und es hätte keine zusätzliche Polarisierung gegeben. In diesem Fall hätte der OB dann wohl auch nicht unter Druck reagiert, sondern abgewartet, was sein Gremium sagt.

Was bleibt jetzt? Meisers Antrag führt zur Blamage der Stadt. Die Zwei-Drittel-Mehrheit kommt nicht zustande. Also weiß bald die halbe Welt: In seiner Heimatstadt stößt Claus-Peter Reisch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Das gilt es zu vermeiden. Stefan Meiser, Mathias Neuner: Lasst Euch was einfallen!


Altstadt verpflichtet

Donnerstag, 19.07.2018

Hauptplatzumbau, Parkhauserweiterung, Tiefgaragen- und Inselbadsanierung. Stadtrat, Stadtverwaltung und Stadtwerke haben in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen durchgeführt und angestoßen, um die Landsberger Altstadt auf hohem Qualitätsstandard zu halten und weiter aufzuwerten. Fortlaufend finden Investitionen in Millionenhöhe statt.

Mit dem Lechsteg, dem Schrägaufzug, der Vergrößerung des Kundenpotentials durch das Papierbach-Areal, der Verkehrsberuhigung, der Stärkung des nichtmotorisierten Verkehrs und der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs sind für die Jahre 2020 bis 2026 weitere Maßnahmen anvisiert. Die Altstadt wird noch besser angebunden und noch attraktiver sein.

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Kommunen haben viele Aufgaben zu schultern. Manches Wünschbare fällt unter den Tisch. Dass Landsberg die schweren Zeiten mit unverhältnismäßig hohen Schulden hinter sich hat und heute in Sachen Finanzkraft im Vergleich der Großen Kreisstädte Bayerns die Nummer 2 hinter Erding ist (ausgebremst nur durch die hohe Kreisumlage), kann man nicht genug wertschätzen. Es ist eine der großen Leistungen von Stadtrat, Oberbürgermeister und Kämmerer.

Inzwischen gibt es auch immer mehr private Initiativen, in die Altstadt zu investieren, vor allem infolge des Verkaufs von Immobilien. Neue Bauherren passen Wohnflächen an heutige Zeiten an, sanieren in der Substanz, aktualisieren Wohnstandards. Damit wird die Altstadt zunehmend belebt und lebendig; das verdient Respekt und Anerkennung, zumal die rechtlichen Anforderungen hoch sind. Noch sind ganze Abschnitte im Zentrum abends potemkinsche Dörfer. Es wäre schön, wenn sich das nach und nach ändert.

Leider haben wir es aber noch allzu oft mit Eigentümern und Verpächtern zu tun, die zu wenig Verantwortung für Landsberg übernehmen. Die leere Zedernpassage, das vernachlässigte 's Ludwig in der Fußgängerzone, die geschlossene Lavazzabar am Flößerplatz, das sind Anzeichen dafür. Vielen Hauseigentümern scheint es im Übrigen egal zu sein, ob das nächste Nagelstudio im Hinteranger noch Aussicht auf Erfolg hat - Hauptsache die deutlich erhöhte Pacht, die den früheren Ladeninhaber zum Aufgeben gezwungen hat, wird akzeptiert.

Die Stadt ist gerade dabei, eine Abteilung Wirtschaftsförderung einzurichten; Bewerbungen von möglichen Stelleninhabern liegen genug vor. Wer das Amt übernimmt, wird so etwas wie einen "new deal" für die Landsberger Altstadt hinbekommen müssen. Denn Altstadt verpflichtet - nicht nur die Stadt, sondern alle Beteiligten.


Absurd und inhuman

Donnerstag, 12.07.2018

Der Landsberger Claus-Peter Reisch, der Kapitän der Lifeline, kehrt zumindest vorübergehend in seine Heimatstadt zurück. Nun wird es höchste Zeit, die Handlungsstränge auseinanderzuhalten.

Handlungsstrang 1: Claus-Peter Reisch hat Hunderte Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Das ist der Grund, warum sie nicht ertrunken sind, sondern weiterleben dürfen. Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden: Reisch ist ein Lebensretter. Wir sollten das beim Namen nennen.

Handlungsstrang 2: Italien, Spanien und Malta haben die Lifeline gezwungen, den auf offenem Deck und engstem Raum zusammengepferchten Geflüchteten weiteres körperliches und psychisches Leid zuzufügen - durch tagelange Ungewissheit und sinnloses Kreuzen in potentiell rauher werdender See. Sie haben aus populistischer Panik heraus verhindert, was das Völkerrecht zwingend vorsieht, dass nämlich Schiffbrüchige "unverzüglich" an einen "sicheren Ort" zu bringen sind, an dem "ihr Leben nicht mehr weiter in Gefahr ist" und an dem "ihre menschlichen Grundbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und medizinische Bedürfnisse gedeckt werden können". Das ist ein klarer Rechtsbruch, ein brutales und unmenschliches Verhalten. Wir sollten auch das beim Namen nennen.

Handlungsstrang 3: Davon ist die Frage zu trennen, ob künftig verhindert werden soll, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gezielt Schiffe einsetzen, um Flüchtlingen entgegenzukommen. Das setzt nämlich einen Automatismus in Kraft: NGO-Schiffe werden anhand ihres GPS-Signals von den Schleppern über marinetraffic.com identifiziert. In diesem Moment setzen sie die Menschen in ihre unsicheren Boote und schicken sie los.

Soweit besteht Einigkeit. Uneinigkeit besteht darüber, ob die sich anbahnende Rettung auch der Grund für den Aufbruch der Flüchtlinge ist. Die einen sagen: ja, so ist das. Je mehr gerettet wird, desto mehr Schlepperboote kommen. Andere sagen: Nein, so ist das nicht. Das Leid in den libyschen Flüchtlingslagern ist so groß, dass der Aufbruch auf jeden Fall stattfindet; die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch nach einer britischen Studie gibt es zwischen der Zahl der Rettungsschiffe und der Zahl der Überfahrten keinen Zusammenhang. Die NGOs haben die gefährliche Flucht nicht ausgelöst; das Drama spielt sich auch ohne sie ab.

Wir wissen nicht, was stimmt. Wir sehen nur eines: Die Staaten sind offenbar nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Darüber, wie man Fluchtursachen bekämpft, Nachbarstaaten als Auffangländer aktiviert, Schlepperorganisationen aus dem Verkehr zieht und das Elend in Libyens Lagern beendet, gibt es noch nicht einmal innerhalb Deutschlands Einigkeit, geschweige denn in Europa oder mit den betroffenen afrikanischen Staaten.

Sowohl das unwürdige und gefährliche Kreuzen-Lassen eines mit Flüchtlingen überfüllten Bootes vor den Küsten Europas wie auch das Vor-Gericht-Stellen des Kapitäns wegen seerechtlicher Formalien sind nichts anderes als Ersatzhandlungen auf dem Rücken Dritter. Es sind absurde Eingeständnisse des Versagens der Staatengemeinschaft.

Das ist als wenn man den Drogenkonsum dadurch beenden wollte, dass man Junkies auf der Straße verrecken lässt. Und das ist so als bekämpfe man Raserei auf der Autobahn mit einem an Notärzte gerichteten Verbot, nach einem Unfall Hilfe zu leisten.

Die Politik sollte alsbald dafür sorgen, dass es im Mittelmeer keine Ertrinkenden mehr gibt. Dass sie stattdessen dafür sorgen will, dass es im Mittelmeer keine Retter mehr gibt, ist absurd und inhuman.


Das Credo der Kandidaten

Mittwoch, 11.07.2018

Auch in Landsberg haben die politischen Akteure den Konflikt von CDU und CSU in der Flüchtlingsthematik gespannt verfolgt. Die Meinungen gingen weit auseinander. Von "Jetzt gibt er Merkel den Rest" bis "Seehofer setzt ganz Europa aufs Spiel" war alles dabei. Auch innerhalb der CSU gab es divergierende Stimmen. Uns interessierte, wie die Landsberger Landtagsabgeordneten und -kandidaten von CSU, SPD und Grünen mit dem Thema umgehen.

Die Stellungnahme von Ludwig Hartmann von den Grünen, die sich vor der Krise noch eine Koalition mit den Christsozialen vorstellen konnten, war deutlich: "Wir haben eine CSU, die seit Wochen im Gewand der AfD durch Bayern läuft, und einen Ministerpräsidenten, der das Land spaltet - damit kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt keine grüne Regierungsbeteiligung vorstellen." Das war's wohl erstmal.

Ähnlich reagierte Herbert Kränzlein, dessen Partei, die SPD, ebenfalls als Partnerin der CSU in Frage käme. Er beschrieb ein Dilemma: "Verantwortung (gleich Regierungsverantwortung) übernehmen, aber nicht mit dieser CSU, das ist die Quadratur des Kreises." Nachfolgekandidat Christian Winklmeier plädierte sogar dafür, dass die SPD auf Bundesebene den CDU/CSU-Vorschlag zu Flüchtlingszentren und der "Fiktion der Nichteinreise" ablehnt: "Frage 1: Warum haben Union und SPD über viele Wochen hinweg einen Koalitionsvertrag ausgehandelt? Frage 2: Warum durften die Mitglieder darüber abstimmen? Frage 3: Wollen wir uns wieder von der Union verarschen lassen? Frage 4: Wo sind unsere Werte?"

Alex Dorow (CSU) twittert generell nicht, meldete sich aber im Landtag zu Wort. Sein Beitrag war deutlich bis überdeutlich. Das geltende Recht habe keine Gültigkeit mehr, jeder könne unkontrolliert nach Deutschland kommen, die Grenzen seien geöffnet worden, was ein "spalterischer Alleingang" gewesen sei, jetzt müssten die Gesetze wieder eingehalten werden. Dorow sattelte dann noch eine Falschmeldung drauf. "Wenn man eine Notärztin schwer verletzen kann und man trotzdem nicht belangt wird, dann ist es ein Problem". Richtig ist: Der 20-jährige Eritreer, der in Ottobrunn eine Flasche auf einen Notarztwagen warf, wurde noch am Tatort festgenommen und war zum Zeitpunkt der Rede schon drei Tage inhaftiert.

In Krisen kann man Menschen wirklich kennenlernen, sagt man. Unsere Eindrücke haben sich dabei bestätigt. Hartmann mutig, Kränzlein nachdenklich, Winklmeier kämpferisch. Nur über Dorow haben wir uns gewundert. Ist er etwa immer so?


Nicht die Wahrheit

Mittwoch, 04.07.2018

Wir erhalten, wie viele andere Journalisten auch, den "Pressebericht" der Polizeiinspektion Landsberg. Er ist meist in drei Teile gegliedert. Verkehrsunfälle, Straftaten, Sonstiges. So auch am Freitag, dem 22. Juni 2018. Der Abschnitt "Straftaten" war an diesem Tag mit drei Strichen ("---") gekennzeichnet. Straftaten: Keine.

Die Wahrheit war das nicht. 12 Stunden vorher, nachts um drei, beschmierte ein unbekannter Täter ein Gebäude an der Augsburger Straße mit nicht entfernbarer Farbe. Es ist das Haus, in dem der türkische Fußballverein Türkspor seinen Sitz hat und in dem es seit Kurzem einen Kebab-Imbiss gibt. Die Polizei erwähnte diesen Vorfall nicht.

Dann stellte sich heraus: Solche Farbanschläge gab es - am gleichen Gebäude - im Vorjahr bereits viermal, einmal im Januar, zweimal im Mai und einmal im September 2017. Keiner dieser Anschläge wurde in die Polizeiberichte aufgenommen. Erst Eigentümer und Türkspor-Vorstand Selim Ayoglu machte die Sache gegenüber dem Landsberger Tagblatt publik.

Dass die Polizei den Medien und damit den Bürgern Anschläge eines Serientäters verschweigt, ist unverständlich. Es handelt sich nicht um Kleinigkeiten, sondern um Straftaten. Hier könnten sogar politische Motive vorliegen. Der Verdacht liegt nah, dass der türkische Verein, der türkische Imbiss und die türkischen Bewohner nicht zufällig Ziele sind.

Wenn die Polizei das nicht der Presse mitteilt, was bitte dann? Der Vorgang lässt Schlimmes befürchten. Kann es sein, dass die Polizeiinspektion des Öfteren Vorfälle für sich behält? Gibt es vielleicht Straftaten, die sie grundsätzlich nicht für bedeutend hält? Die Polizei sollte da jeden Verdacht ausräumen. Eine interne Prüfung wäre anzuraten. Und für die Zukunft eine ehrliche und vollständige Unterrichtung der Öffentlichkeit.


Die Doppelstrategie

Mittwoch, 04.07.2018

In Sachen "Bayerisches Rotes Kreuz" (BRK) sind wir eigentlich befangen. Der BRK-Kreisverband war Gastgeber unserer "Initiative Guter Rat". Wir haben intensiv die Asylbetreuung und Sozialberatung verfolgt, die der Verband bis zu einer missglückten Ausschreibung des Landratsamts engagiert durchführte. Wir sprachen immer wieder mit Einsatzkräften, vom Kriseninterventionsteam bis zum Rettungsdienst.

Aus jahrelanger naher Betrachtung: Wir sehen die Arbeit des BRK Landsberg mit Hochachtung. Wir freuen uns über seine Erfolge. Zu denen gehören Auszeichnungen, neue Beauftragungen und, nach schwieriger Zeit, die wirtschaftliche Gesundung.

Umso überraschter waren wir, als der Leiter der Bereitschaften und sein Pendant auf oberbayerischer Ebene via Tageszeitung Breitseiten gegen den Kreisverband abfeuerten. Und zwar, in der Ferienzeit, so getimed, dass der Vorstand und der Geschäftsführer darauf nicht kurzfristig antworten konnten. Das war extrem schlechter Stil.

Wir haben uns dann erstmals mit der internen Struktur des BRK befasst und Besonderheiten festgestellt. Den Ausgangspunkt dafür bildeten Kleinigkeiten. Wir stießen bei unserer Recherche darauf, dass die Internet-Adresse der Rettungshundestaffel von einer Privatperson angemeldet wurde. Wieso von ihr und nicht vom Verband?

Relativ rasch wurde uns dann klar: Das BRK ist aus historischen Gründen in ein Haupt- und ein Ehrenamt gegliedert. Die fünf "Gemeinschaften" - die Bereitschaften, die Bergwacht, die Wasserwacht, das Jugend-Rotkreuz und die Wohlfahrts- und Sozialarbeit - sind "eigenständig".

Das ist konfliktträchtig. Das ist ein strukturelles Problem. Kreisverbands-Geschäftsführer Andreas Lehner kann in manchen Angelegenheiten viel, in manchen wenig bewirken. Trotzdem wird von ihm erwartet, dass er alles fest im Griff hat.

Der Vorstand des BRK unter Leitung von Alex Dorow hat nun mit einem Doppelbeschluss reagiert: Er hat sich "einhellig, vorbehaltslos und sehr deutlich" zu Lehner bekannt, dem ausgeschiedenen Leiter der Bereitschaften für die Zukunft alles Gute gewünscht und zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Bezirksbereitschaftsleiter Oberbayern nichts mehr zu tun haben will.

Gleichzeitig aber hat der Vorstand beschlossen, die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Gemeinschaften, insbesondere den Bereitschaften, nun effektiver und transparenter zu gestalten. Eine der Maßnahmen ist die Gründung eines "beschließenden Ausschusses", der "unverzüglich den aktiven Dialog zwischen Vorstandsmitgliedern und Gemeinschaften, insbesondere der Bereitschaft, aufbauen und führen" soll. Geprüft wird auch die Einstellung eines hauptamtlichen "Beauftragten für die Gemeinschaften".

Das klingt ein wenig so, als hätte man das lange schon machen sollen. Aber besser zu spät als nie. Mit diesem Doppelbeschluss demonstriert der BRK-Kreisverband Handlungsfähigkeit. Er übt Kritik, ist aber zugleich konstruktiv. Alle Achtung - das muss man in so einer schwierigen Phase erst einmal schaffen.

Deswegen bleibt es dabei, aus jahrelanger naher Betrachtung und nun auch mit Strukturkenntnis: Wir sehen die Arbeit des BRK Landsberg mit Hochachtung.


Die Wende

Montag, 02.07.2018

Jahrelang bestand die veröffentlichte Meinung in Landsberg darin, der Einzelhandel benötige Parkplätze unmittelbar vor dem Ladenlokal. Der Stadtrat habe daher für eine ausreichende Zahl oberirdischer Parkmöglichkeiten zum Nulltarif zu sorgen. Weitere Fußgängerbereiche (Vorderanger) oder das Heraushalten der Aufenthaltsparker aus dem Hinteranger seien Gift für die Altstadt.

Diese Haltung setzte sich bis in die Gremien hinein fort. Im Stadtrat hat die UBV am vergangenen Mittwoch aus Sorge vor einem Präjudiz in Sachen "Verkehrsberuhigung" sogar den Bau zweier weiterer Parkdecks unter dem Jugendzentrum abgelehnt.

Nun melden sich erstmals Einzelhändler zu Wort, die der bisher vorherrschenden Darstellung widersprechen. Plötzlich lesen wir von zufriedenen Kunden, einem guten und preiswerten Parkplatzangebot sowie der Fußgängerzone als Umsatzbringer. Plötzlich gibt es Stimmen für unterirdische Parkplätze, für Verkehrsberuhigung, für eine Fußgängerzone, für eine aktive Vertretung sowie gemeinsame Marketing-Aktivitäten der Händler.

Vielleicht ist das eine Wende. Anderswo ist sie längst eingeleitet. Wer wie wir täglich den "Location Insider" liest, einen Fachinformationsdienst, der die Zukunftssicherung des Einzelhandels zum Thema hat, der weiß: In vielen Städten ist man viel weiter als bei uns. Überall wird das Einkaufen durch Nutzung von Außenflächen für Stände, Cafés und Ruhezonen zum Erlebnis gemacht. Nur bei uns sind die Verhältnisse umgekehrt, hier muss man die Jagdhunde zum Jagen tragen.

Vielleicht können wir jetzt mit dem gemeinsamen Definieren der Landsberger Innenstadt beginnen. Bis zur Fertigstellung des Garagentrakts unter dem Jugendzentrum sollten sich alle Beteiligten bemühen, eine Lösung zu finden, die Anwohnern, Gewerbetreibenden, Freiberuflern und Bürgern gleichermaßen Rechnung trägt. Dazu sollten wir jetzt die Voraussetzungen schaffen und nach der Sommerpause starten.

Es gilt, die Aufenthaltsqualität zu verbessern, den Besucherkreis zu erweitern, die Besuchsfrequenz zu erhöhen und die Verweildauer zu verlängern. Es gilt, eine lebendige, interessante, vielfältige, ideenvolle, abwechslungsreiche und innovative Innenstadt zu schaffen. Sie darf, gerade hier, kein Traum bleiben.


Zum Umgang mit Populismus

Freitag, 29.06.2018

Ob in Europa, auf Bundesebene, in Bayern oder in Landsberg: Überall macht sich der Versuch breit, Ängste und Ressentiments zu nutzen, um durch plausibel klingende einfach gehaltene Konzepte Mehrheiten zu erzielen. Viele Politiker in Parlamenten sowie Stadt- und Gemeinderäten kommen mit dieser Methode nicht zurecht.

Für sie sind die Themen zusammenhängender, weitgreifender und damit auch komplexer. Sie begreifen und behandeln Herausforderungen als Teil des Ganzen. Sie wägen Interessen ab und sind sich ihrer Verantwortung für alle Beteiligten bewusst. Die punktuelle Simplizität der Populisten bringt sie in die Defensive. Es scheint, als seien sie altem Denken verhaftet, im System verfangen, bürgerfern, ja sogar aufgebraucht.

Schon das ist gefährlich: Wer Populisten gewähren lässt, könnte bei der nächsten Wahl eine unliebsame Überraschung erleben. Katastrophal wird die Sache, wenn Politiker in Panik das Populisten-Repertoire zu ihrem eigenen machen und dabei, auf Wahlen schielend, Krisen in Kauf nehmen. Sie setzen damit eine politische, aber auch gesellschaftliche Radikalisierungs-Spirale in Gang, die alle Dämme brechen lässt.

Deswegen empfiehlt es sich, auf die Tricks der Populisten mit den richtigen Gegenmitteln zu antworten.

Thema 1: Plausibilität

Populisten verwenden gerne Wendungen aus dem Bereich der (rhetorisch unzulässigen) Plausibilitätsargumentation. Jeder weiß doch, dass / der Staat muss doch / man kann doch nicht / die Bürger wollen doch / es liegt doch auf der Hand, dass. Wer solche Formulierungen hört, neigt dazu, die Prämisse zunächst einmal zu akzeptieren und in seiner Argumentation nach dem "trotzdem" zu suchen. In vielen Fällen sind die Grundaussagen aber falsch.

Aktuelles Beispiel: "Die Bürger wollen sichere Grenzen in Europa". Das klingt gut. Aber stimmt das überhaupt? Könnte es nicht sein, dass die Bürger zunächst einmal offene Grenzen in Europa wollen, die sie ohne Wartezeiten und Passkontrollen passieren können? Liegen ihnen nicht eher wirksame Außengrenzen am Herzen? Und wenn sie sich sorgen (kein Wunder bei all dem Getöse), sorgen sie sich nicht eher um ihre persönliche (auch soziale) Sicherheit?

Außerdem: Der Ausgangssatz erweckt den Eindruck, das sei der einzige Wille der Bürger. Könnte es nicht sein, dass Bürger zumindest in der Summe mehr wollen als nur "sichere Grenzen", beispielsweise Hilfe für Hilfsbedürftige und den Erhalt Europas? Sind die Bürger wirklich so monothematisch aufgestellt?

Die richtige Reaktion in solchen Fällen besteht darin, zunächst die Prämisse zu überprüfen und sie, wenn sie falsch ist, durch eine eigene zu ergänzen oder zu ersetzen.

Thema 2: Unvollständigkeit

Populisten formulieren ihre Forderungen oft apodiktisch und bewusst unvollständig. Aktuelles Beispiel: "Wir müssen an unseren Grenzen Asylsuchende zurückweisen, die bereits anderswo Asyl beantragt haben". Das kann man durchaus zur Forderung erheben. Nur muss man dann auch sagen, dass dazu zunächst die Änderung oder Aufkündigung von "Dublin III" erforderlich ist. Das europäische Abkommen enthält nämlich kein Rückschieberecht in einen Durchgangsstaat wie Österreich, sondern - nach Konsultation - eine Rückführung in den Erstaufnahmestaat. Spanien und Griechenland haben das heute noch einmal bekräftigt.

Korrekt wäre gewesen, zu formulieren: "Wir wollen Dublin III sofort beenden, damit wir Asylsuchende schon an der Grenze zum Beispiel nach Österreich zurückweisen können, auch wenn das nicht der Staat ist, in dem sie angekommen sind". So formuliert würde allerdings deutlich, warum die Kanzlerin diese Absicht nicht unterstützt hat - die Bundesrepublik hätte einseitig europäisches Recht gebrochen.

Die Gegenmaßnahme gegen den Trick der unvollständigen Information ist die routinemäßige, allerdings mühevolle Prüfung, ob die Ausgangslage (auch die Rechtslage) vollständig und zutreffend geschildert wurde.

Thema 3: Pauschalisierung

Populisten stellen oft falsche Behauptungen auf, meist durch extreme Pauschalisierung. In der Debatte im Bayerischen Landtag am 26. Juni wurde vorgetragen, in Sachen Asyl habe "das geltende Recht keine Gültigkeit mehr", jeder könne "unkontrolliert nach Deutschland und Europa kommen", die "Öffnung der Grenzen" sei ein "spalterischer Alleingang" (der Bundeskanzlerin) gewesen und: "Wir müssen dafür sorgen, dass Recht und Gesetz wieder eingehalten werden".

Das alles stimmt natürlich nicht. Die italienischen Behörden registrieren Flüchtlinge, die per Schiff in ihren Häfen ankommen. Das deutsche BAMF wendet die Asylgesetze und die Flüchtlingskonvention an. Die Bundespolizei kontrolliert potentielle Schleuserfahrzeuge. Und auch die Mitarbeiter der Grenz- und Küstenwache Frontex erledigen ihren Auftrag.

Der gleiche Abgeordnete ging in dem Redebeitrag sogar so weit, zu behaupten: "Wenn man eine Notärztin schwer verletzen kann und man trotzdem nicht belangt wird, dann ist es ein Problem". Er spielte auf einen Vorfall an, der sich zwei Tage zuvor in Ottobrunn ereignet hatte. Der Täter, ein Eritreer, saß aber bereits in Untersuchungshaft und wartete auf sein Strafverfahren.

Das Rezept in solchen Fällen kann nur sein, das Gesagte Satz für Satz zu hinterfragen und zu widerlegen. Es darf nicht sein, dass Bürger und Parlamentarier hinters Licht geführt werden.

Thema 4: Ad-hoc-Behauptungen

Populisten zaubern in Debatten und Diskussionen gerne Behauptungen aus dem Hut. Ob Statistiken, Forschungsergebnisse, Umfragen, Gerichtsurteile oder Zitate: Spätere Recherchen ergeben oft, dass die Angaben so nicht stimmen oder aus dem Zusammenhang gerissen sind. Dann haben sie auf Unentschlossene aber bereits gewirkt. Oft wird dabei von "aktuellen" Zahlen oder Informationen gesprochen, das erklärt, warum niemand anderes sie kennt.

Das erste Gegenmittel besteht darin, noch während der Diskussion einen Check zu machen; vielleicht lässt sich die Quelle sofort finden und die Behauptung überprüfen. Anderenfalls sollte man die Angaben pauschal in Zweifel stellen und später nachrecherchieren. Erweisen sie sich als falsch oder verkürzt wiedergegeben, sollte man das nicht auf sich beruhen lassen. Die Medien sind gute Transporteure für Richtigstellungen. Wer das Falsche erkennt, aber nicht korrigiert, ermutigt Populisten zu neuen Täuschungsversuchen.

Thema 5: Verkürzte Argumentationen

Populisten bleiben sehr häufig beim ersten Argumentationsschritt stehen. Am aktuellen Beispiel: Im Fall der beabsichtigten Zurückweisung in den jeweiligen (möglicherweise unbeteiligten) europäischen Nachbarstaat waren Details ungeklärt. An welchen Grenzen und an welchen Stellen sollten die Kontrollen stattfinden? Welche zusätzlichen Gebäude bräuchte man? Welchen Zeit- und Personalbedarf löst die Maßnahme aus? Welche Folgen hätte sie für den - dem Anspruch nach ja ungehinderten - innereuropäischen Personen- und Warenverkehr?

Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Schon der denklogisch nächste Schritt, eine Einigung mit Österreich, fehlte. Im Gegenteil: Österreich erklärte nach einigen Tagen, die abgewiesenen Flüchtlinge nicht aufnehmen oder weiterleiten zu wollen. Flüchtlingslager zwischen den Schlagbäumen wären vielleicht die Folge gewesen.

Die Gegenstrategie gegen das Stehenbleiben beim ersten Gedankenschritt ist, gemeinsam mit dem Populisten das ganze Szenario durchzuspielen. In vielen Fällen kommt man dann zu der Erkenntnis, dass die nächsten Schritte und die Reaktionen darauf nicht bedacht sind.

Thema 6: Filterblase

Das ist nicht das einzige Problem. Populisten setzen sich sehr oft nicht mit geäußerten Gegenargumenten auseinander. Das liegt auch daran, dass sie sich offenbar besonders lange in ihrer "Filterblase" aufhalten und häufig nur das lesen, was ihre Auffassung bestärkt.

Eine gute Maßnahme dagegen ist, Populisten zu bitten, die in einer Diskussion bislang geäußerten Gegenargumente zu wiederholen und danach zu entkräften. Das wird nur in den seltensten Fällen gelingen.

Thema 7: Drohungen und Ultimaten

Populisten neigen dazu, ihre Vorschläge als alternativlos darzustellen und ihre unmittelbare Verwirklichung zu fordern. Aktuelles Beispiel: Zum Zweck der Zurückweisung an den Binnengrenzen setzte der Bundesinnenminister der Bundeskanzlerin öffentlich ohne Not eine Frist. Fortan zählten die Medien die Tage bis zu ihrem Ablauf und spekulierten etwas naiv, ob sie es wohl "schafft".

Der Verleger Dr. Dirk Ippen (Münchner Merkur / KREISBOTE) kommentierte: "Eine solche unerhörte Kanzlerdemontage ist in der ganzen gelebten Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik gottlob noch nie vorgekommen. Gewicht hat sie nur deswegen, weil Seehofer als CSU-Vorsitzender mit dem Bruch der Koalition droht. Er vermischt also als weisungsgebundener Innenminister seine Amtspflicht mit seiner Stellung als Parteivorsitzender einer der drei Regierungsparteien. Dieser Doppel-Angriff auf die Souveränität einer Regierung widerspricht unserer Verfassung."

Grundsätzlich gilt, aufgebauten Zeitdruck oder sogar Ultimaten nicht zu akzeptieren, es sei denn, sie ergäben sich aus der Natur der Sache. Wer Zeitdruck künstlich schafft, macht sich zum Chef; wer ihn akzeptiert, unterwirft sich. Das weiß auch die Bundeskanzlerin; ihr ist aber der Bestand der Koalition und der Fraktionsgemeinschaft offenbar wichtiger als ihr Ansehen.

Thema 8: Wortschöpfungen

Populisten prägen gerne neue Worte wie Asyltourismus oder Flüchtlingsshuttle. Sie machen aus zugestandenem Bleiberecht eine illegale Einwanderung, aus Flüchtlingen Migranten, aus Flucht eine Völkerwanderung und aus Asylgewährung eine Massenimmigration. Trotz der inzwischen stark zurückgegangenen Zahlen formulieren sie, Deutschland werde überströmt, überflutet und überfremdet.

Der Trick liegt meist darin, Tatbestand und Wertung im gleichen Wort zu verknüpfen. Würde ein Populist sagen "Asylbewerber sind Touristen", würde er wohl Widerspruch ernten; das Wort "Asyltouristen" lässt man aber durchgehen. Wer mit dieser Methode nicht einverstanden ist, sollte sie explizit entlarven, das neu geschaffene Wort wieder auseinandernehmen und alle Wortteile einzeln auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.

Thema 9: Fake News

Populisten machen Medien häufig den Vorwurf, "fake news" zu verbreiten. Tatsächlich ist nicht alles, was dort geschrieben wird, wahr; überall werden Fehler gemacht. Der Vorwurf unterstellt aber, die Journalisten würden absichtlich und systematisch falsche Nachrichten in die Welt setzen. Davon kann in Deutschland überhaupt keine Rede sein.

Populisten ignorieren auch gerne den Unterschied zwischen Nachricht und Kommentar; kritische Kommentierungen werden zu "news" und im nächsten Schritt dann zu "fake news" umdefiniert. Mit dieser Methode versuchen Populisten zugleich, sich als Opfer von unter einer Decke steckenden Politikern und Journalisten zu deklarieren.

In Wirklichkeit sind es oft die Populisten selbst, die ungeniert falsche Nachrichten verbreiten. Die konsequente Benennung eigener "fake news" der Populisten ist erster Bestandteil der Gegenstrategie. Ansonsten wäre zu empfehlen, jedem einzelnen Vorwurf nachzugehen und ihn, wenn möglich, zu entkräften.

Thema 10: Institutionenmissbrauch

Kennzeichen von Populisten ist, dass sie relativ rasch die Institutionen, denen sie angehören, missbrauchen. Ein Beispiel dafür gab es im Deutschen Bundestag, als ein vorgesehener Redebeitrag zu einer unvorhergesehenen Schweigeminute wurde. Auch bei Anfragen, Anträgen und Beauftragungen des Wissenschaftlichen Dienstes findet Missbrauch statt. Mindestens grenzwertig war der Antrag einer großen Landtagsfraktion in Bayern, die Abgeordneten sollten einem Papier zustimmen, dass sie gar nicht kannten.

Die Empfehlung an Ältestenräte und Sitzungsleiter kann nur lauten, solche Missbräuche nicht zuzulassen.

Bei all diesen Tricks fällt immer wieder auf, dass Populisten gut vernetzt sind, sich auf Sitzungen intensiv vorbereiten und dabei auch Öffentlichkeit organisieren sowie die sozialen Medien extensiv nutzen. Generell ist allen politisch Interessierten, die Populisten in ihrer Wirkung beschränken wollen, zu empfehlen, die gleichen Mittel einzusetzen und keine Felder zu räumen. Dazu gehört auch, Politik auf allen Ebenen immer wieder zu erklären und "die schweigende Mehrheit" zu aktivieren, für die der Populist angeblich spricht.

Die Empfehlungen im Überblick

Die Gefahr, die vom Populismus ausgeht, ist immens. Wer den Populismus nicht besiegt und ihm alsbald seine Faszination entzieht, wer ihm nicht das Handwerk legt, könnte den richtigen Zeitpunkt verpassen. Daher:

Überprüfen Sie Prämissen auf Plausibilität und Vollständigkeit. Setzen sie eigene Definitionen entgegen. Prüfen Sie, ob die Ausgangslage (auch die Rechtslage) vollständig und zutreffend geschildert ist. Hinterfragen Sie das Gesagte Satz für Satz; entlarven Sie Lügen. Überprüfen Sie überraschende Behauptungen "live" oder nachträglich. Spielen Sie die nächsten Schritte durch, die aus dem Gesagten resultieren; bleiben Sie nicht auf der ersten Stufe stehen. Bitten Sie Ihren Gesprächspartner, die bislang geäußerten Gegenargumente zu wiederholen und danach zu entkräften. Akzeptieren Sie keinen Zeitdruck und keine Ultimaten. Erkennen Sie Wortschöpfungen und zerlegen Sie diese in ihre Bestandteile. Erkennen und benennen Sie "fake news". Prüfen Sie Vorwürfe, Medien hätten "fake news" verbreitet und widerlegen Sie sie. Lassen Sie keine Missbräuche von Institutionen zu. Seien Sie bei Vernetzung, Vorbereitung und beim Publizieren mindestens genauso gut wie die Populisten.


Kommt nicht an

Donnerstag, 21.06.2018

"Mehr Wohnungsbau für alle" - unter diesem Motto brachte die Bayerische Staatsregierung im Oktober 2015 den "Wohnungspakt Bayern" auf den Weg. Im Landkreis Landsberg scheint die Maßnahme aber wenig zu bewirken. Die Zahlen für 2017 zeigen jedenfalls: Die Förderung kommt nicht an.

Das betrifft bereits das "staatlichen Sofortprogramm", die 2015 ins Leben gerufene "erste Säule" des Wohnungspakts. Sie sieht vor, dass der Freistaat mit seiner Bauverwaltung auf staatlichen und gemeindlichen Grundstücken kurzfristig Wohnungen baut. Dafür stellte er 140 Millionen Euro bereit. Er wollte so "in wenigen Jahren rund 800 staatliche Wohnungen mit einfachem Wohn- und Baustandard für bis zu 3.600 Menschen" realisieren. Bis Jahresbeginn 2018 wurden allerdings bayernweit nur 21 Projekte fertiggestellt und 24 weitere "auf den Weg gebracht". Wieviele Wohnungen da herauskommen, ist nicht bekannt. Im Landkreis Landsberg gibt es solche Projekte offenbar nicht.

Zweite Säule ist das 2016 gestartete "Kommunale Förderprogramm", das sich an die Gemeinden richtet. Das Vier-Jahresprogramm (2016 bis 2019), das aus Zuschüssen und Darlehen besteht, umfasst 150 Millionen Euro. Damit sollen jährlich rund 1.500 Wohnungen gefördert werden. Im Landkreis Landsberg waren es im Jahr 2017 aber nur 31.

Die dritte Säule des Wohnungspakts Bayern ist der Ausbau der staatlichen Förderung privater Bauaktivität. Hierfür standen für 2017 458 Millionen Euro an Darlehen und ergänzenden Zuschüssen für Familien mit Kindern zur Verfügung. Dadurch sind bayernweit 3.400 Mietwohnungen und 2.800 "Eigenwohnungen" gefördert worden (Quelle: Landtagsdrucksache 17/20924). Die Zahl entspricht in etwa dem Vorjahreswert. Im Landkreis Landsberg weist die Statistik für 2017 aber keine einzige neu geförderte Mietwohnung und nur 14 geförderte Eigenwohnungen aus. Bei den Eigenwohnungen, meist Eigentumswohnungen und Ein- oder Zweifamilienhäuser, unterstützte der Staat pro Landkreis durchschnittlich 19 Projekte mit 386.000 Euro, in Landsberg nur 14 Projekte mit 273.000 Euro. Gefördert wurde übrigens der "Erst- und Zweiterwerb"; ob also wirklich neuer Wohnraum entstanden ist oder die Alteigentümer nur verzogen sind und Haus oder Wohnung verkauft haben, bleibt offen.

Das Ergebnis: Der Wohnungspakt Bayern führt im Landkreis Landsberg nur zu unwesentlichen Verbesserungen. Der Freistaat löst unser Wohnungsproblem nicht. Eine auch nur ansatzweise Befriedigung der Nachfrage wird nicht erreicht. "Kurz- bis mittelfristig ist wenig Entspannung in Sicht. Die geringen Bauaktivitäten in den vergangenen Jahren haben ein Angebotsdefizit verursacht, das so schnell nicht kompensiert werden kann. Die Miet- und Kaufpreise werden im Landkreis Landsberg weiter steigen", analysierte vor wenigen Tagen die HypoVereinsbank.

Die Städte und Gemeinden im Landkreis müssen im Sinne der Arbeitnehmer, die hier tätig sind, und von Familien mit eng begrenztem Einkommen durch die Ausweisung von Baugebieten wie an der Staufenstraße selbst aktiv werden; der Markt richtet das alleine nicht. Maßstab für die Anzahl der Wohnungen kann daher auch nicht der Anwohnerwunsch sein. Maßstab ist die Linderung von Wohnungsnot und die Wiederherstellung der Bezahlbarkeit von Wohnraum bei gleichzeitiger zumutbarer Weiterentwicklung von Quartieren.


Glück oder Pech

Montag, 18.06.2018

Der Bayerische Landtag hat vor vier Tagen mit großer Mehrheit das Kommunalabgabengesetz geändert. Die Straßenausbaubeiträge sind abgeschafft. Was bedeutet das für Landsberger Hauseigentümer und Mieter? Wer ist begünstigt, wer hat Nachteile?

Die letzte Aussage in der Landtagsdebatte war eine Prophezeiung: "Die Diskussion um die Straßenausbaubeiträge ist noch lange nicht erledigt. Die findet hier, im Petitionsausschuss, im Plenum und vermutlich auch vor Gericht statt", sagte Klaus Adelt (MdL, SPD). Tatsächlich schafft die Neuregelung, so positiv sie zunächst wirken mag, gleichzeitig Härten, die wohl nicht klaglos hingenommen werden.

Beim Recht der Straßenausbaubeiträge kann man mehrere Phasen unterscheiden. Lange Zeit galt: Kommunen sollen die Kosten des Ausbaus von Straßen auf die Anlieger umlegen. Drei Viertel der Städte und Gemeinden erließen daher entsprechende Satzungen, so auch Landsberg; diese Satzungen sahen meist auch Vorauszahlungen auf die geschätzten endgültigen Beiträge vor, die nach Fertigstellung fällig wurden. Eine Ratenzahlung oder Stundung war nur bei Notlagen vorgesehen.

Insgesamt nahm die Stadt Landsberg zwischen 2003 und 2015 auf diese Weise rund 2,4 Millionen Euro von den Anliegern ein. Zusätzlich erhob sie Vorauszahlungen in Höhe von 2,2 Millionen Euro - von den Anliegern am Hauptplatz, der Herzog-Ernst-Straße, der Johann-Arnold-Straße, der Schlossergasse, der Ummendorfer Straße, der Von-Helfenstein-Gasse und der Von-Kühlmann-Straße. Alle diese Straßen sind aber noch nicht abgerechnet. Noch keine Vorauszahlungen berechnete sie im Fall der Altöttinger Straße.

Belastende Rechnungen

Immer wieder führten die meist fünfstelligen Rechnungen aber zu Problemen. Junge Familien, die gerade genug Geld zusammengebracht hatten, um eine Eigentumswohnung oder ein Reihenhaus zu finanzieren, waren überfordert, zusätzlich anteilig eine teure Straßenerneuerung zu bezahlen. Ebenso erging es älteren Menschen mit wenig Liquidität, die mietfreies Wohnen in ihre Lebensplanung eingerechnet hatten.

Zu Ungerechtigkeiten führte das Gesetz auch im Verhältnis Käufer / Verkäufer: Wer demnächst verkaufen wollte, musste voll für den Straßenausbau aufkommen, obwohl er von der langen Nutzungszeit der neuen Straßendecke nicht mehr profitierte. Umgekehrt konnte es ahnungslose Käufer kurz nach der Eigentumsübernahme erwischen; meist hatten sie die Voreigentümer nicht über die sich anbahnende Belastung informiert.

Generell stellte sich das Problem, dass Zahlungspflichtige und Verursacher oft nicht übereinstimmten, zum Beispiel wenn scheinbare Anliegerstraßen als Zufahrt zu LKW-Parkplätzen oder als Nahverkehrsrouten von Bussen genutzt wurden.

Erste Gesetzesänderung

Der Bayerische Landtag versuchte, dem mit einer Gesetzesänderung im April 2016 zumindest teilweise Rechnung zu tragen. Nun war es Beitragspflichtigen möglich, die Ausbaubeiträge auch dann in Raten zu zahlen, wen keine wirtschaftliche Not bestand. Auch in Landsberg gilt seit Mai 2017: "Auf schriftlichen Antrag des Beitragsschuldners kann die Stadt im Einzelfall zulassen, dass der Beitrag in Raten oder in Form einer Rente gezahlt wird. Gewährt die Stadt eine Verrentung, so muss die Jahresleistung mindestens 600 EUR betragen. Der jeweilige Restbetrag ist mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen."

Eine zweite Möglichkeit bestand darin, die Kosten von Straßenausbauten in Form "wiederkehrender Beiträge" durch alle Grundstückseigentümer zahlen zu lassen, unabhängig davon, ob "ihre" Straße erneuert wird oder nicht. Für diese Lösung entschied sich - gegen die Empfehlung des Landkreises - der Markt Kaufering, der zuvor noch keine Satzung hatte. Der Landsberger Stadtrat lehnte hingegen einstimmig eine entsprechende Regelung ab. Aus zwei Gründen: Man hätte Übergangsregelungen für diejenigen Eigentümer festlegen müssen, die bereits nach der alten Regelung gezahlt haben. Außerdem war die Ermittlung der wiederkehrenden Beiträge kompliziert, denn dabei kam es dem Gesetz nach auf die korrekte Bildung von sublokalen "Abrechnungseinheiten" an.

Zwar erklärte das Bayerische Staatsministerium des Inneren auf eine Anfrage, ihm seien keine rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit wiederkehrenden Beiträgen bekannt, "die nicht mithilfe der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur sowie unter Zuhilfenahme der Erläuterungen zufriedenstellend gelöst werden könnten". Aber das war nicht die Sicht der Kommunen und auch nicht die ihrer Spitzenverbände. Die Angst vor einer Prozessflut ging um.

Faktische Pflicht

Eine parallele Entwicklung vergrößerte das Problem. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied im November 2016, dass die Städte und Gemeinden trotz der Soll-Regelung "grundsätzlich verpflichtet" seien, Satzungen aufzustellen und Beiträge zu erheben. Nur unter besonderen atypischen Umständen dürften sie davon absehen. Dabei hätten sie keinen Beurteilungsspielraum.

Besondere atypische Umstände lägen grundsätzlich nicht vor, wenn eine Gemeinde in nicht unerheblichem Umfang Kredite auf- oder Steuern einnehme. Es sei kein tragfähiger sozialer oder finanzwirtschaftlicher Grund ersichtlich, aus dem eine Gemeinde zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von beitragsfähigen Straßenbaumaßnahmen bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit der Folge verzichten dürfe, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen.

Diejenigen Gemeinden, die die Soll-Vorschrift daraufhin oder bereits früher als bindend verstanden hatten, liefen nun in ein Problem. Beispiel dafür ist die Kleinstadt Ebermannstadt in der Fränkischen Schweiz. Nach einem Bürgermeisterwechsel schuf sie zügig eine Ausbausatzung, errechnete die Kosten der bisher stattgefundenen Maßnahmen und schickte Vorauszahlungsbescheide an die Anlieger. Alle, die bis dahin dachten, dass sie keine Beiträge mehr zu bezahlen hatten, mussten für die Vergangenheit nachzahlen - und sind nun über die Neuregelung tief enttäuscht.

Zweite Gesetzesänderung

Diese Neuregelung brachten die Freien Wähler in Form eines Gesetzentwurfs und eines Volksbegehrens auf den Weg. Da abzusehen war, dass die außerparlamentarische Initiative Erfolg haben könnte, sprang die CSU Anfang 2018 auf den Zug auf und erklärte, das Kommunalabgabengesetz ändern zu wollen. Ziel war die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, und zwar auch in der Form der wiederkehrenden Beiträge. Der Straßenausbau sollte, anders als die erstmalige Erschließung, künftig aus allgemeinen Steuermitteln der Kommunen finanziert werden.

Das vor wenigen Tagen mit den Stimmen von CSU, der SPD und der Freien Wähler bei Enthaltung der Grünen verabschiedete Änderungsgesetz legt tatsächlich fest: "Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung werden keine Beiträge erhoben."

Problem "Stichtag"

Das Gesetz enthält notwendigerweise auch eine Stichtagsregelung. Sie lautet etwa so: Alle vor Januar 2018 bereits vollständig abgerechneten Maßnahmen bleiben gültig. Für die anderen Maßnahmen kommt es darauf an, ob noch 2017 ein Vorauszahlungsbescheid ergangen ist oder nicht. Wenn nein, ergeht auch keiner mehr. Wenn ja, kommt eine Rückerstattung nur dann in Betracht, wenn die Maßnahme nicht bis Ende 2024 abgeschlossen wird oder sie billiger war als die Vorauszahlung.

Im Landtag ist natürlich erkannt worden, dass das zu Ungerechtigkeiten führt. Bürger alerter und vielleicht auch ärmerer Gemeinden, die lange vor Baubeginn die zu erwartenden Kosten er- und an die Grundeigentümer berechnet haben, also quasi Vorkasse verlangten, werden bestraft. Bürger eher gemächlich auftretender, vielleicht reicherer Gemeinden, die erst gebaut haben und dann kassieren wollten, werden begünstigt.

Der Grund dafür ist klar: Als Stichtag wird nicht der Tag des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht genommen, sondern der Tag der Zustellung des Beitragsbescheids. Auch die kommunalen Spitzenverbände sind über diese Variante nicht glücklich. Allerdings hätte das Abstellen auf das Entstehen der Beitragspflicht noch einmal zusätzliche Gesetzesformulierungen erfordert, was Zeit gekostet hatte. Und Zeit ist am Ende der Legislaturperiode knapp. Wie viel einfacher ist da der plakative Satz der CSU "Bescheid ist Bescheid".

Für Landsberg bedeutet dies: Die Anlieger von Hauptplatz, Herzog-Ernst-Straße, Johann-Arnold-Straße, Schlossergasse, Ummendorfer Straße, Von-Helfenstein-Gasse und Von-Kühlmann-Straße profitieren von dem Gesetz nur insoweit, als keine zusätzlichen Straßenausbaubeiträge erhoben werden können; die Vorauszahlung ist das Maximum.

Der Freistaat springt ein

Die Anwohner der Altöttinger Straße zahlen nichts. Das ist auf den Umstand zurückzuführen, dass bislang unklar war, ob der zweite Straßenteil genauso instandgesetzt werden soll wie der erste (einheitliche Maßnahme, die Kosten werden addiert und geteilt) oder eine Verkehrsberuhigung erfolgen soll (unterschiedliche Maßnahmen, die Kosten werden separat berechnet). Die Anwohner des bereits fertig gestellten Teils profitieren also von einer durch einen Antrag der Grünen entstandenen unklaren Lage.

Kämmerer Peter Jung bezifferte den Betrag, der der Stadt Landsberg nun fehlt, auf 1,55 Millionen Euro. Das Gesetz enthält hierzu eine Regelung. "Der Freistaat Bayern erstattet den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen ... nicht mehr erheben können". Der Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die Stadt spätestens bis zum 11. April 2018 das Vergabeverfahren für die erste Bauleistung eingeleitet oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen hatte. Also: Alle Maßnahmen sind erstattungsfähig mit Ausnahme des zweiten Bauabschnitts der Altöttinger Straße.

Problem "Grundsteuer"

Auf die geschilderten Erstattungsleistungen des Freistaats haben die Gemeinden dem Grunde und der Höhe nach einen Rechtsanspruch. Für künftige Baumaßnahmen, in Landsberg beispielsweise in der Max-Friesenegger-Straße, können Gelder aus einem Fördertopf des Freistaats beantragt werden. In den Jahren 2010 bis 2017 vereinnahmten die Gemeinden pro Jahr Straßenausbaubeiträge in Höhe von durchschnittlich 61,7 Millionen Euro. Die Staatsregierung geht von ähnlichen Werten in den kommenden Jahren aus und will jeweils einen Betrag von 65 Millionen Euro in den Landeshaushalt einstellen.

Um allerdings "eine etwaige Überforderung des Staatshaushalts durch die Erstattungsleistungen zu vermeiden", entstehen Ansprüche erst durch das jeweilige Haushaltsgesetz. In der Begründung des Gesetzes heißt es dazu: "Für den Fall, dass in einem Kalenderjahr die Summe der beantragten Erstattungsleistungen über den im Staatshaushalt veranschlagten Mitteln liegt, können darüberhinausgehende Erstattungsansprüche erst im folgenden Haushaltsjahr erfüllt werden. Zeitliche Verzögerungen bei der Auszahlung der Mittel sind von den Gemeinden ersatzlos hinzunehmen."

Dieser Aspekt des Gesetzes soll die Bürger davor schützen, dass sie letztlich doch zur Kasse gebeten werden, nur diesmal über die Grundsteuer. Ihre Erhöhung hätte einen großen Nachteil für Mieter. Die bisherigen Beiträge (die einmaligen der Anlieger ebenso wie die wiederkehrenden aller Grundstückseigentümer) konnten nicht als Nebenkosten an die Mieter weitergereicht werden. Bei einer Erhöhung der Grundsteuer wären die Mieter hingegen wieder betroffen.

Der Vollständigkeit halber: Das neue Gesetz betrifft nicht Kanalerneuerungen und insbesondere nicht die gegebenenfalls erforderliche Sanierung von privaten Kanalanschlüssen. Hier ergehen weiterhin Rechnungen beispielsweise der Stadtwerke Landsberg; die entstehenden Kosten sind nicht umlagefähig, weil sie keine laufenden, sondern einmalige Kosten sind.

Ebenfalls der Vollständigkeit halber: Eine weitere Einnahmequelle gibt es für die Gemeinden noch. Sie können bis zum Jahr 2021 Kosten für die Ersterschließung für Straßen berechnen, die vor mehr als 25 Jahren technisch ersthergestellt wurden. Bürgermeister könnten also "Uraltstraßen auskramen" (Hubert Aiwanger). Die Freien Wähler hatten gefordert, dieses Verjährungsdatum nicht auf 2021 zu setzen, sondern auf Januar 2018, und zu sagen: Alle Straßen, die älter als 25 Jahre sind und nicht als Ersterschließung abgerechnet sind, dürfen auch künftig nicht mehr abgerechnet werden, kommen aber in das neue System des Fördertopfes für den Ausbau.

Das Fazit

Stark durch das Gesetz begünstigt sind Besitzer von Grundstücken, Häusern und Eigentumswohnungen, die noch keine Vorauszahlungsbescheide erhalten haben. Sie haben Glück gehabt.

Leicht begünstigt sind Vorauszahlungsbescheid-Empfänger für den Fall, dass die Baukosten letztlich höher sind als in der Vorauszahlung berechnet; die Differenz muss nicht mehr bezahlt werden. Dennoch hatten sie Pech. Das Gesetz kam für sie zu spät.

Noch stärker benachteiligt sind Bürger, deren Maßnahme noch im zweiten Halbjahr 2017 endgültig abgerechnet wurde - aber die gibt es in Landsberg nicht. Die letzte endgültige Abrechnung erfolgte offenbar 2015.

Ebenfalls benachteiligt sind gesetzestreue Gemeinden wie Ebermannstadt, die sich erst vor Kurzem dazu verleiten ließen, eine Straßenausbaubeitragssatzung einzuführen und auch schon Vorauszahlungen zu erheben.

Ob die Stichtagsregelung, die auf den Tag des Zugangs des jeweiligen Bescheids abstellt, allerdings Bestand haben wird? Das wird von den Gerichten abhängen. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.


Aus der Nähe

Mittwoch, 13.06.2018

Wir wollen die Verkehrsprobleme Landsbergs durch radikales Umdenken lösen. Wir wollen Möglichkeiten der CO2-Minderung ausschöpfen. Wir wollen motorisierten Individualverkehr verringern. Wir wollen, dass aus dem Hauptplatz kein Parkplatz wird. So ähnlich steht es im Konzept "Landsberg 2035". So ähnlich wird es immer wieder im Stadtrat gesagt. Und so ähnlich hören wir es auch immer wieder von der CSU, an guten Tagen jedenfalls.

Gestern Abend hatte die CSU keinen guten Tag. Sie erwirkte einen Mehrheitsbeschluss dafür, dass zehn Motorradparkplätze auf dem Hauptplatz ausgewiesen werden. Damit gibt die Fraktion eine falsche Wegweisung. Anstatt mit guter Ausschilderung dafür zu sorgen, dass Motorradfahrer kostenfrei auf dem Infanterieplatz oder in der sonntags ebenfalls kostenfrei zur Verfügung stehenden von-Kühlmann-Straße (samt Papierfleck und Geheimparkplatz "Landratsamt") parken, machen sie den Hauptplatz zur ersten Adresse für motorisierte Zweiradfahrer, von denen einige ganz schöne Luftverpester und Lärmmacher sind.

Für die Biker ist das ideal: Von dort sind Radler (gemeint ist das Getränk), Schweinsbraten und die nette Toilette zum Greifen nah und das Bike bleibt schön im Auge. Aber schon verkehrstechnisch ist die Sache falsch. Die zehn Plätze sind nämlich schnell voll. Dass die anderen Motorradfahrer jetzt über die Schlossergasse und die Lechstraße zum Infanterieplatz vordringen, weil es ja am Hauptplatz steht ("wenn voll, bitte weiterfahren"), glaubt kein Mensch. Also ist der Hauptplatz demnächst noch mehr zugestellt. Werden die Damen und Herren der Verkehrsüberwachung Biker 10 anerkennend zunicken ("gut geparkt") und den daneben parkenden Biker 11 brutal bestrafen? Da gehört Mut dazu. Das gäbe dann wieder einen Artikel im Münchner Merkur.

Besonders gewundert hat uns, dass Stadtrat Berthold Lesch (CSU) den Parkplätzen nicht nur zugestimmt hat, sondern auch für sie plädiert hat. Ist das nicht genau DER Berthold Lesch, der neulich in einem Papier im Abschnitt "Motorisierter Individualverkehr" gefordert hat "Zielverkehr an den Rand der Altstadt führen"? Aber vielleicht hat er einfach nicht damit gerechnet, dass wir so eine gute Archivsoftware haben. Mitantragsteller war übrigens die Landsberger Mitte; die ist wenigstens konsequent. Hans-Jürgen Schulmeister fährt Roller und Notarzt Wolfgang Weisensee hat im Sommer ganz oft Kontakt mit Bikern. Er kennt sie aus der Nähe.

Auch die UBV war dafür; deren Fraktionschef Christoph Jell wäre sogar so weit gegangen, am Sonntag das Parken der Motorräder in der Fußgängerzone in der Ludwigstraße zu erlauben. Da hätten die Besucher dann gleich mal gesehen, wo hier die VR-Bank ist.

Aber Spaß beiseite: Wer so unbedenklich von hehren Grundsätzen, früheren Beschlüssen und nach Respekt heischenden Papieren abweicht, der darf sich nicht wundern, wenn Kommentatoren schreiben: Das war wieder einer dieser Momente, an denen man sich überlegt, ob sich Engagement für die Landsberger Politik eigentlich noch lohnt.


200 Meter

Dienstag, 12.06.2018

Der Stadtrat soll am Mittwoch Abend beschließen, dass auf dem Hauptplatz vor der Sparkasse weitere 10 bis 15 Stellplätze für Motorräder und Roller geschaffen werden. Das beantragen die Landsberger Mitte und die CSU.

Gleichzeitig prüft die Verwaltung im Auftrag dee Stadtrats gerade, ob man dem Verdacht, dass die bislang nur errechnete Schadstoffbelastung am Hauptplatz in Wahrheit viel größer ist, durch Aufstellung einer Mess-Station nachgehen kann.Das passt wohl kaum zusammen, zumal echte Biker keine Tagesausflüge nach Landsberg machen; Kurzparken mit entsprechend viel Lärm und Abgasen ist vorprogrammiert. 200 Meter Luftlinie entfernt gibt es den Infanterieplatz, der größtenteils frei ist. Einen Bruchteil davon (siehe Foto) hat die Stadt zum Parken für motorisierte Zweiräder freigegeben. Aber der Raum innerhalb der "gekennzeichneten Flächen" ist so knapp bemessen, dass da nur wenige Besucher parken können. Wäre da nicht ein erster Ansatzpunkt? Außerdem: Wie wäre es, wenn man Fahrrädern und E-Mobilität den Vorrang gibt? Inzwischen sind übrigens viele E-Roller aus dem Markt. Auch Piaggio steht mit der Vespa Elettrica in den Startlöchern. Es gibt viele Vorbestellungen. Wir sollten Fahrrädern und E-Rollern unsere besten Plätze geben. Wer Lärm und Abgase produziert, muss ein paar Meter weiter gehen.


Is noch Platz

Sonntag, 10.06.2018

Die CSU und die Landsberger Mitte fordern Abstellplätze für Motorräder auf dem Hauptplatz. Stadtrat Hans-Jürgen Schulmeister (Landsberger Mitte) untermauerte die Forderung am heutigen Sonntag mit der unkommentierten Weiterleitung eines Artikels des Münchner Merkurs über eine angebliche Landsberger "Posse".

"Der Eichenauer Josef Hoffmann ist leidenschaftlicher Motorradfahrer. Vor Kurzem hat er in Landsberg einen Strafzettel bekommen, hinter dem sich eine wahre Park-Regelungs-Posse verbirgt", schrieb der freie Journalist Andreas Daschner am 24. Mai 2018 im Münchner Merkur. Schulmeister gab den Beitrag heute an die Landsberger Presse "zur Unterstützung unseres gemeinsamen Antrags 'Stellplätze für Motorräder und Roller auf dem Hauptplatz'" weiter.

Wer genau hinschaut, erkennt aber: Hoffmanns schweres Motorrad parkt (anders als in unserem Symbolbild) senkrecht vor dem Tom Tailor-Store in der Hubert-von-Herkomer-Straße 113, zwischen der Drogerie Müller und der Filiale der Deutschen Bank. Erstens ist das nicht der Hauptplatz. Zweitens ist der Gehweg dort bereits relativ eng; Auto parken daneben nur noch parallel zur Fahrbahn. Drittens besteht an dieser Stelle - unstreitig - ein absolutes Halteverbot. Dass die Verkehrsüberwachung ein Strafmandat ausgestellt hat, ist keine Posse, sondern geltendes Recht.

Besonders amüsant ist die vom Münchner Merkur übernommene Argumentation, zwischen zwei Pflanzkübeln, die dort auf dem Gehweg stehen, sei ja noch Platz für ein Motorrad gewesen. Darüber nachzudenken, wozu die Pflanzkübel da wohl aufgestellt wurden, hätte in der Frühlingshitze wohl zuviel redaktionelle Anstrengung verursacht. Auch Hoffmanns vom Münchner Merkur reportierte Argumentation, das Halteverbot gelte nur für die Fahrbahn, ist grotesk. Mit dieser Begründung parkt man künftig auf jedem Gehweg, auf jedem Platz und in jeder Fußgängerzone.

Unkommentierte Weiterleitungen unqualifizierter Beschwerden am Sonntag Nachmittag? Grenzwertig.


Über den Tellerrand

Donnerstag, 07.06.2018

Wie der Münchner Merkur den Beschluss des Landsberger Kreistags kommentiert

Das Verhalten des Landsberger Landrats ist kaum zu verstehen. Warum begleitet er die Fusionsgespräche so lange, um am Ende mit einem eher emotionalen als faktenträchtigen Argument Nein zu sagen? Gutachten hätte er für die vage Aussage, die Regionalität könnte leiden, jedenfalls keine gebraucht.

Wenn er wirklich in Sorge um die örtliche Verbundenheit ist, dann hätte er die Gespräche über eine größere Sparkasse schon ganz am Anfang ablehnen müssen, wobei es schon ein wenig altbacken wirkt, wenn man das Land im Münchner Nord-Westen nicht als eine Region zu betrachten bereit ist.

Seltsam übrigens: Der angedachte Zusammenschluss der Kliniken Bruck, Landsberg und Weilheim-Schongau scheiterte ebenfalls plötzlich und aus wenig stichhaltigen Gründen am Landsberger Landrat. Hat da jemand Angst, über den Tellerrand seiner Verwaltungseinheit hinaus zu handeln?

Die Fusionsgegner im Brucker Landkreis freuen sich jetzt über die Schützenhilfe vom Lech. Daher sei erinnert: In den bisher hierzulande erfolgten, durchaus niveauvollen politischen Debatten, haben sie stets verloren. (st)


Kontenregulierung

Montag, 04.06.2018

Es sieht so aus, als wollten viele Mitglieder des Kreistages am Dienstag Abend gegen alle Empfehlungen stimmen und die Fusion der Sparkassen Landsberg-Dießen, Fürstenfeldbruck und Dachau beerdigen. Darunter sind ganze Fraktionen wie die der SPD und der ÖDP.

Sie tun dies, obwohl die Argumente für die Zusammenlegung der Sparkassen geradezu erdrückend sind: Alle Vorstände, alle Verwaltungsräte, frühere Vorstände und sämtliche Gutachter befürworten sie. Schutzmaßnahmen gegen Personalabbau und Geschäftsstellenschließungen sind getroffen. Die Sparkassenstiftung bekommt sogar noch Kapitalzuwachs. Eine bessere Gelegenheit gibt es nicht, sich in in den nächsten zehn, zwanzig Jahren in einer Finanzwelt zu behaupten, die starkem Wandel unterliegt.

Jeden Tag lesen wir von Fusionen im Bankensektor. Jeden Tag sehen wir, welche Rolle Fintechs und Zahlungsdienste wie PayPal spielen. Jeden Tag schwankt der Börsenkurs der Deutschen Bank, weil deren Geschäftsmodell der Zukunft nicht definiert ist. Und da sagen wir "nein" zu einer oberbayerischen Sparkassen-Allianz? Das ist, gelinde gesagt, unfassbar.

Auch Thomas Eichinger weiß: Die Sparkasenfusion stärkt den Landkreis und nimmt ihm nichts weg. Die oberbayerische Allianz lässt ein Gegengewicht zur Münchener Sparkassen-Übermacht entstehen. Sie ist eine Bereicherung für die Region. Wenn es wirklich um die Bewahrung der Heimat im regionalen Bankenwesen ginge, hätte Eichinger, selbst Sparkassen-Verwaltungsrat, das von Anfang an sagen können. Dann hätten wir uns Kosten in enormer Höhe sparen können und auch keine Gutachten gebraucht.

Viele Mitglieder des Kreistags merken nicht, dass es um etwas ganz Anderes geht. Und diejenigen, die es merken, nehmen es billigend in Kauf.

Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse Landsberg-Dießen ist der Landsberger Oberbürgermeister Mathias Neuner. Zwischen ihm und Landrat Thomas Eichinger hat es in den letzten Monaten viele Konflikte gegeben, zuletzt über die Themen "Kreisumlage" und "Verlagerung des Landratsamts".

Chancenverwerter

Die Kommunalpolitik kennt unterschiedliche Typen. Einen dieser Typen könnte mal als "Chancenverwerter" bezeichnen. Er ist Veränderungen gegenüber aufgeschlossen und will etwas bewegen. Er orientiert sich an eigenen Werten und setzt sich für das ein, was er für richtig hält. Er ist ziemlich transparent und sagt offen, was er will. In Mechanismen der Parteipolitik ist eher schwer einbindbar; darunter leidet vor allem seine eigene Partei und seine Stadtratsfraktion. Er legt auf Abstimmungen und Allianzen über Fraktionsgrenzen hinweg wenig Gewicht und schafft insbesondere kein "Wir"-Gefühl. Er hält Repräsentation für einen notwendigen Teil seiner Amtspflichten und versucht, das Optimale daraus zu machen. Er sieht Gremien als Hürden, respektiert sie aber und nimmt Niederlagen in Kauf. Er fokussiert sich auf seinen Aufgabenbereich und arrondiert seine Machtposition kaum. Er ist so stark sachorientiert, dass er sogar seine Nicht-Wiederwahl riskiert. Zu diesem Typus gehört, tendenziell, Mathias Neuner (CSU).

Amtsinhaber

Es gibt aber auch den Typus "Amtsinhaber". Er ist von Grund auf konservativ und lässt gerne alles, wie es ist. Er schaut auf das, was mehrheitsfähig ist, und schließt sich der erkannten Mehrheit an. Er orientiert sich vor allem an im Freistaat präferierten Meinungen und transportiert sie in die Region. Er schätzt eher Intransparenz; Unterlagen, Dokumente und Positionspapiere gibt es bei ihm kaum. Er spielt perfekt auf der Klaviatur des Parteiensystems, lobt andere Amtsträger, um sich ebenfalls loben zu lassen, und fordert von seiner Partei Unterstützung ein. Er verdeutlicht: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich und wird schon sehen, was er davon hat. Er schätzt Repräsentation als Instrument zur Stärkung seiner Macht. Er sucht nicht den Konsens, sondern setzt auf Mehrheiten. Er instrumentalisiert Gremien durch Autorität. Er ist hegemonial unterwegs und versucht, Parteifreunde in maßgebliche Positionen in Landkreisgemeinden unterzubringen. Er denkt jeden Tag an seine Wiederwahl. Zu diesem Typus gehört, tendenziell, Thomas Eichinger (CSU).

Clash of Clans

Wenn diese beiden Typen aufeinandertreffen, ist der Clash of Clans programmiert. Der erste ist eher Manager, der zweite eher Politiker. Das passt von vorne bis hinten nicht; die Zusammenarbeit erfordert Zusammenraufen.

Wir meinen: Das gesamte Handeln des Landrats in Sachen "Sparkasse" - der späte Einspruch, der Gang in die Presse, das Hinnehmen des Affronts - spricht für ein "Reglement des Comptes", eine "Kontenregulierung", wie Franzosen sagen.

Und das sollte niemand mitmachen. Ja, wer wirklich gute Gründe gegen die Fusion hat, soll dagegenstimmen. Zur Lebensweisheit eines Kreisrats gehört aber auch, zu erkennen, dass man einer Sache nicht schaden darf, um eine Person zu treffen.


Falsche Richtung

Mittwoch, 30.05.2018

Landrat Thomas Eichinger lehnt die Sparkassenfusion ab, weil durch sie die Verwurzelung der Sparkasse Landsberg-Dießen mit den Gemeinden des Landkreises verloren gehe. Hingegen könne er sich Fusionen in Richtung "Oberbayern" vorstellen. Beides ist zu kurz gedacht.

Zum einen: Selbst wenn die Sparkasse so bleibt, wie sie ist, bleibt sie nicht, wie sie ist. Online-Banking und Geldautomaten, telefonische Beratung und Zahlungsabwickler wie PayPal haben den Bedarf nach Besuchen in Geschäftsstellen stark reduziert. Der Vorstand wird daher auch künftig Filialen abbauen. Dazu braucht er noch nicht einmal die Zustimmung des Verwaltungsrats. Echte Beharrungsoptionen vermittelt nur die neue Sparkasse; dort ist für die Schließung von Geschäftsstellen eine Fünf-Sechstel-Mehrheit nötig.

Zum anderen: Die jetzt geplante - von allen Vorständen und Verwaltungsräten nahezu einstimmig in die Wege geleitete und von allen Gutachtern befürwortete Fusion - ist bereits eine oberbayerische Fusion. Sie schafft ein Gegengewicht gegen die beiden mächtigen Sparkassen in München. Sie ermöglicht den Landsbergern, gemeinsam mit Dachau und Fürstenfeldbruck ein wettbewerbsfähiger Anbieter von Krediten und Investments für Unternehmen zu sein, die sich in München und dem Umland ansiedeln. Es kann nicht angehen, dass diese Unternehmen unsere Fläche und unsere Wohnungen in Anspruch nehmen, sich aber ihr Kapital woanders holen.

Sollte der Landrat "Oberbayern" gesagt, aber das "Oberland" gemeint haben: Fusionen in diese Richtung sind die schlechteren. Wirtschaft und Bevölkerung wachsen rund um München - hier boomt das Geschäft, nicht in den Voralpen. Dem Markt "Metropolregion" den Rücken zu kehren, wäre eine naive, trotzige und provinzielle Politik. Sie schadet uns..


Nimm zwei

Dienstag, 29.05.2018

Immer wieder hören wir, es gebe zu wenig Parkplätze. Parkmöglichkeiten zu finden wäre aber einfacher, wenn nicht viele PKW-Lenker statt einem zwei Parkplätze in Anspruch nähmen. Beispiele dafür sehen wir jeden Tag.

Schon bei einem kleinen Fotostreifzug wird man fündig. Die Bilder entstanden am Papierfleck, an der von-Kühlmann-Straße und vor dem Restaurant "Olympia". Niemand davon kam "von außen", alle hatten Landsberger Nummernschilder. Wie daraus ersichtlich war, gehörten die Herrschaften, die beim Griechen speisten, sogar zusammen. Dass die Parkplätze neben oder zwischen den Parkenden nicht mehr zugänglich waren, versteht sich von selbst.

Ähnliche Bilder sehen wir immer wieder am Bahnhofsparkplatz in Kaufering auf der Kino-Seite. Dort sind die Parkbuchten nicht gekennzeichnet und mancher Parkende scheint sich vorzustellen, beide Türen, seine eigene und die des Nebenmanns, müssten gleichzeitig vollständig aufgehen können, dann sei der Abstand richtig. Beim Hintereinander-Parken gilt die Maßgabe: Bloß nicht rangieren müssen; beim Verlassen des Parkplatzes sollte eine einfache Lenkraddrehung genügen.

Folgende Maßnahmen sind nun denkbar:

- Beschleunigte Einführung selbstfahrender Autos, denn die schaffen es problemlos, zwischen zwei Linien gerade einzuparken. Die Autoindustrie frohlockt.

- Verpflichtende Fahrschulen-Nachschulung für alle. Schulterblick, Blinker setzen, gerade einparken. Georg Krackhardt würde sich freuen.

- Ein obligatorischer YouTube-Kurs von IKG- und DZG-Mathematikern über die Grundlagen der Geometrie. Was sind Parallelen? Was ist ein rechter Winkel? Was ist schief? Damit würden Mathe-Lehrer noch ein Stück nützlicher.

Oder würde es reichen, wenn wir mal alle darüber nachdenken, wie man R-ü-c-k-s-i-c-h-t und F-a-i-r-n-e-s-s buchstabiert?


Was mit Oberbayern

Montag, 28.05.2018

Landrat Thomas Eichinger hat am Freitag in einem erschlichenen Pressegespräch bekannt gegeben, dass er am 5. Juni im Kreistag gegen die Fusion der Sparkassen Landsberg-Dießen, Dachau und Fürstenfeldbruck stimmen werde. Der KREISBOTE hat noch am gleichen Tag in einem Online-Bericht Eichingers Darlegungen referiert und Stellungnahmen des Verwaltungsratsvorsitzenden der Landsberger Sparkasse, Oberbürgermeister Mathias Neuner, eingeholt. Am Wochenende war Zeit, die Ausführungen des Landrats zu prüfen. Was hat er eigentlich genau gesagt? Und war das überzeugend?

I

Zunächst: Der Landrat machte gleich zu Beginn des Gesprächs klar, dass er nicht als Vertreter der Kreisverwaltung spreche (in dieser Rolle ist er gar nicht gefragt), sondern als einer von 61 Stimmberechtigten, die am 5. Juni zur Beschlussfassung über die Fusion aufgerufen sind. Es gehe um "seine Überlegungen".

Das ist deswegen berichtenswert, weil Landratsamts-Sprecher Wolfgang Müller die Journalisten am 16. Mai mit Briefkopf des Landratsamts schriftlich mit der Behauptung eingeladen hatte, der Landrat wolle "über den aktuellen Stand" und den "weiteren Zeitplan" der Sparkassenfusion informieren.

Davon war Eichinger weit entfernt. Genauso wie er könnten jetzt noch 60 andere Sitzungsteilnehmer Pressekonferenzen einberufen und ihre Überlegungen kundtun, um in die Presse zu kommen und die Meinungsbildung des Kreistags zu beeinflussen.

Das ist eines der vielen Beispiele dafür, dass Amtsträger wie selbstverständlich davon ausgehen, die Medien als Sprachrohr nutzen zu können, auch wenn sie gar nicht amtlich tätig werden. Sie erschleichen sich damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.

Dieses Mal haben die Journalisten da noch mitgespielt. Beim nächsten Mal schauen sie genauer hin.

II

Das Erfreuliche daran ist, dass nun die Möglichkeit besteht, Eichingers Darlegungen anhand der Mitschriften in Ruhe zu prüfen. Wer das Gesagte sortiert, kann es in drei Kategorien einteilen. Kategorie 1 sind Argumente für die Fusion. Kategorie 2 sind Ausführungen, die weder für noch gegen die Fusion sprechen oder erledigte Themen betreffen. Und Kategorie 3 sind Argumente gegen die Fusion.

Um es vorwegzunehmen: Eichinger trug genau zwei Argumente gegen die Fusion vor. Bei einem räumte er ein, dass es dafür eine Lösung geben könnte. Übrig blieb daher nur ein einziger Einwand. Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein.

1

Zunächst einmal berichtete Eichinger, dass das Gutachten von KPMG, das der Landkreis in Auftrag gegeben hat, zum gleichen Ergebnis wie das Gutachten gekommen sei, das der Verwaltungsrat der Sparkasse in die Wege geleitet hatte.

• Die fusionierte Sparkasse erzielt Synergien.
• Sie hat niedrigere Grundkosten.
• Sie ist für größere Geschäfte besser aufgestellt.
• Sie tut sich leichter, was die Regulatorik betrifft.
• Sie kommt besser mit der Niedrigzinsphase zurecht.
• Und sie hat im Münchener Umland ein sehr interessantes Marktgebiet.

Eichinger gab zu: Betriebswirtschaftlich macht die Sache Sinn.

Wie aus der nichtöffentlichen Sitzung des Kreisausschusses, in dem KPMG das Gutachten vorstellte, zu hören ist, empfahlen die Wirtschaftsprüfer dem Landkreis sogar ausdrücklich, der Fusion zuzustimmen, so wie es die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau bereits getan haben. Dies ist bekanntlich auch die Position aller Vorstände und aller Verwaltungsräte, wobei die Beschlussfassungen fast immer einstimmig erfolgten.

2

Einige weitere Darlegungen von Thomas Eichinger klangen beim ersten Hinhören zwar wie Argumente gegen die Fusion, waren es aber nicht.

a

Eichinger legte dar, dass die Fusion keine "Notfusion" wäre. Das ist völlig unstreitig. Tatsächlich ist die Sparkasse Landsberg-Dießen nicht etwa notleidend; sie prosperiert nach wie vor.

Allerdings ist das auch die notwendige Grundlage für eine Fusion auf Augenhöhe mit den anderen Sparkassen, insbesondere mit dem "Star" Dachau. Wer wartet, bis er fusionieren muss, der fusioniert nicht, sondern wird geschluckt.

Da niemand gesagt hat, dass die Sparkasse Landsberg-Dießen fusionieren muss, ist die Darlegung, dass sie nicht fusionieren muss, mit Verlaub, kein Gegenargument.

b

Eichinger sprach dann über die Gefahr der Schließung von Geschäftsstellen in den kreisangehörigen Gemeinden. Allerdings räumte er ein, dass, auch auf sein Betreiben hin, bereits eine Lösung gefunden sei: Der Verwaltungsrat der fusionierten Sparkasse muss Filial-Schließungen zustimmen. Sie werden nur wirksam, wenn fünf Sechstel der Stimmberechtigten dafür sind. Mit dieser Regelung haben die Landsberger Vertreter im Verwaltungsrat der neuen Sparkasse faktisch ein Vetorecht.

Gegenüber der jetzigen Situation ist das eine massive Verbesserung, denn in der heutigen Sparkasse entscheidet der Vorstand über Filialschließungen aus eigener Kompetenz. Deswegen wollte Eichinger weitere Schließungen von Geschäftsstellen in einer allein bleibenden Sparkasse Landsberg-Dießen auf Nachfrage des KREISBOTEN auch nicht ausschließen; er kann sie gar nicht beeinflussen.

c

Eichinger schilderte weiter, dass die Landsberger Sparkassenstiftung nicht in die neue Sparkasse übergeht, sondern im Zugriff von Landkreis, Stadt Landsberg und Markt Dießen verbleibt. Die neue Sparkasse zahle sechs Jahre lang jährlich zwischen 200.000 und 250.000 Euro auf ein definiertes Stiftungskonto ein. Die Stiftung wird insoweit zur Verbrauchsstiftung - das bedeutet, dass dieses Geld sofort wieder für gemeinnützige Zwecke ausgegeben werden darf. Nach diesen sechs Jahren darf die Stiftung wie zuvor nur ihre Gewinne (aus Geldanlagen, also Zinsen) ausschütten, damit sie ihr Kapital nicht schmälert. Ein etwaiges Problem damit konnte Eichinger nicht definieren. Das alles ist auch ohne die Fusion so.

3

Nun zu den zwei eigentlichen Argumenten Eichingers.

a

Das erste: Beim Vorsitz des Verwaltungsrats sei ein Turnus von zwei Jahren vereinbart. In Fürstenfeldbruck und Dachau würde der Vorsitz in dieser Zeit noch einmal zwischen Stadt und Kreis geteilt. Damit könne der oder die Verwaltungsratsvorsitzende keine Erfahrung aufbauen. "Man ist auf den Vorstand angewiesen." Es entstehe eine "gelockerte Aufsicht".

Aber die Vorsitzenden sind in aller Regel ja bereits zuvor Verwaltungsratsmitglieder. Sie kommen nicht eines Tages, klingeln und sagen: "Grüß Gott, ich bin der Landrat von Dachau und soll hier mal den Vorsitz führen". Und sie verabschieden sich auch nicht nach einem Jahr und ziehen sich in ihre Kreisverwaltung zurück.

Aber selbst wenn diese (von Politikern geforderte) Konstruktion Knowhow-Defizite erzeugt, könnte man das Thema schnell lösen. Nämlich durch Gremienbüros, wie sie bei öffentlich-rechtlichen Medienanstalten bestehen. In diesen Gremienbüros befassen sich hauptamtliche Mitarbeiter aus Sicht der Kontrollgremien laufend mit dem Geschehen und stehen den Aufsichtsräten beratend zur Seite. Eichinger räumte auf Befragen ein, dass das in der Tat "ein Workaround" sein könnte.

b

Letztlich fokussierte sich daher Eichingers Abneigung gegen die Fusion auf ein Kernargument: Eine öffentlich-rechtliche Bank rechtfertige sich nur durch eine besondere Nähe zur Region. Eine örtliche Sparkasse sei "identitäts- und vertrauensstiftend - das würde im Prinzip aufgelöst". Das Alleinstellungsmerkmal gehe verloren.

Ob das eine Alleinstellung ist, sei dahingestellt: Immerhin verstehen sich auch die Volks- und Raiffeisenbanken ähnlich lokal.

Abgesehen davon, was ist eine "örtliche Sparkasse"? Es ist die Sparkasse, die vor Ort, mindestens in der jeweiligen Kreisstadt, Ansprechpartnerin für Sparer, Anleger, Wohnungssuchende und Kreditnehmer ist. Die sich in den Dörfern, Städten und Märkten auskennt, dort die Entwicklungen verfolgt und alles dafür tut, erste Adresse in Finanzfragen zu sein. Jedenfalls deutlich mehr als eine Deutsche Bank, eine Postbank, eine Commerzbank oder gar eine Direktbank das jemals sein wird.

Die Sparkassenfusion ergänzt lediglich Lokalität um Kraft. Diese Kraft entsteht dadurch, dass eine größere Sparkasse mehr professionelle Mitarbeiter gewinnen kann. Sie kann besser auf dem Anlagemarkt auftreten. Sie kann der Globalisierung besser Rechnung tragen. Sie kann ihre Risiken besser absichern. Sie ist für auch für größere Unternehmen akzeptierter Ansprechpartner. Sie kann ihre Prozesse, zum Beispiel die Technik, kostengünstiger gestalten.

Ihre Orientierung auf die Region aber ist und bleibt in ihrer DNA. Und ist, in der Tat, die einzige Rechtfertigung für ihre Existenz. Dass die lokale Sparkasse Teil einer regionalen Sparkasse ist - was ist daran schlecht?

Immerhin: Eichinger hatte ein Argument. Wenn es auch nicht überzeugt.

4

Und dann wurde es in der Pressekonferenz diffus. Eichinger schloss nämlich Fusionen gar nicht aus, präferierte aber solche mit Sparkassen im "oberbayerischen Raum".

Nun liegen Dachau und Fürstenfeldbruck in Oberbayern. Der Landrat meinte wahrscheinlich eher Sparkassen im Oberland.

Aber wie kann man auf die Idee kommen, solche Fusionen seien besser? Wirtschaft und Bevölkerung wachsen rund um München. Dort boomt das Geschäft, nicht in den Voralpen. Die neue Sparkasse aus der Metropolregion schafft ein Gegengewicht gegen die beiden mächtigen Sparkassen in München. Sie ermöglicht den Landsbergern, gemeinsam mit Dachau und Fürstenfeldbruck ein wettbewerbsfähiger Anbieter von Krediten und Investments für Unternehmen zu sein, die sich in München und dem Umland ansiedeln. Es kann nicht angehen, dass diese Unternehmen unsere Fläche und unsere Wohnungen in Anspruch nehmen, sich aber ihr Kapital woanders holen.

Dem Markt "Metropolregion" den Rücken zu kehren und stattdessen unter der Überschrift "Lieber was mit Oberbayern" in Richtung Alpen zu spazieren, wäre eine naive, trotzige und provinzielle Politik.

III

Das Fazit: Der Landrat hat ein einziges Argument und das kommt eher aus dem Bauch heraus. Es ist ein "Lieber nicht" von der Qualität eines "mia san mia". Bezeichnenderweise orientierte sich Eichinger bei seinem Vortrag gegenüber den Journalisten an Notizen in seinem iPad. Es wäre besser gewesen, er hätte seine Gedanken zu Papier gebracht, geprüft, noch einmal gelesen und den Journalisten ausgehändigt. Dann hätte er selbst erkannt, dass das Papier nicht viele Argumente enthält.

Woran orientiert sich ein Landrat, wenn er sich eine Meinung über die Sparkassenfusion bilden will? Er kann sich an den Vorständen orientieren, die einstimmig die Fusion befürworten. Das macht er nicht. Er kann sich an den Verwaltungsräten orientieren, die, von ihm selbst vielleicht abgesehen, einstimmig die Fusion befürworten. Das macht er auch nicht. Er kann sich an den Gutachtern orientieren, die einstimmig die Fusion befürworten. Das macht er ebenfalls nicht. Das kann man alles beiseite lassen. Aber dann braucht man mindestens einen wirklich guten Grund für seine Gegnerschaft. Ansonsten ist das Wegwischen von Expertise pure Arroganz.


Nicht mehr so drauflos

Mittwoch, 23.05.2018

Das Projekt "Unser Landsberg 2035" geht in die Endphase. Es ist bayernweit allein auf weiter Flur; viele Stadträte und Bürgermeister werden nach Landsberg pilgern, um sich über die Strategiefindung zu informieren. Absolvieren müssen sie diesen Prozess alle; das schreibt die kommunale Haushaltsverordnung vor. Die Kette heißt Zielsetzung, Planung, Realisierung, Kontrolle. Die Kommunen sollen nicht mehr "so drauflos" wirtschaften, sondern sorgfältig über Vorhaben und Ressourcen sprechen.

Zwei Fragen werden dabei immer wieder gestellt. Die erste lautet, ob der Zeitraum mit 17 Jahren nicht zu lang bemessen ist. Aber: Von der organisatorischen Zusammenlegung der Mittelschulen bis hin zur Neunutzung des Schlossbergs vergehen zehn Jahre. Die Stadt braucht ebenfalls fast eine Dekade, um ihr Museum neu zu eröffnen. Die Überplanung und Bebauung eines Acht-Hektar-Areals dauert sieben bis acht Jahre. Wer heute sät, erntet spät.

Die zweite Frage: Sind die Zielsetzungen nicht zu ungenau? Nehmen wir das Beispiel "Digitalisierung". Vor 17 Jahren gab es noch Handys mit Displays von 84 mal 48 Pixeln und einer Speicherkapazität von einem Megabyte. Im Wohnzimmer standen Röhrenfernseher. Viele Haushalte schauten analoges Fernsehen über Dachantennen. Es war die Zeit der mp3-Player und Videotheken. Wir wissen nicht, welche Maßnahmen wir im Zeitalter von Gigabit-Bandbreiten, dem Mobilfunk der fünften Generation, dem Internet der Dinge, der Blockchain, der Sprachsteuerung und Fortschritten bei Sensorik und Robotik durchführen werden. Aber welche Grundsätze dabei gelten sollen, das können wir heute festlegen.

Deswegen sind Zeitraum und Konkretisierungsgrad der Zielsetzungen richtig. Weil wir nicht Maßnahmen brauchen, sondern Maßgaben und Maßstäbe.


Auf neuer Plattform

Mittwoch, 23.05.2018

Die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung, die morgen in Kraft tritt, lässt es ratsam erscheinen, vorerst nicht mehr die Dienste amerikanischer Hosting-Unternehmen wie wordpress.com in Anspruch zu nehmen. Für den landsbergblog ist dies Anlass einer Neuorientierung. Er verstärkt seine ohnehin bereits intensive Zusammenarbeit mit dem KREISBOTEN.

Hier die Änderungen: Künftig finden Sie unsere Beiträge auf einer speziellen Seite des KREISBOTEN: www.kreisbote.de/landsbergblog. Sie erreichen sie ab sofort. Ab morgen führt auch unsere Internet-Adresse www.landsbergblog.info direkt dorthin. Der landsbergblog in seiner bisherigen Form wird dann abgeschaltet. Daneben gibt es exklusiv in der gedruckten Ausgabe des KREISBOTEN, die mittwochs erscheint, eine landsbergblog-Spalte. Achten Sie auf das landsbergblog-Signet! Eilmeldungen und Kurzkommentare des landsbergblog erhalten Sie, wenn Sie in Ihrem Browser www.twitter.com/landsbergblog eingeben - oder wenn Sie als Twitter-Nutzer "landsbergblog" folgen. Übrigens: Sie erreichen uns auch weiterhin unter der E-Mail-Adresse info@landsbergblog.info.

Enge Verwandtschaft

Der landsbergblog verändert damit seine Form, nicht aber seine Absichten. Nach wie vor wird er die Diskussion und Meinungsbildung in Landsberg mit fundierten Kommentaren und Anmerkungen fördern. Nach wie vor wollen wir gute Recherchen, erklärende Beiträge und beständige journalistische Qualität liefern.Der KREISBOTE bietet uns eine Plattform dafür, ohne dass wir uns um Technik, Statistik, Datenschutz oder Suchmaschinenoptimierung kümmern müssten. Dafür sind wir dankbar.

Aber das ist nicht der eigentliche Grund für die Zusammenarbeit. Der eigentliche Grund ist unsere enge Verwandtschaft beim Verständnis von Journalismus. Das zeichnete sich relativ schnell ab, nachdem der landsbergblog 2012 gegründet wurde. Redaktionsleiter Toni Schwaiger kam auf uns zu, wollte uns kennenlernen und bot uns die Gelegenheit, Gastkommentare im KREISBOTEN zu veröffentlichen. Bald gab es Gelegenheit, die Kooperation zu vertiefen: 2013 und 2014 verantworteten KREISBOTE und landsbergblog gemeinsam die "Initiative Guter Rat", die angehenden Kommunalpolitikern in Zusammenarbeit mit Landrat Walter Eichner und der Bayerischen Verwaltungsschule Grundwissen fürs Mandat vermittelte. 2015 kam dann das Angebot des KREISBOTEN an landsbergblog-Herausgeber Werner Lauff, die Themenbereiche Politik und Wirtschaft aus Landsberg abzudecken. Dieser Teil der Zusammenarbeit führte bisher zu 600 Beiträgen, darunter vielen neuen Formaten wie den "Spaziergängen", "Wirtschaft im Gespräch" und "Ratsschmankerl".

Das Spektrum

Bei all dem stellte sich immer wieder heraus: KREISBOTE und landsbergblog verstehen sich beide als detailliert recherchierende Medien mit Mut zu unbequemen Fragen. Die Redaktionen schätzen das Spektrum des Journalismus vom Interview bis zur Satire (und beherrschen es auch). Und sie haben nicht das Ziel, wiederzugeben, was die Politik gerne transportiert sähe; beide Medien fragen stattdessen lieber nach Motiven und Interessen sowie dem, was aus irgendeinem Grund noch nicht gesagt wurde. Das ist keineswegs selbstverständlich. Der KREISBOTE ist eine der wenigen wirklich qualifizierten Wochenzeitungen, weit entfernt vom klassischen Anzeigenblatt. Und der landsbergblog kann nach sechsjähriger Tätigkeit und 1.675 Beiträgen wohl ebenfalls in Anspruch nehmen, eine Sonderstellung einzunehmen, jedenfalls unter den ehrenamtlichen Blogs ohne wirtschaftliche Interessen. Deswegen passt die Zusammenarbeit zwischen landsbergblog und KREISBOTE. Eine andere Allianz könnten wir uns nicht vorstellen. Gleichzeitig lösen wir uns ein Stück von der Unsicherheit des internationalen Hostings und kehren auf oberbayerische Server zurück.

Natürlich bleibt es dabei: Der KREISBOTE berichtet über das, was im ganzen Landkreis passiert, der landsbergblog kommentiert das Geschehen in der Großen Kreisstadt. Jeder bleibt bei dem, was er am besten kann. Die Zusammenarbeit ist eine Ergänzung und keine Fusion.

Eine Umstellung

Auch für Sie ist dieser Wechsel eine Umstellung. Die E-Mail-Benachrichtigungen fallen weg; wer uns noch über RSS-Feeds gelesen hat, wird etwas vermissen. Beim KREISBOTEN bekommen Sie dafür ein landsbergblog-Angebot mit mehr Fotos und mehr Querverweisen auf andere Artikel zu einem Thema, egal ob der Beitrag nun vom landsbergblog kam oder vom KREISBOTEN. Für uns ist dieser Tag jedenfalls ein guter Tag, weil er Sicherheit und Perspektive schafft. Bleiben Sie uns gewogen, als Online-Nutzer und Zeitungs-Leser, geeint in der Überzeugung, dass wir gemeinsam in einer Stadt leben, die zu hegen und verbessern sich lohnt.


Technischer Hinweis: Im Folgenden finden Sie ältere Beiträge des landsbergblog. Aufgrund der kurzfristigen Umstellung der Plattform aufgrund der DSGVO sind Fotos zu diesen Artikeln verloren gegangen. Beiträge, in deren Mittelpunkt Fotos standen, haben wir ausgesondert.


In eigener Sache

Montag, 21.05.2018

Heute wendet sich der landsbergblog in eigener Sache an Sie. In zwei Tagen wird es diesen Blog nach sechs Jahren und 1.675 Beiträgen in seiner alten Form nicht mehr geben. Der Grund dafür ist die "General Data Protection Regulation", die "Datenschutz-Grundverordnung", der Europäischen Union, die am 24. Mai 2018 in Kraft tritt.

Zur Erklärung. Jeder Blog braucht einen Host. Dort werden die geschriebenen Texte und erstellten Bilder zum Abruf bereitgehalten. Dort findet die Aufbereitung der Inhalte für verschiedene (auch mobile) Plattformen statt. Von dort kommen Tools, zum Beispiel die Möglichkeit, neue Beiträge per E-Mail zu erhalten, was Viele von Ihnen nutzen. Unser Host, der Dienst WordPress.com (nicht zu verwechseln mit WordPress.org und der Software "Wordpress" unterliegt dem neuen europäischen Datenschutzrecht nicht. Dummerweise aber wir.

Die Politik weiß, dass viele Dienste im Internet von amerikanischen Unternehmen angeboten werden. Google, Facebook, Amazon, WhatsApp, WordPress, Dropbox, Twitter und YouTube sind prominente Beispiele dafür. Europäische Inhalteanbieter haben sich vergleichbare Services im europäischen Raum gewünscht: Immer wieder haben sich die Gesetzgeber das auch vorgenommen: Wir brauchen "ein deutsches Google", ein "europäisches Facebook", hat es geheißen. Aber das ist nicht gelungen.

Europäer, die im Internet publizieren, können die Einhaltung der anspruchsvollen europäischen Normen durch amerikanische Unternehmen nicht garantieren. Genau dieser Anspruch ist aber Bestandteil der Grundverordnung. Sie unterstellt, jemand, der über WordPress, Google, YouTube oder Facebook Inhalte veröffentlicht, könnte diese Anbieter zu europäischer Normeinhaltung verpflichten.

Das wird nicht funktionieren. Wir fürchten uns daher nicht vor offiziellen Strafen der Behörden; sie wären grotesk. Wir fürchten uns vor Abmahn-Anwälten, die die neue Grundverordnung als Einnahmequelle entdeckt haben und schon mit den Hufen scharren. Der landsbergblog ist bereits einmal Opfer einer Abmahn-Abzocke geworden; ein zweites Mal wünschen wir uns das nicht.

Niemand, der Dienste amerikanischer Anbieter in Anspruch nimmt, kann die Datenschutz-Grundverordnung in ihrer neuen Form einhalten, weil er seinen Dienstleister aus Übersee dazu nicht zwingen kann. Das Thema wird noch enormen Sprengstoff entwickeln. 87 Prozent der deutschen Unternehmen, sagt DIE ZEIT, haben noch keine Ahnung davon, was auf sie zukommt.

Wir schon. Für uns gibt es daher nur eine Option: Wir schalten den auf WordPress.com basierenden landsbergblog am 24. Mai 2018 ab. Wir werden uns um eine Zwischenlösung bemühen. Und den landsbergblog dann neu aufsetzen, und zwar so, dass wir alle Parameter kontrollieren können, die der Gesetzgeber gerne kontrolliert sehen würde.

Sollte jemand von Ihnen erwähnt oder abgebildet sein und noch den ein oder anderen Artikel sichern wollen: Tun Sie's jetzt. Das Archiv geht durch die Umstellung leider verloren.

Es ist schon ein Dilemma. Ja, wir wünschen uns eine einheitliche Rechtsordnung in der ganzen Welt. Ja, wir wünschen uns, dass internationale Konzerne nicht durch Geschäftssitze auf den Cayman-Inseln, in Irland oder in Luxemburg auf der Steuer-Klaviatur spielen können. Ja, wir wünschen uns, dass Verleumder und Lügner über Staatsgrenzen hinweg verfolgt werden können. Und, ja, wir wünschen uns dass weltweit Daten geschützt werden.

Nur: Wir und all die Anderen, die Inhalte erstellen, die außerhalb der EU vorgehalten werden, können das nicht bewirken. Das können nur Politik und Diplomatie. Die Grundverordnung macht sich die Sache zu einfach. Sie trifft die Falschen. Sie produziert Opfer. Sie ist eine Fiktion.


Die Hälfte der Arbeit

Samstag, 19.05.2018

"Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt", steht im Kodex des Deutschen Presserats. Dazu gehört, vor dem Abdruck von Anschuldigungen zumindest zu versuchen, eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen.

Im Artikel steht dann idealerweise Beides: die Anklage und die Verteidigung. Dies gilt umso mehr, wenn zwischen der Veröffentlichung des Vorwurfs und der Antwort mehrere Tage Zeit liegen müssten, so wie es an diesem Pfingstsamstag der Fall ist.

Konkret geht es um einen Artikel des Landsberger Tagblatts (LT) von heute. Darin referiert das LT eine E-Mail von Kreisbereitschaftsleiter Thomas Wagner, in der er dem Kreisverband Landsberg des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) vorwirft, der dort gepflegte Umgang mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern entspreche in keiner Weise den Grundsätzen der Organisation. Daher träten er und acht weitere Ehrenamtler zurück.

Beim "Roten Kreuz" sei "Feuer unterm Dach", titelt das LT.

Angesichts Hunderter ehrenamtlich tätiger Mitarbeiter des BRK Landsberg ist diese Überschrift reichlich gewagt. Aber auch ansonsten ist der Beitrag journalistisch indiskutabel. Weder bekommen wir erklärt, worum es bei dem Streit eigentlich geht. Noch erfahren wir, was denn Vorstand und Geschäftsführung dazu sagen.

Letzteres kommt zwar schon mal vor. Dann liest man in Zeitungen Sätze wie "Vorstand und Geschäftsführung waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen". Im vorliegenden Fall stand das aber nicht da und konnte auch nicht da stehen: Wie BRK-Kreisgeschäftsführer Andreas Lehner auf Nachfrage des landsbergblog erklärte, habe er keine Anfrage des LT erhalten. Das Pikante daran: Lehner hatte in anderer Angelegenheit gestern sogar noch mit der Redaktion des LT telefoniert.

Das LT hat offenbar auch den Vorstand nicht gefragt. Alex Dorow, Michael Vivell, Albert Thurner, Barbara Juchem, Michael Kießling, Christoph Wohlfahrt und weitere 21 Mitglieder hätten sicher Auskunft gegeben. Sie hätten dann wohl verdeutlicht, dass die Auseinandersetzung schon monatelang schwelt, der Vorstand darüber längst beraten hat, aber anderer Auffassung als Wagner ist, und das Thema bei Weitem nicht so hoch hängt, dass die Hütte brennt.

Es kommt immer wieder vor, dass in Organisationen unterschiedliche Meinungen bestehen. Die Presse tut in solchen Fällen gut daran, sich nicht einspannen zu lassen. Dazu gehört, sensibel nachzuhorchen: Worum geht es überhaupt? Und was sagen die Anderen dazu? Erst dann ist die Geschichte, wenn sie denn überhaupt die Schwelle zum öffentlichen Interesse überschreitet, druckfertig. Nur die Hälfte der Arbeit zu tun und anschließend Pfingsten zu feiern, das geht nicht.


EIL: Stadtrat lehnt Empfehlung ab

Mittwoch, 16.05.2018

Der Stadtrat hat die Empfehlung der Bürgerversammlung mit 19 zu 5 Stimmen abgelehnt, über die Fortsetzung der Planung bzw. Realisierung weiterer großer Bauprojekte erst dann zu entscheiden, nachdem ein zukunftsfähiger Verkehrsentwicklungsplan vorgelegt und umgesetzt wird.

Die Ablehnung beruhte im Wesentlichen auf der vorgeschlagenen Formulierung. Die Stadträte sind aber nicht gänzlich anderer Meinung als die Bürger. Oberbürgermeister Mathias Neuner regte an, dass die Fraktionen Anträge stellen, die den Willen der Bürger, der im Grunde auch dem Willen des Stadtrats entspricht, in anderer Form formulieren.


EIL: Stadtrat lehnt Ein-Prozent-Begrenzung ab

Mittwoch, 16.05.2018

Viele Stadträte haben am Abend erhebliche Einwände gegen den Antrag der CSU-Fraktion geäußert, das jährliche Bevölkerungswachstum in Landsberg ab sofort auf ein Prozent zu begrenzen. Die Hauptargumente: Wie, mit welchen Maßnahmen, soll diese Begrenzung erfolgen? Wie soll sie kontrolliert werden? Wen trifft sie? Und welche Auswirkungen hat sie auf die Kaufpreise und Miethöhen?

Der landsbergblog hatte in seiner Analyse des Antrags bereits darauf hingewiesen, dass der Vorschlag wohl eher plakativ gemeint war. Christian Hettmer bestätigte das in der Diskussion indirekt, indem er der UBV vorwarf, "die Leute aufzuwiegeln" und den Eindruck zu erwecken, Landsberg wachse unangemessen. Die vorgeschlagene Ein-Prozent-Grenze entspreche den bisherigen Planungen. Mehr als ein Prozent jährlich werde die Stadt ohnehin nicht wachsen.

Oberbürgermeister Mathias Neuner hatte den Antrag unterstützt. "Die Leute haben Angst, dass wir zu viel bauen. Das wurde vor allem in der Bürgerversammlung deutlich. Ich würde gerne ein klares Bekenntnis dagegen setzen. Wir haben in den letzten Jahren kein größeres Wachstum gehabt. Und wir werden auch in den nächsten Jahren kein größeres Wachstum planen. Wir kontrollieren das Wachstum, zum Beispiel über das Tempo bei Grundstücksverkäufen."

Die CSU-Fraktion zog den Antrag aufgrund des Widerstands aus den anderen Fraktionen zunächst zurück.


EIL: Stadtwerke bleiben weisungslos

Mittwoch, 16.05.2018

Der Stadtrat hat am Abend mit knapper Mehrheit von 14 zu 12 den Vorschlag der CSU-Fraktion abgelehnt, dass die Festlegung von Tarifen und Entgelten für Inselbad und Parkgaragen durch die Stadtwerke Landsberg künftig den Weisungen des Stadtrats unterliegen soll.

Damit kann das Kommunalunternehmen diese Preise theoretisch nach wirtschaftlichen Kriterien festlegen. Konkret ist eine Erhöhung der Parkgebühren im Frühjahr 2019 zu erwarten. Allerdings gab es rechtliche Bedenken, insbesondere von Verwaltungsratsmitglied Felix Bredschneijder (SPD): Der Verwaltungsrat der Stadtwerke stimme gar nicht über Einzelmaßnahmen wie Tarife und Entgelte ab; insofern laufe eine Weisung ins Leere. Auch Oberbürgermeister Mathias Neuner (CSU) stimmte gegen den Antrag.


EIL: Stadtrat befürwortet Hopfengarten-Projekt

Mittwoch, 16.05.2018

Der Stadtrat hat am Mittwoch Abend gegen den Wunsch mehrerer aber wohl nicht aller Anwohner die verbesserte Version des Antrags zur Bebauung des Hopfengarten-Areals in der Walmdach-Variante akzeptiert.

Hauptgegner war die UBV, die in einer Tischvorlage Bedenken eines beauftragten Anwalts weitergab, das Ortsbild werde beeinträchtigt. Die Stadtratsmehrheit setzte sich mit 16 zu 11 Stimmen darüber hinweg. Mehr dazu am Mittwoch im KREISBOTEN.


EIL: Stadtratsmehrheit will Verkehrsberuhigung

Mittwoch, 16.05.2018

Der Landsberger Stadtrat hat am Abend mit 19 gegen acht Stimmen den Grundsatzbeschluss gefasst, Anwohnerstellplätze aus dem Altstadtbereich, insbesondere aus dem Vorder- und Hinteranger, zu verlagern.

Damit hat er zugleich die formelle Voraussetzung für eine Bezuschussung der erwogenen Tiefgarage unter dem Jugendzentrum geschaffen. Über die Garage selbst hat er aber noch nicht entschieden. Allgemeine Überzeugung war zudem, dass eine intensive Beteiligung aller Bürger, nicht nur der Anwohner und Einzelhändler, stattfinden soll. Viele Stadträte waren aber der Meinung, dass über die Art und Weise der Beteiligung, vor allem über Zielgruppen und Methoden, noch diskutiert werden muss. Beide Tagesordnungspunkte sollen in der nächsten Sitzung beraten werden. Die Sitzung war maßgeblich durch einen Richtungsstreit bestimmt und verlief in Teilen chaotisch. Mehr dazu morgen im KREISBOTEN.


Verkehrskonzept, Schritt 1

Montag, 14.05.2018

Am Mittwoch trifft der Stadtrat eine wichtige Entscheidung: Leitet er - als Schritt 1 eines umfassenden Verkehrskonzepts - die Verkehrsentlastung von Vorder- und Hinteranger ein?

Die Möglichkeit dazu ergibt sich aus der Option, den Anwohnern und Berufstätigen mit einer Erweiterung der Lechgarage unter dem Jugendzentrum Dauerparkplätze zur Verfügung zu stellen (Dauerparker) und zugleich weitere Parkmöglichkeiten für diejenigen zu schaffen, die sich in der Altstadt mehr als nur zehn Minuten aufhalten wollen (Aufenthaltsparker). Nachdem die Garage fertig ist, die Plätze vergeben sind und die neuen Möglichkeiten bekannt gemacht wurden, können bestehende oberirdische Parkmöglichkeiten in der Altstadt für maximal zehnminütiges "Holen und Bringen" (Hol- und Bring-Parker) reserviert werden.

Wir haben hier absichtlich neue Begriffe gewählt. Das Wort "Halten" passt verkehrsrechtlich nicht - das wäre auf drei Minuten begrenzt; die "Landsberger Kulanz" von zehn Minuten gibt es eigentlich nicht. Und das Wort "Kurzparken" ist zu ambivalent. Darunter versteht jeder etwas anderes; rechtlich bezeichnet es irgendeine Parkdauer zwischen drei Minuten und mehreren Stunden.

Positive Wirkung

Welche Wirkungen hätte diese Kombination aus dem Bau der Parkgarage und der Reduzierung der oberirdischen Parkmöglichkeiten auf den Hol- und Bringverkehr? Sie würde den Parksuchverkehr von Dauer- und Aufenthaltsparkern komplett entfallen lassen. Die "Schleife" Vorderer Anger / Schulgasse / Hinterer Anger würde nur noch von Hol- und Bring-Parkern befahren. Die Schloßberggarage und die erweiterte Lechgarage würden Dauer- und Aufenthaltsparker rechtzeitig "absaugen".

Im Hinteranger würde der Verkehr ruhiger fließen, weil der Parksuchverkehr entfällt und seltener in Parkplätze rangiert werden muss. Damit reduziert sich die Umweltbelastung: Weniger Bremsvorgänge, weniger Stop and Go, kürzere Durchfahrtzeit. Gleichzeitig könnte man das Pflaster im Hinteranger ersetzen; nach dem Wegfall der Straßenausbaubeiträge geht dies auch ohne finanzielle Anwohnerbeteiligung.

Kleine Lösung

Dieses Konzept setzt allerdings voraus, dass man nicht darauf hofft, den Ost-West-Verkehr durch den Hinteranger komplett zu ersetzen. Alle dazu existierenden Möglichkeiten sind mit großen Nachteilen verbunden: Der Hauptplatz ist umwelttechnisch bereits grenzwertig belastet, der Tunnel kostet zu viel, die große Südumgehung ist Flächenfraß und der Weg durch die Krachenbergschlucht zerstört das Stadtbild. Schließlich: Die Annahme, Autofahrer davon überzeugen zu können, vom Bayertor zunächst anderthalb Kilometer über zwei Kreisel nach Osten zu fahren, um dann die Autobahn zu nehmen, ist absurd.

Damit bleibt in Sachen Hinteranger nur die am Mittwoch zur Debatte stehende "kleine Lösung". Sie ist das mildeste Mittel des Eingriffs. Zwar können Händler oder Dienstleister, deren Geschäftsmodell auf einer längeren Aufenthaltsdauer basiert, nun nicht mehr sagen, man könne während des Besuchs bei ihnen vor der Tür parken. Aber das war ohnehin eine Fiktion. (Aufenthalts-) "Parken vor der Tür" ist in den meisten Fällen ein Lockvogel-Angebot, denn bei langer Verweildauer glücklicher Parkplatznutzer ist selten etwas frei.

Gewinn für Vorderanger

Auch für den Vorderanger ist die Reduzierung des Parksuchverkehrs und die Begrenzung der Parkmöglichkeiten auf Hol- und Bringparker ein Gewinn. Zwar sieht die Stadtverwaltung, wie aus der Vorlage deutlich wird, in den Beschlüssen von Mittwoch eine Vorentscheidung in Sachen "Fußgängerzone Vorderanger". Das ist aber nicht zwingend. Auch nach den Stadtratsbeschlüssen am Mittwoch gibt es für den Vorderanger noch alle Optionen. Sie sollten sorgfältig im Rahmen der Bürgerbeteiligung erörtert werden. Es sprechen eine Reihe von Argumenten gegen eine Fußgängerzone. Wer den Vorderanger, vom klassischen Lieferverkehr abgesehen, für Autos schließt, muss sich auch über die Ersatzwege zum Hinteranger Gedanken machen. Wollen wir viele Linksabbieger vom Hauptplatz in die Schlossergasse hinnehmen? Riskieren wir, dass der Schleichweg "Roßmarkt / Vordere Mühlgasse / Schulgasse" an Bedeutung gewinnt? Oder machen wir alle diese Routen zu, womit die Hol- und Bring-Parkplätze am Hinteranger nur noch von Osten erreichbar wären?

Außerdem: Es ist Händlern, Dienstleistern (zum Beispiel Friseuren) und Freiberuflern (zum Beispiel Ärzten und Anwälten) zuzumuten, Besucher für längere Verweildauern auf Parkgaragen zu verweisen. Aber ihnen die Möglichkeit zu nehmen, vor das Geschäft vorzufahren, um jemanden oder etwas abzuholen, könnte ein allzu abrupter Wechsel sein, ein Übermaß.

Handel im Wandel

Auf der anderen Seite: Viele Beobachter sind davon überzeugt, dass der Einzelhandel vor einem grundlegenden Wandel steht. Er hat in den kommenden Jahren ein doppeltes Problem. Es geht nicht nur darum, dass viele Käufer, zunehmend unterstützt und animiert durch neue Technologien wie Sprachassistenten, Waren online bestellen. Es geht auch darum, dass durch die Digitalisierung nach und nach Gründe zum Innenstadt-Besuch wegfallen. Schon jetzt ist der Weg in die Sparkassen-Filiale offenbar entbehrlich geworden. Viele Sprechstundenbesuche könnten demnächst durch Live-Gespräche mit Patienten und Diagnose-Tools überflüssig werden; das Fernbehandlungsverbot ist gerade gelockert worden. Die elektronische Verwaltung könnte das Bürgerbüro ersetzen; inzwischen gibt es sogar schon Versuche, Grundbuchsachen mit Blockchain-Technik abzuwickeln.

Die Innenstadt verliert ihre inhärente Magnetwirkung: Man muss da irgendwann nicht mehr hin. Deswegen gibt es für die Kommunen und den Handel nur eine Lösung: Wir brauchen einen neuen Magneten. Und das kann nur das "Erlebnis Innenstadt" mit hoher Aufenthaltsqualität sein, mit vielen Restaurants, Cafés und Geschäften mit spannenden Angeboten. So etwas geht nicht, wenn man Autos breiten Raum einräumt und Kunden auf Gehwege reduziert. Insofern könnte die Stadt mit einer Fußgängerzone segensreich wirken.

Ein wichtiger Tag

Nun gilt es, nicht nur Vor- und Nachteile abzuwägen, sondern auch über Zwischenlösungen zu beraten. Vielleicht brauchen wir tatsächlich noch ein paar Jahre, bis die große Lösung Akzeptanz findet. Es wäre auch denkbar, erst einmal die Wirkungen von Schritt 1 abzuwarten. Zumal: Nach diesem ersten Schritt am Mittwoch kommen ja noch viele weitere Schritte, die zu "mehr Mobilität bei weniger Autoverkehr" führen sollen: Bessere Radwege, Abstellplätze für Fahrräder und ein erneuertes Bussystem zum Beispiel.

Also: Mittwoch ist ein wichtiger Tag für Landsberg. Schon die Reduzierung des Parksuchverkehrs und die Beschränkung von Vorder- und Hinteranger auf Hol- und Bringparker wird, im Zusammenhang mit der Schaffung neuen Garagen-Parkraums, viel bewirken. Ob und wann Schritt 2 - die Fußgängerzone Vorderer Anger - folgen kann, muss aber zunächst offen bleiben. Das ist Gesprächs-, aber kein Beschlussgegenstand. Schritt 1 sollte so verstanden mehrheitsfähig sein.


Es bleibt immer etwas hängen

Donnerstag, 03.05.2018

"Die Gerüchteküche um den Papierbach brodelt. In Landsberg wird erzählt, dass der Projektträger das Gelände der ehemaligen Pflugfabrik verkaufen will." Das steht heute plakativ mit großen Lettern im Landsberger Tagblatt (LT). Wer den langen Artikel liest, in dem das LT gleich noch die Themen "Vertriebsstart" und "Mobilität" einfließen lässt, erfährt zwar, dass sowohl Projektentwickler ehret + klein wie auch Oberbürgermeister Mathias Neuner energisch darauf hinweisen, dass dieses Gerücht (von dem beide noch nie etwas gehört hatten) keinerlei Grundlage hat. Dennoch hielt die Redaktion an der Überschrift und dem "Lead"-Satz fest.

Dass eine ansonsten seriöse Zeitung ein dementiertes Gerücht durch Veröffentlichung verstärkt, kommt eigentlich nur in einem Fall vor: Wenn die Zeitung der Richtigstellung durch die handelnden Personen nicht glaubt.

Das wissen auch die Leser. Schon nach kurzer Zeit erhielten wir, wie zum Beweis, die erste Nachfrage: "Da ist ja scheinbar eine Krise. Die Verantwortlichen haben zwar alles abgestritten. Aber wenn das LT es trotzdem schreibt, muss ja was dran sein". Das ist eine allgemeine Erfahrung. Chefredakteure zitieren gerne den lateinischen Spruch "Semper aliquid haeret". Der heißt, im Zusammenhang übersetzt, auf deutsch: Verleumde nur dreist, es bleibt immer etwas hängen.

Auch wir vom landsbergblog haben von dem Gerücht, das das LT heute kolportiert hat, noch nie etwas gehört. Kollegen von uns auch nicht. Und der Kollege, der eigentlich immer alles weiß, auch der weiß hier von nichts. "Brodeln" dürfte etwas Anderes sein.

Dabei hören wir eine Menge Gerüchte. Zuletzt wurde uns am Freitag eins zugespielt, über eine angebliche Schlechtleistung eines Auftragnehmers der Stadtverwaltung. Wir machen uns in solchen Fällen die Mühe, die Sache zu recherchieren. In diesem Fall wurde klar: Das war fake news; es war nichts dran. Wir haben dann den Informanten über das Ergebnis der Recherche informiert und die Sache "zu den Akten" genommen. Für den Fall, dass das Gerücht nochmal aufkommt.

Wir hätten natürlich auch schreiben können: "Die Gerüchteküche um Auftragnehmer X brodelt. In Landsberg wird erzählt, dass der Auftragnehmer der Stadt an anderer Stelle schlechte Arbeit geleistet hat. Was der Auftragnehmer dazu sagt." Selbst wenn wir dann im Text geschrieben hätten, unsere eigene Recherche zeige, dass da nichts dran ist, hätten wir ein Stück Unsicherheit geschaffen. Oberflächliche Leser würden das Gerücht dennoch speichern. Es bleibt immer etwas hängen.

Im vorliegenden Fall übrigens wäre ein Verkauf des fraglichen Geländes rechtlich gar nicht möglich. Wir stellen das - aus detaillierter Kenntnis der abgeschlossenen städtebaulichen Verträge - ohne weitere Erläuterung in den Raum, weil wir bewusst nicht deutlicher werden wollen.

Liebes LT, hört bitte auf, dementierte Gerüchte, an denen nichts dran ist, durch Veröffentlichung zu verstärken. Das ist Journalismus auf yellow press-Niveau. Und da steht Ihr weit drüber.


Wie die Stadt Konsens fingiert

Sonntag, 29.04.2018

"Das war eine enttäuschende „Bürgerkonferenz“ gestern Abend im Historischen Rathaus. Anstatt den am 10. April veröffentlichten Zielentwurf des Handlungsfelds „Mobilität und Umwelt“ mit den Bürgern zu beraten, haben die Verantwortlichen vorgezogen, erneut drei Workshop-artige Gesprächsrunden durchzuführen.

Darauf wurde uns entgegnet, das sei immer so geplant gewesen. Auch auf der Website von "Landsberg 2035" stehe doch klar und deutlich: "Je Handlungsfeld werden bis zu drei Leitprojekte in die Bürgerkonferenz gegeben mit dem Ziel, neue Ideen und Impulse einzubringen und Konsens zu den Zielen und Leitprojekten zu haben." Tatsächlich steht das da. Das hat jemand vor Kurzem so formuliert.

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Schon die Formulierung zeigt aber, dass da etwas nicht stimmt. Wie kann man durch Ideen und Impulse zu Leitprojekten Konsens zu den Zielen erreichen? Mit "Zielen" ist ja das abschließende Ergebnispapier gemeint, der strategische Plan Landsbergs für die nächsten 17 Jahre, den der Stadtrat demnächst beraten und verabschieden soll. Niemand kann die Erörterung der drei Leitprojekte am Donnerstag dahingehend umdeuten, nun bestehe auch zu den auf acht Seiten ausformulierten Zielen Konsens. Damit wird der Konsens der Bürger fingiert. Das ist Pseudo-Bürgerbeteiligung; ein Placebo.

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Dass das nicht so geplant war, wie man es nachträglich auf der Website formuliert hat, ergibt sich auch aus dem Konzept der Bürgerbeteiligung, das die Stadtverwaltung am 13. Dezember 2017 dem Stadtrat vorgestellt hat und das dieser "zur Kenntnis nahm". Dort heißt es, die Stadt strebe im Dialog aller Beteiligten einen Bürgerkonsens zu den Zielen an. Das Ziel der Bürgerkonferenzen sei der "Konsens zu den Zielentwürfen". Dieser Konsens sollte durch "Einverständniserklärung zu den Zielen durch die Anwesenden" erfolgen. Zu den Leitprojekten sollte zusätzlich ein "Stimmungsbild" eingeholt werden.

Auf diesen Widerspruch haben in der Bürgerkonferenz am Donnerstag zwei Bürger hingewiesen. Nach der Einführung von Ordnungsamtschef Ernst Müller, der verdeutlichte, dass es heute an runden Tischen um "spannende Themen" gehen sollte, zu denen er "viel Spaß" wünschte, sowie der Einführung der Moderatorin, es gehe jetzt um "Ihre Ideen und Anregungen zu den drei Projekten", meldeten sie sich zu Wort.

"Soll das Thema denn jetzt durch die drei Leitprojekte erledigt sein? Die Projekte decken doch nicht alle Ziele ab, etwa im Umweltbereich", fragte eine Bürgerin. Projektleiter Ralf Stappen verstand die Frage nicht oder gab das zumindest vor: "Wir haben ja in jedem Handlungsfeld nur drei Leitprojekte". Die Themen gingen außerdem sehr weit, ergänzte die Moderatorin; auch Carsharing habe schließlich mit Umweltschutz zu tun. Man könne das an den Tischen ansprechen. "So, das ist die Möglichkeit die Sie haben".

Ein Bürger fragte nach: "Wie gehen Sie denn mit den Themen um, die nicht durch die Leitprojekte herausfokussiert sind, die uns aber am Herzen liegen? Platzieren wir das noch irgendwo oder sagen Sie: Vergessen Sie's, die Diskussion ist schon gelaufen?" Ralf Stappen: "Wir haben ja schon viele Ideen gesammelt. Die Leitprojekte haben ja auch Beziehungen zu anderen Themen wie Umwelt".

Der Bürger: "Es ging jetzt gar nicht um das Thema Umwelt. Nehmen wir mal das Beispiel Flächenverbrauch. Stellen wir das jetzt heute zur Seite?" Stappen: "Vertieft werden wir darüber heute nicht diskutieren". Der Bürger: "Also, es passiert nichts?" Die Moderatorin: "Das können Sie jetzt noch gar nicht sagen, dazu muss Herr Stappen erst die Ziele vortragen". Offenbar wusste sie nicht, dass die schon tagelang schriftlich vorlagen.

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Das Fazit: Die Bürgerkonferenzen sollen einen "Konsens zu den Zielentwürfen" herbeiführen und in einer "Einverständniserklärung der Anwesenden" münden. Nichts davon ist in der ersten Bürgerkonferenz geschehen. Stattdessen durften die Bürger nur über drei Leitprojekte sprechen und damit allenfalls - am runden Tisch - indirekt über den Zielentwurf, soweit sich die Diskussion über das eigentliche Thema hinaus ausdehnen ließ.

Aufgrund der Formulierungen auf der Website ist leider auch davon auszugehen, dass diese Abweichung vom im Stadtrat vorgetragenen Konzept kein Zufall, sondern Absicht ist. Irgendjemand hat beschlossen, die geplante letzte Einbeziehung der Bürger elegant zu umkurven.

Dieses Vorgehen ist töricht, weil es dazu führt, dass die Legitimation der Projektergebnisse verloren geht. Außerdem werden Zuschüsse gefährdet, wenn ein Verfahren beschrieben, aber nicht eingehalten wird. Es bleibt daher nur eines: Die weiteren Bürgerkonferenzen müssen so ablaufen, wie die Projektverantwortlichen es dem Stadtrat versprochen haben. Und die bereits absolvierte Bürgerkonferenz zu "Mobilität und Umwelt" ist zu wiederholen.


Überschrift

Wochentag, TT.MM.JJJJ

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